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Vierunddreißigstes Kapitel.

Ist fast ganz conversationell und enthält nur wenig von Belang; dennoch sollte es nicht vernachlässigt werden, da es einige vortreffliche Gewissenfälle und ein Mittel bietet, wie man bei einer moralischen Frage die häßliche Stimme des Innern im Schach halten kann.

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Auf einem solchen Schiffe, bei einem solchen Befehlshaber und unter einer solchen Mannschaft kann man leicht denken, daß meine Schwester und ich das prächtige Gewölbe des Himmels den Planken der Decke vorgezogen. Erst wenn die Nacht uns umgab und etwas Greifbareres, als ihren dunklen Schleier in der Gestalt eines häutigen Mantels von kaltem Thau auf uns niederfallen ließ, suchten wir Schutz in der Kajüte der »munteren Sally«. Wir fanden dort einen regelmäßigen Spieltisch, zu welchem nicht nur die Offiziere, sondern Jedermann an Bord, der Geld besaß, Zutritt hatte. Ein gierigeres Häuflein menschlicher Wesen hat sich wohl nie zusammengefunden. Die Habsucht schien sie verhärtet und in Wahrheit ausgebrannt zu haben. Doch wurden die demoralisirten Individuen, aus welchen diese Rotte bestand, weder ungestüm über ihre Verluste, noch sonderlich unverschämt über ihren Gewinn. Eine ruhige, aber verzweifelte Hastigkeit bezeichnete alle ihre Bewegungen.

Wir zogen uns voll Abscheu früh nach unseren Schlafstätten zurück, wobei sich's Honoria in der Regel nicht versagen konnte, einen an Verachtung grenzenden Ausdruck ihrer Gefühle blicken zu lassen, der zwar allerdings der Erguß eines edlen Herzens war, aber doch in unserer gegenwärtigen Lage gefährlich werden konnte.

»So ist also der Mensch,« dachte ich. »In der That, man kann ihm wohl nachsagen, daß er mit einer plastischen Seele begabt sei. Spielt er nicht an civilisirten Höfen den feinen Heuchler und den Speichellecker mit der öligten Zunge – tritt er nicht in der City als beutelstolzer Kaufmann auf – zeigt er sich nicht in den Wildnissen von Neuseeland als einen wilden Kannibalen – in den Hinterwäldern von Amerika als den stoischen Schädelscalpirer – in diesem amerikanischen Wallfischfänger als den schmutzigen, geldgierigen Spieler – allenthalben aber als ein Kind der Umstände? Ja, es ist nicht anders; laßt uns daher so tugendhaft sein, als wir können, aber enthalten wir uns, länger mit unseren Tugenden groß zu thun.«

»Wir haben da,« sagte ich zu mir selbst, »den verschmitzten, Gefühl heuchelnden Nathaniel Sillis, der einer erstaunlichen Thatkraft und einer ächt macchiavellistischen Feinheit aufbietet, um sich den kleinen Gewinnsantheil seiner Offiziere und Mannschaft zuzueignen. Wäre er in einer großen Monarchie geboren worden, und hätten ihm die Portale des Hofes offen gestanden, so würde er in seinem Manövriren sogar den größten Staatsmann überboten haben. Wie eine Hekatombe von Ermordeten das Merkmal des Sieges ist, so gilt auch der Betrug um Millionen als ein vortrefflicher Zug diplomatischer Schlauheit, und ich habe deshalb kein Recht, diesen Mann härter zu beurtheilen, als irgend einen fähigen Minister oder geschickten Politiker – wenigstens nicht, ehe ich angehört, was er für sich selbst zu sagen hat. In dem Alter von fünfzig bin ich vielleicht im Stande, mir eine Meinung zu bilden, welche von den beiden entgegengesetzten Prinzipien, der äußersten Selbstsucht oder einer freisinnigen Philanthropie am besten geeignet ist, die Bande, welche die Gesellschaft zusammenketten, unverletzt zu erhalten.«

Jetzt bin ich freilich darüber nicht mehr im Unklaren.

Unter solchen trostlosen Umständen hätte ich als ein Wanderer auf dem Meere, mit einem rebellischen Herzen und einem zu Grunde gerichteten Vermögen, der sich selbst und eine liebliche Schwester zu hüten hatte, wohl kleinmüthig werden müssen, wäre ich nicht gezwungen gewesen, mich gegen Verhöhnung zu stählen. Ich fand bald, daß dieser Tempel des Wohlwollens, die »muntere Sally«, fast ebenso unwirthlich war, wie die Altäre des Mittelalters, welche zwar ein Heiligthum boten, aber doch zugleich den Unterhalt verweigerten. Ich wurde nicht nur als ein unwillkommener, sondern auch als ein verdächtiger Gast behandelt. Ein so schönes Wesen, wie Honoria, konnte, trotz ihrer Verhüllung, freilich nicht mit Groll betrachtet werden, und man vermochte nicht, ihr, obschon sie in ihrer schüchternen Zurückhaltung sich's nicht immer versagen konnte, augenblicklich einen Schatten stummer Verachtung über ihre Züge gleiten zu lassen, ihr ein Gefühl der Achtung zu versagen; aber wir fühlten uns mit jedem Tage ungemächlicher. Sogar Jugurtha, mein schwarzer Freund und Bruder, schien, ungeachtet seines lebhaften Geistes und seiner fast unerschöpflichen guten Laune, unter diesen ungemüthlichen Amerikanern dahin zu welken. Von Anfang an mochte er sich nicht bei den Schiffsarbeiten betheiligen, er beschränkte daher seine Aufmerksamkeit ausschließlich darauf, wie er meine und Honorias unkomfortable Lage etwas gemächlicher machen konnte. Das andere Glied meines Gefolges erwies sich unter uns als den besten Philosophen, denn sein Gleichmuth blieb stets derselbe, und seine Zähne und Klauen hatten die Matrosen frühzeitig gelehrt, daß er sich für einen Fußstoß schnell zu bedanken wußte; er war nicht gewöhnt, Püffe entgegen zu nehmen, ohne gleich baare Zahlung zu leisten.

Das Wetter war nun sehr warm geworden, und die Ladung wurde den Geruchsnerven besonders unangenehm. Die Folge davon war, daß ich und meine holde Begleiterin stets die windigste Stelle des Schiffs aufsuchten. Unserer Rechnung zufolge näherten wir uns schnell dem Haupthafen in dem nördlichsten Theile von Neuseeland, und ich begann einer baldigen Befreiung von diesem schmierigem Sammelplatze des Thrans und der Spieler entgegenzusehen, denn ich war entschlossen, mich auf dem ersten Fahrzeug, das uns begegnete, anzuschließen, gleichviel, welcher Ort das Ziel seiner Reise war.

Der Schiffer hatte in der letzten Zeit begonnen, mich mit seiner eiteln, dunstigen Unterhaltung öfter und reichlicher zu beglücken, als ich bei aller meiner Höflichkeit angenehm finden konnte. Ich will hier nur die letzte aufführen, da sie eine nicht uninteressante Episode bildet und die in ihm herrschende Leidenschaft in einem klaren Lichte zeigt. Wir hatten den Wind fast im Sterne, mit einer leichtern Richtung gegen die Steuerbordvierung; die Brise war gemäßigt und der Tag sonnighell. Die »muntere Sally« lief mit ihren eigenen Ausdünstungen in die Wette, ohne jedoch, so thätig sie auch war, dieselben überholen zu können, was uns nicht wenig zur Beruhigung gereichte. Honoria und ich saßen Hand in Hand auf dem Hackebord, unsere eigenen kleinen Welten durchwandernd, wobei wir den zärtlichen Druck bald verstärkten, bald milderten, je nachdem Vorstellungen in unserem Geiste auftauchten oder schieden. Während wir so in glücklicher Zerstreutheit dasaßen, ohne jedoch das Elend, welches uns umdunkelte, zu vergessen, zeigte sich plötzlich das nur allzu verschmitzte, unwillkommene Gesicht des Mr. Sillis in unserer Nähe. Keines von uns hatte ihn kommen sehen.

»Wohl,« sagte er, »ich habe eine besonders starke Notion, daß Ihr zwei Allerweltskrakeler eine beträchtlich kuriose Familie seid. Habt Ihr Euch da wenigstens schon eine halbe Stunde in den Augen spionirt.«

»Wirklich?« entgegnete ich ein wenig verlegen. »Aber was haben wir besseres zum Ansehen, Kapitän?«

»Ah, so – nun sei's drum – aber unsere Oberbramsegel ziehen verteufelt gut. Die »muntere Sally« ist ein regelmäßiger Klipper, rechne ich; aber die Eitelkeit ist eine Fallgrube für die Füße des Menschen und ein Stolperblock für den Rechtschaffenen.«

»Ah, werdet mir nicht sentimental, Mr. Sillis, Alles, nur dies nicht.«

»Na, na, Mister Spaniole, habt nicht Ihr und dieser junge Mensch da just besonders sentimental gethan – wie's in der Schrift heißt, einander nach den Splittern im Auge gesehen? Eher Balken als Splitter, spekulire ich – bei dem einen wenigstens – in den blauen Guckern des hübschen Gesichtes.«

»Was wollt Ihr damit sagen, Sir?«

»Ich schwatze in drei Tagen nicht so viel Sentimentales, als Ihr zwei in drei Minuten gethan und geguckt habt. Ja, Ihr dürft nur auf diesen Trompetenstich in Euern Händen blicken, aber seine Zusammenfügung ist in allwege gut.«

Die Sonne und der Wind hatten bereits Honoria's Wange etwas zu röthlich gemacht; aber nun rauschte ein lieblicheres Roth durch den glühenden Scharlach – nein, es war nur – es war blos das Erröthen der Entrüstung. Da ich nicht wußte, was der Mann sagen wollte, wohl aber fürchtete, er meine damit zuviel, so wechselte ich plötzlich das Thema, indem ich ihn fragte, wie ihn Abends zuvor das Glück begünstigt hatte. Sein Gesicht strahlte bei dieser Frage, obschon sie ihm nicht ganz das Vergnügen gewährt zu haben schien, das ich erwartete.

»Es ist kaum noch etwas zu gewinnen,« sagte er traurig den Kopf schüttelnd – »kaum noch etwas. Da ist Timothy Clayton, der Zimmermann, welcher eher gewonnen, als verloren hat – ein gieriger, schlauer Spitzbube – will nur All-vier spielen, und ich kalkulire, daß er mächtig betrügt. Nein, ich will nichts mit ihm zu thun haben – wollte, Ihr nähmet ihn in die Mache.«

»Warum sollte ich –«

»Ja – ich weiß, Ihr seid scharf, wie eine wilde Katze – gehört, daß Ihr gebucht seid, stets zu gewinnen – habt natürlich den Pfiff loskriegt in den Höllen zu London.«

»Aber ich habe kein Geld, um mit dem Zimmermann zu spielen.«

»Schieße Euch augenblicklich hundert Dollars auf Euren Nigger vor, und für alle Interessen verlange ich nur die Hälfte Eures Gewinns – also los darauf.«

»Das ist außerordentlich freundlich von Euch – ich fühle in der That Eure überschwengliche Güte. Hundert Dollars auf den Neger – ein Spiel All vier mit dem Zimmermann – die Hälfte des Gewinns Euch. Es ist wirklich sehr freundlich – namentlich die letztere Bedingung.«

»Sagt's Euch immer – sagt' es stets, Ihr würdet in mir einen ungemein ganz besonders und außerordentlich wohlwollenden Schlag Menschen finden, mit einem großen Theil von Sympathie für die Unglücklichen. Oh, Mister Spaniole, den Unglücklichen beispringen ist eine der ersten Pflichten der Menschheit – aber Ihr liebt 's Gefühl nicht, wenn es gleich aus dem Herzen kommt. Laßt uns daher nach dem Zimmermann schicken – Ihr könnt recht gut hier spielen, 's wird auch gut sein, wenn ich Euch ein Packet Karten borge.«

»Jetzt nicht – wir wollen diese kleine Angelegenheit gelegentlich ausmachen – und verlaßt Euch darauf, zu Eurer Zufriedenheit. Vorderhand muß ich Euch übrigens einen kleinen Irrthum benehmen – Gefühl ist mir allerdings theuer, mag es kommen woher es will, sogar aus dem Herzen eines Spielers, denn ich liebe es um seiner selbst willen. Merkt daher auf mich, Kapitän Sillis, denn da Ihr mir von diesem werthvollen Artikel in der letzten Zeit sogar große Vorräthe auftischtet, so habe ich jetzt auch etwas schwer auf dem Herzen; – wie könnte ich es mit meinem Gewissen in Einklang bringen, den guten Zimmermann arm zu machen und vielleicht zu ruiniren, obgleich er ein wenig in All vier betrügt und sich im Loo, Monté oder Brag nicht will betrügen lassen?«

»Sir,« sagte der Amerikaner, »jetzt ehre ich Euch erst recht – ich finde, daß Ihr ein Mann nach meinem Herzen seid. Die nämlichen Betrachtungen haben mich anfangs gleichfalls beunruhigt, und ich dachte wieder darüber nach. Nichts gleicht einem wiederholten Nachdenken, wenn's mit dem erstenmal nicht gehen will, namentlich, wenn man einen Punkt mit dem Gewissen auszumachen hat. Versucht's, Sir, und Ihr werdet finden, daß das steifste Gewissen mit der Zeit Raison annimmt. Ich habe fast alles Geld, welches die Leute auf dem Schiffe zu fordern haben, gewonnen – gewissenhaft, Sir, gewissenhaft, sonst würde es Nathaniel Sillis nicht gewonnen haben.«

»Da kommen wir eben auf den Punkt – macht dies mir klar, und dieser Euer Zimmermann soll hoch und tief geschlagen werden. Er soll den Matrosen für ihren Verlust im Spiel nichts mehr anrechnen.«

»Eine gewisse Klasse von Personen wird nur durch die Armuth tugendhaft erhalten. Der Arme kann sich nicht betrinken, nicht schlemmen oder den Verlockungen schlechter Weibspersonen nachlaufen. Armuth läßt keine Eitelkeit im Anzuge aufkommen und hindert den Müssiggang; sie macht die Leute arbeitsam und zwingt sie, zur See zu gehen, wo sie nur um so mehr Sparmazettiwallfische für's allgemeine Beste fangen. Ich muß mich viel für's allgemeine Beste abmühen.«

»Oh! ich sehe – Ihr bringt große Opfer – aber was werden die Eigentümer sagen, wenn Eure Mannschaft nach dreijähriger Mühe zerlumpt und bettelarm in den Hafen zurückkommt.«

»Ei, ich bin selbst der Haupteigenthümer.«

»Aber die übrigen Eigentümer?«

»Sie werden froh sein. Die Leute müssen augenblicklich wieder aufbrechen.«

»Aber die Behörden der Stadt?«

»Sind lauter Schiffseigenthümer.«

»Ah, jetzt begreife ich's vollkommen. Ihr bringt dem öffentlichen Wohl große Opfer, müßt aber hübsch dafür belohnt werden.«

»Ich habe ein schönes Vermögen.«

»Dies meinte ich mit meiner Bemerkung. Ihr habt wohl eine große und zahlreiche Familie?«

»Weiß da etwas Besseres.«

»Viele arme Verwandte?«

»Keine Seele in der Welt, um die ich mich zu kümmern hätte.«

»Keine Freunde – keine Gegenstände der Liebe – oder der Wohlthätigkeit?«

»Bin kein Narr – bin Nathaniel Sillis.«

»Dann im Namen alles dessen, was vernünftig ist, zu welchem Zwecke fahrt Ihr fort, in Eurem Alter noch Reichthümer aufzuhäufen und Eurer Mannschaft den sauren Lohn ihrer Mühen und Entbehrungen abzudrängen?«

»Schon gesagt – um sie tugendhaft zu erhalten.«

»Was sie betrifft – aber faßt Euch selbst in's Auge – wozu braucht Ihr alles dieses Geld?«

»Wozu ich es brauche? Ich brauche es eben – und will noch mehr – mehr – noch viel mehr haben. Sagte ich Euch nicht, ich hätte mich um Niemand zu kümmern? Dies ist nicht gerade die Meinung meines Herzens, 's ist Einer da, um den ich mich kümmere – Einer für den ich lebe – um ihn zu Grunde zu richten – zum Bettler zu machen – ihn aus seinem prächtigen Hause zu werfen.«

»Und wer wäre dies?«

»Der erste Kaufmann – der Erste in unserer Stadt – oder er war's wenigstens.«

»Was hat er Euch gethan?«

»Als ich noch ein junger Bursche war und wir in unserem Kirchspiele unter strenger Zucht standen, ließ er mich in den Stock legen, weil ich an einem Sonntag Karten spielte. Aber durch Karten soll er noch ruinirt werden – wenn anders Geld und Haß dies auszurichten im Stande sind; und was könnten diese nicht in den Händen eines gekränkten ehrlichen Mannes!«

»Ich wollte eben einen kleinen Irrthum von Eurer Seite verbessern und Euch genau sagen, was Ihr seid; aber dies läßt sich für den Augenblick verschieben, denn die Brise frischt auf. Wir haben da einige schwarze, garstige Wolken in Südosten. Ihr werdet daher gut thun, Euer Oberbramsegel einzuziehen und Eure Bramschooten sammt den Ziehtauen zu bemannen, wenn sich allenfalls die spielenden Gentlemen in ihrer Belustigung stören lassen.«

»Wahrhaftig, Master, Ihr habt Recht! – Hände herauf – Segel gekürzt!«

Und so endete meine letzte Unterhaltung mit dem gefühlvollen Spieler zur See.

Das friedliche, glückliche Spielleben auf der »munteren Sally« näherte sich rasch seinem Ende. Der Kapitän hatte noch nicht viele Minuten gesprochen, als sie ihre Hand ausstreckte und in sehr drolliger, aber doch ominöser Weise ihre Karten niederwarf. Ich habe früher bemerkt, daß die Matrosen, wenn sie hastig nach den Masten geschickt wurden, ihre Karten in den Busen steckten, damit die unten Zurückbleibenden sie nicht auswechseln möchten. Vier Marsgäste spielten eben eine behagliche Partie Whist in dem großen Mars. Einer davon, welcher hinaufgeschickt wurde, um die Oberbramsegel zu beschlagen, war zufällig der Ausgeber, weshalb er dem gewöhnten Gebrauch zufolge das ganze Kartenpacket in die Brust seines Leinwandhemdes steckte und dann hinaufging, um sich auf der Raa auszustrecken. In Folge eines ungestümen Schwankens und eines plötzlichen Windstoßes nahmen die zweiundfünfzig Karten von ihrem Ruheplätzchen Reißaus und flatterten in allen Richtungen um das Takelwerk, so daß es den Anschein gewann, als müsse sich das Schiff durch eine Wolke farbigen Pappendeckels den Weg bahnen. Aber nur wenige fielen auf das Deck; die übrigen wirbelten steigend und fallend mit dem Winde weiter, bis sie sich endlich zur Belustigung der Delphine, Meerschweine, Barrakuten oder anderer Fische, welche etwas davon verstanden, auf den jetzt halb erzürnten Busen des Oceans niederließen. Nie zuvor hatte ein Kartenpacket eine so große Strecke bedeckt.

Die Brise frischte allmählig an, und der Kommandeur sowohl als seine Matrosen waren jetzt genöthigt, sich mit ernsteren Gegenständen, als mit dem wechselseitigen Abjagen ihres beziehungsweisen Eigenthums zu beschäftigen. Das Takelwerk begann zu strammen, die Stengen beugten sich und das Gebälk des Schiffes krachte. Segel um Segel wurde eingezogen, und nun begann das Meer seine Myriaden Arme in die Höhe zu breiten, auf seiner weiten Oberfläche zu stöhnen und den Wind mit seinen unablässigen plätschernden Seufzern zu belasten.

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