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Das ewige Leben.

Wie die freundliche Blumenwelt im Jahreswechsel ihre Häupter aus dem dunklen Schoosse der Erde emporhebt und sie in dasselbe Grab wieder zurücklegt; wie uns die ganze irdische Natur einen steten Kreislauf von Entstehen, Entwickelung, von Vergehen und Neubildung zeigt, so dass es einen absoluten Tod nicht giebt; so ist auch im unendlichen Welträume nur ein Kreislauf der Erscheinungen vorhanden.

Der Gedanke: die unendliche Welt ist ein nie untergehender Organismus, befriedigt nicht nur unser Gemüth, sondern wird auch durch absolut richtige Naturgesetze gestützt, während eine endliche Welterstarrung, obwohl sie vielfach behauptet wird, ganz falsch ist.

Es ist freilich zweifellos, dass alles, was entstanden ist und als Einzelwesen sich entwickelt hat, unwiderruflich in seiner Beschaffenheit vergehen muss. Es ist gewiss, dass sogar jedes System von Einzelwesen, nicht nur jeder Mond, jeder Planet, jede Sonne, sondern auch jedes einzelne System von Weltkörpern irgend einer Art eine Umwandlung und endliche Auflösung als solches erfährt. Aber dass alle Körper des Weltalls je zu einer einzigen Masse zusammenballen und so als Ganzes regungslos verbleiben sollten, wie vielfach behauptet und angenommen wird, ist durchaus naturwidrig und widerspricht vollständig dem Gesetze von der Erhaltung der lebendigen Kraft im Weltalle.

Die Kinder der Zeit sind nie zeitlos. Wir erkennen im Kleinen wie im Grossen im Weltraume einen fortwährenden zeitlichen Wechsel der Körpergestaltung. Was entstanden ist muss vergehen; zeitlos aber und nicht entstanden sind die nie vertilgbaren Stoffatome und die Kraft im Weltalle. Diese Kraft ruft mit den körperfähigen Stoffatomen eine Wechselwirkung hervor, erzeugt so lebendige Kraft, und diese wird von Atom zu Atom, von Körper zu Körper übertragen sowohl auf irdische Entfernungen (Magnetismus) als auch auf überirdische (Gravitation), so dass bei der Beständigkeit der Kraft und der Stoffmenge die Summe aller lebendigen Kräfte, welches auch ihre Erscheinungsformen sein mögen, im ganzen Welträume unverändert erhalten bleibt, und ein Erstarrungstod der ganzen unendlichen Welt nie eintreten kann.

Was ist die uns so gross erscheinende Erde, was ist die Sonne vor der Weltentiefe unseres Fixsternhimmels, der in diesem Systeme von Sonnen gewiss noch zahllose und uns nicht sichtbare Planeten, Monde und ausgeglühte Sonnen enthält? Auch dieses System ist nur das eine von den zahllosen im unendlichen Weltenraume. Die Erde ist also unter der unendlichen Menge von Weltkörpern, die aus denselben Stoffen wie sie gebildet sind, nur ein atomartiges Einzelwesen. Wie viele Milliarden von Jahren ihr Dasein als selbständiges Einzelwesen auch umfassen mag, ihr Leben ist das einer Eintagsfliege im Meere der Ewigkeit. Diese Ueberlegung mag uns bescheiden und duldsam machen, und allen bis zur Unfehlbarkeit aufgeschraubten Hochmuth in seiner Niedrigkeit erkennen lassen.

So winzig aber der Erdenmensch auch erscheint, so kann er mit seiner Natur doch zufrieden sein, denn er hat einen körperlichen und einen geistigen Organismus erhalten, welcher ihn befähigt, in das Sein und Wesen der Welt einzudringen, und sich so als Glied des Weltganzen zu fühlen, wobei er aber auch zugleich darauf hingewiesen wird, dass die Möglichkeit, ja die Wahrscheinlichkeit, noch höhere Stufen zu erklimmen, nicht ausgeschlossen ist, ja dass auf anderen Weltkörpern höher organisirte Wesen schon vorhanden sind. Wir würden von einem leidigen Hochmuthe befallen sein, wenn wir annehmen wollten, dass wir Erdenwürmchen die höchste Stufe der Vollkommenheit im Weltalle erreicht hätten.

Wie aber die Natur unablässig darauf hinarbeitet, dem Besseren Geltung zu verschaffen, so wird es auch in dem Weltganzen der Fall sein, weil die Gestaltungskraft überall dieselbe ist; und wenn selbst Weltkörper ihre Einzelheit aufgeben müssen, so ist es nur logisch richtig, dass die Neubildungen sich noch mehr einer erstrebten Vollkommenheit nähern werden. Einen absoluten Endzweck giebt es im Kosmos nicht: er wäre das Ende der Welt, und ein Ende der Welt als solcher kann es nicht geben.

Unsere Erde wird nur fälschlich die Welt genannt; sie freilich muss als Weltatom einstens eine neue Verbindung eingehen, und für sich ein Ende erreichen. Schon der Buddhismus nahm eine periodische Auflösung und Wiedererstehung der Welten an.

Wenn ein bestimmtes Einzelwesen entsteht, sich entwickelt, besteht und endlich abstirbt, so erscheint aus den Stoffen seiner letzten Periode nicht wieder dasselbe ursprüngliche Wesen. Die Erde wird nie wieder Saurier oder vorweltliche Elephanten hervorbringen, sondern stets fortschrittlich sich entwickeln, Rückschritte oder Rückbildungen sind nur sehr vereinzelte Erscheinungen.

Auch im Weltalle ist nicht ein Kreislauf, sondern ein Fortschritt. Wenn auch ein Weltkörper zu Grunde geht, so werden seine Stoffe sich mit Stoffen anderer Weltkörper zu Neugestaltungen verbinden, von denen wir erwarten dürfen, dass sie nicht schlechter ausfallen werden.

Nun aber! wie steht es mit dem künftigen Leben des Menschen?

Es lebte in der Menschheit von jeher der Glaube an ein späteres Erwachen nach dem Tode und an eine Wiederkehr in irgend einer Weise. Die stoffliche Fortdauer nach dem Tode ist wissenschaftlich zweifellos.

Schon ganz rohe Völker glaubten an eine dereinstige Auferstehung des ganzen Körpers in seiner Beschaffenheit vor dem Tode, denn sie gaben ihren Todten für die ersten Bedürfnisse der Ernährung und Verteidigung Lebensmittel und Waffen mit ins Grab.

Die Auferstehung des Fleisches aber, wie sie auch heute noch von vielen Religionen und Confessionen gelehrt wird, widerspricht den Naturgesetzen; doch können auch diese Gläubigen die Beruhigung haben, dass von ihrem Körper auch nicht ein Atom verloren geht, sondern zu einer Neubildung verwendet wird.

Wo nun aber bleibt die Seele des Menschen, der edlere Theil?

Auch dafür wussten alte Völker Rath zu schaffen, indem sie eine Seelenwanderung annahmen und die Menschenseele je nach ihrer Befähigung in verschiedenen Thieren wieder erscheinen liessen; da haben wir dann mitunter ganz sinnreich ausgedachte Metamorphosen.

Wenn nach dem leiblichen Tode die Körperstoffe nicht verloren gehen, so ist zunächst die Meinung, dass die, wenn auch körperlose, so doch nicht wesenlose Seele ebenfalls nicht spurlos verschwinden werde, nicht nur gerechtfertigt, sondern absolut richtig.

Weil aber die Menschenseele in Gemeinschaft mit den Körperstoffen ein Kraftorganismus ist, so liegt darin die Bürgschaft für das Fortbestehen der Seele nach dem Zerfallen des Körperorganismus.

Die äusserlich freie Kraft ist im lebenden Gehirnorganismus gebunden und bildet als Spannkraft bei ihrer Auslösung die Seelenthätigkeit; gleichwie die Kohle gebundene Kräfte enthält, die beim Verbrennen ausgelöst und nicht verloren gehen, sondern anderweitig verwerthet werden.

Der menschliche Geist ist ein Theil eines unendlichen Verstandes der Weltseele, derselbe ist während des Lebens an den Körper gebunden und kehrt nach Zerfallen des letzteren in das All zurück. Die Seele des Menschen als solche ist das Ergebniss der Wechselwirkung der Weltseele mit den Körperstoffatomen. Verfallen die letzteren dem unorganischen Stoffwechsel, so tritt die Weltseele, welche als belebende organisatorische Kraft den Körper während des Lebens durchwaltet hat, frei aus dem Organismus in den Weltraum.

Abgesehen davon, dass jeder nach dem Maasse seiner geistigen Entwickelung auch nach dem leiblichen Tode in der Menschheit geistig fortlebt und wirkt, ist es nicht unmöglich, ja sogar wahrscheinlich, dass die Substanz der Seele durch ihren Wellenschlag im Weltalle dazu beiträgt, immer höhere Grade der Entwickelung hervorzurufen, gleich wie wir hier auf der Erde in materieller und geistiger Beziehung einen Fortschritt haben.

Wir sprechen von Geisteskräften, erkennen sogar, wie der Geist den Körper, wenn auch nicht unbedingt, beherrscht. Wenn nun im Weltenraume weder Stoff noch Kräfte vernichtet werden, so kann auch beim Körpertode der Geist nicht verschwinden.

Ohne den Gedanken des Fortlebens in irgend einer Form wäre das Menschenleben erfüllt von begierdevollen Strebungen, ohne ein höheres und edleres Ziel. Die Liebe zum Guten, Wahren und Schönen würde erstickt durch selbstsüchtigen Genuss, jedes edlere Streben würde bei dem Gedanken an die Unfruchtbarkeit unseres Daseins im Keime erstickt.

Der menschliche Geist aber kann mit dem Körper nicht sterben, sondern es bleibt etwas von ihm übrig was ewig ist.

Buddha sagt:

»Die Ueberlegung ist der Pfad der Unsterblichkeit, Gedankenlosigkeit ist der Pfad des Todes. Wer überlegt, stirbt nicht, der Gedankenlose ist, als wäre er bereits todt«.

Das Auffinden des absolut Wahren ist die höchste Aufgabe des Menschen. Je mehr Jemand der Lösung dieser Aufgabe nahe kommt, in desto grössere Harmonie setzt er sich mit der Weltseele, desto grösser ist die Glückseligkeit in ihm. Durch Erkenntniss der die Natur durchdringenden Wahrheit gewinnen wir die Herrschaft über das schrankenlose und oft ausschweifende Gefühlsleben, desto mehr werden wir Herr über unsere Leidenschaften, desto mehr entsagen wir der zersetzenden Selbstsucht, desto mehr erkennen wir den Zweck unseres Daseins als Theiles eines grossen Organismus, der nur durch die Harmonie seiner Theile bestehen kann.

Br. G. Drenckhahn.


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