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Die Loge der Zukunft.

Welchen Zweck hat der Freimaurerbund? Darüber sind auch in Bundeskreisen die Meinungen sehr verschieden. Darum hat auch die Welt keine Kenntniss davon.

Soll die Freimaurerei politische Ziele verfolgen? Viele Brüder glauben es. Aber dann könnte der Bund nicht international sein, weil die politischen Bedürfnisse der einzelnen Staaten in keinem Zusammenhange mit einander stehen. Auch würde das Menschliche dabei gar nicht mehr in Betracht kommen, sondern nur die Parteistellung. Das wäre kein Friedensbund.

Ist der Zweck des Bundes die Herbeiführung eines allgemeinen Völkerfriedens? Das würde ein idealer, aber ein niemals zu erreichender Zweck sein. Ueber Krieg und Frieden entscheidet nicht eine Gesellschaft der Friedensfreunde, sondern die Staatspolitik. Der allgemeine Völkerfrieden kann erst dann kommen, wenn alle Menschen gut und friedfertig geworden sind. Dazu ist keine Aussicht.

Hat der Bund den Zweck, allen Menschen politische und bürgerliche Freiheit zu erringen? Dann würde er seinen Einfluss überschätzen. Auch sind nicht alle Menschen der Freiheit würdig.

Soll die Freimaurerei die allgemeine Gleichheit der Menschen herbeiführen? Das würde auch ein aussichtsloses Bestreben sein. So lange es gesunde und kranke Menschen giebt, so lange Arbeitslust und Arbeitskraft verschieden sind, so lange werden die Menschen auch in ihrem Besitze verschieden sein. Und wenn eine materielle Gleichstellung dennoch möglich sein sollte, so könnte sie keinen vollen Tag dauern.

Soll der Bund gegen Glaubenszwang, gegen Priesterherrschaft und Aberglauben kämpfen? Das soll er allerdings, aber das ist nicht sein vornehmlicher Zweck. Diese Aufgabe wird er mit erfüllen, wenn er seiner ersten und wesentlichen Bestimmung gerecht wird. Aus Glaubenszwang die Menschen zu einer ideallosen Freigeisterei, zum Materialismus führen, ist kein ideales, kein seligmachendes Werk. Besser im Gottesglauben gebunden, als in Gottlosigkeit frei.

Besteht des Bundes Aufgabe darin, allerlei nützliche Wohlfahrtseinrichtungen zu schaffen und Werke der Barmherzigkeit zu thun? Das wird der Bund thun, so viel in seinen Kräften steht. Aber seine Hauptaufgabe ist es nicht. Auch kann sein Vollbringen das Wollen bei Weitem nicht decken, sein Können kann sich in dieser Hinsicht nicht mit dem, was ausserhalb des Bundes geschieht, messen. Die materiellen Mittel des Bundes sind gering. Die grössten Capitalkräfte sind nicht im Bunde vertreten, weil sie dem Geiste des Bundes meistens fern stehen.

Was ist denn nun unsere Grundlage, unsere Bestimmung und unser Ziel? In der grossen, den Erdball umziehenden Bruderkette darf doch nur ein einheitliches Programm sein.

Der Freimaurerbund hat den Zweck, das Reich Gottes auf Erden, welches Jesus verkündet und begründet hat, auszubauen und immer mehr zu vollenden. In dieser Arbeit am Reiche Gottes sind alle anderen idealen Bestrebungen und alle Werke der Menschenliebe mit enthalten.

Die Grundlage des Reiches Gottes ist, dass wir aus Menschen von Erde Kinder Gottes werden. In der Gotteskindschaft aller Menschen ist alle Erlösung und das Heil der Welt.

Dieses Reich Gottes im Geiste Jesu umfasst alle Völker und alle wahre Gottesverehrung als gleichberechtigt und gleichwertig vor Gott.

Wer diesem Reiche Gottes nicht dienen mag, dem fehlen die Vorbedingungen zur Bundesangehörigkeit, ob er auch in maurerischen Formen Bescheid wissen und allerlei Nützliches schaffen möge.

Man sollte voraussetzen, dass das Christenthum die Arbeit an dem Gottesreiche Jesu schon vollziehe. Aber leider ist das nicht genügend der Fall. Es ist im Christenthume noch zu viel Glaubenszwang, zu viel Pharisäerthum, zu viel leere Form, zu viel Mangel an Erkenntniss Jesu, auch sogar viele Gottlosigkeit und blinde, gedankenlose Nachbeterei. Es sind so Viele, welche auf Jesu Namen verpflichtet sind, die aber seinem Geiste fern stehen und von seinem Gottesreiche kein Verständniss haben.

Das wahre Christenthum ist die über allen Confessionen der Erde stehende und sie alle vereinigende Anbetung Gottes im Geiste. Das sind nur befangene, nocht nicht auf der Höhe der Erkenntniss stehende Christen, welche glauben, nur ihre Formen des Gottesdienstes seien Gott wohlgefällig. Es darf sich Niemand auf Jesum berufen, der nicht auch die Höhe sich denken kann, wo aller Gottesdienst gleichwerthig ist. Von dieser Höhe hat Jesus uns Gott verkündet.

Alle, welche in dem Reiche Gottes heimisch werden und sich im Geiste Jesu die Hand reichen, sind Gottes Kinder.

Die Dogmatik christlicher Kirchen kann niemals die Grundlage des Maurerthums sein. Der Maurerbund umfasst die ganze Erde und den Religionscultus aller Völker.

Wenn die Glaubenssätze christlicher Gemeinschaften die Grundlage der Freimaurerei sein würden, dann müsste man auch mit Recht fragen, welche Glaubenssätze denn zulässig sind. Welche Glaubenssätze der verschiedensten christlichen Kirchen könnten dann für den Bund obligatorisch sein? Dann würde es nur ein Mittel geben, zum Frieden und zur Einigkeit zu gelangen, nämlich katholisch zu werden. Dort sind keine Abweichungen.

Der Protestantismus gestattet freie Forschung. Nur dadurch allein ist er neben der katholischen Kirche berechtigt. Aber der Protestantismus leidet daran, dass man vielfach ihn nach katholischen Grundsätzen behandeln will. Durch Glaubenszwang wird er schliesslich ganz untergehen.

In längstens hundert Jahren wird entweder der undogmatische Christus der Mittelpunkt protestantischer Kirchen sein oder es giebt dann nur noch eine katholische Kirche. Dann ist die Arbeit der Reformation vernichtet.

Wenn die protestantischen Gemeinden nicht durch Geburt und Gewohnheit ihren regelmässigen Zuzug bekämen, dann ständen viele Kirchen jetzt schon leer. Es ist zu wenig geistiges wahres Christenthum. Es sind viele sogenannte Christen, die nicht einmal an Gott glauben, aber dennoch die äussere Verbindung erhalten.

Das wird wieder anders werden, sobald das Recht des Protestantismus, die Glaubensfreiheit gesichert ist. Und das muss bald kommen, ehe die letzten Consequenzen des Glaubenszwanges an dem Protestantismus sich erfüllen. Entweder katholisch oder frei in der Freiheit der Kinder Gottes.

Christenthum ist Humanitätsprincip, aber Humanitätsprincip ist nicht gleichbedeutend mit Kirchenthum. Der Maurer sieht weiter, als bis zu seinen Kirchthürmen hinauf.

Die Lehre Jesu ist das einzige und wahre Humanitätsprincip. Der zur Vollendung des Reiches Gottes sich um Jesum sammelnde Maurerbund ist die wahre Humanitätsmaurerei. Eine andere gerechte und vollkommene Maurerei giebt es nicht.

Sobald der Maurerbund das Banner wahrer, im Geiste Jesu leuchtender Humanität entfaltet, werden seine Feinde ihn als ebenbürtigen Gegner fürchten und viele seiner Gegner verstummen. Die Menschheit wird ihm zujubeln als dem Führer in eine neue selige Zeit. Dann wird er die Zuflucht werden aller Derer, welche in Glaubensfesseln eingeengt in ihrem Zweifel auch Gott verloren haben und damit in geistigem Elend irren. Dann wird die Loge werden der Reformator des Christenthums, indem sie das Christenthum auf jene geistige Höhe emporhebt, auf welcher der Freimaurerbund sich um Jesum gesammelt hat und an dem Ausbau seines Reiches Gottes arbeitet.

So und nur so allein wird die Freimaurerei ihrer ursprünglichen Bestimmung gerecht.

Unser Orient hat sich auf jenes in Jesu Lehre vom Reiche Gottes begründete Humanitätsprincip gestellt. Mögen christlich confessionelle Brüder uns darum befehden, mögen allerlei Humanitätsbrüder uns anzweifeln und überstimmen – das kann uns in unserer Ueberzeugung nicht erschüttern, dass wir auf dem rechten Wege sind. Keine Autorität kann dieses Fundament uns nehmen und kein Widerspruch uns zum Schweigen bringen. Wir sind nicht allein und werden immer mehr Mitarbeiter finden an der Erneuerung des Bundes, an der Aufrichtung wahren Maurerthums.

Unser Humanitätsprincip wird jeden Confessionalismus ehren, aber im Bunde selbst allen Confessionalismus überwinden.

Diese Humanitätsloge ist die Loge der Zukunft.

Br. Friedrich Holtschmidt.


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