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Sechszehntes Kapitel.

Ich entbinde mich meines religiösen Berufs. – Wir Alle beginnen ein neues Leben und schiffen uns für die neue Welt ein. – Ich finde einen schrecklichen Verdacht bestätigt.

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»In der That, Ardent,« sagte der verständige alte Mann, »du sprichst sehr exaltirt. Vor welcher Sünde – vor welcher Versuchung willst du fliehen? Bist du nicht hier, in dem Schoos einer tugendhaften Familie, geliebt und fast angebetet? In diesen heiligen Kreis wenigstens wird weder Verbrechen noch Schande eindringen. Mit was für Beargwöhnungen trägst du dich. Wer sucht deinen Frieden zu stören? Wenn du einmal die Thorheiten der Welt fliehen willst, denen wir im Grunde freilich sehr ausgesetzt sind, Ardent, so nimm deine Zuflucht zu unserer überschwänglichen Liebe.«

Ich schauderte. Meine stattliche und freundliche Mutter hatte während dieses kurzen Gesprächs mit der verlegenen Miene eines Diplomaten, der eben finden mußte, daß ihm ein schlauerer Kopf in den Weg gekommen war, in der Nähe gesessen. Aber plötzlich glänzte ihr Auge und ein sonniges Licht verbreitete sich über ihr Antlitz; sie rief mit der Freude eines Menschen, der eben glücklich ein Problem gelöst hat:

»Heiliger Sylvester! wie einfältig wir Alle gewesen sind – der Knabe liebt!«

»Er liebt!« rief Honoria, indem sie aufsprang, und mir unverholen einen schwesterlichen Kuß gab. »O wie freut mich dies, mein lieber, theurer Ardent.«

»Ich ziehe dies ganz und gar in Abrede,« sagte ich mit feierlichem Nachdrucke. »Dem ist nicht so, Honoria; du weißt oder solltest wenigstens aus meinem Benehmen wissen, daß ich eine sehr zurückhaltende Person bin. Ich bin dein Bruder – dein älterer Bruder, und so vertrete ich die Stelle deines zweiten Vaters. Ich liebe dergleichen Freiheiten nicht – sie sind mir sehr zuwider – und ich muß dich daher bitten, dieselben nicht zu wiederholen.«

Das arme Kind brach in Thränen aus. Sie vergoß jedoch nur den bitteren Thau einer gekränkten Liebe, während es mich däuchte, als ob mein eigenes Herz Blut weinte.

»Ich muß bekennen,« sagte mein Vater, sich an mich wendend, »daß mir dein Benehmen sehr hart vorkommt. In der That hast du deiner Schwester nur wenig Aufmerksamkeit geweiht, während du ihr sonst doch so zärtlich zu schreiben pflegtest. Ich bedaure, Ardent, sagen zu müssen, daß dein Herz das einzige ist, auf welches ihr inniges Wesen keinen Eindruck übt – denn sie ist ein gutes, gesegnetes Kind.« Er sprach dies mit einem triumphirenden Blicke. »Komm in meine Arme, Honoria.«

Und sie warf sich an seine Brust, um daselbst ihren kleinen Gram wegzuschluchzen.

Pater Gorbellazo, der inzwischen seinen nicht leicht zu beschwichtigenden Appetit befriedigt und seine Kehle mit einem großen Glas feinen, alten Kanariensekts geklärt hatte, bekreuzte sich und begann:

»Meine lieben Mitbrüder, ich habe eine heilige Pflicht zu erfüllen. Ein verirrtes Schaf schreit außerhalb des Pferches – eine Seele ist zu retten, und ein Ketzer zum wahren Glauben zu führen. Mein Sohn Ardent, Euer Vorhaben ist fromm, und die Heiligen werden es segnen. Ihr werdet einen wackeren Mönch abgaben; aber laßt mich zuvörderst Eure Ansichten über unsere sieben Sakramente prüfen.«

»Oh,« sagte ich nachlässig, »ich dachte nicht an die Dogmen Eures Glaubens, – denn ich verlange nur die heilige Abgeschiedenheit, die er bietet. Was hat ein Sakrament mehr oder weniger zu bedeuten, wenn das Herz erneuert ist? In England kommt man gut mit zweien aus, und ich versichere Euch, daß es daselbst recht wackere Leute gibt.«

Der Mönch bekreuzte sich und murmelte ein lateinisches Gebet. Meine Mutter bekreuzte sich gleichfalls, und machte eine ängstliche Miene – und meine Schwester schlug gleichfalls ein Kreuz, dabei liebevoll nach mir hinblickend. Auch Don Mantez bekreuzte sich und schlug mit der Hand an das Heft seines Schwertes – das einzige Pröbchen von Feindseligkeit, mit dem er mich seit langer Zeit beehrt hatte – denn er nahm Alles militärisch und sah finster nach mir hin, als hätte ich ihm eine persönliche Beleidigung angethan. Nach allen diesen Ceremonien erhob sich der fromme Pater, um England mit allen seinen Ketzern auf's wärmste und salbungsreichste zu verfluchen. Sobald dies nach Herzensgelüsten geschehen war, wurde er wieder wunderbar ruhig. Mein Vater, dem die Scene verdrießlich wurde, forderte mich auf, mit ihm nach dem Comptoir zu gehen; jetzt aber gebot mir der Priester – ja er befahl mir, zu bleiben, damit er den Prozeß der Bekehrung mit mir vornehmen könne.

Mein Vater entfernte sich; meine Mutter aber war so sehr erbaut, daß sie Honoria beauftragte, sie solle ihre Arbeit bringen und die Erklärung ihres Glaubens mitanhören. Da nun meine Schwester blieb, so hielt es der ritterliche Liebhaber gleichfalls für passend, sich nicht zu entfernen. Es kam zu einer langen polemischen Beweisführung, und ich fand, daß ich gerade die Glaubenssätze, welche ich kurz zuvor noch zu verlassen im Begriffe war, mit Hartnäckigkeit vertheidigte. Als endlich gar der glattzüngige Mantez, um meinen Wunsch zum Abfalle zu ermuthigen, in seinen sanftesten Tönen sagte, wenn ich mein Noviziat durchgemacht und ein Jahr die Tonsur getragen habe, so könne ich seine Verbindung mit meiner Schwester einsegnen – da wurde ich protestantischer als je, und mein Glaube wurde so fest, wie der Granitfels, der im Mittelpunkt der Erde eingebettet ist. Ich kam nie wieder auf den Gedanken, ein Mönch zu werden.

Aber der grause Zwiespalt mit meiner eigenen Seele sollte nicht in Spanien stattfinden. Nach meiner Kontroverse mit dem Mönch wurde mein Geist besser geordnet. Ich liebe es nicht, von dergleichen Dingen zu sprechen, aber ich suchte die Ruhe meines Gemachs und verkehrte unter Beihülfe des Gebetes lange und eifrig mit meinem Innern. Ich war getröstet, fühlte mich nicht länger als einen Ausgestoßenen, und schmeichelte mir, daß meine unbewußte Sünde Vergebung gefunden habe. Dann beschloß ich Beschäftigung zu suchen, deren mir mehr als genug geboten wurde.

In jener Periode triumphirten die französischen Waffen in Spanien; die Widerspenstigen wurden in Barcelona täglich dreister, und die französischen Truppen umringten schnell die Stadt. Unsere Lage wurde bedenklich. Wir hatten viel Kaufmannsgut und viele Haushaltungsgeräthe einzuschiffen. Es war keine Zeit zu verlieren, und Don Mantez war ebenso thätig, wie mein Vater und ich. Er hatte ein großes Schiff von beinahe tausend Tonnen, und zwar zu einer Zeit und an einem Orte zu bemannen, als rüstige Hände durch den Krieg ziemlich selten geworden waren. Sie wurden, um uns der Sprache eines tapferen Generals zu bedienen, rasch aufgebracht. Matrosen führte man mit Gewalt fort, um sie zu Soldaten zu machen, und den Soldaten lauerte man auf, um sie in Matrosen umzuwandeln. Landstreicher, Verbrecher – Alles kam gelegen, so lange sie nur eine leidliche Gesundheit und körperliche Kraft besaßen. Wir brachten endlich, den Kapitän nicht miteingerechnet, eine Mannschaft von hundert neunundfünfzig Köpfen zusammen, zu denen alle Nationen und alle nur erdenklichen Gewerbe beigesteuert hatten.

Die Santa Anna, dasselbe Schiff, welches mich nach Barcelona gebracht hatte und uns nun mit unsern Glücksgütern nach der neuen Welt tragen sollte, war, wie ich bereits oben andeutete, ein spanisches Kriegsschiff mit zwei Verdecken und damals mit vierundsechzig Kanonen versehen – ein sehr kräftiges Fahrzeug, aber ziemlich alt und für seine Größe sehr kurz gebaut. Sie hatte eine große Hütte, die bis an das Halbdeck reichte, und letzteres war mit einer hohen, sehr geräumigen Kajüte versehen. Auch auf dem Hauptdecke befand sich eine schöne Kajüte, und die Konstabelkammer oder jener Theil des Decks, wo sonst die untere Kanonenreihe stand, war mit vielen Bequemlichkeiten versehen. Dieses Geschütze hatte man jetzt entfernt und sämmtliche Schießpforten verschlossen. Die unteren Masten waren stark, die Stengen aber und alle Marskardelen unverhältnißmäßig klein. Wenn sie völlig für die See ausgestattet war, so hatte sie ein unförmliches, tölpisches Aussehen. Ich muß noch ferner bemerken, daß ihr Bugspriet sogar für ein Kriegsschiff ungemein groß, der Klüverbaum aber und Alles was sich jenseits befand, eigentlich winzig war.

In Folge der Erfahrungen auf meiner ersten unglücklichen Reise konnte ich nunmehr die Santa Anna mit den Augen eines Matrosen betrachten; ich sah voraus, daß sie nur schlecht arbeiten würde und im Falle einer widrigen See bedeutend rollen müsse. Außen hatte sie einen sehr bunten, aber nachlässig aufgetragenen Anstrich. An Bord selbst war Alles in einem sehr schmutzigen Zustande, die einzige Passagierskajüte ausgenommen, für deren Reinlichkeit ich selbst gesorgt hatte. Als sie geladen und zum Aufbruch bereit war, sank sie tief ein. Wehe dem Fahrzeuge in einem Sturme!

Ich habe dieses Schiff so ausführlich geschildert, weil sein Deck und sein innerer Raum bestimmt waren, vielen schrecklichen Scenen zum Schauplatze zu dienen. Wir – denn ich kann mich jetzt dieser bedeutungsvollen Mehrzahl bedienen, da ich der Associe meines Vaters war – hatten fünf Achtel des Schiffes gekauft – ein vortrefflicher Handel, wie mein Vater meinte – während die übrigen drei Achtel Eigenthum des Kapitän Don Mantez waren. Die Zahl der Dollars, welche auf unsern Antheil fielen, schienen in Anbetracht des Tonnengehalts allerdings nicht sehr der Rede werth; aber wenn wir uns nicht als Käufer gemeldet hätten, wäre das Schiff abgebrochen worden und Don Mantez für eine Weile »ohne Beschäftigung« gewesen, denn es war zu groß für den damaligen elenden Zustand des spanischen Verkehrs.

Wir haben uns nun unter Händedrücken und Umarmungen von unsern Freunden verabschiedet und Alles gethan, was zwischen Leuten gebührlich ist, welche die Bestimmung tragen, sich nicht wieder zu sehen. Nachdem die Santa Anna reichlich mit Weihwasser eingesprengt und zwischen den Pumpen auf dem Unterdeck ein kleines Wachsbild der Jungfrau in einem Tabernakel, vor dem eine Lampe brannte, gesetzt worden war, warpte man das Schiff aus dem Hafen, und am andern Morgen in der Früh schifften wir uns ein. In dem ewigen Abschiede vom Vaterland liegt etwas Feierliches, das erkältend bis in die Seele dringt; denn mein Vater hatte Spanien als seine Heimath adoptirt.

Als uns das Boot nach dem Schiffe brachte, beobachtete ich ihn genau. Es lag eine wehmüthige Entschlossenheit in seinem Gesichte. Seine Perrücke saß etwas schief – ein eigentliches Wunder bei einem Manne von seinen pünktlichen Gewohnheiten; auch hatte er seine Brille auf, obschon er sie nur brauchte, wenn er las oder schrieb. Ich glaube es geschah, weil er seine Thränen verbergen wollte. Seine Gattin wußte sich vor Kummer fast nicht zu helfen, und Honoria theilte ihre Zeit zwischen Weinen und Beten, bisweilen auch beides zumal verrichtend.

Die einzigen Wesen, welche sich über die Einschiffung zu freuen schienen, waren Jugurtha und Bounder, die ich nur zu lange vernachlässigt hatte, obschon sie durch Andere dafür schadlos gehalten wurden. Der Hund war Honoria's Liebling und Spielgefährte, mit dem sie sich oft stundenlang zu balgen und zu vergnügen pflegte. Nie wandte ein Thier seine Kraft sanfter an – und nie schien die Sanftmuth kräftiger zu sein, als wenn sie von dem Mädchen in Anwendung kam. Ihr Blick war für den Hund Gesetz. Wie groß ist nicht die Gewalt der Anmuth!

Der Neger wurde gut genährt und gekleidet, bediente mich in der Regel und war gleichfalls ein allgemeiner Liebling geworden. Seine heitere Laune war nicht zu erschüttern, obgleich ich gestehen muß, daß er sogar denen, welchen Häßlichkeit als Schönheit erschien, ungemein häßlich vorkam. Seine Nebendienstboten hatten ihn gerne, und auch das weibliche Gesinde zeigte ihm Merkmale von Zuneigung. Ich glaube, er hätte die Schönste darunter heirathen können.

Aber wie gesagt, er sowohl, als der Hund athmeten die Seeluft mit ungeheucheltem Hochgenusse ein. Endlich hatten wir unsere Füße auf die Planken des verhängnißvollen Schiffs gesetzt.

Als wir nach dem Halbdecke der Santa Anna hinanstiegen, empfing uns Kapitän Mantez mit einer Höflichkeit, die stark mit Anmaßung gepaart war, und wie er bemerkte, daß Honoria ihre kleine Hand in das lange Haar des Hundes Bounder begraben hatte, welcher, als sei er dieser Ehre bewußt, unter ihren Liebkosungen so stolz und majestätisch dastand, wie der junge Löwe des Waldes, so konnte er sich's nicht versagen, mit einiger Bitterkeit zu bemerken, daß es gegen allen Schiffsbrauch sei, Hunde mit an Bord zu nehmen.

»Kapitän Mantez,« sagte mein Vater ruhig, »das Schiff steht in unserem Dienst, unseres Eigenthumsrechts gar nicht zu gedenken.«

»Sennor Trottoni, ich sprach von diesem Gegenstande, nur als von einer Sache, welche zur Disciplin gehört. Dieses nutzlose, lebendige Gerümpel, der stumme Schwarze soll vermuthlich auch einen Theil des Cargos abgeben?«

»Der Mann und der Hund, beide stehen unter meinem Schutze,« versetzte mein Vater.

»Sie sind meine Lieblinge,« bemerkte meine Schwester.

»Und meine Freunde,« fiel ich ein, einen entrüsteten Blick auf den Kommandeur werfend.

»Laßt es gut sein,« sagte Mantez, eine Gefälligkeit heuchelnd, die das Wogen seiner Brust Lügen strafte; »wir wollen uns die ersten Augenblicke, welche Ihr unter meiner Obhut seid, nicht durch Wortwechsel verbittern. Erlaubt Ihr mir, Euch nach der Kajüte zu bringen, während ich den Anker aufziehen lasse?«

Mit diesen Worten bot er den Damen den Arm; mein Vater folgte ihm, und so verschwand er mit seiner Gesellschaft unter der Hütte.

Das Halbdeck war nun ausschließlich mir und meinem schwarzen Begleiter überlassen; ich redete ihn daher folgendermaßen an: »Jugurtha, du bist ein guter Mann – verstehst du? Du bist mein Freund, aber dieser Kapitän ist nicht der deinige, und ebenso wenig der meinige. Er ist ein böser Mann. Weißt du, mein guter Jugurtha, was ich unter einem bösen Manne verstehe?«

Als ich die letzten Worte sprach, überflog ein dämonischer Ausdruck die Nacht seines Gesichtes; er richtete sich auf, so daß er mir sogar größer erschien, als sonst, blickte mit einer Würde umher, die sich recht gut mit der Wildheit seiner aufgeregten Züge vertrug, und ergriff endlich das große Schnappmesser, welches er nach Matrosenweise stets an einem Tau um den Hals gebunden trug. Nachdem er es geöffnet, machte er eine Geberde, als schneide er die Zunge an der Wurzel aus, und zeigte zu gleicher Zeit auf sein verstümmeltes Sprachorgan. Ich schauderte und getraute mich nicht, den Sinn seiner Geberde zu deuten, da ich eben annehmen wollte, er wünsche mir im Allgemeinen zu bedeuten, daß diejenigen, welche die Zungen ihrer Mitmenschen ausschnitten, böse Menschen seien.

Den Gedanken, daß der künftige Gatte meiner schönen Schwester auch unter die Zahl gehöre, wies ich mit allem Nachdruck zurück. Ich wandte mich von dem Neger ab und ging eine Weile auf dem Halbdeck umher; aber ich konnte mich des Gedankens nicht entschlagen. Ich fühlte mich schwer beklommen und näherte mich auf's Neue dem Schwarzen mit der feierlichen Anrede:

»Der Mann, den ich meinen Freund nenne, darf nichts sagen, was nicht ist – darf keine Lüge sprechen. So rede denn, guter Jugurtha – habe ich dich nicht, als wir hungerten und die heiße Sonne in dem Boote uns ausdorrte, wie einen Bruder behandelt? – So sage mir denn, hat er, hat der Kapitän dies gethan?«

Der arme Bursche schlug seine Hände zusammen und erhob seine Augen ehrfurchtsvoll zum Himmel; dann sah er mir ausdrucksvoll in's Gesicht und rollte den Rest seiner Zunge in peinlichem Versuche zu sprechen umher. Aber die Anstrengung konnte nur einen scharfen, kurzen, zischenden Laut hervorbringen. Er brach in Thränen aus und beugte sein Haupt vor mir nieder.

Hätte das Wort »Ja« auf Donnerschwingen in meine Ohren getönt, so hätte ich es nicht deutlicher verstehen können. Aber dennoch versuchte ich mich selbst zu täuschen. Im nächsten Augenblicke hatte Jugurtha mit stolzer Verachtung die Thränen aus seinen Augen gewischt, und stand wieder in der gewöhnlichen Theilnahmlosigkeit oder Philosophie seines Wesens da.

»Jugurtha,« fuhr ich fort, »ich fürchte, daß ich dich verstehe, obschon ich zittere, daran zu glauben. Gib mir ein deutlicheres Zeichen – wenn es wahr ist, daß dieser Mann der Elende war, so erhebe deine rechte Hand zum Himmel.«

Er that dies augenblicklich; er hatte eine blitzende Klinge in der Hand, die er aus seinem Busen hervorgeriffen und die jetzt für einen Augenblick hell in der Sonne funkelte. Ehe er die Waffe wieder in ihren Versteck zurückbrachte, führte er sie an seine Lippen, als wolle er das Werkzeug liebkosen, welches seine schreckliche Verstümmelung rächen sollte.

»Wie? – Wann? – Wo? Armer Jugurtha, wer ist dieser Mantez? Welche Verbrechen mag er begangen haben? Er, der Gatte meiner Honoria? Eher soll er todt zu meinen Füßen liegen. Doch ruhig jetzt – da kommt er mit dem ganzen Stolze des Kommando's auf seiner Stirne. Jugurtha, du liebst mich – thu', wie ich dir sage; unsere Zeit wird kommen. Es ist mein Feind und der deinige; aber keinen Mord, Jugurtha – denk an die Jane. Jetzt geh' und erkundige dich nach den Wünschen deiner jungen Gebieterin.«

*


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