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Aus dem Protokoll der constituirenden Versammlung des Einheitsbundes deutscher Freimaurer, am 22. August 1897.

Die zum Zwecke der Constituirung des Einheitsbundes deutscher Freimaurer von den Brüdern Holtschmidt und Dahl berufene Versammlung hat am 22. August 1897 im Logenhause zu Braunschweig stattgefunden.

Bruder Holtschmidt eröffnete die Verhandlungen durch Mittheilung der bis jetzt erfolgten Beitrittserklärungen. Danach hatte der Einheitsbund bei seiner Constituirung 134 verschiedenen maurerischen Systemen angehörende Mitglieder Seit dem 22. August 1897 hat sich bis Ende October 1898 die Mitgliederzahl von 134 auf 403 gehoben..

Zu der nun folgenden Berathung über die Organisation des Einheitsbundes führte Bruder Holtschmidt aus, dass es nach seiner Ansicht am besten sein würde, auf einen leitenden Vorstand zu verzichten und die Vertretung des Einheitsbundes jedem einzelnen Mitgliede selbständig zu überlassen. Wenn ein leitender Vorstand eingesetzt würde, so könnte das zur Folge haben, dass die einzelnen Mitglieder sich zu viel auf dessen Thätigkeit verlassen, dadurch würde ein grosser Theil der Arbeitskraft unbenutzt bleiben. Wenn aber jedes einzelne Mitglied sich zur selbständigen Vertretung des Einheitsbundes berufen wisse, so werde es auch sich um so mehr verpflichtet fühlen, seine Kraft dafür einzusetzen. Durch diese jedem Mitgliede zu ertheilende Vertretungsbefugniss könne eine Zersplitterung nicht entstehen. Das Programm, auf welches alle Mitglieder verpflichtet seien, und ferner verpflichtet würden, sei so klar und bestimmt, dass grundsätzliche Abweichungen niemals vorkommen könnten. Auf Grund dieses festen Programms könne und müsse man aber jedem Bruder freie Bewegung gestatten. Wir seien in der Grundlage eins und würden immer eins bleiben, aber wir seien verschieden in unserer Individualität. Dieser Verschiedenheit müsse Rechnung getragen werden. Nur in der vollen individuellen Freiheit für jeden Einzelnen könne die Arbeit auf gemeinsamer Grundlage für die Gesammtheit von Erfolg sein.

Dagegen würde es sich aber empfehlen, eine Geschäftsstelle zu schaffen, wo alle Mittheilungen zusammenlaufen und über den Bestand des Einheitsbundes Buch geführt wird.

Bruder Kuntzemüller-Hannover, Bruder Poppendieck-Wolfenbüttel und Bruder de Bra-Gandersheim befürworteten diese Vorschläge.

Es wurde demnach einstimmig beschlossen, keinen leitenden Vorstand einzusetzen, sondern die Vertretung des Einheitsbundes auf Grund des aufgestellten Programms jedem einzelnen Mitgliede zu übertragen.

Bruder Kuntzemüller beantragte sodann, die Brüder Holtschmidt und Dahl, von welchen die Gründung des Einheitsbundes ausgegangen sei, mit der Führung der somit in Braunschweig zu bildenden Geschäftsstelle zu beauftragen. Auch dieser Antrag fand einstimmige Annahme.

Bruder Holtschmidt theilte hierauf mit, dass nach der nun erfolgten Constituirung das bisherige von Bruder Dahl und ihm unterzeichnete Formular ferner nicht mehr zu benutzen sei. Es sei darum ein Neudruck erfolgt. Diese neuen Formulare zu Beitrittserklärungen ständen allen Mitgliedern nach Bedarf zur Verfügung.

Das Formular hat folgenden Wortlaut:

»Der Einheitsbund deutscher Freimaurer verfolgt den Zweck, die in der deutschen Maurerei vorhandenen Gegensätze zu beseitigen und eine für das Ansehen und den Einfluss der Maurerei nothwendige Wesenseinheit herbeizuführen.

Der Einheitsbund stellt sich dabei auf den Standpunkt des keine Confession ausschliessenden, aber allen Confessionalismus im Bunde selbst überwindenden Humanitätsprincips.

Die Mitglieder des Einheitsbundes deutscher Freimaurer bekennen sich zu dem Grundsatze, dass dieses Humanitätsprincip seinen Ursprung habe in der Lehre Jesu von einem alle Völker und alle wahre Gottesverehrung umfassenden Reiche Gottes auf Erden und dass der symbolische Tempelbau nichts anderes sei, als die Arbeit an jenem in Jesu Lehre begründeten Gottesreiche.

Der Einheitsbund deutscher Freimaurer erstrebt die Herbeiführung einer gesetzlichen, für alle Systeme verbindlichen Declaration, welche auf jene Lehre Jesu ausdrücklich Bezug nimmt und damit jede Abweichung von der gemeinsamen Grundlage und jede Missdeutung des maurerischen Wesens verhindert.

Der Einheitsbund ist wie andere maurerische Vereine und Gauverbände eine freie Verbindung, welche die Stellung der einzelnen Mitglieder zu ihren Logen völlig unberührt lässt.

Beitrittserklärungen sind durch Unterzeichnung dieses Programms zu vollziehen. Jedes Mitglied verpflichtet sich, die Ausbreitung des Einheitsbundes und die Erreichung des Bundeszweckes durch thatkräftige Mitarbeit zu fördern«.

Es wurde beschlossen, den heute nicht erschienenen Mitgliedern mit diesem Berichte neue Formulare zur Benutzung zu übersenden Formulare zu Beitrittserklärungen sind durch die Geschäftsstelle zu beziehen. Adressen: Bankdirector Fr. Holtschmidt in Braunschweig, Gymnasialdirector Dr. W. Dahl in Braunschweig..

Nunmehr wurde zu Berathung gestellt, ob zur Deckung der Geschäftskosten den Mitgliedern ein Jahresbeitrag auferlegt werden solle. Bruder Holtschmidt schlug vor, von einem Jahresbeitrage abzusehen. Die Kosten seien nur gering und die Einziehung eines entsprechenden Jahresbeitrages würde sehr umständlich sein. Auch scheine es zweckmässig, durch Nichterhebung jährlicher Beiträge das Bewusstsein lebendig zu erhalten, dass die Pflichten der Mitglieder lediglich eine geistige Thätigkeit umfassten. Die geringen Unkosten würden durch freiwillige Spenden genügende Deckung finden.

Der Vorschlag, auf regelmässige Jahresbeiträge zu verzichten, fand einstimmige Annahme.

Es wurde alsdann einstimmig beschlossen, in jedem Jahre eine Versammlung abzuhalten.

Auch beschloss die Versammlung, alljährlich einen Bericht über die Thätigkeit des Einheitsbundes herauszugeben.

Auf Vorschlag des Bruders Heyermann-Braunschweig wurde die »Braunschweiger Logen-Correspondenz« einstimmig als Organ des Einheitsbundes bestimmt. Die Braunschweiger Logen-Correspondenz erscheint monatlich. Bezugspreis pro Jahr 4 Mark. Zuschriften an die Redaction: Bankdirector Friedrich Holtschmidt in Braunschweig, Zuschriften an die Expedition: Directionsrath W. Lassmann in Braunschweig. Ausser von der Expedition kann das Blatt auch durch die Buchhandlung von Bock & Co. (Inhaber Bruder W. Danert) in Braunschweig bezogen werden.

Bruder de Bra-Gandersheim regte an, eine Denkschrift über die der Entstehung des Einheitsbundes zu Grunde liegenden Motive zu verfassen und zur Verbreitung in maurischen Kreisen in Druck zu geben. Bruder Kuntzemüller-Hannover stellte auf eine an ihn gerichtete Frage in Aussicht, sich mit dieser Arbeit befassen zu wollen.

Nachdem hiermit die Tagesordnung erledigt war, nahm Bruder Holtschmidt das Wort zu einer Schlussbetrachtung, worin er im Wesentlichen Folgendes ausführte:

Der Einheitsbund ist constituirt und wir alle haben uns auf sein Programm zu thätiger Arbeit verpflichtet. Für uns bedarf es keiner Mahnung, unserer Pflicht eingedenk zu sein. Der Dienst, in welchen wir als Mitglieder des Einheitsbundes uns gestellt haben, ist uns ein Quell hoher Befriedigung und Freude. Zunächst gereicht es uns zu hoher Freude und Genugthuung, dass wir in dem Programm unseres Einheitsbundes das hohe leuchtende Ideal des Maurerthums vor uns verkörpert sehen, welches wir bei unserem Eintritt in die Maurerei gesucht, aber nachdem vielfach verdunkelt und entstellt gefunden haben. Nun ist unser maurerisches Empfinden befriedigt und unser maurerisches Sehnen erfüllt. Wir haben eine Organisation geschaffen, welche auf der wahren und allein möglichen Grundlage die Loge der Zukunft bauen will, in welcher alle Trennungen des Bekenntnisses überwunden sind und das alle Völker und alle wahre Gottesverehrung umfassende Reich Gottes vollendet wird. Aber auch unsere Arbeit für die Verwirklichung dieses Ideals ist Freude. Wohl werden wir noch manchmal finden, dass uns der Weg nicht geebnet ist, wir werden mit mancherlei Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Aber das stört unsere Arbeitsfreudigkeit nicht. Man hat noch keinen Reformator sogleich allerseits willkommen geheissen. Sogar Derjenige, in welchem wir uns verbunden haben, in dessen Geiste wir hier versammelt sind, der das grösste Heil der Menschheit brachte, hat eine Dornenkrone getragen. Die Dornenkrone ist das Symbol aller Erlösung, aber auch das Symbol der höchsten Seligkeit, für Gott und sein Reich zu streiten. Aber auch die Dornenkrone unter dem Kreuze auf Golgatha ist nun zu einem herrlichen Kranze blühender Rosen geworden, welcher in der Welt immer neues Blühen schaffend immer mehr der Menschen Herzen erreichen und durchblühen will. Wir wollen an diesem hohen Vorbilde uns stärken zu freudiger Arbeit in seinem Dienste und niemals verzagen, wenn auch der Erfolg nicht sogleich unseren Wünschen entsprechen sollte. Was uns die Gegenwart vielfach noch versagt, das wird die Zukunft sicherlich erfüllen. Es wird die Zeit kommen und sie ist nicht so sehr fern, wo überall im deutschen Maurerthum unser Streben und unsere Arbeit gewürdigt, wo auch für uns die maurerische Rose nicht vergessen bleiben wird. Auf diese Rose brüderlicher Anerkennung hoffen wir, und so wollen wir vor keinen Schwierigkeiten und Bedenken zurückschrecken. Der wahre Bundesgeist streitet für unsere Sache. Wir tagen heute in Braunschweig. So möge die alte Devise im Braunschweiger Wappen auch unser Wahlspruch sein:

Nec aspera terrent.

Bei dem nachfolgenden Brudermahl, welches durch verschiedene Ansprachen und Gesangvorträge verschönt war, brachte Bruder Dahl-Braunschweig einen Trinkspruch auf den Einheitsbund, in welchem er im Wesentlichen Folgendes ausführte:

Schon lange ist in der deutschen Freimaurerwelt das Sehnen nach einheitlicher Zusammenfassung der in ihr liegenden Kräfte lebendig gewesen, um dadurch auf das Culturleben des deutschen Volkes einen grösseren Einfluss zu gewinnen, als sie bis jetzt besitzt. Diesem Sehnen nach Einigung verdankt auch der deutsche Grosslogenbund seine Entstehung. Aber der deutsche Grosslogenbund hat die Erwartungen, die auf ihn gesetzt waren, nicht erfüllt. Er hat seine Aufgabe zu äusserlich aufgefasst und ist des sogenannten lieben Friedens willen der Erörterung ernster, tief einschneidender Fragen sorgfältig aus dem Wege gegangen. So ist es denn gekommen, dass auch die deutsche Freimaurerei heute über Zweck und Aufgabe des Bundes selbst im Unklaren ist. Die Folge einer solchen Unklarheit aber kann nur Stagnation sein und dieser entgegen zu arbeiten in Wort und Schrift, das ist die Lebensaufgabe, die sich unser geliebter Bruder Holtschmidt gesteckt hat, das ist auch die Aufgabe, die der Einheitsbund deutscher Freimaurer lösen will. Aufgabe des Einheitsbundes soll es sein, an die Stelle einer bloss äusserlichen Einigung – die sich auf dem bisher betretenen Wege auch als unerreichbar herausgestellt hat – die innere Einigung treten zu lassen, zu dem Zwecke, für den Grundgedanken der Freimaurerei eine klare, bestimmte Fassung zu suchen und auf Grund solcher klaren Fassung Brüder zu werben, die mit voller Ueberzeugung die Erkenntniss in immer weitere Kreise der Brüderschaft hineintragen.

Das Humanitätsprincip liefert nach unserer Auffassung diese klare Grundlage nicht, denn, wie die Geschichte lehrt, hat das Humanitätsprincip in seiner Verschwommenheit eine allmähliche Verdunkelung seines Inhalts nicht hindern können. So sind wir denn, Bruder Holtschmidt und ich, zurückgegangen auf die Quelle selbst, aus der auch das Humanitätsprincip entsprungen ist, auf die Quelle, die uns den Grundgedanken der Freimaurerei in voller Klarheit liefert, das ist die Lehre Jesu von einem Reiche Gottes auf Erden, einem Reiche, das alle Gott suchenden Herzen in sich vereint zur Verehrung Gottes im Geiste und in der Wahrheit.

Die Freimaurerei stellt sich, indem sie diesen Grundgedanken als ihre Grundlage anerkennt, nicht etwa auf einseitigen, confessionellen Standpunkt, sie will keinen Glaubenszwang, keinen Gewissenszwang ausüben. Aber durch Annahme dieses Grundsatzes legt sie ausdrücklich Verwahrung dagegen ein, das ihr Name zum Deckmantel missbraucht werde für materialistische und atheistische Bestrebungen; sie legt Verwahrung dagegen ein, dass die von ihr proclamirte Gewissensfreiheit ausarte in gottleugnende Freigeisterei, wie sie in französischen Logen offenkundig betrieben wird. Meine Brüder, stehen wir fest auf solcher Grundlage, bauen wir auf dieser Grundlage weiter mit Lust und Liebe, mit Eifer und idealem Schwunge, dann kann der Erfolg nicht ausbleiben. Ich bitte Sie, mit mir auf den Erfolg solcher Thätigkeit, auf gedeihliche Weiterentwickelung des Einheitsbundes deutscher Freimaurer Ihr Glas zu leeren.

Auf Antrag des Bruders Poppendieck wurde zur Schaffung eines Cassenbestandes für den Einheitsbund die Sammelbüchse bei der Tafel in Umlauf gesetzt. Dieselbe erbrachte ein reichliches Erträgniss von über 50 Mark.


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