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Achtundzwanzigstes Kapitel.

In dem gegenseitigen Austausch der Feindseligkeiten erleiden wir einen großen Verlust. – Bis jetzt nehmen wir noch nicht die Totalsumme auf, und mit allen unsern Streichen bleibt doch die Bilanz ungestrichen.

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Während dieses furchtbaren Zwischenraums der Spannung bemächtigte sich unserer ein so unwillkürlicher Schrecken, daß Drinkwater, als er mich, von den Uebrigen getrennt, anredete, sich eines Flüsterns bediente, ähnlich dem in der Nähe eines Sterbebettes.

»Ich vergebe Euch Euern Argwohn, Troughton, denn Ihr habt ihn nicht um Euretwillen gehegt. Bei Euch steht Alles auf dem Spiele. Ich bin keine Memme, aber doch muß ich Euch sagen, daß ich für mich zittere, denn ich war nie glücklich. Die breiten, gewölbten Augenbrauen, die Eure Stirne säumen, fehlen mir – sie sind das Symbol der Lebensdauer. Da wir hier in den Rachen des Todes stehen, so habe ich keine Zeit, Euch zu sagen, wie sehr ich Euch ehre – sogar wegen Eures Abscheus vor dem Blutvergießen – und ich will daher nicht schnell beginnen; aber wenn wir einmal daran sind, müssen wir sein, wie die verwundete Hyäne – weder Pardon ertheilen, noch selbst Schonung erwarten. Hört, der Schurke spricht – wie bestimmt seine schuftige Stimme durch die Stille tönt!«

Er hatte sich so gut wie möglich gesichert, und zeigte nur einen kleinen Theil seines blassen, haarigten Gesichtes hinter dem Besahnmast, wo er die Leute in der Back anrief. Er sprach nur in wenigen erbärmlichen Worten, indem er sie aufforderte, uns zu vernichten, weil wir englische Ketzer und Verächter der Heiligen seien. Uns bedeutete er, daß wir als Opfer fallen sollten. Dann wandte er sich abermals an die Leute in der Back und befahl ihnen, wenn er sein Schnupftuch schwenke, die Karronaden und das kleine Gewehr gleichzeitig abzufeuern, wobei er sie in dreimaliger Wiederholung zu der Vorsicht aufforderte, niedrig zu zielen, damit keine der Kugeln die auf der Hütte beschädige. Seine Befehle wurden mit einem matten Hurrah beantwortet. Allen diesen Vorbereitungen widmete Drinkwater nur ein verächtliches Lächeln.

Meine Gefühle waren schrecklich, denn ich bemerkte, daß augenblickliche Vernichtung meiner und meiner wenigen ergebenen Freunde harrte. Ich sah in die Mündungen der Karronaden auf der Hütte und in die der langen Kanonen auf der Back, von wo aus unvermeidlicher Tod sich unter uns verbreiten sollte. Neben diesen ungeheuren Zerstörungsmaschinen, die bereits ihren Mund aufthaten, um uns aus dem Bereich des Lebens wegzufegen, achtete ich nur wenig auf die Linien glänzender Musketenläufe. Ich sah die brennenden Lunten über den Zündröhren hängen, und meine Qual war so groß, daß ich zum Himmel betete, er möge mich nicht ohnmächtig werden lassen, damit ich nicht als furchtsamer Wicht zwischen meinen eigenen Reihen falle. Don Mantez sah ich nicht – er war hinter dem Besahnmast versteckt; aber einen Augenblick bemerkte ich das Flattern seines winkenden Schnupftuches, und dann spieen die weiten Röhren ihre Flammen aus – das Geschütz donnerte, die Musketen rasselten, aber von unserer Partie fiel kein Mann.

»Ein Wunder – ein Wunder!« riefen Mehrere aus unserem Haufen in spanischer Sprache.

»Jetzt ein stätes Ziel nach vorn und hinten,« brüllte Drinkwater. »Feuer!«

Und reihenweise fielen sie auf der Back und auf der Hütte nieder, wie das gelbe Gras unter der Sichel des Mähders.

»Reih und Glied gehalten – ladet und feuert so schnell ihr könnt.«

Wir thaten so, und weder der Geschützmeister, noch Drinkwater oder ich blieb müssig. Wir nahmen mit unsern Pistolen bedächtig unser Ziel, ohne jedoch dem behutsamen Mantez eine Kugel beibringen zu können.

Das Wunder wurde unsern Feinden bald klar. Der Geschützmeister hatte alle Kugeln aus den Kanonen und dem Kleingewehr gezogen, und als sie wieder laden wollten, fanden sie, daß sie nichts als leere und feuchte Patronen für ihr Feuer hatten. Da wir selbst gut bewaffnet waren, so hätten wir in kurzer Zeit jeden Einzelmann, der sich zu zeigen wagte, vernichten können; aber leider war es uns von dem Geschicke nicht beschieden, einen so leichten Sieg zu gewinnen. Wir wurden durch einen der einfältigsten Zufälle, die man sich nur denken kann, überwunden.

Bereits hatten wir uns angeschickt, von der Hütte Besitz zu nehmen, denn diejenigen, welche noch am Leben waren, hatten sich zurückgezogen und auf dem Deck niedergelegt, um aus dem Bereich des Musketenfeuers zu kommen – bereits hatten die Spanier vorne, welchen der Stand der Angelegenheiten gar nicht gefallen wollte, angefangen, sich nacheinander aus dem Kampfe zu stehlen – bereits hatten die zurückbleibenden Braven sich aufgestellt, um nach hinten zu stürzen und den Kampf mit ihren Stutzsäbeln zur Entscheidung zu bringen – bereits hielt ich mich und meine Familie für sicher – bereits glaubte Drinkwater im friedlichen Kommando des Schiffes zu sein und zweifelte nicht mehr, daß er lange leben und sich der Achtung wie der gewinnbringenden Freundschaft der großen Kaufleute erfreuen werde, welche ihre besten Schiffe seinem Befehle übergaben und ihn als Gast an ihrer Tafel willkommen heißen. Alle diese herrlichen Aussichten wurden durch eine plötzliche und klägliche Vereitelung zu Wasser. Es war ein einziger weitaussehender Kopf auf der Hütte, was besser ist, als jenes Prärogativ der Könige, der weitausgreifende Arm oder das lange Schwert – jene wirksame Waffe, wenn ein Mann die Kraft und Geschicklichkeit besitzt, sie zu schwingen.

Dieser wilde Kampf hatte ein wenig nach Mittag begonnen. In den tropischen Breiten pflegt man, damit das Pech nicht aus den Fugen koche und die Köpfe der Seeleute ganz in Kohle verwandelt werden, ein Zelttuch über das Halbdeck zu ziehen, sobald die Sonne einige Grade über den Horizont gestiegen ist. Dieses Zelttuch besteht aus starker Leinwand, hängt an einem Richtseil bis auf die Mitte herunter und ist mit Klampen an den großen Besahnmast befestigt; es wird dann durch einige Bande an jeder Seite, die sich an dem stehenden Takelwerk befinden, ausgebreitet gehalten. Auf einem Kauffahrer, namentlich wenn derselbe ein Spanier ist, sind diese Bande nicht sehr zahlreich und auch nicht gut festgemacht. Während nun unsere Partei in dichten Haufen unter diesem Zelttuche stand und, sehr durch den eigenen Rauch inkommodirt, nach vorn und hinten feuerte, so schickte der gedachte weitsichtige Kopf, dessen Namen zu kennen ich nie die Ehre hatte, einige Leute aus, die wir vor dem Zelttuch und dem Rauche nicht sehen konnte, um so weniger, da wir viel zu eifrig waren, um auf etwas der Art zu achten – und gedachte Männer mußten auf ein gegebenes Signal die Zeltbande durchschneiden.

Während wir eben im Begriffe waren, die Früchte unseres Muthes und unserer Tapferkeit zu erndten, hörten wir den Ruf: »jetzt!« und das weite Dach fiel auf unsere Köpfe nieder, uns in seine Falten verstrickend. Aber wir hatten nicht nur die Last dieser Decke zu tragen, denn unsere Gegner sprangen von der Hütte, von der Back und von dem Takelwerk auf uns nieder, während wir uns immer noch unten abzappelten. Es war unmöglich, sich auf den Beinen zu halten. Jeder von uns wurde niedergeworfen, und nun begann eine neue Art von Kampf, in welcher die Partie des Don Mantez alle Vortheile hatte, denn sie erfreute sich des freien Gebrauchs ihrer Arme und hatte nichts als den Himmel über sich, während wir unten vor Hitze fast erstickten und durch die Leinwand in jeder Bewegung gehemmt waren. Da in diesem Kampfe Niemand seinen Feind sehen konnte, so griff man nach dem Dolch und Messer, die Klingen je nach der Lage der Kriegführenden aufwärts oder abwärts stoßend. Es war eine Art Mordlotterie – ein Zustoßen auf's Gerathewohl. Nur allzubald wurde das Zelttuch mit Blut getränkt und das Deck zum Ausgleiten schlüpfrig. Es war ein ächt spanischer Kampf. Mann um Mann wurde an unserer Seite von den tödtlichen Stiletten durchbohrt und hörte auf zu kämpfen und zu athmen.

Während dieses auffallenden und blutigen Gemetzels rührte sich Bill Watkins, der Silberlöffel, nicht von seiner Stellung. Er hielt den Schiffsschnabel genau nach dem Befehl und steuerte außerordentlich schön. Er hatte gesehen, wie Mann um Mann von der Hütte heruntersprang und seine Freunde unter der verwünschten Leinwand unter die Füße trat, aber er bewegte sich nicht von seinem Posten – sein Mann war noch nicht gekommen.

Als endlich Don Mantez sah, daß seine Partie so gar im Vortheil war, schickte er sich an, in einer wirksameren Weise zu unserer Unterjochung Beihülfe zu leisten, indem er zu Waffen griff, welche einen zerstörenderen Erfolg haben konnten, als seine Stimme. Behutsam kam er die Hüttenleiter herunter, wurde aber augenblicklich von Will Watkins bemerkt, der jetzt das Steuer für sich selbst sorgen ließ und rasch seine Pistolen aus dem Gürtel riß, um eine nach der andern auf ihn abzufeuern.

»Da ist eine,« sagte er. »Ich schulde Euch diese für den Schuß auf der verlassenen Insel; und diese da kommt von deinem ermordeten Bruder, du Gezücht.« Beide Schüsse thaten Wirkung, ohne jedoch einen lebensgefährlichen Theil zu treffen. Nachdem der Löffel einmal das Steuer aufgegeben hatte, hatte er keine Lust mehr, seinen Posten beizubehalten, sondern sprang auf das Deck herunter und kroch zu uns unter das Zelt. Wir hörten alsbald das Krachen der Leesegelspieren und fühlten, daß das Schiff beträchtlich nach dem Backbord überhielte; es hatte sich in den Wind gedreht.

Mittlerweile war kaum Einer von meinen unglücklichen Anhängern ohne Wunden davon gekommen und leider die Mehrzahl derselben, die unter der Leinwand verstrickt war, erschlagen worden. Von mir selbst will ich nicht viel sprechen, denn ich hatte auch meinen Antheil abgefangen. Drinkwater hatte zwar mehrere bedeutende Wunden, war aber noch immer kräftig, obschon er jetzt alle besseren Eigenschaften des Muthes verloren hatte; er war in eine Wolfsnatur umgewandelt und lechzte wild nach Blut. Er suchte jetzt nur noch Rache und Mord, ohne sich viel um den Sieg zu kümmern, und dürstete darnach, die Gesichter seiner Feinde zu sehen. Seine Wuth gestattete ihm nicht, seine Bewegungen zu zügeln, und so war er denn auch nicht länger geeignet, Andere zu führen. Unsere Gegner, welche wohl wußten, daß wir nur durch die Hinterlucke entkommen konnten, hatten Gitter und andere schwere Gegenstände auf die Leinwand, welche unmittelbar über derselben lag, geworfen. Wir riefen nun die auf dem Halbdeck um Hülfe an, und sie begannen durch die Lucken heraufzufeuern, da ihnen dies durch ihre Stellung auf dem Hauptdecke möglich wurde. Dies bewog die überlebenden Spanier, die Gitter wegzurücken, aber sie warfen an ihrer Statt die todten Körper auf die Feuernden, denn unsere früheren Musketensalven hatten sie mit mehr als hinreichendem Vorrath von dieser Todtenlast versehen. Die Stützen, an welchen die Akkommodationsseile befestigt gewesen, waren früh im Kampfe niedergeschlagen worden, und so lagen die Latten und die Gitter unmittelbar auf den Luckenkämmen. Wir Alle fühlten, daß in einem solchen Kampf jeder einzeln erschlagen werden mußte, wenn dieses Hinderniß nicht beseitigt würde.

Einige von uns hatten sich bemüht, mit ihren Stutzsäbeln und Messern die Leinwand zu zerhauen; aber dies zog nur Aufmerksamkeit auf sie und ließ die über uns Befindlichen einen Unglücklichen erkennen, in welchem das Leben noch nicht erloschen war. Auch zeigten uns diese Oeffnungen nur, wie sicher und schlimm wir gefangen waren, denn unsere Feinde hatten die Splitternetze auf die Zeltdecke niedergeworfen, so daß wir jetzt wirklich wie die Thiere des Waldes in ein wahres Netz verstrickt waren.

Wir hatten aufgehört Widerstand zu zeigen, denn wir fanden, daß in jeden sich bewegenden Körper augenblicklich ein Stilett oder ein Bajonett gestoßen wurde. Bereits hatten die über uns ihren barbarischen Siegesgesang anzustimmen begonnen, und wir konnten hören, wie sie sich über die Notwendigkeit eines allmäligen Ausrollens von Netz und Tuch beriethen, damit man uns herausziehen und nach einander über Bord werfen könne. Ich weiß kaum mehr, was ich in jener schrecklichen Lage fühlte, glaube aber, daß blinde Wuth in mir vorherrschend war. Ich hatte Vater, Mutter, Schwester und Freunde vergessen; alles Leben, alle Thatkraft schien sich in eine einzige, grimmige Rachsucht zu concentriren, obschon ich es nicht wagte, mich zu rühren oder ein Lebenszeichen von mir zu geben. Mit meinem glühenden Hasse sah ich mich genöthigt, herabgewürdigt in einer schnöden Nachahmung des Todes unter den Füßen meiner Feinde zu liegen. Sogar der verzweifelte Drinkwater hatte, durch wiederholte Dolchstiche gewarnt, aufgehört zu fluchen, zu heulen und nutzlos um sich zu zappeln.

Aus dieser Klemme, die nur mit unserem sicheren Tode zu endigen schien, entkamen die noch Lebenden durch ein wahres Wunder, welches wir dem stummen und viel verachteten Jugurtha verdankten. Stets wird der brave Schwarze geehrt sein in meinem Herzen, und er soll immer zu meiner Rechten sitzen. Wie wunderbar und doch wie barbarisch erschien sein Verstand – wie thierisch und doch wie erhaben seine hingebende Liebe – wie bloß instinktartig und doch wie edel sein unwandelbarer Dank! Wenn er neben mir sitzt und Licht und Leben aus meinen trüben Augen zu borgen bemüht ist, frage ich mich selbst, was ist Glück, was ist Entzücken, wenn es nicht in den triumphirenden Gefühlen liegt, die sich auf seinem Antlitz aussprechen, so oft er glaubt, er habe mich durch eine kleine Aufmerksamkeit erfreut oder durch eine stumme, liebevolle Bewegung zu mir selbst gerufen. Worte! O, wie unnöthig sind sie, mein armer Gefährte, für eine Freundschaft wie die unsrige!

Während wir so im eigentlichsten Sinne des Wortes unter Schatten des Todes lagen und, durch unser Blut aneinandergeleimt, uns durch unseren sterbenden Athem erstickten, erschütterte eine furchtbare Explosion das ungeheure alte Schiff bis in den Mittelpunkt, und ein blendender Lichtstrahl brach über uns hin: die Leinwand und das Netz riß in tausend Fetzen, die Hinterlucke war aller Hindernisse baar, und die zerrissenen Glieder unserer Gegner flogen in alle Richtungen. Anfangs glaubte ich, mein Vater habe in seiner Verzweiflung das Pulvermagazin in Brand gesteckt und das Schiff in die Luft gesprengt.

Dieses Ereigniß, so schrecklich in seinem Erscheinen und für unsere Feinde so unheilvoll in seinen Folgen, war durch den Muth, die Geistesgegenwart und die Treue Jugurtha's herbeigeführt worden. Er allein schien die Ursache unserer plötzlichen Niederlage auf dem Halbdeck voll zu begreifen – ein Umschlagen des Glücks, das uns im Augenblicke des Sieges traf. Unter Beihülfe des Häufleins, das wir zum Schutze der Damen, der Kajüte und des Geldes abgeschickt hatten, war es ihm gelungen, eine der Kajütenkarronaden die Lucke hinauszuschaffen und so mit einer Ladung von Kartätschen und Kugeln jedes Hinderniß wegzublasen.

Lange ehe unsere Feinde sich von ihrem Erstaunen erholen konnten, waren die Verwundeten und Sterbenden unserer Partie unter Beihülfe unserer Freunde auf das Hauptdeck nach der letzten Veste, die uns übrig blieb – nach der Kajüte geschafft worden.

Die auf den Tod Verwundeten und die Kampfunfähigen wurden ausgesondert, die Uebrigen aber sammelten sich auf dem Hauptdecke, um jeden Angriff zurückzuweisen.

Während dieser Pause war der Südseewallfischjäger aus eigenem Antriebe an unserer Luvwindvierung aufgefahren, denn unser eigenes Schiff kam noch immer auf und fiel vor dem Winde ab, weil das Steuer verlassen war. Der Amerikaner breiete uns zu wiederholtenmalen an und fragte, was uns angewandelt habe, daß wir wie ein Haufen Wahnsinniger uns selbst umbrächten. Zwei oder drei Stimmen antworteten ihm unter Bedrohung mit einer Lage, er solle sich von hinnen machen und vor seiner eigenen Thüre kehren. Unser Yankeefreund meinte mit einem Fluche, daß wir Engländer kuriose Bestien seien, weil wir, statt zum Diner zu pfeifen, uns dadurch unterhielten, daß wir einander die Gurgeln abschnitten. Als er jedoch bemerkte, daß sich mehrere Frauenzimmer in der Hinterkajüte befanden, welche nichts veranlassen konnte, sich, unserer Anweisung gemäß auf das Deck niederzulegen, so setzte der Schiffer sehr bedächtig sein Schanzboot aus, bemannte es und ließ es nebenhertauen, für den Nothfall jeden Augenblick bereit, es abzusenden, während sein Schiff noch immer in halber Pistolenschußweite stehen blieb.

Die Windstille nach der Explosion, welche uns aus den Maschen der Splitternetze und aus den Falten der Zeltdecke erlöst hatte, war nicht von langer Dauer. Die Spanier schienen noch wüthender zu werden, und sogar diejenigen, welche sich in ihrer Feigheit nach dem Raume hinuntergeschlichen hatten, kamen herauf. Ungeachtet der großen Verheerung, die wir unter ihnen angerichtet, überwog ihre Anzahl die unsrige doch um's Dreifache, da wir bei dem Gemetzel unter dem Netze furchtbar Noth gelitten hatten. Das Häuflein, welches wir zur Vertheidigung des Hauptdeckes abgeschickt hatten, war bis jetzt noch unverwundet, aber es bestand aus bloß fünfzehn Mann, meinen Vater und Don Julian mit eingerechnet. Sie waren übrigens alle gut bewaffnet, während unsere Gegner sich nur auf ihren kalten Stahl verlassen konnten. Meine eigenen Wunden waren zwar schmerzlich, aber nicht gefährlich. Der spanische Geschützmeister hatte den Tod gefunden, und der arme Drinkwater eilte schnell seinem Ende entgegen, obschon er noch immer nach Rache dürstete. Trotz seines Widerstands brachten wir ihn nach der Hinterkajüte, wo die Frauen ihr Bestes thaten, um seine Wunden zu verbinden, da unglücklicherweise der Chirurg damals noch nicht zu unserer Partei gehörte.

In dieser unseligen Klemme trat nun abermals eine furchtbare Pause ein. Die Spanier, welche mit Entsetzen unsere Feuerwaffen und die entschlossene Linie, die wir auf dem Decke gebildet hatten, bemerkten, griffen uns jetzt mit den bittersten Verwünschungen an, die sie hervorzuschreien vermochten. Kapitän Mantez war durch Watkins Pistolenschüsse zwar schmerzlich, aber nicht gefährlich verwundet worden und hielt sich kläglicherweise auf dem Decke über uns in Sicherheit. Seine Gefährten hatten bereits seine Beschädigungen verbunden, weshalb er jetzt mit gezogenem Säbel die Leute auf dem Hauptdecke anrief und durch seinen Befehl sowohl, als durch seine Flüche und Geberden die Mannschaft zu einem neuen Angriffe zu drängen bemüht war, was übrigens lange Zeit keinen augenfälligen Erfolg hatte. Weil unsere Feinde sich dadurch schützten, daß sie sich hinter die Kanonen und ähnliche Schirme flüchteten, so wollten wir unser erstes Feuer nicht vergeuden, sondern es für die Abwehr eines Sturmes aufbewahren. Mittlerweile erschien auch der Priester in seiner vollen kanonischen Tracht, ein elfenbeinernes Kruzifix in der Hand tragend, und stellte sich, mit Nachdruck etwas aus seinem Ritual absingend, zwischen die drohenden Parteien, wodurch auf's Neue in dem mörderischen Kampfe ein Stillstand herbeigeführt wurde.

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