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Kapitel 10.
Falschspieler.

»Ich möchte nicht mehr spielen«, erklärte Lord Ronald. Die Prinzessin unterdrückte ein Gähnen, als sie sich in ihren Sessel zurücklehnte, aber Forrest und Cecil sahen Engleton an.

»Ich möchte eigentlich auch aufhören«, sagte Forrest, »obgleich es erst drei Uhr ist.«

Er ging zu dem großen Fenster nach Norden und zog die Jalousie hoch, nachdem er das Licht einen Augenblick ausgedreht hatte. Die Prinzessin stand auf und bedeckte das Gesicht mit den Händen.

»Um Himmelswillen, Nigel, lassen Sie sofort die Jalousie herunter und machen Sie wieder Licht. Ich kann dieses Rembrandtsche Helldunkel nicht vertragen. Zigarrenasche, Spielkarten und mein Teint nehmen sich in dieser Beleuchtung nicht besonders gut aus.«

Forrest gehorchte. Es folgte ein eigentümliches Schweigen. Die Prinzessin setzte sich wieder, sie atmete schnell, aber kaum hörbar. Alle sahen verstohlen zu Engleton, der sich in seinem Stuhl zurücklehnte. Er schaute gleichgültig, fast zerstreut auf den Spieltisch.

»Wollen wir noch eine Runde spielen oder wollen wir zu Bett gehen?« fragte Forrest schließlich.

»Ich habe viel mehr verloren, als mir lieb ist«, bemerkte Cecil in einem etwas unnatürlichen Ton. »Aber ich schlage vor, wir trinken noch einen Brandy Soda und machen noch ein Spiel. Engleton, wenn Sie Hunger haben, so fleht eine Platte mit Sandwiches hinter Ihnen.«

»Danke, ich bin nicht hungrig.«

Die Prinzessin ließ die Karten durch die Finger gleiten, dann steckte sie sich eine neue Zigarette an.

»Also machen wir noch ein Spiel, und dann legen wir uns.«

»Ich glaube, Sie haben mich nicht verstanden«, sagte Lord Ronald. »Ich will nicht weiterspielen.«

»Nun, drei gegen einen«, erwiderte die Prinzessin leichthin.

»Warum sagen Sie denn nicht gleich von vornherein Mogelspiel an?« bemerkte Engleton schroff. »Das wäre doch viel schöner.«

»Was soll das heißen?« fuhr Forrest auf.

»Sie könnten sich dann gegenseitig nach Herzenslust betrügen. Es wäre wirklich sehr interessant, zuzusehen.«

Die Prinzessin war die erste, die sich faßte. Obgleich sie sich die größte Mühe gab, ruhig zu sprechen, klang ihre Stimme doch ein wenig schrill.

»Mein lieber Lord Ronald, soll das ein Scherz sein? Ich fürchte, daß ich augenblicklich nicht viel Sinn für Humor habe.«

»Ich habe vollkommen im Ernst gesprochen«, erwiderte der Lord.

Die Prinzessin richtete sich auf.

»Wir sollen das als eine Anklage auffassen?«

»Nehmen Sie es als das, was es ist – die Wahrheit.«

Cecil de la Borne erhob sich und lehnte sich über den Tisch. Seine Wangen waren fahl, und er zitterte.

»Ich fordere eine Erklärung von Ihnen. Ihre Anklage ist einfach unmöglich. Entweder sind Sie betrunken, oder Sie sind von Sinnen.«

»Keins von beiden. Aber ich bin kein so großer Narr, daß ich mich so einfach täuschen lasse. Ich will nicht über Ihre schauderhaften Fehler beim Spiel sprechen, die mögen beabsichtigt oder unbeabsichtigt gewesen sein. Aber abgesehen davon habe ich leider entdecken müssen, daß Sie, Forrest, und Sie, Madame, während der letzten sieben Spiele sich sowohl bei den Ansagen als auch beim Ausspiel durch Zeichen verständigt haben. Mein Argwohn wurde durch einen Zufall erregt, aber nachher war es sehr leicht für mich, alles nachzuprüfen. Sehen Sie her.« Engleton berührte seine Stirne. »Das bedeutet Coeur.« Er faßte an seine Lippen. »Karo.« Er fuhr mit der Hand über die Augenbrauen. »Pique.« Schließlich klopfte er mit dem vierten Finger leicht auf den Tisch. »Kreuz!«

Major Forrest erhob sich.

»Lord Ronald, es tut mir leid, daß ich Sie in diesen Kreis als Gast eingeführt habe, und daß Sie sich in diesem Haus derartig lächerlich benehmen. Ich bestreite Ihre Anklage glattweg.«

»Ich auch!« sagte die Prinzessin halblaut.

»Das ist wohl selbstverständlich«, antwortete Engleton ruhig. »Was bleibt Ihnen auch anderes übrig? Ich bedauere außerordentlich, daß ich der Anlaß bin, diesen hübschen Ausflug zu einem Abschluß zu bringen. Ich gehe jetzt auf mein Zimmer, um mich umzukleiden, und darf wohl erwarten, Mr. de la Borne, daß Sie mir einen Wagen zur Verfügung stellen, der mich zur Station bringen kann, sobald die Dienstboten wach sind.«

Er verneigte sich kühl und wandte sich zur Tür. Diese Entschlossenheit hatte ihm niemand zugetraut, und alle sahen ihn einen Augenblick verwundert an. Aber plötzlich sprang Forrest auf einen Wink der Prinzessin zu der Tür und verstellte den Ausgang.

»Engleton, Ihr Verhalten ist einfach unglaublich!« rief er. »Wir können Ihr wahnwitziges Betragen und ihre Unhöflichkeit nicht so einfach hinnehmen. Bevor Sie diesen Raum verlassen, müssen wir zu einer Verständigung kommen.«

Lord Ronald legte die Hände auf den Rücken.

»Ich dachte, wir hätten uns eben vollkommen verstanden. Meine Worte waren jedenfalls eindeutig genug. Ich verlasse dieses Haus, weil ich entdeckt habe, daß ich mich hier in einer Gesellschaft von Falschspielern befinde.«

Forrests Augen wurden klein, und er atmete schwer. Er trat einen Schritt auf Engleton zu, als ob er ihn schlagen wollte, aber der Lord blieb ruhig stehen.

»Sie wollen wohl fortgehen und diese Geschichte überall verbreitend« fragte Forrest heiser.

»Ich werde meinen Freunden soviel oder sowenig davon sagen, als mir beliebt. Da Sie aber so neugierig sind, verrate ich Ihnen das eine: Treffe ich Sie oder einen von Ihnen in der City in einem anständigen Hause, so werde ich es für meine Pflicht halten, jeden meiner Freunde, der dort anwesend ist, über Ihren Charakter aufzuklären. Wollen Sie jetzt so gut sein und mir die Türe freigeben?«

»Nein«, antwortete Forrest hart.

Engleton wandte sich an Cecil.

»Mr. de la Borne, Sie sind hier der Hausherr. Ich bitte Sie, dafür zu sorgen, daß ich ungehindert hinausgehen kann.«

Cecil kam zögernd auf die beiden zu. Die Prinzessin folgte ihm.

»Major Forrest hat vollkommen recht«, sagte sie. »Sie können nicht dulden, daß er nach London geht und dort skandalöse Gerüchte erzählt. Dagegen wird Major Forrest sofort die Türe freigeben, wenn Lord Ronald ehrenwörtlich verspricht, über diese Szene hier zu schweigen.«

Engleton lachte verächtlich.

»Dieses Versprechen werde ich niemals geben. Was ich eben Major Forrest gesagt habe, wiederhole ich Ihnen und ebenso Mr. de la Borne gegenüber. Ich werde meine Freunde von meinen Erfahrungen mit Ihnen verständigen.«

Forrest wandte sich um, schloß die Tür ab und steckte den Schlüssel in die Tasche.

»Ich hoffe, Lord Ronald«, sagte er dann mit eisiger Ruhe, »daß wir Sie bestimmen können, Ihre Ansicht zu ändern.«


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