E. Phillips Oppenheim
Das Mädchen mit den Millionen
E. Phillips Oppenheim

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Kapitel 5.
Ein neuer Verehrer.

Der Comte de Brensault war von großer Gestalt, aber er hatte ein breites, blasses Gesicht. Unter seinen Augen, die schon ihren Glanz verloren hatten, lagen kleine Wülste, und sein Haar war dünn. Er war fünfunddreißig Jahre alt, aber in Wirklichkeit sah er zehn Jahre älter aus, denn er gab sich vielen Vergnügungen und Ausschweifungen hin.

Jeanne saß bei Tisch neben ihm und betrachtete ihn mehr als einmal verwundert und erstaunt. Konnte denn überhaupt jemand auf den Gedanken kommen, daß sie diesen Menschen heiraten sollte? Der Comte sprach viel und laut, erzählte ihr von seinen Pferden, seinen Hunden, seinen Autos, aber er erwähnte nicht, daß er nicht selbst ritt und keinen Wagen lenken konnte. Jeanne hörte ihm verächtlich zu. Die Prinzessin wurde etwas nervös. Der Mann hätte doch tatsächlich wissen können, daß er auf diese Art keinen Eindruck auf ein junges Mädchen machte, das eben erst aus dem Pensionat gekommen war!

»Sie scheinen den größten Teil Ihrer Zeit dem Sport zu widmen«, bemerkte Jeanne, nachdem sie lange Zeit schweigend zugehört hatte. »Spielen Sie auch Polo?«

»Ich bin zu schwer, und das Spiel ist außerdem ein wenig gefährlich.«

»Gehen Sie auf die Jagd?«

»O nein, in Belgien gibt es das nicht.«

»Haben Sie sich mit Ihren Wagen schon einmal an einem Autorennen beteiligt?«

»Beim Prix des Ardennes kam ich einmal auf den dritten Platz. Mein Chauffeur war leider nicht sehr geschickt.«

»Fahren Sie denn nicht selbst?«

Er lachte überlegen.

»Ich möchte mir nicht das Genick brechen, denn es gibt noch so viel anziehende Dinge, die mir das Leben wertvoll erscheinen lassen.« Er lächelte sie eigentümlich an.

Jeanne schaute fort, um ihre Verachtung zu verbergen.

»Sie interessieren sich für den Sport also nur aus zweiter Hand.«

»Ich verstehe Sie nicht ganz. In Ostende habe ich im letzten Jahr den großen Preis im Taubenschießen gewonnen.«

»Ich sehe, daß ich um Verzeihung bitten muß. Haben Sie schon einmal auf Großwild Jagd gemacht?«

Er schüttelte den Kopf.

»Ich liebe diese weiten Reisen und vor allem die primitive Küche nicht. Ich habe einen kultivierten Geschmack.«

Die Prinzessin mischte sich jetzt in das Gespräch, denn sie erkannte, daß das notwendig war.

»Der Comte ist vor kurzem zum Mitglied des internationalen Klubs für Pferdezucht gewählt worden. Wenn wir nett sind, wird er uns einmal in seinem Vierspänner ausfahren.«

»Gerne, sobald ich einen anderen Viererzug habe. Meine Rappen sind zwar sehr schön, aber zu wild. Sie sind hart im Zügel und haben immer die Tendenz durchzugehen.«

Die Prinzessin seufzte. Dieser Mann war wirklich hoffnungslos; er würde niemals Eindruck auf Jeanne machen. Sie mußte die Dinge eben gehen lassen, wie sie gingen.

Im Salon saß der Graf später an Jeannes Seite.

»Immer wird in England nach der Tafel Bridge gespielt. Wenn man gern noch ein wenig sprechen möchte, muß man Bridge spielen. Das muß doch auch sehr unangenehm für die jungen Damen sein, die noch nicht alt genug sind, um sich für das Spiel zu interessieren. Sie haben doch keinen Menschen, mit dem Sie sich unterhalten können.«

Jeanne lächelte.

»Vielleicht mache ich eine Ausnahme. Es gibt nur wenig Leute, mit denen ich gern spreche.«

Sie sah ihn scharf an, aber er strich nur befriedigt seinen dünnen Schnurrbart.

»Ich freue mich sehr, daß Sie mir das sagen. Ihre werte Frau Mutter hat mir vor dem Bridgespiel noch eine Viertelstunde Zeit gelassen, damit wir uns ein wenig unterhalten können. Sind Sie schon in Belgien gewesen?«

»Nur auf der Durchreise. Aber ich fürchte, Sie haben mich eben nicht richtig verstanden. Ich sagte, daß es nur wenig Leute gibt, mit denen ich mich gern unterhalte, und Sie gehören nicht zu ihnen.«

Er sah sie erstaunt an.

»Ich verstehe Sie wirklich nicht.«

»Sie sind leider sehr wenig intelligent«, sagte Jeanne seufzend. »Ich wollte Ihnen eben verständlich machen, daß es mir keine Freude bereitet, neben Ihnen zu sitzen und mit Ihnen zu sprechen. Es langweilt mich, denn Sie wissen nichts Interessantes zu erzählen. Ich ziehe es vor, ein Buch zu lesen.«

Der Comte war vollständig verwirrt.

»Habe ich Sie denn irgendwie beleidigt? Habe ich etwas gesagt, das Ihnen unangenehm war?«

»Nein, darum handelt es sich nicht. Sie gefallen mir nicht. Seien Sie mir nicht böse, wenn ich Ihnen das offen sage. Ich komme eben aus dem Pensionat, und dort hat man uns gelehrt, die Wahrheit zu sagen.«

Der Graf wußte nicht, wie ihm geschah. Das war ein merkwürdiges Mädchen! Die Prinzessin hatte ihm doch noch vor einer Stunde gesagt, daß ihre Tochter bereit sei, seinen Antrag anzunehmen, wenn sie auch anfänglich einige Schwierigkeiten machen würde. Er hatte sich eingebildet, ihr mit seinem Titel und seinem Vermögen imponieren zu können. Wollte sie ihn wirklich so roh behandeln? War sie nervös und aufgeregt? Er schaute sie wieder ungläubig an, aber sie machte einen vollkommen ruhigen Eindruck. Offenbar hatte sie im Ernst gesprochen. Der Ausdruck seiner Augen änderte sich. Sie erschien ihm begehrenswerter als je, und er fühlte plötzlich den Wunsch, diese schöngeschwungenen, vollen Lippen zu küssen, nachdem sie ihm eben erklärt hatte, daß er ihr nicht gefiel. Aber er beherrschte sich. Wenn sie eines Tages erst sein war, wollte er sich für diesen Abend rächen.

»Es tut mir leid, daß ich Ihnen unsympathisch bin, aber das kommt wahrscheinlich nur daher, weil Sie noch nicht an Männer gewöhnt sind. Sie werden mich bald besser kennenlernen, und dann wird alles anders sein. Ich dagegen bewundere Sie jetzt schon aufrichtig. Ich habe Sie erst ein- oder zweimal gesehen, aber ich muß immer an Sie denken. Wir werden bestimmt noch gute Freunde werden.«

»Das glaube ich nicht. Ich habe nicht die Absicht, mich mit Leuten anzufreunden, die mir nicht zusagen.«

Er erhob sich beleidigt.

»Nun gut, ich werde jetzt zu Ihrer Frau Mutter gehen, die mich zum Bridgespiel eingeladen hat. Aber ich werde bald zurückkommen, und ich weiß bestimmt, daß ich Ihnen eines Tages doch noch gefallen werde.«

Er ging mit gezierten Schritten quer durch das Zimmer. Jeanne sah ihm lächelnd nach, dann griff sie zu einem Buch und begann zu lesen.

Der Comte trat empört zu der Gastgeberin.

»Teuerste Prinzessin, Sie sagten mir nicht, daß sie so kapriziös und schwierig ist. Sie scheint tatsächlich noch sehr männerscheu zu sein. Ich habe in aller Freundlichkeit zu ihr gesprochen, und plötzlich erklärt sie mir, daß sie mich nicht ausstehen kann, und daß ich weggehen möchte.«

»Mein lieber Comte, Sie müssen bedenken, daß sie sehr ernst erzogen worden ist. Sie wollte schon immer Nonne werden, aber die Familie hat das natürlich nicht zugelassen. Wahrscheinlich haben Sie sie zu kühn angesehen, und sie ist noch nicht an gewisse Männerblicke gewöhnt. Erinnern Sie sich doch an ihre große Jugend. Sie werden mich verstehen.«

Aber der Comte verstand sie nicht. Er dachte nur sehr ungern an die Festigkeit und Bestimmtheit, mit der Jeanne ihre Ansichten geäußert hatte. Er schaute wieder zu ihr hinüber. Ganz abgesehen von ihrem Vermögen war sie sicher ein begehrenswertes junges Mädchen.

»Das mag ja alles stimmen. Jedenfalls muß ich es Ihnen überlassen, ihre Meinung mir gegenüber zu ändern. Sie ist wirklich sehr schön – ich bin entzückt von ihr.«

»Bevor wir zu einer Entscheidung kommen, müssen wir beide uns noch einmal eingehend unterhalten«, sagte die Prinzessin leise.

Der Comte strich seinen Schnurrbart und sah sie forschend an.

»Natürlich«, erwiderte er dann gedehnt. »Ich habe nicht vergessen, was Sie mir früher andeuteten. Das Vermögen ist doch sehr groß?«

»O ja. Und Jeanne hat viele Verehrer, die dankbar sein würden, wenn ich auf ihre Vorschläge einginge.«

De Brensault nickte.

»Nun gut, wir wollen darüber sprechen, sobald es Ihnen paßt.«

»Ich glaube aber, wir müssen jetzt Bridge spielen. Die anderen warten schon auf uns.«

 


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