Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Münchener Frühling

Die Szene spielte sich ab in den Tagen des Maibocks.

Schlenderte da im Abenddämmern eine junge Dame vom Luitpoldblock her durch den Schwibbogen nach der Salvatorstraße.

Ein Unbekannter folgte ihr, beschwingt von ihrer Anmut, beschwingt von ... Maibock und Frühling.

Vielleicht hatte sie unvorsichtig einen Blick zu viel getan, zu warm erwidert: im Schwibbogen, wo es finster ist, nahte sich der Fremde, sprach drei huldigende Worte – und nach dieser kurzen Werbung wollt er die junge Dame küssen.

Sie schrie auf. Sie wehrte sich; rief deutlich:

»Hilfe!«

Der Bildhauer Lehr, desselben Wegs, vom Maibock, hatte den kecken Vorgang beobachtet; vielmehr: die Dame.

Sprang herzu; und mit dem Ungestüm des Künstlers, mit der robusten Bildhauerpranke äußerte er dem Fremden sein Mißfallen.

Worauf der Fremde sich leisjaulend trollte; die junge Dame aber nicht Worte genug des Dankes fand.

Es sei so finster hier im Schwibbogen, so graulich.

Nun, Lehr wird sie nach der bewohntem Gegend geleiten.

Wo aber der Schwibbogen in die Salvatorstraße mündet, brannte die erste Laterne.

Lehr sah, wie hübsch, wie niedlich die Beschützte war.

Sprach drei huldigende Worte – und nach dieser kurzen Werbung küßte er sie.

»Aber!« rief sie. »Herr! Ich dachte, Sie sind ein Kavalier!«

»Naa,« antwortete Lehr in schönem Bariton. »Gawlier – des war der andre. I bin Bildhauer.«


 << zurück weiter >>