Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes thut, der bleibt in Ewigkeit.

(Vortrag zur Trauerloge.)

Jedem unserer Feste liegt eine werthvolle Idee zu Grunde. Das trifft auch bei unserer heutigen Feier, der Trauerloge, zu, freilich mit dem wohl zu beachtenden Unterschiede, dass ihre Idee jede andere bei Weitem überragt, denn sie umfasst die gesammte Königliche Kunst, Leben und Sterben, Zeit und Ewigkeit. Um den geistigen Gehalt der Trauerloge recht zu erkennen und ihn als kostbarsten Gewinn mit heim zu nehmen, lasst uns mit einander sinnend erwägen:

Die Welt vergeht mit ihrer Lust;
Wer aber den Willen Gottes thut,
Der bleibt in Ewigkeit.

Das besagt aber dreierlei: Eine Warnung, eine Mahnung und eine Verheissung.

Die Warnung lautet: Die Welt vergeht mit ihrer Lust.
Die Mahnung: Thue den Willen Gottes!
Die Verheissung: Du bleibst in Ewigkeit.

1. Die Warnung: Die Welt vergeht mit ihrer Lust.

Das beweist uns in ernster Sprache der Sarg, das Sinnbild der Vergänglichkeit, die dunkle Kammer, die auf Jeden von uns wartet. Der Sarg umschliesst thatsächlich alles, was von der Welt Lust und deinem sterblichen Menschen übrig bleibt, nämlich: Todtengebein, Staub und Asche.

Die Welt vergeht mit ihrer Lust.

Das lehren uns in ernster Sprache die Tausende von Gräbern draussen in der Todtenstadt. Da liegt ein Jüngling, auf dessen Leichenstein stehen sollte: »Wer auf sein Fleisch säet, der wird vom Fleisch das Verderben ernten.« Ein verlorener Sohn, verachtete er die Stimme seines Gewissens, wie die Mahnungen seiner besorgten Eltern; ein verlorener Sohn, betrat er den Weg des Lasters, des Müssigganges und der Trägheit, der Trunksucht und der Fleischeslust und erfuhr an sich die erschütternde Wahrheit:

Die Welt vergeht mit ihrer Lust.

Hier befindet sich das Grab eines reichen Mannes, dessen einzige Sorge in der Vergrösserung seines Mammons bestand. Du Narr, so rief ihm unerwartet der Herr über Leben und Tod zu, diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern! Und was wird es sein, das du bereitet hast?

Die Welt vergeht mit ihrer Lust.

Jenes Grab erinnert an einen äusserst tüchtigen, sorgfältigen und fleissigen Geschäftsmann. Er besass nur ein Interesse, das für seinen Beruf; sein Geschäft so fest wie nur möglich zu begründen und so weit als angängig auszubreiten, darauf war all sein Sinnen und Denken gerichtet. Nur schade, dass er darüber sich selbst, seine Brüder und seinen Gott vergass; nur schade, dass für ihn eine Region über dem Sarge nicht vorhanden war. So forderte ihn der Tod aus seiner engherzigen, irdischen Thätigkeit, deren Früchte lachenden Erben zufielen.

Die Welt vergeht mit ihrer Lust.

Eine Welt anderer Art baute sich der einsame Gelehrte auf.

Zwar weiss ich viel,
Doch möcht' ich alles wissen.

Das war seines Strebens Ziel. Er kümmerte sich nicht um äussere Dinge, um Geld und Gut, Flitter und Tand, Ehre und Ansehen, all das verachtete er; er kümmerte sich aber auch nicht um das Wohl und Wehe seiner Mitmenschen, er kümmerte sich nicht um die Ewigkeit; sein Sorgen und Ringen galt den Räthseln des Daseins; so vergass er über den Geheimnissen der Schöpfung den Schöpfer, so blieb sein Herz leer an Liebe und sein Leben an edlen Thaten; auf dem Sterbelager das Ergebniss seines nutzlosen Philosophirens ziehend, musste er mit Entsetzen bekennen:

Ich merke, dass wir nichts wissen können,
Das will mir schier das Herz verbrennen.

Auch diese Welt vergeht mit ihrer Lust.

So, Wanderer, stehe still vor dem Sarge und den eingesunkenen Gräbern der Selbstsucht, der Habgier, der Eitelkeit, der Unduldsamkeit, der Lieblosigkeit und vernimm die ernste Warnung:

Die Welt vergeht mit ihrer Lust.

Von den Brüdern, welche durch den Tod uns entrissen wurden, trennt dich nur eine kurze Spanne Zeit. Noch gehörst du diesem Leben an, noch kannst du wählen zwischen der vergänglichen und der unvergänglichen Welt. Weisheit leite deinen Bau!

Höre darum

2. die Mahnung: Thue den Willen Gottes!

Dieser Wille fordert nur eins: Deine Liebe, deine innige, treue Liebe, die Liebe, die nimmer aufhört.

Wahre Liebe ist wahre Maurerei. Und diese Liebe wirkt zunächst im engsten Kreise, dem der Maurer angehört, in seiner Familie. Für sein Weib, für seine Kinder sorgt er in selbstloser, aufopfernder Weise; sein Weib ist ihm die beste, die treueste Freundin, die geliebte Gefährtin auf dem Wege durch das Leben zum Himmel; seine Kinder zu körperlich und geistig gesunden, dabei vor allem zu rechtschaffenen und guten Menschen zu erziehen, bleibt sein heissester Wunsch. Er selbst wandelt als rechter Vater den Weg der Pflicht, der Sitte und Frömmigkeit und bleibt so den Seinen über das Grab hinaus ein leuchtendes Vorbild.

Der Maurer thut den Willen Gottes.

Und willst du weiter seine Nächstenliebe schauen, so lass dich hinführen in jene elende Hütte, wo auf hartem Krankenlager die bleiche Gestalt einer armen Wittwe ruht und die hungernden Waisen rathlos die kranke Mutter umstehen. Da öffnet sich die Thür und herein tritt ein Mann, den Kindern und der Kranken unbekannt; er redet zu ihnen freundliche Worte der Theilnahme und des Trostes und befreit ihre Seelen von dem Kummer und der Trübsal, die auf ihnen lastet. Er lässt es bei den Worten nicht bewenden, er bringt den Hungernden Speise und der Kranken eine Pflegerin. Ohne den Dank abzuwarten, geht er von dannen, in sich das rechte Glück fühlend.

Der Maurer erfüllt den Willen Gottes.

Gern bringt er Opfer für des Bruders Wohl, liebend verzeiht er dem Feinde, milde nimmt er sich des Gefallenen an, still erfüllt er seine Pflicht, unentwegt arbeitet er an seiner Selbstveredelung, wie an der Erlösung des Menschengeschlechts.

Der Maurer thut Gottes Willen.

Folgend dem lichten Vorbilde des Meisters von Nazareth, der mit dem Vater eins war und eins blieb, bestrebt er sich, Gott zu lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüthe. Zu ihm schaut er auf mit Beginn des Tages, ihm dankt er in kindlicher, demüthiger Weise, wenn er Abends sein Lager aufsucht, zu ihm sucht er all sein Denken, Reden und Handeln in Beziehung zu setzen, in ihm lebt, in ihm stirbt er.

Der Maurer erfüllt den Willen Gottes.

Heil dir, wenn du ein rechter Maurer wirst! Heil dir, wenn du Gottes Willen erfüllst! Dann, ja dann gilt dir auch

3. die selige Verheissung: Du bleibst in Ewigkeit.

Das bezeugt uns Gottes Wort. Selig sind die Todten, die in dem Herrn sterben! Es ist noch eine Ruhe vorhanden dem Volke Gottes, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Schmerzen werden mehr sein. Und uns erwartet eine Herrlichkeit, die kein Auge gesehen und kein Ohr gehört, eine Herrlichkeit, die der a. B. denen bereitet, die ihn lieben, eine Herrlichkeit droben im Lichte, im Reiche der Seligen.

Wer den Willen Gottes thut, der bleibt in Ewigkeit.

Das bezeugt uns eine innere Stimme. Der Tod ist nur eine dunkle Pforte zur schöneren Welt des ewigen Lichtes. Diese innere Stimme redet von dem Dasein einer überirdischen Welt, von der Unsterblichkeit unseres Geistes, von der Verklärung unserer heim gegangenen Brüder, von dem Vater des Lichtes. Diese innere Stimme lebt und lebte in jedes Menschen Brust. Es giebt ein ewiges Leben. Das bekannte ein Hiob vor Jahrtausenden, das verkündigten die Propheten des Volkes Israel, das verbürgte der Stifter des Christenthums, das ruft siegesgewiss das Freimaurerthum jedem treuen Bruder zu.

Wer Gottes Willen erfüllt, der bleibt in Ewigkeit.

Das bezeugt uns die auf fester Grundlage auferbauende Philosophie mit dem Hinweise auf Gottes Weisheit, Güte und Gerechtigkeit.

Weil der allweise Gott die Welt geschaffen hat und regiert, so muss jedes Geschöpf zur Vollendung seiner Anlagen emporreifen. Da indess der Mensch in diesem Leben seine geistige Vollendung nicht erreicht, so muss es noch ein anderes Leben geben, in dem jene Vollendung möglich ist und zur Wirklichkeit wird.

Weil ein allgütiger Gott die Welt regiert, so dürfen wir fröhlich hoffen, er, der in uns die Sehnsucht nach einer himmlischen Verklärung legte, werde auch diese Sehnsucht erfüllen.

Weil Gott gerecht ist, darum muss in der Summe des menschlichen Lebens ein Ausgleich zwischen Tugend und Glückseligkeit stattfinden. Auf Erden tritt ein solcher Ausgleich nicht ein, mithin muss es noch ein anderes Leben geben.

Das alles aber bestätigt die selige Verheissung:

Wer den Willen Gottes thut, der bleibt in Ewigkeit.

Alles Irdische ist nur ein Gleichniss.

Die Geschichte berichtet von einem kühnen Seefahrer, er habe die feste Ueberzeugung gehegt, im fernen Westen, jenseits des Weltmeeres, sei eine neue Welt. Trotz aller Hindernisse, trotz des Zweifels und des Spottes seiner Zeitgenossen beharrt er in seiner Gewissheit, er rüstet seine Schiffe und fährt der neuen Welt zu. Lange dauert die Fahrt, mehr und mehr sinkt der Muth seiner Begleiter, er aber bleibt unerschütterlich, er bleibt fest, bis sein Glaube herrlich belohnt wird. In der Ferne taucht die Küste auf und mit ihr ein wunderbar schönes Gefilde. Land, Land! so erschallt es jubelnd vor seinem Fahrzeuge. Frohlockend betritt er die neue Welt. – Wem gleicht der kühne Seemann? Nun, wem anders als dem echten Freimaurer, der seines Lebens Schiff freudigen Muthes auf die Ewigkeit hinlenkt und einst trotz aller Hemmnisse droben in der Heimath der Seligen landet.

Wer Gottes Willen erfüllt, der bleibt in Ewigkeit.

Und zum Schluss noch ein anderes bedeutungsvolles Bild!

Dem Tode gleicht der Winter, der scheinbar alles Leben erstarrt, der Feld und Flur mit Schnee und Eis bedeckt. Doch es kommt der lichte Frühling mit seinem hellen Sonnenschein, seinem klarblauen Himmel, seinen linden Lüften, seinem Saatengrün und seinem Lerchenjubel. Diese frohe Hoffnung hegen wir mitten im Winter, diese frohe Hoffnung wird sicher in Erfüllung gehen.

Und dräut der Winter noch so sehr
Mit grimmigen Geberden,
Und streut er Schnee und Eis umher,
Es muss doch Frühling werden.

So kommt auch jener ewige Frühling mit seinem ewigen Lichte, seiner ewigen Liebe, seiner ewigen Freude, der Frühling, von dem der Dichter so zuversichtlich singt:

Wohl blühet jedem Jahre sein Frühling mild und licht,
Auch jener grosse, klare, getrost, er fehlt dir nicht!
Er ist dir noch beschieden am Ziele deiner Bahn:
Du ahnest ihn hienieden und droben bricht er an.

Br. G. Schlott.


 << zurück weiter >>