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Ein Briefwechsel

Roda Roda, Berlin-Schöneberg, Innsbruckerstr. 44,
an
Carl Hagenbeck,
Inhaber Heinrich und Lorenz Hagenbeck,
Im- und Export von Tieren für Zoologische Gärten und Privatparks,
Stellingen, Bezirk Hamburg.

Sehr geehrter Herr Hagenbeck!

Sie wissen: Hans Reimann gibt zu Frankfurt eine Zeitschrift heraus: ›Das Stachelschwein.‹ Sehr amüsante Zeitschrift.

Darin hat er von ›Roda Rodas Roman‹ ungemein nett gesprochen. Soviel Lobes schäm ich mich beinah.

Ich gedenke nun Hans Reimann zu zeigen, wie dankbar ich ihm bin. Gewöhnlich macht man das so, daß man selbst wieder ein Buch des andern vornimmt, durchblättert und in der Zeitung anpreist. Gewiß, das will ich auch. Doch vor allem möchte ich Hans Reimann ein Stachelschwein schenken.

Bitte, offerieren Sie mir ein Stachelschwein. Ein hochprimissima springlebendiges Stachelschwein, frankofurtammain. Ein herzensgutes Tier, absolut unbissig, zimmerrein, und soll womöglich Toni heißen. Falls Sie keinen Toni auf Lager haben – erlauben Sie, daß ich selbst ihn noch nachträglich so taufe?

Und was essen Stachelschweine? Muß man sie mit Maulkorb ausführen? Vertragen sie Kälte? Starkbier? Meerrettich? Stachelbeeren?

Wie alt kann ein Stachelschwein werden – und welches sind seine besten Mannesjahre? Sagt man ›Bock‹ oder ›Rüde‹ zu einem männlichen Stachelschwein? Heißt die Gemahlin ›Sau‹, ›Henne‹ oder wie sonst? – Darf man ein Stachelschwein wider den Stachel löken?

Ihrer werten Antwort entgegensehend – usw.

Carl Hagenbeck an Roda Roda

Antwortlich Ihres geschätzten Schreibens vom 5. d. M., erlaube ich mir, Ihnen freibleibend, Zwischenverkauf vorbehalten, anzubieten:

1 weibl. Stachelschwein, groß RM 350.–
1 dito dito mittelgroß RM 300.–
1 dito dito klein RM 250.–
1 Sundastachelschwein     RM 175.–

Die Preise verstehen sich inkl. Verpackung ab hier. Versand auf w. Rechnung u. Gefahr gegen Voreinsendung des Betrages. Die Fracht würde sich von der Station Altona/Elbe bis Frankfurt/Main auf etwa 8.– Mark stellen.

Hoffend, mit einem Auftrag von Ihnen beehrt zu werden, zeichne hochachtungsvoll usw.

Roda Roda an Carl Hagenbeck

Leider haben Sie in Ihrem Brief vom 9. d. M. die wenigsten meiner Fragen beantwortet, mich vielmehr vor neue Rätsel gestellt.

Sie wollen mir da Säue und Hennen in drei Größen andrehen, ferner ein Sundastachelschwein zu 175 M. – Was aber ist ein Sundastachelschwein? Welche besondern Nachteile hat es – und wenn es keine hat: warum ist es so wohlfeil? Ist es weniger stachelig? weniger schweinisch? Es fehlt in Ihrem Brief auch jegliche Andeutung über das Geschlecht des offerierten Sundastachelschweines.

Hören Sie, Herr Hagenbeck, ich lasse mich nicht dumm machen. Mit einem geschlechtslosen Tier ist mir nicht gedient.

Ich brauche bestimmt einen Hengst, oder wie Sie den jungen Mann sonst nennen. Ich will Ihnen auch sagen, warum:

Die Humoristen sind dem Volksglauben nach Melancholiker. Bei Hans Reimann trifft das zwar nicht zu – dafür aber ist er überaus gemütvoll.

Wenn ich ihm nun eine Stachelhündin schenke – er wird den Gedanken nicht loswerden: »Am Ende ist meine Geiß schwanger; am Ende liegt das Kind verkehrt.«

Die Befürchtung, monatelang gehegt: das Stachelkind könnte verkehrt liegen, was wird die arme Mutter leiden müssen – diese schauderhafte Vorstellung, dess bin ich sicher, wird Freund Reimanns Seele geradezu zerrütten.

Selbst wenn ich ihm aus Stellingen einen garantierten Bullen verschreibe – Reimann, der Zweifelsüchtige, wird sich sagen: »Und wenn es nun doch kein Bulle ist? Sondern eine Kätzin? Wenn sie, Gott behüte, ein süßes Geheimnis hat und das Füllen siehe oben?«

Kurz, ich habe mich entschlossen, von einem Stachelschwein für Reimann endgültig abzusehen.

Offerieren Sie mir, bitte, statt dessen goldne Manschettenknöpfe, ganz glatt, nur mit dem Monogramm H. R. und der sächsischen Krone.

Ergebenst usw.

Carl Hagenbeck an Roda Roda

Keine Antwort.


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