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Die Versicherung

Kaum hatte ich die Villa in Galatz gekauft, im Mai, da rannten mir die Agenten der ›Olympia‹ die Türen ein: ich sollte mich doch versichern.

Lange wehrte ich mich. Endlich mußt ich klein beigeben – wie folgt: die Tante gegen Unfall; die Villa gegen Hagel; die Möbel gegen Brand. Aber ich habe mit der ›Olympia‹ im ganzen wenig angenehme Erfahrungen gemacht.

Was soll ich Ihnen sagen – am 13. Juni, einem Freitag, schlägt der Blitz bei uns ein; schlägt die Tante tot, vernichtet einen Regenschirm, und das Klavier fing an zu brennen.

Gut, sagte ich mir – wo die Tante tot ist – ich selbst bin nicht musikalisch – laß es brennen! Unterdessen sah ich die Police durch, hinten die gedruckten Statuten, und fand da einen § 19: ich müßte den Schaden sofort anmelden.

Schaden anmelden kann ich doch erst, wenn ich weiß, wie weit die Sache mit dem Klavier gedeihen wird. – Es erlosch von selbst, nachdem die rechte Hälfte, ungefähr bis fis, verzehrt war.

Am selben Tag noch, mit Windeseile kam Dominul Ghizu, Generaldirektor der Olympia-Provinz, und fragte:

»Also! Was is los?«

Schon diese barsche Einleitung ließ nichts Gutes ahnen.

Ich führte ihn zum Klavier und wies stumm darauf. Stumm zeigte ich ihm auf dem Kanapee die Tante.

Er betrachtete sie und sprach mißbilligend:

»Na, die war auch nicht mehr die Jüngste. – Sonst noch etwas?«

»Ja«, antwortete ich. »Was Sie jetzt vielleicht für einen eisernen Besen halten oder eine Vorrichtung zum Schaumschlagen, war heute morgen noch mein Regenschirm.«

»Der ganze Vorgang,« sagte der Direktor, »ist sehr verdächtig, um nicht zu sagen: kurios. Wie soll sich denn das abgespielt haben?«

»Oh, es ist rasend rasch gekommen, gegen drei. Wir sitzen gemütlich ...«

»Am offenen Fenster?«

»Ja.«

»Am of–fe–nen Fen–ster,« wiederholte der Direktor und notierte sich's in sein Taschenbuch.

»Wir sitzen so – die Tante am Klavier – ich hier auf dem Stuhl – draußen wetterte es ein wenig. Tante spielt ganz sachte die ›Eroica‹ und fragt mich so zwischendurch über die Schulter weg: ›Ißt du eigentlich gern Gänsegrieben?‹ – Das waren ihre letzten Worte. Urplötzlich ein furchtbarer Donnerschlag – mir wird blau vor den Augen – und als ich aufblicke, brennt das Klavier.«

»Mehr als kurios,« grollte der Direktor, schüttelte sein Haupt und sah mich flammend an. »Der Fall will vom Gericht untersucht sein.«

»Herr!« sprach ich. »Wieso? Meinen Sie, ich selbst habe die Tante angezündet?«

Ohne zu erwidern, trat er an das Klavier und schlug der Reihe nach die Tasten an.

»Die tiefen Töne gehen noch,« sagte er.

Ich darauf – nun aber schon gereizt:

»Na, Sie scheinen mir von Musik blutwenig zu verstehen. Die tiefen Töne bedeuten für sich allein gar nichts, das ist doch nur die Begleitung. Wo soll denn die jauchzende Freude herkommen, die unsre Herzen beim Klang eines Liedes durchpulst – wenn die ganze rechte Hälfte des Klaviers, die fröhliche, kaputt ist?«

»Mein lieber Herr Roda, ich bin zwar kein Kapellmeister und kein Komponist – aber soviel weiß ich: wirklich ernste, getragene Musik wird hier links gemacht, mittels der tiefen Tasten. Der Blitz aber hat die Richtung nach rechts genommen – Ihre Tante hat offenbar einen Gassenhauer lasziven Charakters gespielt. Am offenen Fenster, bitte. Bei Gewitter. Hatten Sie das Fenster geöffnet?«

»Nein.«

»Wer sonst? Das muß sich doch feststellen lassen. Und was mich stutzig macht, Herr Roda: der Schirm. Woher haben Sie ihn? Ein Schirm fällt doch nicht vom Himmel. Zeigen Sie mir die quittierte Rechnung, wenn Sie behaupten, ihn gekauft zu haben, wo man im Kaffeehaus soviel von geklauten Schirmen hört. Hat übrigens die Tante unterm Regenschirm gespielt? – Das Fenster offen halten – mein Herr, das lockt den Blitz an. Was meinen Sie, wie oft den Sommer über in Rumänien der Blitz einschlägt? Wenn unsre Gesellschaft jedesmal einen Schirm zu bezahlen hätte – wo käme die Gesellschaft hin? – Wie hoch bewerten Sie denn die Tante?«

»Die Police lautet auf 10.000 Goldfrank.«

»Hahaha! Die alte Dame – 10.000 Frank! Da muß ich wiehernd lachen. Sie hat doch nichts verdient, die Tante, ist der Familie nur zur Last gefallen. Sie, Sie sollten uns was zahlen, Herr! Und die Dame – traurig, daß sie in ihrem Alter sich nicht schämt, aus Sensationslust im Gewitter unanständige Lieder zu spielen – noch dazu unterm offenen Regenschirm. – Nein, nein, mein Lieber, lesen Sie unsre Statuten, § 31a: »Die Gesellschaft ist berechtigt, den Verlust in natura gutzumachen, indem sie einen dem beschädigten Gegenstand gleichwertigen Ersatz beistellt.« Zufällig haben wir eben aus einem Brandfall in Bukarest eine Dame dieses Alters übrig – die können Sie haben. Wir lassen Ihnen das Klavier auf unsre Kosten neu lackieren und bespannen – Sie werden mir eine Bestätigung darüber geben – damit basta! Es kann nicht Pflicht einer Aktiengesellschaft sein, Ihnen einen Schirm aus dem Café zu klauen – das besorgen Sie gefälligst selbst.«

Dies meine Erfahrungen mit der Olympia-AG.


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