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Das flandrische Jüngferlein

In Oignies, dem galanten Städtchen, hat Jacobus de Vitry drei Jahre – statt Gottes – die schöne Beguine Marie angebetet; und ist doch später ein gar berühmter Prediger worden des Kreuzes gegen die Sarazenen, Bischof von Akka und Kardinal – die Beguine aber Äbtissin – bis eine gemeinsame Gruft das christliche Paar vereinte; ein Beweis, daß fromme Liebe nicht wider die Gebote ist.

Im selben Oignies aber und um die nämliche Zeit – Jacobus verbürgt es – lebte ein Ritter, mit Namen Guiraut de Bossay – zwar über die erste Jugend hinaus, doch auch als reifer Geselle noch ein Brausekopf, empfänglich für Frauenschönheit, ihr heißer Dichter und Verehrer. Man wußte von ihm: wenn er sich in ein Mägdlein verschaut hatte, ließ er nicht locker, bis er sein Ziel erreichte.

Und da Treue nicht eben seine schwere Bürde war, seine Augen aber weithin spähten, abends wie des Morgens, hatten mählich all die Jüngferchen der Stadt vor ihm zu zittern, nach ihm zu schmachten und ihm balde zu erliegen.

Da konnte nicht ausbleiben, daß sich sein Verlangen endlich auch nach der Jüngsten richtete: eines verstorbenen Bäckers siebzehnjähriger Tochter Magelone. Sie war über die Maßen hübsch, eine frische, tauige Teerose.

Doch sie war auch so sittsam, wie sie hübsch war – in ihrer Unschuld bebte sie vor dem Mann, dessen Ruf soviel Siege über Frauenherzen kündete.

Als Waise fühlte sie sich ihrem Bedränger schutzlos preisgegeben. Und da er ihr schwor: er werde nie und nimmer von ihr lassen, ihr magdlicher Widerstand habe sein Gelüst erst recht entzündet – in ihrer Not beschloß sie, sich der Äbtissin von St. Catherine anzuvertrauen – eben Frau Marie de Oignies.

»Mutter«, bat sie, – ihr Gesichtchen glühte, und Tränen holder Scham rollten darüber – »Mutter, Herr Guiraut ist mir auf den Fersen – beschirmt mich, denn anders weiß ich kein Entkommen vor dem kecken Ritter.«

»Sei ruhig, Töchterchen,« sprach die Äbtissin, »ich will dich so wohl verbergen, daß er dich nimmer finden wird.« Und rasch führte die Dame ihren Schützling hinter einen zerschlissenen Vorhang im Winkelchen der Sakristei.

Heftige Schläge am Tor. Zank der Pförtnerin – eine rauhe Stimme hallt. Dröhnende Schritte, Sporenläuten – ein Schleppeisen klirrt mächtig auf den Fliesen.

Herr Guiraut de Bossay kümmert sich nicht um Einreden; scheucht Schwärme gackernder Nonnen vor sich her; bricht flottweg die Klausur. Rumort auf der Diele, stöbert im Refektorium, schnüffelt in den Zellen.

Vergeblich eilt, von den Nonnen herbeigekreischt, der Beichtvater des Klosters daher, Jacobus de Vitry; fährt ins Ornat – und im weißgoldnen Ornat, vom Altar beschwört er den Ritter, den heiligen Boden zu achten, droht mit dem Zorn des Bischofs und des Königs, mit dem Bann.

Der laute Soldat stampft die Kirche ab und sucht – lockt mit freundlichem Gelächter:

»Wo steckst du, Kleinchen, Meinchen?
Komm, so gibt es Weinchen –
süßen Wein und Zuckerplätzchen
für das Schätzchen, Miezekätzchen.
Laß dich nur geschwind erspähn
vom Helden der Touraine.«

Dreimal schreitet der Ritter blind vorbei an Magelonens Winkel – das Herz steht ihr still vor Angst. Da sieht sie durch Vorhangs Lücken, wie der Ritter, mißmutig und enttäuscht, sein zärtliches Vorhaben aufgeben, die Kirche verlassen will.

In ihrer Einfalt ruft sie – nach Kinderart:

»Kuckuck.«

»Kuckuck« – und schon hat der Ritter sie aus ihrer Lauer gezogen – und sie lachen einander glücklich an – und Küsse ersticken das Lachen – und ob der Pfarrer auch am Altar noch wettert, führt der Ritter ihm die Erwählte entzückt zur Trauung zu – und während die Äbtissin ihre Sprache noch nicht hat, knien die Liebenden schon auf den Marmorstufen, um das Sakrament der Ehe zu empfangen – Herr Guiraut de Bossay und die hübsche Bäckerstochter Magelone – das letzte Mädchen von Oignies, das ihm in der Sammlung seiner Triumphe gefehlt hat.

Der Kirchenbann ist dem tapfern Ritter erspart geblieben – der Bischof hat verziehen und der König um die Freveltat nicht einmal erfahren.


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