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Das ewige Licht.

Die Arbeit des Freimaurerbundes wird durch einen Tempelbau versinnbildet. Wir bauen den unsichtbaren Tempel der Verehrung Gottes im Geiste.

Das Fundament dieses Tempels kann kein anderes sein, als der aller Religion zu Grunde liegende Glaube an Gott und an eine höhere, über die Erde hinausreichende Bestimmung des Menschen.

Dieser Glaube an Gott ist nicht so zu verstehen, dass wir ein Gesetz der Schwere oder eine Naturkraft voraussetzen, durch welche die Bahn der Weltkörper gesichert und das Leben der Natur begründet ist. Ein so eingeschränkter Gottesglauben ist für unser religiöses Bedürfniss nicht genügend und würde auch für den Glauben an unsere höhere Bestimmung keinen Anhalt bieten. Unser Tempelbau bedingt einen viel höheren Glauben. Wir glauben an einen ewigen Geist, welchem auch der Menschengeist entstammt und durch den wir in Ueberwindung unserer sinnlichen Natur zu einem neuen geistigen Sein gelangen, welches über der Erde Loos sich erhebend, in einem über den Abschluss des Irdischen hinüberreichenden Streben die Vollendung seiner Bestimmung erblickt. Nur in solchem Glauben wurzeln die Begriffe der Tugend, welche in unserer sinnlichen Natur nicht vorhanden sind.

Dieser Tempel des Maurerthums mit seinem ewig unbeweglichen Glaubensfundamente soll das Heil der Menschheit in allen Strömungen des Lebens sichern; er soll der feste Glaubenshort sein, an welchem der Widerstand sinnlicher Weltanschauung sich bricht, der über allen nebensächlichen Glaubensmeinungen als der vereinigende Mittelpunkt alles Gottesglaubens und aller Gottesverehrung, und damit allen Friedens und aller Seligkeit hoch emporragt.

Unser Bauwerk würde bald hinfällig werden, wenn wir dem Unglauben der Zeit Zugeständnisse machen sollten, wie es in einzelnen Bundeskreisen leider angestrebt wird. Jede Abweichung vom Fundamente erschüttert den Bau. Wir sind nichts und unser Bund ist völlig zwecklos, wenn wir die Grundlage unserer Existenz nicht unerschütterlich festhalten. Wir sind aber auch unfähig, diesen festen Grund zu vertheidigen, also unfähig, Maurer zu sein, wenn jener Glaube nicht eine Eigenschaft unseres Wesens geworden ist. Nur durch die Glaubenskraft und die Glaubenstreue seiner Mitglieder kann der Bund der eherne Fels sein, welcher allen Brandungen des Aberglaubens und des Unglaubens zu trotzen vermag.

Die Philosophie des Unglaubens, welcher wir unsere Glaubensphilosophie entgegen zu stellen haben, zeigt uns in ihren letzten Consequenzen Erscheinungen, welche ganz dazu angethan sind, die logische Berechtigung des Unglaubens als völlig hinfällig nachzuweisen.

Es ist an sich schon unlogisch, das Vorhandensein alles dessen zu bestreiten, was man mit seinen Sinnen nicht wahrnehmen und nicht bezeichnen kann. Der an der Erde kriechende Wurm kann sich vom Menschen und auch sogar von höheren Thieren keine Vorstellung machen. Es ist darum ganz unbegründet, in der Stufenleiter der Wesen und damit für deren Erkenntnissvermögen den allerletzten Abschluss in dem Dasein des Menschen zu erblicken. Durch unbefangenes Nachdenken gelangen wir vielmehr zu der Ueberzeugung, dass wir, die wir die Unendlichkeit des Weltraumes zwar nicht fassen und begreifen, aber noch viel weniger eine hinter unseren Wahrnehmungen noch liegende Endlichkeit für möglich halten können, mit unserem sinnlichen Erkenntnissvermögen keineswegs die höchste Vollkommenheit erlangt haben, dass im Gegentheil eine viel höhere Wahrnehmungskraft nicht nur möglich, sondern sogar gewiss ist.

Die Theorie des Unglaubens zerstört alle Harmonie in den Erscheinungen des menschlichen Daseins. Sie ruft unüberwindliche Gegensätze hervor. Sie bestreitet dem Menschen die Consequenzen seiner höheren Veranlagung und macht ihn zu dem unvollkommensten und unglücklichsten aller Geschöpfe, weil er wegen seiner höheren Veranlagung in den Regionen des thierischen Lebens keine Befriedigung findet.

Es ist darum folgerichtig, dass die Philosophie des Unglaubens zunächst eine Theorie des Weltschmerzes erzeugt hat.

Ein Adler, welchem die »Schwingen genommen sind und der nun in den Niederungen umherirrt, kann sich gewiss nicht glücklich fühlen. Und wenn er sogar noch zu dem Bewusstsein gelangt, dass die sonnumglänzten Höhen, zu welchen seine Veranlagung und seine Sehnsucht ihn emporziehen, gar nicht vorhanden seien, dann kann er nicht anders, als in tiefen Weltschmerz versinken und sein Leben als ein verfehltes ansehen.

Sobald wir die sonnigen Höhen geistigen Lebens und eine über das Loos der Erde und über die Zersetzung des thierischen Seins erhabene geistige Welt, zu welcher wir nach unserer Befreiung von den Fesseln des Irdischen eingehen sollen, nicht mehr anerkennen, sondern den Zweck unseres Daseins lediglich in dem Getriebe der Erde erblicken, dann erscheint auch uns das menschliche Leben zwecklos. Und so folgt denn jener Theorie des Weltschmerzes folgerichtig auch die jammervolle Lehre von einer falschen Erlösung. Nicht eine Erlösung vom Tode, wie wir sie lehren und glauben, ist damit gemeint, sondern die Erlösung vom Leben. In dieser Lehre der Erlösung vom Leben wird es als höchstes Glück des Menschen gepriesen, wenn er das Leben, in welchem jeder Augenblick von Unlust erfüllt sei, wieder verliert. Die weitere Consequenz dieser Lehre kann nur die freiwillige Aufgabe des Lebens sein. Der Selbstmord muss danach als Tugend und als die höchste Vernunft angesehen werden.

Diese von finsterem Ernst und traurigem Entsagen erfüllte Philosophie des Unglaubens erscheint aber in ihren Folgerungen so widersinnig und ungeheuer, und widerspricht so sehr unserem Empfinden und jedem gesunden Menschenverstände, nach welchem die Ausnutzung aller Kräfte wie dem Thiere, so auch dem Menschen gewährleistet sein muss, dass die Theorie des entsagenden Weltschmerzes schliesslich nicht mehr aufrecht zu halten war. Als letzte Consequenz des Unglaubens ist darum nachdem eine andere neue Theorie aufgestellt worden. Es ist dies die Theorie des freien, jeden anderen Willen überwältigenden Willens. Diese Theorie soll nun dem Glückseligkeitsbedürfnisse des Menschen gerecht werden.

Nach dieser neuen Lehre sind alle Beschränkungen des thierischen Willens, wie sie die Religion zu Gunsten eines höheren Willens vorschreibt, für unberechtigt erklärt. Wie alle Religion damit überwunden ist, so soll nun auch Menschenliebe ein überwundener Standpunkt sein. Jeder Mensch soll ohne jede Beschränkung seinem persönlichen, selbstsüchtigen Willen folgen und alle diejenigen, welche ihm in der Ausübung desselben hinderlich sind, unter die Füsse treten dürfen. Das ist in der weitesten, unseligsten Bedeutung die Schreckensherrschaft der thierischen Natur. Die Willenshelden, welche in den Zuchthäusern sitzen, können als grosse Lichter einer solchen Gemeinde gelten. Dass unter der Herrschaft einer solchen Theorie Menschenglück entstehen könnte, kann wahrlich nur der vollendete Irrsinn glauben.

Es ist kein Gott – die erste Consequenz dieser Weltanschauung war der Weltschmerz, die Trauer des Entsagens. Es ist kein Gott – die folgende Consequenz ist der Bankerott allen Menschenverstandes und die Auflehnung gegen Gott.

So musste die Philosophie des Unglaubens, welche in ihrer ersten Folgerung noch einigen Anhang fand, in ihrem späteren und letzten Ergebnisse sich selbst das Urtheil sprechen und an ihrer Ungeheuerlichkeit und Widersinnigkeit, an ihrer sittlichen Anstössigkeit zu Grunde gehen. Gerichtet durch sich selbst.

Möge über alle Truglichter einer irren Denkrichtung unserer Zeit des Bundes reines Licht immer höher emporleuchten. Möge unser Bund wie ein unbeweglicher Fels allen Strömungen des Unglaubens alle Zeit festen Widerstand leisten und so die Grundlage bleiben des Friedens, der Liebe und der Seligkeit.

Wir wollen uns nicht überreden lassen, dass Menschenliebe ein überwundener Standpunkt, und Unfrieden und Hass im selbstsüchtigen Kampfe jedes Einzelnen gegen Alle des Menschen Bestimmung sei. Wir halten fest an der Liebe. Menschenliebe ist unser heiliges Wort. Unsere Loosung ist und bleibt: » Friede wird einst sein auf Erden und die Liebe Königin.« Und zwar durch das Licht des Maurerthums.

Auf grünem Eiland, meerumschlungen,
Ragt hoch ein Leuchtthurm übers Meer;
Wie auch die Fluth mit ihm gerungen,
Er stehet fest, der Brandung Wehr.
Er zeigt dem Schiffer sich're Landung,
Er strahlt ihm Heimathgruss von fern.
O ew'ges Licht in Sturm und Brandung,
Du Licht der Welt, o Maurerstern!

Br. Friedrich Holtschmidt.


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