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Vierundvierzigstes Kapitel.

Ein Ohrenzeugniß, auf das man sich verlassen kann. – Verfängliche Lagen und peinliche Verwicklungen. – Ein Friedensvertrag mit der Stilettspitze. – Eine wichtige Person nimmt Abschied von der Welt, augenscheinlich nicht viel Gebrauch machend von dem Vortheile, den die Nähe eines Priesters gibt.

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Ich habe bisher stets dem Leser Gesellschaft geleistet und nichts geschildert, als was ich entweder mitansah oder was ich dachte und fühlte. Da jedoch die Katastrophe meiner Abenteuer sich schnell ihrem Höhenpunkte nähert, so muß ich jetzt nach sorgfältiger Sichtung der Zeugnisse Anderer die Reihe der Ereignisse berichten, welche auf jener schwimmenden Hölle, der Santa Anna, stattfanden.

Wir haben sie zuletzt gesehen, wie sie, der Gnade des Windes preisgegeben und mit zurückgeworfenen Segeln, bald aufkam, bald abfiel. Ihre Schooten und Takeln flappten unordentlich umher und das ganze Gemälde wurde noch empörender gemacht durch den englischen Knaben in dem Anzuge meiner Schwester, welcher als eine schwarzblaue Leiche an der Focknocke pendelte. Obgleich das, was man außerhalb sehen konnte, schrecklich genug war, so bot das Innere des Fahrzeugs doch noch ein grausenvolleres Schauspiel, denn man konnte es mit nichts Anderem, als einem ungeheuren, schlecht geordneten Schlachthause vergleichen. Von allen Bewohnern desselben mußte man die Todten für die Glücklichsten halten.

Das Häuflein, welches sich wohlwollend für die Sache der Gerechtigkeit erklärt hatte, war im Kampfe fast ganz vernichtet, und unmittelbar nachdem sich der verzweifelte, unselige Sieg zu Gunsten des Kapitäns Don Mantez entschieden hatte, wurden die wenigen Ueberlebenden, von denen keiner unverwundet war, kaltblütig niedergestoßen, wobei nur eine einzige sonderbare Ausnahme – und noch seltsamererweise gerade aus Veranlassung des Kapitäns selbst stattfand. Der Fall, den ich meine, betraf den Silberlöffel.

Mein Vater war schwer, aber nicht tödtlich verwundet in der Vorderkajüte niedergefallen. Er hatte mehrere weite und tiefe Wunden erhalten, wodurch er einen beträchtlichen Blutverlust erlitten. Dennoch war er beim Bewußtsein geblieben, und da William Watkins, der Löffel, über ihm lag, so wurde jeder Versuch des guten alten Mannes, sich zu erheben, vorsätzlich durch die Last des auf ihm ruhenden Londoners vereitelt. Nun war dieser Watkins ein braver, aber zugleich auch ein besonnener und verschmitzter Mann. Er hatte die ganze Zeit über mit aller Ruhe und Umsicht gekämpft und vielleicht mehr Gegner erlegt, als irgend ein anderer Mann, ohne dabei selbst sonderlich Noth zu leiden. Er war allerdings verwundet, aber weder gefährlich noch überhaupt bedeutend, obschon er es einzuleiten wußte, daß sich der Anschein anders gestaltete, indem er seinen ganzen Körper mit Blut beschmierte. Er stellte sich todt und blieb in der bereits geschilderten Lage über meinem Vater, als Mantez zurückkehrte, nachdem er mein Entkommen durch das Kajütenfenster mitangesehen hatte.

Sobald sich der Elende von Honoria's Abwesenheit überzeugt hatte, stellte er Nachforschungen nach ihr an. Die wenigen Ueberlebenden von unserem Anhange waren zu schnell getödtet worden, und ihre Mörder hatten es nicht für nöthig gehalten, auch nur einen Einzigen zu schonen, der ihnen etwa Auskunft hätte ertheilen können. Die wilde Aufregung ließ die Sieger nicht sonderlich auf die eifrigen Erkundigungen, welche der Kapitän nach der Donzella anstellte, achten. Meine Mutter lag bewußtlos auf dem Teppich in der Kajüte, und Isidora befand sich in einem vorübergehenden Zustande von Wahnsinn. Die befragte weibliche Dienerschaft versicherte der Wahrheit gemäß, daß Honoria in die See gesprungen sei; aber diese Behauptung schien im Widerspruch mit dem Zeugniß seiner Sinne zu stehen, weshalb die armen Geschöpfe zum Danke für ihre Auskunft nur rohe Fußtritte und Schläge erhielten.

Wenn Mantez in diesem Augenblicke schrecklicher Aufregung Don Julian lebendig getroffen hätte, so würde er ihn ohne Zweifel in seinem Zorne geopfert haben; aber er lag für todt unter den Todten. Der Kapitän zweifelte nicht, wenn sich die Wuth seiner kleinen Mannschaft einigermaßen gelegt hätte, sie wieder zum Gehorsam zu bringen, fürchtete aber hauptsächlich, Honoria möchte eben jetzt in ihre Hände fallen, und er wollte sie für sich selbst behalten.

Er hatte bereits die beiden Kajüten durchsucht und hielt zuletzt in der Nähe der Leichengruppe, aus welcher William Watkins so achtbar obenan lag. Mit einem boshaften Grinsen blickte er nach ihm hin und erkannte in ihm die Person, welche ihm die zwei leichten Wunden, die einzigen, die er im Kampfe davon getragen, beigebracht hatte. Während des Schusses hörte oder verstand er wenigstens die Anspielung nicht, welche der Silberlöffel auf seinen Bruder gemacht; indeß trug er doch immerhin noch einen hinreichenden Groll in seinem Innern, um daraus Anlaß zu nehmen, auch noch der vermeintlichen Leiche eine Beschimpfung zuzufügen.

»Englisches Aas!« rief er, dem Hingestreckten einen Fußtritt versetzend; »konntest du dich unterstehen, das edle Blut eines Spaniers zu vergießen?«

Watkins ließ sich den Tritt stoisch gefallen, konnte aber dessen physischer Gewalt nicht in einem Grade widerstehen, daß er nicht weggestoßen und der Körper meines Vaters blosgestellt wurde. Nun hatte aber vor allen Dingen der schlaue, gutherzige Londoner gewünscht, daß der alte Kaufmann nicht gesehen werden möchte, bis sich die Wuth der Mörder und ihr Blutdurst einigermaßen abgekühlt habe, und da er den Fußtritt des Elenden für die letzte Racheäußerung desselben gehalten hatte, so zog er sich langsam in seine ursprüngliche Lage zurück. Mantez bemerkte übrigens diese ebenso großmüthig ersonnene, als gewandt ausgeführte Bewegung.

»Wie, Ketzer, noch nicht in der Hölle?« rief er, sich mit gezogenem Stilet über den hingestreckten Matrosen beugend. »Fahre hin!« –

Dieses Kommando war einfach, energisch und vollkommen verständlich ausgedrückt; da jedoch der Gehorsam eben jetzt ein wenig unbequem gewesen wäre, so faßte der Silberlöffel die niedersteigende rechte Hand mit seiner Linken und packte mit der andern die Kehle des Meuchelmörders in so erstickender Weise, daß das durchziehende Bischen Athem kaum hinreichend zum Leben, in keinem Falle aber kräftig genug für die Sprache war. Im Nu hatte ihn Watkins zwischen zwei Leichen niedergeworfen, worauf er sich verstohlen umsah, ohne übrigens Jemand anders in der Kajüte zu entdecken, als Todte oder Verscheidende. Dies war ein großes Glück für Mantez, denn es rettete sein Leben.

»Haltet zu Gnaden,« sagte der Silberlöffel, der sich liebevoll an der Seite des Kapitäns niederlegte und ihm in's Ohr flüsterte, »ich will Euch jetzt den Garaus machen. Habt Ihr noch etwas zu bemerken oder anzudeuten?«

Er ließ dann in seinem festen Griffe ein wenig nach.

»Ar-rah – ah« – begann Mantez, einen Schrei versuchend.

Die Kneipzange über seiner Kehle wurde jedoch augenblicklich so fest angezogen, daß der Kapitän ganz schwarzblau im Gesicht wurde; auch fand sein eigener Dolch nicht nur einen Weg durch seine Kleider, sondern auch durch die drei Häute, welche die natürliche Leibeshülle bilden.

»Das ist eine schlimme Manier von Euch, Kapitän,« nahm der Löffel wieder auf. »Warum bewahrt Ihr nicht den sanften Styl der Unterhaltung und sprecht im Flüstern, wie ich? Seid so gut, mich wissen zu lassen, ob Ihr noch etwas Besonderes zu kommandiren habt, ehe ich Euer Herz an diesen köstlichen Bratspieß stecke?«

Und nun kam es zwischen dem Engländer und dem Spanier zu einem fürchterlichen Kontrakt, der beiderseits nur durch die fest auf einander gedrückten Zähne geführt wurde. Aber derjenige, welcher die Bedingungen stellte, gab sich nicht zufrieden, bis er gehört und gesehen hatte, wie der Pirat die Einhaltung derselben auf das Kreuz seines eigenen Stilets schwur.

»So, jetzt könnt Ihr aufstehen, Kapitän; aber vergeßt nicht, daß wir einander, bis wir landen, nicht aus dem Gesicht verlieren dürfen.«

»Und Ihr werdet mir bis zu dieser Periode treu dienen?«

»Zuverlässig – ich werde Euch nahe sein, wenn Ihr schlaft, und Euch aufwarten, wenn Ihr wacht. Gleichviel ob Ihr eßt oder trinkt, ich werde Euch hüten. Ja, ich will an Euch haften, wie das Gold an den Fingern eines geizigen Armenaufsehers.«

Don Mantez wußte nun allerdings die Bedeutung der letzten Vergleichung nicht zu würdigen, mußte sich aber doch für eine kräftige Versicherung der Treue halten, denn er erklärte, daß er vollkommen zufrieden sei. Watkins half ihm dann aufstehen, ohne jedoch den Dolch aus seiner Hand zu lassen.

Die Bedingungen dieses erpreßten Vertrags forderten persönliche Sicherheit für alle noch am Leben befindlichen Passagiere, unmittelbaren chirurgischen Beistand für die Verwundeten und eine gebührende Rücksicht für ihre Bequemlichkeit; ferner die unverletzliche Absonderung meiner Schwester (von deren Entkommen damals noch Niemand wußte), im Falle sie dieselben verlangen sollte, und vor Allem die augenblickliche Bestallung des maßgebenden Kontrahenten zu dem ausschließlichen Leibdiener Seiner Gnaden. Diese ganze, rasche Verhandlung wurde in spanischer Sprache abgeschlossen, mit welcher Watkins fast ebenso gut vertraut war, wie mit seiner eigenen.

Wie der Eine oder der Andere diese Stipulationen zu beobachten gedachte, läßt sich schwer sagen; indeß entsprachen sie vollkommen gut dem gegenwärtigen Falle, und was hätte die subtilste Diplomatik weiter verlangen können?

Mein Vater war ein stummer Zeuge dieser Verhandlungen gewesen und wußte nicht, in wie weit dem Silberlöffel zu trauen war. Er hatte sich eben auf die Beine geholfen und wollte sich eine weise Bemerkung erlauben, als fünf betrunkene Matrosen, welche den Branntweinraum geplündert und unten den in Honoria's Kleider verhüllten Jungen gefunden hatten, mit dem unglücklichen Knaben in die Kajüte herumtaumelten.

Männiglich war in höchster Verwirrung. Die Wuth der betrunkenen und nach Rache schnaubenden Bande hatte sich auf's Höchste gesteigert. Trotz der Fürsprache des Silberlöffels und der matten Vorstellungen des Kapitän Mantez wurde der Aermste nach der Back fortgerissen und in der früher beschriebenen Weise nach der Nocke hinaufgezogen. Trotz der betäubenden Wucht von Verbrechen, welche des Kapitäns Seele belastete, schauderte sogar er über diesen unnöthigen und empörenden Mord.

Ungeachtet der furchtbaren Verwirrung in dem Schiffe sahen sich doch die am wenigsten Wahnsinnigen genöthigt, den feindlichen Kundgebungen des amerikanischen Schiffes einige Aufmerksamkeit zu zollen. Es wurde eine hinreichende Menge Pulver herbeigeschafft, um die Hauptdeckkanonen zu laden, worauf man die letzteren in der früher geschilderten Weise langsam durch die Stückpforten vorschob. Hiebei handelte übrigens Jeder unabhängig von den Andern, denn es war schon in dieser frühen Periode augenfällig, daß an Bord keine anerkannte Autorität mehr galt.

Die beiden ersten Offiziere waren verwundet, der dritte und vierte Mate getödtet worden; dergleichen hatten auch die meisten Unteroffiziere ihren Tod gefunden. Die wenigen Unverwundeten betrachteten sich als unüberwindliche Helden, und Jeder glaubte zu dem Haupt-Kommando berechtigt zu sein. Der Wundarzt und der Schiffsbarbier, welcher in der Eigenschaft eines Gehülfen des ersteren funktionirte, hatten glücklicherweise keinen Schaden genommen. Während des Kampfes war der Koch sorgfältig darauf bedacht gewesen, eine Person, die für die Wohlfahrt der Uebrigen so unerläßlich war, in Sicherheit zu bringen, und zu diesem Ende in seinen eigenen Kessel gekrochen. Dies bemerkte sein Mate, ein schuftiger Neger, den es nach seinem Amte gelüstete; er ertränkte daher zuerst seinen Meister fast mit Salzwasser, deckte dann den Deckel auf, um zu verhindern, daß sein Schreien gehört werde, zündete unten das Feuer an, und sott ihn ganz bedächtig zu Tode.

Der schwarze Spitzbube fand übrigens eine Freude an verschiedenartigen Moden, und machte deshalb mit den Zangen, welche er zu diesem Zwecke recht heiß gemacht hatte, einen Angriff auf unsere Partie. Er fand bei dieser Gelegenheit einen Tod, der unendlich edler war, als er ihn verdient hatte, denn eine der Kartätschenkugeln aus den Kajütenkanonen durchbohrte sein schwarzes Gerippe.

Ich habe dies hier angeführt, weil ich es für zweckmäßig halte, daß man mit dem Geschicke bedeutsamer Personen bekannt wird.

Nachdem sämmtliche Todte und besinnungslos Verwundete über Bord geworfen worden waren, befanden sich von einer aus fast zweihundert Köpfen bestehenden Mannschaft, welche in guter Gesundheit Barcellona verlassen hatte, nicht mehr als zweiundvierzig am Leben, unter welchen nur dreiundzwanzig diensttüchtig waren, im Falle sie es genehm hielten, sich zu etwas der Art herabzulassen. Es war augenfällig, daß man nicht sonderlich auf guten Willen zählen durfte, denn sie schienen, sobald sie auf den Decken mit den Todten aufgeräumt hatten, die Ansicht zu hegen, als hätten sie jetzt genug für das Schiff, für sich selbst und für den Ruhm gethan, weßhalb sie denn jetzt beschloßen, für die Offiziere nichts mehr zu thun.

Des Wundarztes auf der Santa Anna habe ich in einem früheren Theile meiner Geschichte Erwähnung gethan. Er war ein trockener, harter Charakter, aber, wie ich glaube, auch ein durchaus guter, rechtschaffener Mann. Er schien zu glauben, daß er die Nichtigkeit alles Dessen, was mit den gewöhnlichen Angelegenheiten des Menschen zusammenhing, verstehe, und verachtete seine ganze Umgebung, obschon er eifrig bemüht war, seine besten Kräfte aufzubieten, um ihnen Beistand zu leisten. Im Allgemeinen war er schweigsam und, wenn er einmal zu sprechen veranlaßt wurde, in der Regel sarkastisch. Bis zur Aufopferung seiner Gesundheit den Studien ergeben, war er vielleicht weit geschickter, als sich wohl von einem Manne in seiner Stellung erwarten ließ. Er hatte in der spanischen Armee gedient und dort ein reiches Feld für Ausübung seiner Kunst gefunden. Ein derartiger Mann ist in der Regel launenhaft, und er hatte diesem Umstande während seiner Laufbahn unterschiedliche bedeutende Verluste zu danken. Unter Anderem entging ihm dadurch ein Weib mit einem großen Vermögen, eine hohe Stelle bei Hof und endlich ein einflußreicher Posten bei dem Medicinalstab der anglospanischen Armee.

Seit er sich an Bord der Santa Anna eingeschifft hatte, waren seine Launen sehr zahlreich geworden; aber da ihn seine Abneigung gegen das Schiff doch nicht in die Lage setzte, sich von demselben zu absentiren, so vergaß er eine seiner Antipathien nach der andern, um nach frischen zu greifen. Im Anfange unseres Kreuzzugs schien er eine große Zuneigung zu unserer Familie zu fassen, und wir fanden uns bald in seine Sonderbarkeiten; da faßte er aber plötzlich einen Widerwillen gegen die etwas ungewöhnliche Intoleranz und Bigotterie des Priesters, so daß er uns nachher nur noch von Berufswegen besuchte. Schon lange konnte er den Kapitän Mantez nicht leiden, und noch ehe der Sturm in der Santa Anna losbrach, hatte er es durch seine gehäuften Antipathieen so weit gebracht, daß er fast ganz allein stand.

Bei jenem denkwürdigen Anlasse befand er sich unten in dem Cockpit und machte einige chemische Versuche, welche seinen Geist dermaßen in Anspruch nahmen, daß ihm das Getümmel anfangs ganz entging. Als zuletzt das Feuer rascher vor sich ging und das furchtbare Getöse gar kein Ende nehmen wollte, streckte er seinen kahlen Kopf durch die Hinterluke des Halbdecks herauf. Er bemerkte nun, daß wir wie eingefleischte Teufel, aber mit mehr als teuflischer Wildheit, einander die Kehlen abschnitten, weshalb er seinen Gehülfen, den Barbier, aus dem Getümmel winkte, rasch nach dem Cockpit zurückkehrte und seine chirurgischen Instrumente in Bereitschaft legte.

Aber unsere Wuth kannte kein Erbarmen – keine Rücksicht, weder für Freund noch Feind. Fiel Einer, so blieb er liegen. Niemand beugte sich zu ihm nieder, um nach seiner Wunde sehen, oder ihn nach einem sichern Orte tragen zu wollen. Die Dienste des Arztes wurden daher erst in Anspruch genommen, als Alles vorbei war, und selbst dann wurde ihm sein Geschäft wesentlich durch die Barbarei zweier oder dreier aus der Mannschaft erleichtert, welche alle Diejenigen über Bord warfen, deren Wunden sie in ihrer Weisheit für unheilbar hielten.

Die erste Person, für die Sennor Zurbano's Beistand aufgeboten wurde, war der erste Mate Gomez Alvaruche. Der Priester stand an der Seite des auf den Tod verwundeten Mannes, welcher die Gefahr seines Zustandes selbst fühlte, aber dennoch einen Schein von Hoffnung in seinem Gesichte blicken ließ, sobald er Zurbano's ansichtig wurde. Niemand hatte sich seiner angenommen, als der Mann Gottes, denn wer hätte auch daran denken mögen, sich in jenem Augenblicke der Emancipation von aller gesetzlichen Gewalt soweit zu erniedrigen, um den Diener zu spielen – wäre es auch nur für eine einzige kurze Stunde bei einem Sterbenden?

»Warum seid Ihr denn so gar emsig gewesen, Euch die Dolche zwischen die Rippen zu stoßen? Es scheint mir eine seltsame Einsamkeit auf dem Schiffe zu herrschen.«

»Oh! guter, vortrefflicher, höchst vortrefflicher Zurbano, muß ich sterben – sind diese Wunden tödtlich? Seht nach – seht nach – die Löcher sind nur klein.«

»He, Boccofugo, gebt mir meine Sonde herum« –die silberne Nadel taucht hinein – »klein, aber tief.«

»Ja, tief – ich fühle es. O, wie tief! – Aber sie erreichen nicht den Quell des Lebens. Könnt Ihr sie nicht – Ihr seid so belehrt, so weise – könnt Ihr sie nicht kuriren?«

»Ihr werdet meines Beistandes nicht lange bedürfen. Beichtet diesem hochwürdigen Manne alle Eure Sünden – es wird eine gute Probe für Euch sein. Inzwischen will ich für Euch mein Bestes thun. Sorgt aber auch für Euer ewiges Wohl, denn bei den Tugenden der Arzneikunst, wir Beide haben nicht viel Zeit zu verlieren.«

Diese kaltblütige Ankündigung der nahen Auflösung übte einen furchtbaren Eindruck auf den Leidenden. Er war früher oft verwundet gewesen und hatte seine Beschädigungen mannhaft ertragen, aber das Bewußtsein, daß sein Zustand rettungslos war, wandelte mit einemmale den Raufbold zu dem jämmerlichsten Memmen um. Er begann mit einemmale zu rasen, und verrieth unter kläglichem Gewinsel dem Wundarzt sowohl, als dem Geistlichen, die schändlichen Absichten, welche Mantez und seine Genossen gegen den Reichthum und im Nothfalle auch gegen das Leben der Passagiere unterhielten. Zurbano hörte zu, und machte ruhig in seinen Operationen fort; aber der Priester fühlte sich so entsetzt, und war über das Vernommene dermaßen erstaunt, daß der Sünder, noch ehe die Absolution ausgesprochen werden und Zurbano die letzte Bandage anlegen konnte, mit einem schrecklichen Fluche verschied.

»O, ich Unglücklicher!« rief der Padre. »Der Teufel ist zu gewaltig für mich – ein Schäflein von meiner Heerde ist für immer verloren! Er hätte vielleicht nach einigen Millionen Jahren Fegfeuers frei werden können, wäre es mir möglich gewesen, seine Beichte zu hören und ihm Absolution zu ertheilen – aber nun hat Satan den derben Gomez Alvaruche in seculis seculorum. Der Teufel ist zu gewaltig für mich gewesen.«

»Oder die Stöße der Troughtonianer,« versetzte der Mann der Arzneikunst trocken, indem er seine Instrumente aufraffte und den Todten mit dem Priester allein ließ.

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