E. Phillips Oppenheim
Das Mädchen mit den Millionen
E. Phillips Oppenheim

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Kapitel 8.
Pläne.

»Aber jetzt keinen Schritt weiter«, sagte die Prinzessin. »Ich kehre sofort um.«

»Ich auch!« rief Forrest. »Ihre Schmugglervorfahren, mein lieber de la Borne, müssen tatsächlich abenteuerlustige Leute gewesen sein, wenn sie wie die Ratten in diesen Löchern herumkrochen.«

»Ganz wie Sie wollen«, entgegnete Cecil. »Wir sind doch nur auf Miß Jeannes Anregung hierhergegangen.«

»Und ich gehe auch weiter«, erklärte Jeanne unbeirrt. »Ich will vor allem den Ausgang sehen.«

»Nun gut, diesen Weg«, erwiderte Cecil. »Sie können ruhig aufrecht gehen, der Gang ist auf der ganzen Strecke über zwei Meter hoch. Aber Sie müssen vorsichtig auftreten, denn es sind viele Löcher im Boden, und es gibt auch Steine.«

Die Prinzessin und Forrest zogen sich zurück, und Jeanne folgte Cecil langsam. Sie trugen beide elektrische Taschenlampen. Die Steine der Wände waren beschlagen, und an vielen Stellen hatten sich Kristalle gebildet. Manchmal gingen sie über harte Felsen, manchmal sanken sie tief in Sand ein. Cecil sah sich häufig nach seiner Begleiterin um und reichte ihr ein paarmal die Hand, um ihr zu helfen. Schließlich blieben sie stehen, und Cecil mühte sich ab, mit einem großen Schlüssel eine alte Eichentür auf der rechten Seite des Ganges aufzuschließen.

»Hier ist das Gewölbe, wo sie sich trafen und ihre geschmuggelten Waren verbargen.«

Nur mit großer Anstrengung konnte Cecil die Tür öffnen, und sie standen nun in einem düsteren Gemach, das mit einem massiven Kreuzgewölbe gedeckt war. Ein schwacher Strahl von Tageslicht, der von oben kam, erleuchtete den Raum teilweise. Es herrschte ein muffiger, kellerartiger Geruch, und in der einen Ecke sahen sie noch Überbleibsel von zerbrochenen Kisten und Fässern. Ein eichener Tisch stand in der Mitte. Jeanne schaute sich um und schüttelte sich.

»Wir wollen jetzt aber zum Ende des Ganges gehen«, bat sie.

Cecil nickte, und sie verließen das Gewölbe wieder.

»Was ist denn das?« fragte Jeanne plötzlich erschrocken.

Ein Geräusch wie von fernrollendem Donner, das sich mit jedem Schritt verstärkte, unterbrach die Stille des einsamen Platzes.

»Das ist die See. Wir sind schon in der Nähe des Ufers.«

Jeanne ging weiter. Das Getöse wurde immer lauter.

»Wo sind wir denn jetzt?« fragte sie atemlos. »Es klingt so, als ob das Meer direkt über uns ist.«

Cecil schüttelte den Kopf.

»Das ist nur eine Einbildung. Das Geräusch kommt dort aus dem Luftschacht zu uns. Wir sind noch ungefähr vierzig Meter von der Klippe entfernt.«

Sie setzten ihren Weg fort, bis sie schließlich nach einer Biegung einen Lichtschimmer sahen. Gleich darauf machten sie halt. Dann stiegen sie eine breite Wendeltreppe in die Höhe, die in den Felsen der Klippe gehauen war.

»Der Ausgang ist mit Eichenplanken geschlossen, wie Sie sehen, aber Sie können durch die Ritzen schauen. Dort direkt unter uns liegt die See. Die Strickleiter wurde hier an diesen vorspringenden Haken gehängt.«

Jeanne schaute hinaus. Unter ihnen lag das Meer, dessen Wogen sich an den Felsen brachen.

»Haben Sie jetzt genug gesehen?« fragte Cecil.

»Ja. Wir wollen zurückgehen.«

*   *   *

Einige Minuten später ließ sich Jeanne mit einem Seufzer der Erleichterung in einem Gartenstuhl im Park nieder.

»Niemals ist mir die frische Luft so herrlich vorgekommen. Das Schmuggeln mag ja sehr romantisch gewesen sein, aber es hatte auch seine Schattenseiten.«

Cecil nickte.

»Zu jener Zeit war die Entlüftung noch besser, es waren mehr Luftschächte vorhanden. Unsere Vorfahren waren auch zäher als wir, brutal und rücksichtslos.« Er steckte sich eine Zigarette an.

»Nun wollen wir aber zu den anderen hineingehen und Tee trinken.«

Der Tisch war in der großen Halle gedeckt; aber sie fanden nur Engleton dort. Forrest und die Prinzessin gingen langsam in der Zufahrtsstraße auf und ab.

»Ich glaube, daß wir hier sicher vor Horchern sind«, sagte sie. »Was wolltest du denn mit mir besprechen, Nigel?«

»Es ist schrecklich mit Engleton. Die Art und Weise, wie er gestern die Parteien verteilte, war mir unsympathisch. Glaubst du, daß er irgendeinen Hintergedanken hatte?«

Die Prinzessin zuckte die Schultern.

»Du mußt nicht immer alles so düster ansehen. Sicher ist ihm aufgefallen, daß wir beide immer Glück haben, wenn wir zusammen spielen, und er weiß auch, daß du einer der besten Bridgespieler bist, die es gibt. Er hat keinen besonderen Grund gehabt, nicht mit Cecil de la Borne zu spielen. Selbstverständlich hatte er aber mit dir die größeren Chancen, zu gewinnen.«

»Ich möchte nur wissen, ob er auch schon etwas von dem Klatsch im Klub gehört hat?« meinte Forrest nachdenklich.

Die Prinzessin runzelte die Stirn.

»Werde doch nicht nervös, Nigel! Wenn du so weitermachst, bist du in kurzer Zeit erledigt.«

»Also gut. Wollen wir einmal annehmen, daß er es vorzog, mit mir statt gegen mich zu spielen. Aber was wird denn aus unserem ganzen Plan, wenn es so weitergeht?«

Die Prinzessin lächelte.

»Es sollte dir doch nicht schwerfallen, die Sache in die Wege zu leiten. Du kennst doch sämtliche Kartentricks, daß du stets ein Aß herausfischen kannst, wenn du willst. Ich nehme immer die drittletzte Karte, wie du wohl weißt.«

»Das ist ja alles ganz gut, aber wir können doch nicht immer nur Asse aufdecken. Ich habe die Sache gestern abend fein entriert, als du eine Drei zogst und ich eine Fünf, aber dieser Engleton wollte ja nicht gegen uns spielen.«

Die Prinzessin sah nach dem Haus hinüber und entdeckte Jeanne und Cecil.

»Sie kommen zurück. Kannst du mir etwas Positives vorschlagen? Wenn nicht, so wäre es besser, wenn wir jetzt hineingingen.«

»Es gibt nur einen Weg, Ena, wie wir unsere Lage verbessern können.«

»Nun?« fragte sie schnell.

»Könnten wir nicht Cecil ins Vertrauen ziehen?«

»Das ist wohl ein wenig gefährlich.«

»Warum denn? Wenn er erst einmal mitgemacht hat, muß er den Mund halten, und wir können alles mit ihm machen, was wir wollen. Er ist leicht zu beeinflussen, und ich glaube, du könntest ihn sicher überreden, bevor er überhaupt Zeit hat, sich die Sache zu überlegen.«

»Ich werde ihm eine Andeutung machen und einmal sehen, wie er darüber denkt. Glaubst du denn, daß die ganze Geschichte diese Anstrengung wert ist?«

»Aber natürlich! Engleton verlor in einer Nacht einmal zweitausend Pfund beim Baccarat und blieb ganz kaltblütig dabei. Schade, daß ich damals nicht gegen ihn spielte.«

»Wenn ich nur Cecil vor dem Abendessen einmal allein sprechen könnte! Dann würde ich schon herausbringen, ob es möglich ist. Aber jetzt wollen wir wirklich hineingehen. Wir sind etwas zu alt für verliebte Spaziergänge, und der Wind ist recht unangenehm geworden.«

»Also, sieh zu, was du mit ihm machen kannst. Wenn ich zum Abendessen herunterkomme, werde ich kurz in deinem Zimmer vorsprechen.«

Die Prinzessin nickte. Gleich darauf traten sie in die Halle. Cecil rückte einen bequemen Sessel an den Teetisch.

»Ich habe einen höllischen Hunger bekommen«, rief die Prinzessin. »Das macht Ihre Seeluft, Cecil. Schon seit Jahren habe ich nicht mehr gewußt, was Hunger ist. Wie war es denn in der Schmugglerhöhle, Jeanne? Bist du befriedigt?«

Jeanne lachte.

»Es war schauderhaft, und es roch entsetzlich dort unten. Du hast sicher gut daran getan, umzukehren.«

 


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