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Die brennende Frage.

Der Zweck des Freimaurerbundes ist, in allen confessionellen Trennungen eine auserlesene Gemeinde Derer zu bilden, welche auf Grund des ursprünglichen dogmenlosen, nur auf die Lehre Jesu begründeten Christenthums das von Jesu verkündete Reich Gottes auf Erden ausbauen, in der von Jesu gelehrten und vorgelebten Gotteskindschaft ein hohes, im Lichte göttlichen Lebens verklärtes Menschenthum weiter vorleben und zur Erscheinung bringen sollte.

Von dieser Grundlage hat sich die Maurerei vielfach entfernt und theilweise so weit entfernt, dass trotz der beibehaltenen Bezeichnung als Freimaurerei von dem ursprünglichen, allein berechtigten Maurerthum in manchen maur. Gebieten nichts mehr erkennbar ist. In Folge dessen lauten die Urtheile über den Bund auch so verschieden und vielfach so absprechend selbst unter solchen Menschen, welche nach ihrer Lebensanschauung mit dem ursprünglichen maur. Gedanken völlig harmoniren würden.

Diese Entartung hat ihre Ursache darin, dass man bei der späteren Gewährung der zuerst ausgeschlossen gewesenen Aufnahmefähigkeit nichtchristlicher Suchender einen Schritt zu weit gegangen ist. Diejenigen Logen, welche seiner Zeit die Beschränkung fallen liessen, dass nur Angehörige christlicher Confessionen aufgenommen werden könnten, haben damit ganz im maur. Sinne und auch im Geiste Jesu gehandelt, der kein Bekenntniss von der Gotteskindschaft und vom Reiche Gottes ausschloss. Aber sie hätten beim Abräumen jener Schranke um so mehr festhalten müssen an der Berufung auf Jesum als Führer des Maurerthums. Sie haben nicht bedacht, dass der Name des Führers die Gewähr eines dauernden einheitlichen Strebens bildete, dass mit dem Verschwinden dieses eine bestimmte Entwickelung sichernden Namens auch die maur. Wesenseinheit schwinden und der Bund auf ganz andere Bahnen gedrängt werden könnte.

Nachdem in vielen Gebieten der Maurerei an die Stelle der durch Jesum gelehrten und vorgelebten Gotteskindschaft ein allgemeiner Menschlichkeitsbegriff gesetzt wurde, war die Urschrift der Bundesacten, die Nachfolge Jesu, verwischt und damit das ganze Bundesverhältniss gelockert. Durch das vieldeutige unbestimmte Humanitätsprincip wurde die zur Hüterin der Lehre Jesu bestimmte Maurerei ihres Führers beraubt und als ein steuerloses Schiff allen Strömungen und jeder Willkür preisgegeben. Diesen verlorenen Führer kann uns kein anderer Führer ersetzen. Jetzt haben wir leider eine ganze Menge Derer, welche sich als Führer aufwerfen möchten, aber durch die verschiedenartigen Richtungen, in welchen sie führen wollen, eine Verwirrung erzeugen, welche die Weiterentwickelung des Bundes ernstlich in Frage stellt.

Mit dem Fortfall der Berufung auf Jesum, in dem als neue Grundlage angenommenen vieldeutigen Humanitätsbegriff wurden die Thore des Maurertempels leider auch offen für solche Suchende, welche sich gegen den, in dessen Geiste und Namen der Bund gegründet ist, ablehnend und sogar gegnerisch verhalten. Darum hat der Bund vielfach eine Richtung gegen Jesum. Und sogar solche Menschen, welche an Gott und an eine höhere Bestimmung des Menschen nicht glauben, konnten unter dem allgemeinen Humanitätsbanner in die Logen eintreten und sind, nachdem sie eingetreten, nun damit beschäftigt, das Allerheiligste abzuräumen. Der das Reich Gottes bedeutende symbolische Tempelbau ist vielfach zum symbolischen Bau eines internationalen Conversationshauses erniedrigt worden.

Auch die deutsche Maurerei ist von diesen Strömungen nicht frei geblieben. Der Gegensatz zwischen Denen, welche Jesum als Führer festhalten und ohne diesen Führer nicht Maurer sein wollen und Denjenigen, welche auf Grund des allgemeinen Humanitätsprincips ihr Recht gegen Jesum und ihre auf die Freiheit der Gottlosigkeit gerichtete Forderung geltend machen, drängt zu ernsten Entscheidungen.

Verschiedene Brüder sind der Meinung, dass die verderblichen Strömungen im Bunde sie gar nichts angingen, wenn sie nur für sich selbst die rechte Richtung verfolgten und sie Frieden hätten in ihrer Loge. Aber diese Brüder können doch nicht wissen, wie bald solche Strömungen auch in ihre friedliche Bauhütte eindringen werden und was ihrem Wellenschlag dann zum Opfer fallen wird. Und abgesehen davon sind wir als Maurer nicht Mitglieder einzelner Localgesellschaften, sondern mit einander Angehörige eines grossen Menschheitsbundes. Auf dieser Universalität beruht die Bedeutung des Bundes. Jedes Bundesglied ist von der Maurerei im Allgemeinen abhängig und mit seinem Streben und seinen Pflichten auf sie angewiesen.

In Bundeskreisen ist die Frage darum brennend geworden, was geschehen könne, um die Maurerei vor weiterer Zersetzung zu bewahren und sie wieder in Stand zu setzen, ihre Bestimmung zu erfüllen. Kein von Liebe und Begeisterung für den Bund erfüllter Bruder, kein denkender Maurer kann den Standpunkt noch einnehmen, dass die Maurerei in ihren Gegensätzen und Zerwürfnissen weiter vegetiren solle als eine gefallene, alles Ansehens beraubte Grösse.

Wir müssen zurückkehren zu unserem Führer. Wir müssen die Beschränkung der Aufnahmefähigkeit auf Angehörige christlicher Kirchen nun überall zu beseitigen suchen, damit aber gleichzeitig auch allerwärts mit unserem Humanitätsprincip uns wieder auf Jesum berufen, die Nachfolge Jesu überall als die Grundlage der Freimaurerei erklären.

Wenn dies geschieht, schwinden sofort alle Gegensätze. Dann wird die trübe Mischung sich klären und in einem einheitlichen klaren Programm unsere Zukunft gesichert sein.

Sobald die Humanitätssysteme ihr Humanitätsprincip wieder auf Jesum begründen, dürfte es keinem Zweifel unterliegen, dass dagegen die christlichen Systeme die confessionelle Beschränkung der Aufnahmefähigkeit fallen lassen. Dass sie dies einem vieldeutigen Humanitätsbegriff gegenüber nicht thun wollten, ist keineswegs ein Beweis, dass sie auch den auf Jesum sich berufenden Humanitätssystemen gegenüber sich ablehnend verhalten werden. Denn bei einem solchen beiderseitigen Entgegenkommen trennt uns gar nichts mehr von einander. Ob wir sonst Christen oder Juden sind, wir sind dann als Maurer völlig eins. Dann ist weitere Zurückhaltung ganz undenkbar und keinenfalls durchführbar. Wo im Namen Jesu angeklopft wird, kann kein christlicher Maurer sich grundsätzlich ablehnend verhalten.

Die Bedenken, welche im Kreise der Humanitätsmaurerei vielfach gegen die Rückkehr zu Jesu erhoben werden, sind nicht begründet.

Manche Brüder sind der Ansicht, dass es sich mit ihrer kirchlichen Stellung nicht vertrüge, die Person Jesu in die Loge zu stellen. Aber damit verzichtet doch Niemand auf seinen Glaubensstandpunkt, wenn er als Maurer sich in der Loge lediglich auf den Standpunkt der Nachfolge Jesu stellt. Was in die Loge wegen ihrer alle Religionsbekenntnisse umfassenden Allgemeinheit nicht hineingebracht werden kann, wird ihm damit doch nicht genommen, wie auch der bürgerliche Stand, welcher in der Loge ausser Betracht bleiben muss, ihm damit nicht genommen wird.

Andere Brüder meinen, die Berufung auf Jesum bedeute eine confessionelle Richtung und müsse darum unterbleiben. Aber das ist keineswegs der Fall, vielmehr ist das Gegentheil zutreffend. Im Geiste Jesu werden alle confessionellen Verschiedenheiten bedeutungslos. Erst mit unserer Vertiefung in den Geist Jesu gelangen wir auf die Höhe, wo der allen Gottesdienst der Menschheit umfassende maur. Gedanke entstanden ist. Die Nachfolge Jesu ist keine Confession, sondern die allgemein menschliche, göttliches Leben schaffende und zu Gott führende Religion.

Viele nichtchristliche Brüder halten es für eine Untreue gegen ihre Bekenntnissgemeinschaft, wenn sie zu dem Stifter des Christenthums in enge Beziehungen treten. Als ersten Eindruck kann man das wohl begreiflich finden, aber bei weiterem Nachdenken muss dieses Bedenken fallen und vom maur. Standpunkte aus sich als unbegründet erweisen. Der Maurer ist frei von Vorurtheilen. Der israelitische Bruder giebt die würdige Zugehörigkeit zu seiner Gemeinde nicht auf und wird dieser auch nicht untreu, wenn er einen Gegensatz zwischen Jesu und Israel nicht anerkennt. Wo aber ein solcher Gegensatz behauptet wird, wo er thatsächlich vorhanden ist, da fehlt der vorurteilslose, alle Schranken der Confessionalität überragende freie Sinn, welcher die erste Vorbedingung unseres Maurerthums ist. Und auf keinen Fall kann der Freimaurerbund sich mit Denjenigen verbunden wissen wollen, welche sich bewusst sind, in einem Gegensatze zu Jesu zu stehen. Damit würde er eine Entwickelung gegen Jesum begünstigen, alle seine Beziehungen zu der uns umgebenden christlichen Welt zerstören und sich selbst aufgeben.

Es hat den Anschein, dass in manchen Gebieten des Maurerthums eine solche Entwickelung schon ihren Anfang genommen hat. Darum ist es hohe Zeit, die rollende Kugel aufzuhalten und das maur. Programm klar und unabänderlich zu fixiren. Wenn es ernstlich gewollt und ernstlich erstrebt wird, dann werden wir alle Hindernisse überwinden und bald, als Christen und Juden Jeder seinem Tempel getreu bleibend, in unserem Maurerthum allerwärts im Geiste Jesu liebreich vereinigt stehen zum Bau des grossen gemeinsamen Tempels der Menschheit.

So manches Maurerthum ist nichts als Schale ohne Kern, geistige Oede ohne Leben und Kraft. Ein verschwommener Humanitätsbegriff hält die Geister gefangen und versperrt ihnen das wahre, Leben schaffende maur. Licht. Indem wir diesem ewigen, unwandelbaren Lichte unsere Logen und unsere Herzen wieder öffnen, werden alle Irrlichter verschwinden und die gebundenen Kräfte frei werden zu Frühling schaffendem Leben. Dann wird es Friede werden in unserem Friedensbunde. Dann wird jede Loge sein eine Hütte Gottes bei den Menschen, ein Asyl des Friedens, der vom Himmel ist.

Die Wiedersammlung um Jesum, die Rückkehr des Bundes zu seinem Ursprung, erfordert zunächst Kampf und ernste Auseinandersetzung. Wir dürfen aber den Kampf nicht scheuen, wenn unsere Bundespflicht uns ruft. Mit Gegnern des Bundesgedankens können wir nicht Frieden halten. Frieden unter allen Umständen, falsche Duldung und oberflächliche Gleichgültigkeit sind gleichbedeutend mit Niederlage und Untergang. Durch Kampf zum Frieden.

Br. Friedrich Holtschmidt.


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