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Licht und Schatten.

In allen aus den Interessen des niederen sinnlichen Lebens zu idealen Zielen aufstrebenden menschlichen Verbindungen ist es für jeden Betheiligten zur Erhaltung seiner Hingebung an die Sache dringend nothwendig, Sache und Personen stets getrennt zu halten. Denn auf Erden ist nichts vollkommen und auch unter den auserwähltesten Menschen werden wir neben Lichtseiten immer auch Schattenseiten rinden. Wir haben hier kein Licht ohne Schatten. Das Sonnenlicht ist rein, aber die Körper werfen Schatten. So wirft auch der von einer ewigen geistigen Sonne beleuchtete Mensch mit seinem Körper immer noch Schatten durch seine sinnliche Natur, welche er hier auf Erden niemals ganz überwinden kann.

Diese menschlichen Schatten dürfen uns nicht stören in unserer Wahrnehmung des Lichtes. Wenn wir in einer idealen Vereinigung Schwachheit und Fehler wahrnehmen, so darf uns das nicht dazu führen, in unserer Begeisterung zu erkalten oder gar der Sache untreu zu werden. Wir sollen uns vielmehr dadurch nur um so mehr angetrieben fühlen, selbst immer mehr noch durchleuchtet zu werden und immer weniger Schatten zu werfen. Aber vor allen Dingen sollen wir uns auch davor hüten, nicht in eine Pharisäerstimmung hinein zu kommen, welche den Anderen das vorwirft, was uns selbst als Menschen ebenfalls, wenn auch vielleicht etwas weniger, anhaftet.

Sobald wir Personen und Sache nicht mehr aus einander halten, zieht uns nicht mehr das Ideale hinauf, sondern das Sinnliche hinunter. Dann verlieren wir die für alles ideale Streben nothwendige Begeisterung und werfen in die Gemeinschaft, welcher wir angehören, selbst so viel Schatten hinein, dass es durch uns und durch unsere Schuld auch Anderen dadurch schwer wird, das reine Licht wieder zu finden. Dann werden wir schliesslich absterben und sogar der Sache, der wir uns einst so begeisterungsfreudig hingaben, untreu werden. Bei richtiger Würdigung alles menschlichen Wesens wären wir davor bewahrt geblieben.

Der Freimaurerbund nimmt unter allen idealen Vereinigungen die hervorragendste Stelle ein. Je leuchtender die Ideale des Bundes über uns stehen, um so mehr tritt auch die Gefahr an uns heran, durch die Schatten der Körper oftmals in unserem Glauben an die Reinheit des Lichtes und seine Macht wankend zu werden. Und wenn wir das wirklich würden, dann wären wir schon auf der abschüssigen Bahn, die uns von den Höhen der Begeisterung in immer tiefere Regionen bis zur endlichen Entfremdung hernieder führt.

Darum ist es gut, immer wieder und vornehmlich auch jüngeren Genossen gegenüber darauf hinzuweisen, dass auch in unserer Gemeinschaft nicht lediglich Ideale, sondern auch menschliche Schwachheiten und Irrungen uns vor Augen treten, dass auch unser lichtvoller und leuchtender Bund von Menschen getragen wird, welche in ihrem irdischen Wesen dem Reiche der Schatten angehören. Die jüngeren Brüder müssen darum besonders lernen, durch keinerlei Personenfrage sich in der Sache verstimmen zu lassen, vielmehr bei allen vorkommenden trüben Erscheinungen noch um so fester und hingebender sich in den Dienst unserer hohen Sache zu stellen.

Es ist viel, sehr viel Schatten in unserem Bunde des Lichtes, Vieles sogar, was noch viel schlimmer ist, als blosser Schatten. Manches davon könnten wir bessern, wenn alle Logen der Erde in dem Willen dazu einig wären. Das böse Wort, das Schlimmste an der Freimaurerei seien die Freimaurer, weisen wir zwar in seiner Allgemeinheit mit Entrüstung zurück. Aber ganz und gar ohne Berechtigung ist dieses Wort nicht. Die grosse über den Erdball sich ziehende Bruderkette enthält so viel zweifelhafte Elemente, dass man auf weiten Strecken nichts als Körper vorfindet und die zum Licht ringenden Geister vergeblich sucht. Vor lauter körperlichen Schatten ist es stellenweise ganz finster und öde geworden.

Die deutsche Maurerei zeichnet sich in der grossen Bundesgemeinschaft durch hervorragenden Idealismus rühmlich aus. Aber auch in Deutschland müsste und könnte Manches besser sein. Es sind viele Logen, die es nicht ernst genug nehmen mit der Beurtheilung eines Suchenden. Viel zu oft giebt der Schatzmeister den Ausschlag. Die ökonomische Frage erfordert Aufnahmegelder. Das sind traurige Zustände, das ist ein Verbrechen an der Brüderschaft, eine Todsünde gegen den heiligen Geist des Bundes. Solche Zustände werden wie eine abstürzende Lawine immer verderbenbringender.

Unsere Aufnahmegesetze sind nicht überall genügend, unpassenden Zuzug fern zu halten. Es giebt Beweggründe, einen Suchenden nicht zu wollen, die man nicht schwarz auf weiss nachweisen kann. Wenn jede schwarze Tafel gerechtfertigt werden muss, so kommt es vielfach dahin, dass man nur solche Suchende ablehnt, welchen ein offenkundiger Makel anhaftet, welchen bestimmte unsittliche Handlungen bestimmt nachzuweisen sind. Von dem Suchenden muss man aber mehr erwarten; er soll die ideale Weltanschauung haben, welche sich für das Hohe und Heilige begeistern kann. Der lediglich im Dienste des sinnlichen Lebens stehende Mensch, wenn er auch sonst gute Eigenschaften hat, eignet sich nicht für den Bund. Durch die Aufnahme ungeeigneter Mitglieder wird des Bundes Wesen entstellt, sein Einfluss geschwächt und seine Entwicklung nachtheilig beeinflusst. Wo solche Mitglieder zur Mehrheit gelangen, entfernt sich die betreffende Loge immer mehr von dem Geiste des Maurerthums und wird ein Pfahl im Körper der Bundesgemeinschaft. Aus solchen Missbildungen entwickeln sich die Bestrebungen, der Maurerei ihre ideale Grundlage zu entziehen. Darum ist es nothwendig, das Aufnahmegesetz so zu gestalten, dass eine bestimmte Zahl ablehnender Stimmen auch ohne weitere Rechtfertigung den Suchenden zurückweisen kann. Abgesehen davon, dass durch jene Rechtfertigungsvorschrift die Kugelung zu einer ganz bedeutungslosen und darum auch ganz überflüssigen Formalität herabgedrückt wird, hindert sie unter Umständen die freie und selbständige Ausübung des jedem Mitgliede gebührenden und gewährleisteten Rechtes der Mitentscheidung und die gewissenhafte Bethätigung einer dem Bunde angelobten Pflicht.

Gegenüber solchen Missständen, deren Ursachen zu beseitigen sind, sollen wir auf die Beseitigung dieser Ursachen hinwirken. Aber mit menschlicher Schwachheit und Unvollkommenheit werden wir dennoch stets rechnen müssen. Wir müssen sogar darauf gefasst sein, dass wir auch völlig unwürdigen Genossen begegnen, die den Bundesgeist verleugnen und das Gegentheil von dem in Wirklichkeit sind, was sie als Maurer sein sollten.

Keine Täuschung in Personen darf uns in unserer Begeisterung, in unserer Liebe und Treue erschüttern. Das Maurerthum an sich bietet uns niemals Täuschungen. Sein Licht ist Wahrheit und wird sich stets bewahrheiten in uns, wenn wir mit ganzem Herzen ihm dienen. Das Logenwesen wird gebildet aus Brüdern, aber das Licht des Bundes ist nicht von Menschen abhängig. Der Gedanke des Maurerthums ist ein Lichtstrahl der ewigen Sonne einer neuen geistigen Welt. Dieses Licht bleibt unveränderlich und findet auch Geister, welche es auf Erden verbreiten, ob noch so Viele es mit dem Schatten ihrer Körper zeitweilig trüben sollten.

So wollen auch wir dienen dem Lichte und alle Zeit getreu bleiben dem Geiste des Bundes. Durch alle Finsterniss wollen wir dieses Licht suchen. Wir wollen immer höher empor zu steigen suchen aus der Nebelschicht der Erde zu jener Region, wo immer die Sterne leuchten.

Das Licht des Maurerthums hat uns so reich gesegnet und so freundlich geführt. In jener Stunde, als es uns zuerst aufging, blickten wir in eine neue herrliche Welt voll Licht und Liebe und Leben. In dieser Welt wurden wir immer mehr heimisch, wir erkannten in ihr die leuchtende Heimath unseres Geistes, wir fanden ein verlorenes Paradies in ihr wieder.

Dieser Stern des Maurerthums soll auch ferner im Reiche der Erdenschatten unser leuchtender Führer sein. Wie jene drei Könige des Morgenlandes glaubensvoll durch alle Hindernisse des Weges, durch Nacht und Erdenschatten ihrem Sterne folgten, so wollen auch wir folgen unserem Sterne, so wollen auch wir keine Hindernisse achten, so wollen auch wir glauben an ihn und an das leuchtende Ziel, zu dem er uns führen will. In aller Finsterniss wird er uns den Weg hell machen. Wir werden glänzen in seinen Strahlen, dass keine Nacht uns überwältigen kann. Durch alle dunklen Kammern unseres Maurerthums und des Erdenlebens wird er uns leiten, bis er einst über der letzten dunklen Kammer stehen wird, uns das Ziel unserer Wanderung verkündend. Dann wird sein Licht noch unser brechendes Auge durchglänzen. Dann werden wir in seines Lichtes Strahlen hinüber gehen aus der Pilgerloge in die Loge unserer Heimath.

Wir segnen dich, o Maurerstern. Kein Naturgesetz des vergänglichen Lebens kann dich auslöschen. Keine Schatten der Erde können uns dein Licht verhüllen. Und ob die Sterne vom Himmel fielen und die Erde vergehen müsste – du leuchtest immer fort durch allen Weltuntergang in der Macht des Geistes, der unwandelbar ist und niemals untergehen kann. Dir wollen, wir in unwandelbarer Treue glaubensfreudig auch ferner folgen; wir wollen dir folgen bis ans Ende.

Nicht wird durch Menschen uns verkümmert,
Was leuchtend in uns offenbar;
Würd' selbst das Logenthum zertrümmert,
Wir blieben Maurer immerdar.
Ob Wolken je verhüllt sie hatten,
Die Sonne blieb ja dennoch stehn;
So wird trotz aller Erdenschatten
Der Stern in uns nie untergehn.

Br. Friedrich Holtschmidt.


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