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Die Angriffe gegen die Freimaurerei Auszug aus dem ersten Theile einer soeben erscheinenden Schrift: » Die Freimaurerei und ihre Gegner« von Otto Kuntzemüller. Diese Schrift behandelt die Angriffe gegen die Freimaurerei in erschöpfender Weise und widerlegt sie auf das Schlagendste..

Die Freimaurerei hatte nach der Gründung der Londoner Grossloge im Jahre 1717 kaum angefangen, sich über Europa zu verbreiten, als ihr auch schon allerlei Gegner entstanden, der heftigste in dem vom Jesuitismus beherrschten römischen Papstthum. Unterm 24. April 1738 sprach bereits Papst Clemens XII. den Kirchenbann über Alle aus, die freimaurerischen Versammlungen anwohnen, sich in Freimaurerlogen aufnehmen lassen oder die Freimaurerei in irgend einer Weise begünstigen und unterstützen würden. Ausserdem erhielten die Bischöfe den Auftrag, die Freimaurer »als der Ketzerei verdächtig« vor ihren Richterstuhl zu ziehen.

Mit Ausnahme von dreien haben alle Nachfolger Clemens XII. den Bannstrahl gegen die »Sekte der Freimaurer« geschleudert, so Benedikt XIV., Pius VII., Leo XII., Pius VIII., Gregor XIV., Pius IX. und zuletzt der gegenwärtige Träger der dreifachen Krone, Leo XIII.

In seinem Rundschreiben »Humanum genus« vom 20. April 1884 hat Leo XIII. »aus apostolischer Machtvollkommenheit« Alles bestätigt, was seine Vorgänger, die römischen Päpste, zur »Vereitelung der Anschläge und Bestrebungen der Freimaurersekte und zur Abschreckung vom Eintritte in solche Gesellschaften oder zur Förderung des Austritts aus ihnen verordnet und festgesetzt haben«. Gleich seinen Vorgängern erklärt Leo XIII., dass sich Niemand, »dem sein katholischer Glaube und sein Seelenheil so viel gelten, als sie ihm gelten sollen, der Freimaurersekte anschliessen darf«.

Alle Beschuldigungen, die von römisch-katholischer Seite jemals gegen die Freimaurer erhoben worden sind und noch erhoben werden, sind im Rundschreiben Leos XIII. von 1884 enthalten. Es verbreitet sich, wie ein ultramontanes Blatt sagt, ausführlicher und tiefer als die Rundschreiben früherer Päpste und zugleich »wissenschaftlich« über das Wesen der Freimaurerei. Die angebliche »Wissenschaftlichkeit« des Rundschreibens Leos XIII. steht indess ungefähr auf der Höhe der wissenschaftlichen Leistungen in den meisten lateinischen Primaneraufsätzen seligen Angedenkens, wie denn überhaupt die bekanntlich stets lateinisch abgefassten päpstlichen Rundschreiben den Kenner sehr lebhaft an die früher üblichen lateinischen Stilübungen unserer Primaner erinnern. Doch hören wir, was die päpstliche Afterwissenschaft Leos XIII. ihren Gläubigen über das Wesen der Freimaurerei offenbart.

Nach jesuitisch-päpstlicher Anschauung ist die Freimaurerei Teufelswerk. Wie Alle, die sich weigern, dem göttlichen und ewigen Gesetze zu gehorchen, und die Vieles ohne Rücksicht auf Gott, Vieles sogar gegen Gott anstreben, so stehen auch die Freimaurer in der Macht und Gewalt Satans. Ihre Sekte ist ganz und gar widerrechtlich entstanden und ebenso sehr dem Christenthum wie dem Staate verderblich. Sie steht mit der Gerechtigkeit und der natürlichen Sittlichkeit im Widerspruche, und ihr letztes Ziel ist, alle auf dem Christenthum beruhenden religiösen und staatlichen Ordnungen von Grund aus zu zerstören und durch neue, rein naturalistischen Anschauungen entsprechende Einrichtungen zu ersetzen. Der oberste Grundsatz der Freimaurerei ist nämlich, dass die menschliche Natur und die menschliche Vernunft in allen Dingen den rechten Weg weisen und führen müssen. Nach ihnen ist nur das wahr, was die menschliche Vernunft begreift, und offenbarte Wahrheiten erkennen sie nicht an. Vor Allem verfolgen sie den Katholicismus mit unversöhnlicher Feindschaft, und sie sprechen es unumwunden aus, die Macht der Päpste müsse aufgehoben und das Papstthum selbst müsse ganz vernichtet werden. Sie legen keinen Werth auf das religiöse Bekenntniss und erkennen keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Religionen an. Damit arbeiten sie auf den Untergang aller Religionen hin und besonders der katholischen, die, weil sie allein die wahre ist, nicht ohne das grösste Unrecht den anderen gleichgestellt werden kann. Das Dasein Gottes geben sie zwar im Allgemeinen zu, aber es giebt auch erklärte Gottesleugner unter ihnen. Ihre Sittenlehre entbehrt jeder religiösen Grundlage. Die Ehe ist ihnen ein blosses Geschäft, das nach dem Gutdünken derer rechtlich gelöst werden kann, die sie geschlossen haben. In der Erziehung und der Ausbildung der Kinder wollen sie von einer religiösen Grundlage nichts wissen, und daher nicht gestatten, dass sich die Diener der Kirche irgendwie daran betheiligen. Im Staatsleben wollen sie den Grundsatz der vollen Gleichberechtigung aller Menschen verwirklichen. Das freie Volk soll der Träger aller Macht sein. Wer die Herrschaft führt, habe sie auf Befehl oder unter Zulassung des Volkes, und daher können die Fürsten, wenn das Volk es will, auch gewaltsam vom Throne gestürzt werden. Zudem soll der Staat religionslos sein, denn keine der verschiedenen Religionen enthalte etwas, um dessentwillen man sie den anderen vorziehen könne; alle seien einander gleichzustellen. Mit diesen Grundsätzen bahnen die Freimaurer denen den Weg, die nach Aufhebung der Verschiedenheit der Stände und des Eigenthums volle Gleichheit und Gütergemeinschaft einführen wollen.

Hierin besteht also nach jesuitisch-päpstlicher Anschauung Wesen und Ziel der Freimaurerei. Um die Richtigkeit dieser Anschauung zu beweisen, haben in neuerer Zeit ultramontane Schriftsteller aus freimaurerischen Schriften und Aeusserungen ehemaliger Freimaurer Beläge herangezogen. Sie stützen sich dabei hauptsächlich auf die Veröffentlichungen Findels und des Franzosen Leo Taxil. Allein Findel selbst belehrt die Ultramontanen darüber, dass sie einen grossen Fehler begehen, wenn sie glauben, »den Freimaurerbund bei Aeusserungen einzelner Mitglieder fassen und mit solchen bekämpfen zu können, indem sie für diese kurzer Hand den Bund verantwortlich machen«. Damit wird, wie Findel sehr zutreffend sagt, gar nichts bewiesen, sondern lediglich gezeigt, dass es in dieser oder jener Zeit, da oder dort Mitglieder von Logen gegeben hat, die diese oder jene Ansicht verlautbart haben. Es sei ein Hauptfehler der Ultramontanen, dass sich ihr Urtheil über die Freimaurerei nicht auf das stützt, »wonach allein der Bund als Ganzes gemessen und gewürdigt werden kann, nämlich auf die geltenden Gesetzbücher (Statuten) und auf officielle Kundgebungen, sondern auf einzelne, aus dem Zusammenhange gerissene Stellen von Reden und Zeitungsartikeln, die Privatmeinungen sind und unter Umständen von Logen und Grosslogen selber missbilligt und abgelehnt werden«. Solche Privatmeinungen sind nun aber zum grossen Theile die eigenen Ansichten, die Findel in seinen zahlreichen Schriften über Freimaurerei entwickelt hat. Gerade darin, dass die Ultramontanen Findel unter die »berufensten Vertreter und die genauesten Kenner des Freimaurerthums« rechnen, offenbaren sie ihre gänzliche Unkenntniss des Wesens der Freimaurerei. Findel ist durchaus nicht, wie die »Germania« von ihm behauptet, »der erste deutsche Geschichtsschreiber der Freimaurerei und einer der erfahrensten Kenner des Logenwesens überhaupt«. Unter den Freimaurern selbst stossen seine Ansichten auf sehr entschiedenen Widerspruch, und den von ihm veröffentlichten Schriften kann der Vorwurf der Oberflächlichkeit, Einseitigkeit und Parteilichkeit nicht erspart werden.

Noch viel weniger als die Veröffentlichungen Findels sind jedoch die Schriften des Franzosen Leo Taxil dazu geeignet, ein richtiges Bild vom Wesen der Freimaurerei und ihren Zielen zu geben.

Unter dem Namen Leo Taxil hat der Pariser Buchhändler Gabriel Jogand-Pagés allerlei Schriften veröffentlicht, zuerst als Freidenker und angeblicher Freimaurer gegen die katholische Kirche, das Papstthum und den Klerikalismus, dann als angeblich »Bekehrter« gegen Freidenker und Freimaurer. Dieser Mann ist, wie aus seinen »Bekenntnissen eines ehemaligen Freidenkers«, in denen er die Geschichte seiner »Verirrungen« und seiner »aufrichtigen Rückkehr zur Wahrheit« erzählt, recht deutlich hervorgeht, von Jugend auf ein ganz durchtriebener Nichtsnutz gewesen, der vor keiner Lüge und Schwindelei zurückschreckte, wenn es seinen Vortheil galt. Um Geschäfte zu machen, veröffentlichte er Schriften gegen die katholische Kirche und unzüchtige Bücher, und als damit nichts mehr zu machen war, ging auf einmal das »Licht des Glaubens« in ihm auf, und er verleugnete nun Alles, worauf er vorher geschworen hatte. Aus dem Gottesleugner und Kirchenfeind wurde ein Vertheidiger des Ultramontanismus, aus dem radikalen Demokraten ein begeisterter Monarchist. Leo Taxil verstand es vortrefflich, die Erfahrungen, die er während seiner angeblichen Zugehörigkeit zu einer Freimaurerloge gesammelt haben will, in klingende Münze umzusetzen. Dafür hat noch zuletzt der von ihm, wie er selbst eingestanden hat, zur Verhöhnung der katholischen Kirche ins Werk gesetzte Schwindel mit den angeblichen Enthüllungen der Miss Diana Vaughan über den palladistischen Satanscult der Freimaurer einen schlagenden Beweis geliefert.

Auf so »verdächtige« Schriften, wie die Leo Taxils, die nach dem eigenen Geständniss der »Germania« »von Widersprüchen und Unklarheiten« wimmeln, dürfen sich die Ultramontanen bei ihren Angriffen gegen die Freimaurerei nicht mehr stützen. Dann würden sie jedoch des einzigen Mittels, die Bestrebungen der Freimaurer als atheistisch, religionsfeindlich und staatsgefährlich zu verdächtigen, verlustig gehen, und darum werden sie, wenn es anders in ihren Kram passt, fortfahren, Leo Taxil trotz seiner von ihnen selbst anerkannten Schwindeleien, Lügen und Fälschungen als einen »genauen Kenner des Freimaurerthums« hinzustellen.

Wie es um die Kenntniss freimaurerischer Verhältnisse und namentlich der deutschen Freimaurerei bei katholischen Schriftstellern bestellt ist, zeigt am deutlichsten eine als »Bericht aus Deutschland für den internationalen Antifreimaurercongress in Trient« von einem gewissen Franz Ewald herausgegebene und als »Kleines Handbuch der Freimaurerei« bezeichnete Schrift, worin neben den Veröffentlichungen Leo Taxils die »aufsehenerregenden Enthüllungen der Miss Diana Vaughan« als »Quellenwerke« für die Geschichte der Freimaurerei benutzt und daraufhin folgende Behauptungen über den Freimaurerorden aufgestellt werden:

»Er verehrt den Widersacher Gottes von Anbeginn, Satan, als das höchste Wesen, setzt den Teufel an Gottes Stelle.

Stufenweise führt die Loge ihre Adepten durch Deismus, Pantheismus und Atheismus zum Satanscult.

Satan soll der ›Eckstein‹ des vom Freimaurerorden zu errichtenden socialen Gebäudes sein.«

Das Wesentlichste der maurerischen Hierarchie, der auch die deutsche Freimaurerei eingefügt sei, ist nach Franz Ewald Folgendes:

»Eine Loge ist kurzweg eine Vereinigung von Freimaurern benannt, speciell aber eine Vereinigung von Brüdern des 1. bis 3.·. Grades der Johannis-Maurerei. Ueber diesen Logen stehen hierarchisch sogenannte Capitel, denen Brüder bis zum 18.·. Grade des schottischen Ritus angehören. Aus den auserlesensten Maurern der Capitel werden die Brüder zu den Areopagen gewählt, die Brüder vom 18. bis 30. Grade. Aus den Areopagen befördern die Oberbehörden die würdigsten und verlässlichsten Freimaurer in die Verwaltungsgrade, den 31., 32. und 33. Grad. Aus Inhabern dieser Grade rekrutirt sich eine Oberbehörde für ein gewisses Territorium, ein Suprême Conseil – ein höchster Rath. Diesem steht die Jurisdiction zu über alle in dem betreffenden Territorium arbeitenden Logen der Obedienz. Eine andere maurerische Oberbehörde ist die Grossloge, die die Interessen der ihr unterstehenden Logen, Capitel und Areopage bei der Central-Grossloge vertritt. Die Mitglieder der Central-Grossloge vertheilen sich wieder in Sectionen, deren erste die Logen, die zweite die Capitel und die dritte die Areopage zu beaufsichtigen hat. Die Central-Grossloge bildet sich aus den Activmitgliedern des 30., 31. und 32. Grades und aus Abgeordneten der einzelnen Logen, Capitel und Areopage. Die Logen stehen also direct unter einer Grossloge, und diese steht wieder unter einer Central-Grossloge. Die Central-Grosslogen arbeiten der Natur der Sache gemäss unter den Suprêmes Conseils. Aus den Mitgliedern dieser aber rekrutiren sich hauptsächlich die Anhänger des palladistischen Ritus der hohen Centralleitung. Diese Centralbehörde theilt die Loge der ganzen Welt in 77 Provinzen, die je einem Provinzial-Grossmeister unterstehen. Jene aber erhalten ihre Anweisungen und Befehle von einem der vier grossen Centraldirectorien, die wieder einer höchsten Executiv- und Administrativdirection unterstehen. Der Chef dieser beiden Directorien, der General des ganzen Ordens und Freimaurerpapst, ist zur Zeit ein Jude Adriano Lemmi«.

Von den deutschen Logen weiss Franz Ewald, dass die der Grossen National-Mutterloge »Zu den drei Weltkugeln« unterstehenden Logen »zum Theil nach dem Ritus von Herodom mit 25 Graden und zum Theil nach dem alten angenommenen schottischen Ritus mit 33 Graden arbeiten. Die der Grossen Landes-Loge zugehörenden Logen arbeiten nach Ewald theils nach dem Ritus von Herodom mit 25 Graden, theils nach dem schwedischen System mit 7 Graden. Die Grosse Loge von Preussen, genannt »Royal York zur Freundschaft«, befolgt nach Ewald den Ritus von York mit 30 Graden, die Grossloge von Hamburg den alten angenommenen schottischen Ritus mit 33 Graden, ebenso die Grossloge »Zur Sonne« in Bayreuth, die Grossse Landes-Loge in Sachsen und die Grossloge »Zur Eintracht« in Darmstadt.

Der Mann, der zum Berichterstatter über die freimaurerischen Verhältnisse in Deutschland für den »Ersten Internationalen Congress gegen die Freimaurerei« ausersehen war, kannte diese Verhältnisse also in ganz hervorragender Weise!

Ist es da ein Wunder, dass der sogenannte Antifreimaurercongress, der unter der Zustimmung und mit dem Segen des Papstes vom 26. bis 30. September 1896 in Trient abgehalten worden ist, die ultramontane Freimaurerhetze im schönsten Lichte gezeigt hat? Dieses »Ereigniss am Ende des 19. Jahrhunderts«, wie ein deutsches ultramontanes Blatt, der »Westfälische Merkur«, den Congress vor seinem Zusammentritte bezeichnet hatte, ist in seinem Verlaufe nichts Anderes gewesen als ein tödliches Fiasko für die Feinde der Freimaurerei.

Den Zusammentritt des Congresses hatte die am 20. September 1893 von den Jesuiten mit Genehmigung des Papstes in Rom gegründete Union antimaçonnique universelle, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, im Sinne der päpstlichen Anweisungen und besonders des Rundschreibens Leos XIII. von 1884 die Freimaurerei, die als »Feindin des Christenthums und der auf monarchischer von Gott eingesetzter Grundlage beruhenden Staatsform« erkannt wird, überall und in jeder Gestalt zu bekämpfen. Man hatte die Reklametrommel mächtig gerührt und so etwa 1500 Theilnehmer herangelockt, von denen jedoch nur etwa 500 erschienen waren, darunter die Mehrzahl Italiener und Geistliche. Fünf Tage dauerten die Berathungen, und es wurde manch kräftig Wörtlein gegen die bösen Freimaurer geredet. »So schlecht man auch von der Freimaurerei spricht«, äusserte einer der Congressredner, »so kann man von ihr doch nicht so schlecht denken und sprechen, wie sie in Wirklichkeit handelt«. Aber irgend etwas Neues ist in den vielen Reden, die in Trient gehalten worden sind, nicht zu Tage gefördert worden. Selbst der Redner, den unsere Ultramontanen unter Zustimmung des »Deutschen Adelsblattes« als einen »hervorragenden Kenner besonders der deutschen freimaurerischen Verhältnisse« bezeichnen und dessen Rede die deutschen ultramontanen Blätter im Wortlaute wiedergegeben haben, der Pfarrer Schwarz aus Württemberg, wusste nichts weiter vorzubringen als die alten Klagen über den verderblichen Einfluss der Freimaurerei auf Kirche und Staat, auf Gesellschaft und Familie. Er suchte nachzuweisen, dass das Humanitätsprincip, dem die Freimaurerei an Stelle des echten Christenthums huldigt, in Wirklichkeit auf die Verherrlichung des rein Menschlichen unter Verleugnung alles Christlichen hinausläuft. Die Loge wolle die Menschheit unabhängig von Gott machen, sie leugne jede Offenbarung und bekämpfe geradezu das Christenthum, wenn schon sie sich mitunter zum Zwecke der Täuschung den entgegengesetzten Anschein giebt. Die Freimaurerei bleibe aber bei der Leugnung des Christenthums nicht stehen, sondern schreite bis zur Leugnung eines persönlichen Gottes. Sie huldige einem pantheistischen Gottesglauben, indem sie im Wirken der Naturkräfte und im Walten der Naturgesetze die höchsten Erscheinungen des Göttlichen erkennen will. Vom Pantheismus zum Atheismus und vom Atheismus zum Satanismus sei eine logische Reihenfolge, und dass auch Atheismus und Satanismus von der Loge gepflegt werden, stehe fest. Aus der Stellung der Loge zum Christenthum ergebe sich von selbst die Leugnung der von Gott gesetzten Gewalt, die Leugnung des Autoritätsprincips. Darum sei auch die Loge, wennschon sie in einigen Ländern, und besonders in Deutschland, regierende Fürsten als Mitglieder zu gewinnen sucht, und diese sogar bis zu den Hochgraden aufsteigen lässt, ohne sie aber in das Wesen der Hochgrade einzuweihen, die ärgste Feindin jeder Monarchie; sie bereite die Revolutionen vor, wodurch die Throne gestürzt und die Republiken hergestellt werden. Pfarrer Schwarz, »der hervorragende Kenner besonders der deutschen freimaurerischen Verhältnisse«, hat damit nur wiederholt, was die im Verlage der »Germania« erschienene Schrift von Hildebrand Gerber »Die Freimaurerei« zu »enthüllen« vorgiebt.

Als einziges positives Ergebniss ist aus den fünftägigen Berathungen des Trienter Congresses nur das Programm für eine »antifreimaurerische Organisation« herausgekommen, deren alleiniger Mittelpunkt der in Rom am 20. September 1893 unter Gutheissung des Papstes ins Leben gerufene Generaldirectionsrath der Union antimaçonnique universelle sein soll, der auch allein befugt ist, die internationalen antifreimaurerischen Congresse einzuberufen, von denen der nächste in zwei Jahren stattfinden sollte, aber wohl wegen der allzugrossen Blamage, die man sich mit dem Vaughanschwindel zugezogen hatte, noch nicht stattgefunden hat.

Die Miss Vaughan sollte bekanntlich eine hervorragende Freimaurerin gewesen, dann aber, durch eine wunderbare Heilung in Lourdes bekehrt, über die Verbindungen der Freimaurer mit der Hölle die erstaunlichsten Mittheilungen gemacht haben. Das Schriftstück des Teufels Bitru über die am 29. September 1896 zu erwartende Geburt der Urgrossmutter des Teufels Antichrist ist als heiterstes Pröbchen dieser Vaughanschen »Enthüllungen«, die wie die Miss selbst eine Erfindung Leo Taxils waren, durch alle Blätter gegangen.

Wäre der Beschluss des Trienter »Internationalen« Congresses, in spätestens sechs Monaten in jedem Lande einen »Nationalen« Congress gegen die Freimaurer abzuhalten, ausgeführt worden, so hätte man jedenfalls noch recht interessante Dinge erleben können. Die Freimaurer selbst aber können nur wünschen, dass sich die Trienter Posse recht häufig wiederholt. Das fühlten auch die deutschen Ultramontanen sehr wohl heraus, und daher machten sie den Versuch, die Miss Vaughan und ihre Enthüllungen als eine Erfindung der Freimaurer hinzustellen. Durchaus zutreffend schrieb die »Kölnische Volkszeitung«:

»Man kann getrost behaupten: Hätten die Freimaurer es darauf ablegen wollen, möglichst wirksam und hinterlistig die katholische Kirche zu schädigen und zu discreditiren, so hätten sie es kaum besser thun können, als es thatsächlich durch Veranstaltung und Verbreitung des Vaughan'schen angeblich »antifreimaurerischen« Enthüllungsschwindels geschehen ist.«

Aber nicht bloss des Dr. Bataille »Le Diable au XIX. Siècle« par le Dr. Bataille. Paris et Lyon 1893 et 1894. und der Miss Vaughan »Enthüllungen« über freimaurerischen »Teufelscult« sind Schwindel, auch die »zahlreichen wichtigen und neuen Enthüllungen«, auf die Hildebrand Gerber und seine Nachbeter ihre Angriffe gegen die Freimaurerei stützen, fallen in das Gebiet des Schwindels und der Fälschungen oder sind tendenziöse Entstellungen. Am allerwenigsten wird die deutsche Freimaurerei von diesen verläumderischen Angriffen getroffen. Hätte daher die Freimaurerei keine anderen Gegner als die clericalen Bundesgenossen der Jesuiten, so könnte sie über deren Angriffe stillschweigend hinwegsehen und sie völlig unbeachtet lassen; denn der vom Jesuitismus beherrschte ultramontane katholische Clerus ist nun einmal von jeher der geschworene Feind der Gewissensfreiheit und Duldung anstrebenden Freimaurerthums gewesen, und er lässt sich keine Gelegenheit entgehen, seine alten boshaften Verdächtigungen und Verläumdungen freimaurerischer Bestrebungen immer wieder vorzubringen. Das wird auch so bleiben, so lange es eine vom Jesuitismus beherrschte römisch-katholische Papstkirche und Freimaurerlogen giebt.

Doch früh schon sind neben den Ultramontanen andere Feinde wider die Freimaurerei auf dem Plane erschienen.

Als die erste französische Revolution gegen Ende des vorigen Jahrhunderts ausgebrochen war, wurde die Schuld daran den Umtrieben der Freimaurer mit einem Eifer zugeschrieben, der hier und da die Aufmerksamkeit der Staatsbehörden herausforderte. Es gelang indessen Oesterreich nicht, einen im Jahre 1794 beim Reichstage in Regensburg gestellten Antrag auf Unterdrückung aller geheimen Gesellschaften, unter denen auch die Freimaurerlogen aufgeführt waren, durchzubringen. Auf die Vorstellungen und Einwände, die namentlich von Preussen, Hannover und Braunschweig dagegen gemacht wurden, verweigerten die Reichsstände die Annahme des österreichischen Antrages und entschieden: Wenn auch Oesterreich die Freimaurerlogen schliessen lassen könne, so werde doch für die übrigen Staaten des Reiches die deutsche Freiheit in Anspruch genommen.

Die Zeiten der heiligen Allianz setzten auch die Freimaurerei Verdächtigungen und Angriffen mancherlei Art aus. Man versuchte ihr Verhältniss zu Staat und Kirche als bedenklich, überhaupt als ein solches darzustellen, das in seinem Fortbestande der Religion, der Kirche, der Gesellschaft und den Thronen nothwendig den Untergang bereiten müsse. 1822 überreichte der ehemalige preussische Minister Graf Haugwitz dem Monarchencongresse in Verona eine Denkschrift, worin er die Freimaurer als Umstürzler schilderte. Die Welt zu beherrschen, die Throne in ihren Besitz zu bringen und die Monarchen selbst zu ihren Sachwaltern zu machen, sei ihr Ziel. Es sei unglaublich, mit welcher Sorglosigkeit die Regierungen ein Unwesen solcher Art, einen wirklichen Staat im Staate gänzlich unbeachtet lassen konnten. Die französische Revolution, der Königsmord mit all seinen Greueln, alles das sei von den Freimaurern angestiftet. Indessen den Mitgliedern des Congresses musste wohl bekannt sein, dass das Leben des Grafen Haugwitz eine ununterbrochene Folge von Thorheiten und Verschrobenheiten und von Aeusserungen der Verderbtheit gewesen war; sie schenkten seiner Denunciation, obwohl er als Eques a Monte Sancto den höheren Graden der stricten Observanz angehört hatte, keine Beachtung; wenigstens ist nicht bekannt geworden, dass der Congress von Verona den Freimaurerlogen irgend welche Hindernisse in den Weg gelegt hat.

Als dann der revolutionären Bewegung des Jahres 1848 die Reaction in Preussen folgte, da eröffnete diese auch einen erbitterten Kampf gegen die Freimaurer, den namentlich der Hofprediger Hengstenberg und ein sächsischer Advokat Eckert in verschiedenen Flugschriften führten. Der Hofprediger Hengstenberg schrieb drei Flugschriften über »Die Freimaurerei und das Pfarramt«, worin er zu beweisen suchte, dass die Freimaurer noch schlimmer seien als die Mitglieder der freien Gemeinden. Der Advokat Eckert aber, der erwiesenermaassen im Dienste der Jesuiten geschrieben hat, verstand es aus der ihm zu Gebote stehenden freimaurerischen Literatur mit den jesuitischen Mitteln der Verdrehung, des Auslassens und Einschiebens einzelner Stellen und Worte, der Welt das erschreckende Bild eines Bundes zu entwerfen, der die Fahne der Empörung gegen alles Bestehende in ganz Europa aufpflanzen wolle.

Die Kreuzzeitungspartei, in der Feudalismus und Orthodoxie einander die Hand reichen, war es vornehmlich, die während der Reactionszeit der fünfziger Jahre in Preussen den Kampf gegen die Freimaurerei unterstützte und den Prinzen Wilhelm von Preussen, unseren unvergesslichen Kaiser Wilhelm I., in Acht und Bann that, weil er dem Freimaurerorden angehörte. Von der reactionären Camarilla wurde der Prinz von Preussen damals vertraulich nur »der Freimaurer« genannt. Durch einen Zuchthäusler Lindenberg liess ihn die Kreuzzeitungspartei auf Schritt und Tritt überwachen, und die Kreuzzeitung selbst hörte nicht auf, ›den Freimaurer‹ mit allerlei Nadelstichen zu verfolgen. Und als eines Tages der Prinz in einer Versammlung beim Grafen Schwerin die Kreuzzeitungsleute mit den Worten von sich gewiesen hatte, es seien nicht immer die besten Patrioten, die die Rückkehr zu überwundenen Zuständen fordern, da erhob sich am nächsten Tage der Führer der äussersten Rechten, Ludwig v. Gerlach, in der preussischen Kammer, um eine donnernde Rede gegen die Freimaurer zu halten. Nachdem dann am 5. November 1853 der Prinz von Preussen seinen Sohn, den Prinzen Friedrich Wilhelm, den späteren Kaiser Friedrich III., zum Freimaurer hatte aufnehmen lassen, schrieb der Bruder des Hauptes der Kreuzzeitungspartei, Leopold v. Gerlach, der damals Generaladjutant bei König Friedrich Wilhelm IV. war, unterm 8. November 1853 in sein Tagebuch:

»Vorgestern in Berlin. Dort die traurige Nachricht von der Aufnahme des Prinzen Friedrich Wilhelm in den Freimaurerorden mit Genehmigung des Königs. Gestern hierher zurück. Im Polizeirapport stand, wie die Maurer über diese Sache triumphiren. Gleichzeitig hatte ich durch Kleist einen Bericht, den er an Westfalen erstattet, erhalten. Er hat nur ein Verzeichniss der Officianten, die Maurer sind, verlangt, indem er das gegenseitige Protectionswesen des Ordens durch die Erfahrung erkannt hatte. Merkwürdig sind die historischen Facta: 1. dass liberté, égalité, fraternité eine den Maurern entnommene Divise ist, 2. dass der Herzog von Braunschweig, Patron der Maurer zur Zeit der französischen Revolution, damals erkannt hat, dass ein grosser Theil des Ordens revolutionäre Tendenzen verfolgt hat, 3. Dass 1848 die Kölner und andere rheinische Logen sich zu republikanischen Principien bekannt und an die gleichgesinnten französischen Logen angeschlossen, jedoch später sich wieder von ihnen getrennt haben. Gestern früh ein kurzer Vortrag beim Kaffee, dann die Fortsetzung im runden Zimmer, wo ich damit begann: der Polizeirapport und die Zeitungen meldeten ein grosses Unglück, nämlich den Eintritt des Prinzen Friedrich Wilhelm in den Freimaurerorden. Der König erzählt die Sache folgendermaassen: Der Prinz von Preussen habe ihm gesagt, er beabsichtige seinen Sohn in den Freimaurerorden aufzunehmen. Der junge Prinz habe dies lange gewünscht, aber jetzt sei er erst in dem geeigneten Alter. Die Aufnahme würde im Palais geschehen, und der König könne und möchte als Landesherr zugegen sein. Hierauf hat der König eine unbestimmte Antwort gegeben, am Morgen aber sein Kommen abgeschrieben. Darauf hätte der König den jungen Prinzen kommen lassen und ihm das Wesen des Ordens auseinandergesetzt. Die meisten Glieder desselben seien Betrogene und von den eigentlichen Zwecken desselben erführen sie nichts. Der Prinz hätte geantwortet, dass er schon seit vier Jahren die Aufnahme dringend gewünscht und glücklich sei, dass der Vater sie ihm gewährt habe. – Was wird das für einen nachtheiligen Eindruck auf den König hervorbringen. Er, der so scharf bei den Predigern besonders gegen den Freimaurerorden eingetreten, kann jetzt nicht verhindern, dass sein Neffe und Erbe in denselben eintritt. – Die Königin redete mich nach dem Diner auf diese Sache an, nahm sie insofern schwer, dass sie dieselbe für unnütz hielt, aber lange nicht ernst genug.«

Diese Tagebuchaufzeichnungen des als Haupt der Camarilla unter Friedrich Wilhelm IV. bekannten Generals Polte v. Gerlach sind ein unmittelbares Zeugniss für die Ansichten, die unter den preussischen Reactionären der fünfziger Jahre über die Freimaurerei verbreitet waren. Geschöpft waren diese Ansichten aus den Schriften des damaligen Hauptvertreters der protestantischen Orthodoxie Hengstenberg und des Fanatikers Eckert; denn was Polte v. Gerlach als »historische Facta« in Bezug auf die Freimaurerei anführt, ist der ersten im Jahre 1852, also ein Jahr vor der Aufnahme des Prinzen Friedrich Wilhelm erschienenen Schrift Eckerts: »Der Freimaurerorden in seiner wahren Bedeutung« entnommen. In ähnlichen Ansichten bewegen sich auch heute noch die protestantische Orthodoxie und das feudale Junkerthum, wenn sie auch nicht in derselben Weise offen damit hervortreten.

Prinz Wilhelm von Preussen liess sich freilich durch solche Ansichten in seiner Auffassung vom Wesen der Freimaurerei nicht beirren. Gerade in der Zeit wo Hengstenberg und Genossen es nicht dulden wollten, war er dem Freimaurerthum in Preussen ein wirklicher Protector, ein wahrhafter Schutz und Schirm gegen alle Anklagen und Verleumdungen. Er besuchte häufig und in verschiedenen Orten die Logen, um dadurch, wie er selbst sagte, »vor der Aussenwelt zu bekunden, welche Liebe und Achtung er für die Maurerei hege«. Wie er über die Angriffe und Anschauungen der Freimaurerfeinde dachte, gab er in der Ansprache zu erkennen, die er an seinen Sohn nach dessen Aufnahme richtete.

Den Anschauungen, die er als Prinz von der Freimaurerei gewonnen hatte, ist auch der König und Kaiser Wilhelm I. bis zum Tode treu geblieben. Dasselbe gilt auch von seinem Sohne, der bis an sein Lebensende der Freimaurerei sein aufrichtiges Interesse entgegengebracht hat.

Während der Regierungszeit Wilhelms I. und Friedrichs III. wagten sich denn auch weder die protestantische Orthodoxie noch der junkerliche Feudalismus mit Angriffen gegen die Freimaurerei hervor. Von dieser Seite ist während jener Zeit nur eine nennenswerthe Schrift gegen die Freimaurerei im Jahre 1881 veröffentlicht worden. Der Verfasser ist Dietrich v. Oertzen, der frühere Herausgeber der »Allgemeinen Conservativen Monatsschrift« und jetzige Redacteur von Stöckers Blatt »Das Volk«; der Titel der Schrift lautet: »Was treiben die Freimaurer?« Oertzen wendet sich hauptsächlich gegen die humanistische Freimaurerei, um zu beweisen, dass diese mit dem positiven Christenthum nicht vereinbar und gleichbedeutend mit Liberalismus sei. Eine christliche Freimaurerei neben der christlichen Kirche erklärt Oertzen für überflüssig, und die maurerische Loyalität, mit der so viel geprunkt werde, erachtet er für unzuverlässig. Im Uebrigen hält sich die Oertzensche Schrift frei von den thörichten Verläumdungen und Verdächtigungen, die sonst gegen die Freimaurerei geschleudert werden. Das von Oertzen jetzt geleitete Blatt, »Das Volk«, hat sogar gegenüber dem »Deutschen Adelsblatt« erklärt: »Die deutsche Freimaurerei hat sich in der That seit der Mitte des Jahrhunderts vor den Logenverbänden anderer Länder dadurch hervorgethan, dass sie politische Bestrebungen aus ihren Kreisen thunlichst fern gehalten hat. Ein schwacher Punkt ist es aber, dass mit vielen auswärtigen Logen, die nicht so unbedenklich sind, Cartellverhältnisse bestehen. Es würde zur Klarheit beitragen, wenn diese Cartelle einer gründlichen Revision unterzogen würden.« Und in der Art, wie er sich die Entstehung und Entwickelung der Freimaurerei erklärt, und wie er über den Werth der Dogmen im Christenthum urtheilt, kommt Oertzen sogar den Anschauungen ziemlich nahe, die die Gr. L.-L. d. Frm. v. D. über diese Dinge hat. Man kann daher Oertzen nicht einmal mehr den streng kirchlichen und hochconservativen Gegnern der Freimaurerei einreihen. Befremden muss es aber, dass Oertzen in der vor einiger Zeit erschienenen neuen Ausgabe seines Buches die Ausführungen der Schrift »Die Freimaurerei und ihre Gegner« nicht berücksichtigt hat.

Diese regten sich erst wieder, als mit dem Ableben Kaiser Friedrichs III. die Beziehungen der Hohenzollern zur Freimaurerei gänzlich erloschen schienen.

Kaiser Wilhelm II. hatte kaum den Thron bestiegen, als von ultramontaner Seite auf die Thatsache hingewiesen wurde, dass der Nachfolger Wilhelms I. und Friedrichs III. nicht Freimaurer sei. Mit diesem Hinweise verband man die Behauptung, der neue Kaiser habe eine »unüberwindliche Abneigung« gegen die Freimaurer. Nun war das Zeichen zu einem allgemeinen Angriffe gegen die Freimaurer gegeben. Die Organe des feudalen Junkerthums und der protestantischen Orthodoxie stimmten mit einer gewissen Genugthuung in den ultramontanen Jubel darüber ein, dass die Freimaurer nunmehr die Gunst und den Schutz des Hohenzollernschen Herrscherhauses entbehren würden, und betheiligten sich mit sichtlichem Wohlbehagen an den Angriffen auf das freimaurerische Logenwesen. Da bekam man abwechselnd, bald in der »Kreuzzeitung«, bald im »Reichsboten« zu hören:

»Die Freimaurer verfolgten religions- und kirchenfeindliche Ziele, denn Leo Taxil, der, obwohl er ein Religionsspötter und pornographischer Schriftsteller war, dennoch eine sehr hohe Stellung im Freimaurerorden eingenommen, dann aber dem Atheismus entsagt hat und zu den Ultramontanen übergegangen ist, erzähle in seiner »Maçonnerie pratique«, dass den Brüdern des Freimaurerordens im 33. Grade die Belehrung gegeben werde: das Ziel des Bundes sei die Vernichtung des Katholicismus, gegen welchen alle Mittel gut seien.«

Ferner wurde behauptet:

»der Festredner bei der grossen Trauerloge für Kaiser Friedrich III., wozu alle 366 Logen des Deutschen Reiches Abgeordnete in die Gr. L.-L. d. Frm. v. D. geschickt hatten, habe ›besonders das Bestreben des Ordens, die confessionellen Schranken zu beseitigen‹, betont«.

Dann wurde es wieder als Thatsache hingestellt,

»dass die Loge nie fördernd, sondern abschwächend auf die christlichen Anschauungen und das religiöse Leben des Volkes eingewirkt hat.«

Ein andermal wurde versichert,

»dass das internationale Freimaurerthum eine der Hochburgen des gleichfalls internationalen Judenthums sei, und dass unter der Maske der Humanität in den Logen lediglich die Geschäfte des letzteren besorgt werden; denn der Grossmeister von Frankreich Levy Cremieux sei zugleich Stifter der Alliance israélite, und nach dem in Folge der Stellung Kaiser Wilhelm's II. zur Freimaurerei bald zu erwartenden Austritte aller christlich und national gesinnten Elemente aus dem Freimaurerthum würden ›die Logen offenkundig das vorstellen, was sie bisher verkappt schon waren: Filialen der Alliance israélite‹.«

Weiterhin erklärte man die Logen für

»die geheimen Werkstätten der politischen Intriguen und Revolutionen: denn ›in der Loge war es, wo der Grossmeister Levy Cremieux von Frankreich 1870 den schrecklichen Bannfluch über König Wilhelm von Preussen aussprach‹ und ›in der Loge dürfen Verbrechen und schlechte Thaten, gedeckt von dem fadenscheinigen Mantel sogenannter Humanität, ungestraft das Licht schauen‹.«

Und endlich wurde geschrieben:

»In unserer Zeit, wo alles öffentlich ist, zumal in unserem evangelischen Deutschland, wo das kirchliche Leben die breiteste Laienthätigkeit nicht bloss duldet, sondern fordert, ist für die Geheimnisskrämerei des Freimaurerordens mit seinen schauerlichen Ordenseiden kein Raum mehr. Wir haben Toleranz und Liebesthätigkeit in reichstem Maasse; wer sich daran betheiligen will, der hat reichliche Gelegenheit dazu und bedarf nicht des mythischen Dunkels der Loge. Aus der dunklen Loge mit ihren mythischen Zeichen fliessen keine Ströme des Lebens in das Volksleben, wie das bei der christlichen Kirche und ihren Vereinen thatsächlich der Fall ist. Unter seinen Mitgliedern mag der Freimaurerorden viel Unterstützungen geübt haben, aber im öffentlichen Leben unseres Volkes steht kein von ihm geschaffenes Liebeswerk, das für Alle bestimmt ist, wie es unsere Anstalten christlicher Barmherzigkeit sind. Wir begreifen und beurtheilen die Freimaurerei als eine Zeiterscheinung oder als ein Product der eigenthümlichen Zeitumstände ihrer Entstehung. In England entstand sie zuerst, weil dort die Aufklärung des Deismus zuerst auftrat; dann zog sie mit dieser nach Frankreich und von hier auch nach Deutschland hinüber. Diese Zeiten haben sich aber geändert: Es kann sich heute jede Religionsansicht öffentlich zeigen, keine braucht sich in das Verborgene zu flüchten oder ihre Lehren unter mythische Zeichen zu hüllen. Es ist deshalb ganz unerfindlich, was der Freimaurerorden jetzt noch soll! Daher kommt es denn auch, dass er geistig immer inhaltleerer geworden ist, und kaum noch etwas anderes als einen mit einem gewissen mythischen Zauber umgebenen geselligen Verein zur Unterhaltung und Unterstützung seiner Mitglieder darstellt. Solche Vereine kann man aber auch ohne jene geheimnissvollen Zuthaten haben. Und daraus erklärt es sich, dass bereits seit einem Decennium und darüber diejenigen Elemente, die man in Preussen als ›beste Gesellschaft‹ charakterisirt: grundbesitzender Adel, Officiercorps, Diplomatie, Verwaltung u. s. w. sich systematisch vom Freimaurerthum abwenden, so dass Zuzüge aus diesen Kreisen schon seit Langem zu den Seltenheiten gehören. Im Gegensatze hierzu war es noch vor 20 bis 30 Jahren ausserordentlich ›Mode‹, maçon zu werden, und namentlich der strebsame junge Beamte benutzte den Eintritt, um sich bei seinem vorgesetzten ›Bruder‹ zu insinuiren. Heute ist es glücklicher Weise längst keine ›Empfehlung‹ mehr, Freimaurer zu sein. Wilhelm der Grosse und Kaiser Friedrich III. waren maçons, weil sich das bei den Hohenzollern seit Friedrich dem Grossen gewissermaassen vererbte. Dass Kaiser Wilhelm II. zum Beitritt in früheren Jahren weder veranlasst worden noch selbst beizutreten geneigt gewesen ist, ist jedenfalls ein hochbedeutsames und sehr erfreuliches Zeichen des Niederganges des Logenthums. Einem Vereine, dem der Kaiser ablehnend gegenübersteht, pflegt ja doch in Preussen kein Officier beizutreten: hoffen wir daher, dass die gegenwärtige Situation einen Massenaustritt von Officieren, sowie des Weiteren von allen christlich und national gesinnten Elementen aus dem Freimaurerthum zur Folge haben wird.«

Kaiser Wilhelm II. selbst hat sehr bald die Hoffnungen derer zerstört, die ihn zu ihrem Bundesgenossen im Kampfe gegen die Freimaurerei machen wollten. Er hat sich selbst zwar nicht zum Freimaurer aufnehmen lassen, weil ihm das Hohenzollersche Hausgesetz dies nicht gestattete, aber mit seiner Genehmigung that dies schon im Februar 1889 ein Mitglied seines Hauses, sein Schwager Prinz Friedrich Leopold von Preussen. Seitdem hat der Kaiser wiederholt erklärt, dass er, seinen Vorfahren gleich, entschlossen ist, den Freimaurern in Preussen und Deutschland seinen Schutz und sein Wohlwollen zu gewähren. Und wie ernst es ihm mit dieser Erklärung ist, hat Kaiser Wilhelm II. dadurch bekundet, dass er das Hohenzollernsche Protectorat über die drei altpreussischen Grosslogen erneuerte und dem Prinzen Friedrich Leopold die Genehmigung zu dessen Uebernahme ertheilte, die am 2. Februar 1894 erfolgte. Wer heute noch behauptet, Kaiser Wilhelm II. stehe, weil er selbst nicht ein aufgenommener Freimaurer ist, der Freimaurerei überhaupt ablehnend gegenüber, macht sich also einer offenbaren Lüge schuldig.

Nachdem Kaiser Wilhelm II. in so unzweideutiger Weise für die Freimaurerei Stellung genommen hatte, sind auch die streng kirchlich-conservativen Kreise Preussens in ihren Angriffen gegen die Freimaurerei vorsichtiger und zurückhaltender geworden, und sie haben im Allgemeinen diese Zurückhaltung und Vorsicht auch beobachtet, als das »Deutsche Adelsblatt« im Mai 1896 die Ultramontanen in ihrer Freimaurerhetze zu unterstützen begann und dadurch den Prinzen Friedrich Leopold von Preussen veranlasste, die Freimaurerei beim Kaiser gegen die Beschuldigungen des »Organs der Deutschen Adelsgenossenschaft« förmlich zu verwahren.

Mit den Angriffen des »Deutschen Adelsblatt«, des »Organs der Deutschen Adelsgenossenschaft«, das sich auch als »Wochenschrift für die Aufgaben des christlichen Adels« bezeichnet, hat es nun folgende Bewandniss. Ohne jede erkennbare Veranlassung und ohne jede Berechtigung benutzte dieses Blatt eine Mittheilung über die gotteslästerliche Osterfeier einer socialdemokratischen Atheistengesellschaft in Paris zu einem unerhörten Ausfall gegen die Freimaurerei, indem es in seiner No. 18 vom 3. Mai 1896 schrieb:

»Welcher Schändlichkeiten das Pariser Freimaurerthum fähig ist, beweist folgende Mittheilung des ›Volk‹, die wir nur mit innerem Widerstreben wiedergeben: Herr Letrillard, ein Socialdemokrat vom reinsten Wasser und Ehrenpriester des Atheismus im Quartier Montmartre, der Erfinder der ›Civiltaufe‹, hat sich wiederum in einer Weise ausgezeichnet, die an Gemeinheit Alles überbietet. Im Saale der ›Glocke‹ hat Herr Letrillard, umgeben von den ›Verbreitern des Atheismus‹ die Osterfeier abgehalten. 60 Personen sassen an einem langen, hufeisenförmigen Tische. Nachdem man sich eine Stunde lang beim Essen hatte wohl sein lassen, steht Herr Letrillard auf. ›Man hat Euch‹, beginnt er, ›gesagt, die Glocken seien nach Rom gegangen, ich will Euch das Gegentheil beweisen.‹ Er klingelt mit einer riesenhaften Tischglocke und herein treten vier von den ›Verbreitern des Atheismus‹. Sie sind in Mönchskleidung und tragen einen Sarg. Man nimmt den Deckel hinweg, auch das Schweisstuch, und man erblickt ein aus Gummistoff verfertigtes, aufgeblasenes Schwein. Der Grossmeister schlägt auf dasselbe, und es fliegt weg. ›Wunder! Wunder!‹ schreien die Genossen. Da erscheint ein rothgekleidetes Mädchen. Sie soll das fliegende Schwein verfolgen, das immer aus ihren Händen entweicht. Endlich gelingt es ihr, in dasselbe eine lange Stecknadel zu befestigen, worauf geschrieben steht: ›Wissenschaft, Fortschritt‹. Die Genossen brüllen: ›Es crepire das Ungethüm‹, und nun steht Alles zum Tanze auf. Aehnlich haben die Freidenker des 13. Arrondissements Ostern gefeiert. Dort trug man Cardinals-, Mönchs- und Bischofskleider und zog gegen den Clericalismus los.

Wie sich diese Gesellschaft nennt, ob ›Verbreiter des Atheismus‹ oder ›Loge‹, ist ziemlich gleichgültig, jedenfalls haben wir es hier mit einer Kundgebung des Freimaurerthums und echt freimaurerischen Geistes zu thun.

Wenn irgendwo, so hat sich hier die ›Bestialität‹, die die letzte Consequenz des atheistischen Freimaurerthums und sein bewusstes Endziel ist, ›gar herrlich offenbart‹. Wir würden diese viehischen Gemeinheiten unsern Lesern vorenthalten haben, wenn wir es nicht als eine der wichtigsten Aufgaben der christlichen Presse ansähen, fort und fort mit allem Nachdrucke auf den noch vielfach verkannten giftigen Kern hinzuweisen, der sich unter der harmlosen Hülle des Freimaurerthums verbirgt. Nur wenige unter den Freimaurern selbst haben eine Ahnung davon, welchen Endzwecken ihre Mitgliedschaft dient; die unteren Grade werden geflissentlich in Unwissenheit erhalten und mit allerhand kindischen Ceremonien und hochtrabenden Phrasen über das wahre Wesen der Sache hinweggetäuscht. Nur die höheren und höchsten Würdenträger des famosen Ordens sind in die wirklichen ›Mysterien‹ eingeweiht. Dass einzelne Logen des deutschen Freimaurerthums sich rein erhalten haben, glauben wir gern, sie stehen dann aber auch nur in loser Verbindung mit der Centralleitung, die – wie mehrfach auf das Glaubwürdigste nachgewiesen ist – nichts Geringeres bezweckt, als die Ausrottung des Christenthums und die geheime Herrschaft über die Völker mit den gemeinsten Mitteln und zu den gemeinsten Zwecken.«

Gegen eine solche, man kann wohl sagen, bodenlose Gemeinheit die Freimaurerei zu verwahren und in Schutz zu nehmen, hielt sich Prinz Friedrich Leopold von Preussen in seiner Eigenschaft als Protector der drei altpreussischen Freimaurerlogen und als Ordensmeister der Gr. L.-L. d. Frm. v. D. verpflichtet. Es geschah zunächst an der Stelle, der gegenüber er die Verantwortlichkeit für die Thätigkeit und Bestrebungen der altpreussischen Logen übernommen und zu tragen hat, beim Kaiser und Könige in einem Schreiben vom 10. Juni 1896. Dies Schreiben lautet folgendermaassen:

»Jagdschloss Glienicke, den 10. Juni 1896.

Allerdurchlauchtigster, Grossmächtigster Kaiser und König, Allergnädigster Kaiser, König und Herr!

Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestät erlaube ich mir Nachstehendes ehrerbietigst vorzutragen:

Als ich im Februar 1894 mit Eurer Majestät allerhöchster Genehmigung das Protectorat über die drei hier domicilirenden altpreussischen Grosslogen übernahm, hatte ich bereits Gelegenheit gehabt, zu erkennen, dass – den Traditionen getreu – ihre Arbeiten und die Arbeiten ihrer Tochterlogen einzig den Zweck im Auge haben, die Liebe zu Religion und Sitte, zu König und Vaterland zu beleben und zu bestärken.

Nachdem ich nunmehr länger als zwei Jahre das Protectorat geführt habe und ausserdem als Ordensmeister an die Spitze der Gr. L.-L. d. Frm. v. D. getreten bin, kann ich jene Wahrnehmung nur aus vollster Ueberzeugung bestätigen.

Sehr bedauerlich sind mir daher die Angriffe, wie sie namentlich in neuester Zeit gegen die Freimaurerei und ihre Zwecke, besonders in den Blättern der katholischen Centrumspartei, geschleudert werden, die zum Theil so unsinnige Mittheilungen enthalten, dass sie ein eigenthümliches Licht auf die Intelligenz der Leser werfen, für die sie geschrieben sind.

Ganz besonders aber ist es zu beklagen, wenn sich das hier erscheinende ›Deutsche Adelsblatt‹, Organ der deutschen Adelsgenossenschaft, zu solchen Verdächtigungen hergiebt, wie sie die am 18. Mai d. J. erschienene Nr. 18 desselben (soll heissen am 3. Mai d. J. erschienene No. 18 desselben, D. Verf.) bringt.

Als Protector der drei altpreussischen Grosslogen halte ich es für meine Pflicht, dieselben gegen derartige Verunglimpfungen, die auch zu Eurer Majestät Kenntniss kommen könnten, in Schutz zu nehmen.

Das Organ der deutschen Adelsgenossenschaft nimmt sich heraus, seinen Lesern eine Orgie aus einem Pariser socialdemokratischen Atheistenclub als Kundgebung des Freimaurerthums und echt freimaurerischen Geistes zu erzählen und zu bezeichnen. Dasselbe Blatt spricht dann weiter von dem vielfach verkannten giftigen Kern, der sich unter der harmlosen Hülle des Freimaurerthums verbergen soll, und fabelt von einer Centralleitung, die nichts Geringeres als die Ausrottung des Christenthums und die geheime Herrschaft über die Völker mit den gemeinsten Mitteln und zu den gemeinsten Zwecken beabsichtige; allein schon das warme Interesse, das die hochseligen Kaiser Wilhelm I. und Friedrich III. der Freimaurerei entgegenbrachten, sollte diese gegen solche Verdächtigungen schützen.

Im Aufnahmeritual der Gr. L.-L. d. Frm. v. D. heisst es in der Ansprache des Vorsitzenden an den Aufzunehmenden wörtlich:

›Wenn Sie als redlicher und gewissenhafter Mann besorgen sollten, dass in der Loge etwas geschehe, was gegen Gott und die Religion, gegen den König und die Regierung oder die guten Sitten verstösst, so versichere ich Ihnen auf mein und der ganzen Loge Ehrenwort, dass dem nicht so ist. Reine Ehrfurcht vor dem höchsten Wesen, Gehorsam gegen Obrigkeit und Gesetz, Liebe zu unseren Mitmenschen, Treue und Fleiss in unserem Beruf, das sind die Pflichten, die wir einem Freimaurer auferlegen, und die Tugenden, die von ihm unzertrennlich sein müssen.‹

In diesen Worten, wie sie ähnlich auch die Aufnahmerituale der beiden anderen hiesigen Grosslogen enthalten, liegt wahres Freimaurerthum und echt freimaurerischer Geist; sie geben den Zwecken und Zielen der deutschen Freimaurerei den klarsten Ausdruck.

Im Gegensatz zum ›Deutschen Adelsblatt‹ halte ich gerade in der heutigen Zeit die inländischen Freimaurerlogen für besondere Pflegestätten der Religiosität und des Patriotismus, und erlaube mir daher aus voller Ueberzeugung und wärmstem Interesse für die Freimaurerei, wie sie in den preussischen und den deutschen Staaten überhaupt betrieben wird, dieselbe Eurer Majestät Allergnädigstem ferneren Schutz und Wohlwollen ehrerbietigst zu empfehlen.

Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestät
unterthänigster
Friedrich Leopold
Prinz von Preussen.«

Das Schreiben des Prinzen ist in der Presse vielfach als eine Beschwerdeschrift aufgefasst und bezeichnet worden; in Wirklichkeit aber ist es nur eine von maassgebendster Stelle ausgehende Verwahrung des deutschen Freimaurerthums gegen die Angriffe der Centrumsblätter und besonders gegen die gemeinen Verdächtigungen des Deutschen Adelsblattes. Ein Einschreiten des Kaisers wird auch gar nicht gefordert, sondern es wird hauptsächlich dagegen Verwahrung eingelegt, dass sich das Organ der deutschen Adelsgenossenschaft, einer Gesellschaft, deren Ehrenpräsident und Protector der Schwager des Kaisers, Herzog Ernst Günther von Schleswig-Holstein, ist, zu gemeinen Verdächtigungen einer anderen Gesellschaft hergiebt, deren Protector ein Mitglied des Hohenzollernschen Königshauses, der Gemahl der Schwägerin des Kaisers, ist, und der in gleicher Stellung der Vater und der Grossvater des Kaisers jahrzentelang bis zu ihrem Tode mit Treue und Eifer angehört hatten. In diesem Sinne erging denn auch im Auftrage des Kaisers Bescheid. Das Schreiben ist aus dem Civilcabinet »an den Hofmarschall Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Friedrich Leopold von Preussen, Königl. Generalmajor z. D. Herrn Nikisch v. Rosenegk Hochwohlgeboren, Potsdam« gerichtet und aus Kiel 22. Juli 1896 datirt. Es lautet:

»Euer Hochwohlgeboren beehre ich mich im Allerhöchsten Auftrage ganz ergebenst zu ersuchen, Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Friedrich Leopold von Preussen gefälligst zu melden, dass Seine Majestät der Kaiser und König aus Höchstdesselben Schreiben vom 10. d. M. zu Allerhöchst Ihrem Bedauern entnommen haben, welche ungerechten Angriffe und Verdächtigungen gegen die deutsche Freimaurerei das Organ der deutschen Adelsgenossenschaft, das ›Deutsche Adelsblatt‹ in seiner Nummer vom 18. Mai dieses Jahres (soll heissen ›3. Mai d. J.‹ D. Verf.) gebracht hat. Seine Majestät haben mir zu befehlen geruht, mich mit dem Protector der bezeichneten Genossenschaft, Sr. Hoheit dem Herzog Ernst Günther von Schleswig-Holstein, dieserhalb ins Vernehmen zu setzen. Von dem Hofmarschall Seiner Hoheit wurde mir mitgetheilt, dass Höchstderselbe bereits mit dem Vorsitzenden der Genossenschaft, Grafen v. der Schulenburg-Beetzendorf, wegen der in der Sache zu unternehmenden geeigneten Schritte in Verbindung getreten sei.

(gez.) v. Lucanus

Aber obwohl der Kaiser selbst sein Bedauern über das Verhalten des Organs der deutschen Adelsgenossenschaft zu erkennen gegeben und seine Angriffe und Verdächtigungen gegen die deutsche Freimaurerei als »ungerecht« bezeichnet hat, setzte das »Deutsche Adelsblatt« diese Angriffe und Verdächtigungen fort, indem es sich dabei auf den alten »social-conservativen« Wahlspruch: »Mit Gott für Kaiser, Reich und Recht« berief und erklärte, dass es bei allen seinen gegenwärtigen und zukünftigen Erwägungen die Person des erlauchten Prinzprotectors vollkommen ausschliesse. Mittelbar aber machte es dem Prinzprotector den Vorwurf, dass er überhaupt nicht völlig eingeweiht sei in die letzten Ziele der Freimaurerei; denn es behauptete keck und kühn, fürstliche Personen erführen, auch wenn sie die höchsten freimaurerischen Aemter innehaben, nie die volle Wahrheit. Ausserdem wies das Blatt darauf hin, dass für seinen zweiten allgemeinen Theil nicht die deutsche Adelsgenossenschaft, sondern nur der Chefredacteur des Blattes die volle Verantwortung trägt. Aber damit wird die deutsche Adelsgenossenschaft schwerlich dem Vorwurfe einer gewissen Billigung des Verhaltens seines Organs in der Freimaurerfrage entgehen. Eine echt jesuitische Heuchelei aber war es ohne jeden Zweifel, wenn das »Deutsche Adelsblatt« versicherte, es fühle sich frei von jedem »Hass« gegen die Freimaurerei, ebenso frei wie von einem solchen gegen alle übrigen Liberalen, Rationalisten, Freireligiösen, Atheisten, Vernunftmonarchisten, Republikaner, Socialdemokraten u. s. w., und dass bei Anwendung seiner Vorwürfe gegen die Maurerei die deutsche Freimaurerei »nur in bedingtem Maasse« in Mitleidenschaft gezogen werde. Thatsächlich waren aber seine Angriffe Eingebungen wüthendsten, feindseligsten Hasses gegen das Logenthum, und thatsächlich richteten sich seine Angriffe und Beschuldigungen auch gegen die deutsche Freimaurerei.

Was nun diese Angriffe selbst betrifft, so versicherte das »Deutsche Adelsblatt« zwar, dass es sich bei seinen Untersuchungen über die Freimaurerei »strengster Objectivität« befleissige und sich auf »geschichtliche Quellen und unleugbare Thatsachen« stütze, aber in Wirklichkeit schöpfte es, alle authentischen freimaurerischen Schriften ausser Acht lassend, nur aus sehr unreinen katholisch-ultramontanen und orthodox-protestantischen Quellen, und seine »unleugbaren« Thatsachen waren entweder längst als Erfindungen nachgewiesen oder tendenziös zurechtgestutzt. Ja seine »Streifzüge durch das Reich der Freimaurerei«, die im Wesentlichen nur literarische Raubzüge in die Schriften von Gerber, Pachtler und Findel waren, bestätigten nur, dass die Recht haben, die behaupten, das »Deutsche Adelsblatt« gehöre zwar nicht offen und eingestandenermaassen, aber heimlich und unter der Hand zur ultramontanen Presse und stehe unter jesuitisch-ultramontanem Einflüsse. Sein Chefredacteur versicherte zwar »an Eidesstatt«, dass, seit er die Ehre habe, das »Deutsche Adelsblatt« zu leiten, auch noch nicht ein Versuch der Beeinflussung der Redaction von ultramontan-jesuitischer oder jesuitischer Seite gemacht worden sei, aber vielleicht hatte er aus Kurzsichtigkeit und Beschränktheit davon nur nichts gemerkt. Echt jesuitisch war sicher die selbstgerechte, heuchlerische Art, wie sich der Herr als »Wächter und Beschützer der auf dem apostolischen Bekenntniss stehenden christlichen Kirche und der aus ihr herausgewachsenen Ordnungen, Welt- und Rechtsanschauungen« aufspielte.

Die Angriffe, die das »Deutsche Adelsblatt« gegen die Freimaurerei richtete, brauchen nicht im Einzelnen aufgeführt zu werden. In ihnen ist Alles verwerthet und zusammengefasst, was bisher gegen die Freimaurerei überhaupt vorgebracht worden ist, das Bestehen einer freimaurerischen Centralleitung, die angebliche Oberherrschaft der sogenannten höheren Grade über die Johannislogen und der Teufelscultus einbegriffen. Um den Geist zu kennzeichnen, aus dem heraus das »Deutsche Adelsblatt« die Freimaurerei beurtheilt, genügt es darauf hinzuweisen, dass dieses Blatt von sich selber bekannt hat, es folge »den in der Geschichte des Conservatismus mit unvergänglichen Lettern eingezeichneten grossen Principien Stahls und des Altmeisters Ludwig v. Gerlach« und es treibe »altconservative, den Grundsätzen der fünfziger Jahre und der historischen Adelsidee entsprechende Politik«. Es ist dies jener Dunkelmännergeist, dem unser unvergesslicher Br.·. Kaiser Wilhelm I. als Prinz von Preussen das Urtheil gesprochen hat, indem er in den fünfziger Jahren die Anhänger Stahls und Gerlachs, die preussischen Reactionäre, mit den schon erwähnten Worten von sich wies: »Es sind nicht immer die besten Patrioten, die die Rückkehr zu überwundenen Zuständen fordern.« Dieser Geist ist dem herrschsüchtigen und unduldsamen Jesuitengeiste nahe verwandt, und darum sehen wir seine Verkündiger auch heute noch Schulter an Schulter im Kampfe gegen das für Gewissensfreiheit und Duldung streitende Freimaurerthum.

Aus diesem Dunkelmännergeiste war auch der Angriff geboren, den ein hannoversches Antisemitenblatt am 22. August 1896 gegen das Freimaurerthum richtete, indem es seine Spalten einem Manne öffnete, um die Erfahrungen zum Besten zu geben, die er im Besitze des »Meistergrades« im Freimaurerorden gemacht haben wollte. Dieser Mann, der, falls er wirklich einmal zum Freimaurer aufgenommen worden ist, sicher nie den rechten Weg zu freimaurerischer Erkenntniss gefunden hat, schrieb:

»Wie es wohl den Meisten ergeht, so ist es auch mir ergangen. Durch Ueberredung Dritter bin ich aufgenommen, aber, Gott sei von Herzen Dank! auch schon seit einigen Jahren wieder aus demselben geschieden. So viel steht fest, wer einmal darin ist, kommt nur schwer wieder heraus. Denn bei der Gründung des Ordens ist nichts vergessen, was dazu beitragen kann, den Aufgenommenen dauernd darin zu fesseln. Das Aufnahme-Ceremoniell sowie dasjenige, welches zur Beförderung in die verschiedenen Grade zur Anwendung kommt, ist in so schlauer Weise abgefasst, dass sowohl das Denken, wie das Fühlen der Betreffenden, die aufgenommen oder befördert werden, in hohem Grade gefangen genommen wird, so dass bei ihnen thatsächlich das Bewusstsein zum Durchbruch kommt, sie seien jetzt Menschen höherer Ordnung: so wirkt das Ceremoniell, und was damit zusammenhängt, auf den Menschen ein. Sobald man aber wieder aus dem Banne dieser geistigen Umnachtung heraus ist, erkennt man mehr und mehr, dass der Orden der grossartigste Humbug ist, der in ähnlicher Weise je von Menschen ersonnen wurde.

Dass von Christus und seiner Lehre niemals ein Sterbenswörtchen gesagt wird, versteht sich ganz von selbst, denn alsdann könnten die ›Brüder‹ doch innewerden, dass es Menschenwitz, und weiter nichts als Menschenwitz ist, was in der Loge gelehrt wird und somit einen Vergleich mit den göttlichen Lehren Christi nicht aushalten kann.

Die katholische Kirche ist im Irrthum, wenigstens soweit die deutschen Logen dabei in Betracht kommen, wenn sie glaubt, die Freimaurerei habe in erster Linie den Zweck, die katholische Kirche zu bekämpfen. Nein, der Orden geht entschieden viel weiter: er macht Front gegen das Christenthum überhaupt. Es geht dies schon daraus hervor, dass der Liberalismus auf der ganzen Linie sich eins mit demselben weiss.

Wenn man wahrnimmt, welche Lehren und durch welche recht oft geistig unbedeutende Personen sie verkündet werden, so fragt man sich unwillkürlich: Was ist der Grund, dass der Staat es ruhig duldet, dass eine Verwirrung der Geister nach allen Regeln der Kunst hinter fest verschlossenen Mauern geduldet wird? Wie in manchen anderen Dingen, so handelt die katholische Kirche auch in dieser Frage vollständig correct, indem sie diejenigen ihrer Angehörigen eo ipso von den Gnadenmitteln der Kirche ausschliesst, die diesem Orden beitreten. Dass dieser Orden durch seine Lehren nur verwirrend wirken kann, geht schon zur Genüge daraus hervor, dass seine Lehre nur unter strenger Discretion einem Kreise ›Auserlesener‹ verkündet wird, also eine öffentliche Discussion derselben ausgeschlossen ist, und somit nicht, wie es das erste Gebot der christlichen Kirche lehrt, alle Menschen in herzlicher Liebe umfasst. Dass unter so bewandten Umständen die Juden sich vorzugsweise für diesen Orden interessiren, ist erklärlich.«

Es ist wohl hauptsächlich der Hinweis auf das angebliche Interesse der Juden an der Freimaurerei gewesen, was das hannoversche Antisemitenblatt zur Aufnahme vorstehender Auslassung bestimmt hat.

Von anderer Seite wird den drei altpreussischen Grosslogen gerade wiederum » ein blöder Antisemitismus« zum Vorwurfe gemacht. Es geschieht dies, ausser in den Schriften des durch seine Angriffe gegen die drei altpreussischen Grosslogen bekannt gewordenen Geheimen Regierungsraths Professor Dr. H. Settegast, namentlich in einer Schrift des socialdemokratischen Buchhändlers Joh. Sassenbach in Berlin »Die Freimaurerei, ihre Geschichte, Thätigkeit und innere Einrichtung«. Dieser Mann bezeichnet seine Darstellung als »durchaus objectiv – sine ira et studio –«, aber er kennt die Freimaurerei nicht aus eigener Anschauung und schwatzt recht kritiklos und mit bewusster Tendenz Alles nach, was ihm in seinen Kram passt, um zu beweisen, dass die Loge ihrem innersten Wesen nach religionsfeindlich gesinnt sein muss und dass sie auch thatsächlich, trotz des nominell bestehenden Verbotes, den verschiedenen Religionsbekenntnissen entgegengearbeitet hat, dass sie ferner »Politik, und dazu eine fortschrittliche, ja zeitweise revolutionäre Politik« getrieben hat, dass sie heute aber eine reactionäre Bourgeoiseinrichtung ist.

»Revolutionär« – so schreibt Sassenbach – »ist die Loge so lange gewesen, als das Bürgerthum Veranlassung hatte, revolutionär zu sein; als die weitesten bürgerlichen Kreise reactionär wurden, wurde die Loge es auch; es ist Unsinn, wenn man sagt, dass die heutige Loge im revolutionären oder gar socialistischen Sinne arbeite; ihre Thätigkeit hängt mit dem Denken und Fühlen des Bürgerthums, aus dem sie sich rekrutirt, eng zusammen. Und das heutige Bürgerthum ist reactionär«.

Also während ihre orthodox-kirchlichen und streng conservativen Gegner die Freimaurerei als Vorfrucht der Socialdemokratie hinstellen, macht sie der Socialdemokrat Sassenbach zur Vertreterin reactionärer Bourgeoisbestrebungen. Sassenbach glaubt auch nicht daran, dass die Maurerei, deren Hauptzweck heute »gesellige Unterhaltung, gegenseitige Hülfe und Förderung« seien, eine Zukunft habe.

»Alle Anzeichen« – so schreibt er – »sprechen dafür, dass sie vollständiger Bedeutungslosigkeit entgegengeht. Ihr Einfluss auf Politik und Religion ist bereits zum grössten Theil dahin und wird bald gänzlich verschwinden. Zur Veredelung der Mitglieder ist der geheimnissvolle Apparat nicht nothwendig. Uebrigens scheint man auch von Veredelung der Mitglieder ganz eigenartige Ansichten zu haben, wenn man sich, wie es die Berliner Grosslogen thatsächlich thun, einem blöden Antisemitismus ergiebt. Mit der Zeit wird es jedenfalls dazu kommen, dass die Logen ihren lächerlich gewordenen Mummenschanz aufgeben und sich zu blossen Wohlthätigkeits- und Unterhaltungsvereinen entwickeln. Als solche können sie vielleicht noch die eine oder die andere nützliche That vollbringen«.

Ein »Zeichen des Verfalles« sieht Sassenbach auch im Schreiben des Prinzen Friedrich Leopold von Preussen an den Kaiser. Von grosser Macht der Loge, meint er, zeuge ein solcher Schritt nicht; wer sich stark fühlt, wehre sich selbst und verlasse sich nicht auf die Hülfe anderer Leute. Dieser Ausspruch kennzeichnet nicht minder die Oberflächlichkeit, mit der Sassenbach über freimaurerische Verhältnisse urtheilt, wie die Thatsache, dass er sich für seine Ansichten über die religionsfeindlichen und revolutionären Bestrebungen der Freimaurerei auf die Schriften des österreichischen Prälaten Sebastian Brunner und des berüchtigten sächsischen Advokaten und Jesuitendieners Eckert beruft, seine angebliche »Objectivität« in das richtige Licht stellt. Sassenbach redet von der Freimaurerei wie der Blinde von der Farbe. Gleich Gabriel Jogand-Pagès, alias Leo Taxil, ist Sassenbach Buchhändler, und wie bei Taxil scheint auch bei ihm das buchhändlerische Interesse der Antrieb gewesen zu sein, über Freimaurerei zu schreiben und dabei die Rücksicht auf finanzielle Erfolge allein maassgebend sein zu lassen.

»In lediglich objectiver Absicht« will auch eine im October 1892 in Hamburg herausgegebene Schrift verfasst sein, die sich unter dem Titel »Wider die Freimaurerei für das Christenthum« als »Eine Antwort auf: Was sind dir Freimaurer?« bezeichnet. Der Verfasser sucht darin an einer kurz vorher erschienenen Schrift »Was sind die Freimaurer und was wollen sie?« »Was sind die Freimaurer und was wollen sie?« Von einem wahrhaft deutschen Vaterlandsfreunde. – Der anonyme Verfasser ist Br.·. Kuntzemüller. Kritik zu üben. Allein er zeigt nur, dass er diese Schrift völlig missverstanden hat. Mit wenig Witz und viel Behagen sucht er die freimaurerischen Bestrebungen lächerlich zu machen, indem er sie als im Widerspruche mit den Thaten der Freimaurer hinstellt. Er behauptet nämlich, dass das, was er bei einigen Freimaurern, denen er auf seinem Lebenswege begegnet ist, erkannt hat, »das Gegentheil von hohen Idealen und Wahrhaftigkeit« gewesen sei. Nach ihm sind die Elemente, »aus denen sich die Freimaurerei zum grossen Theile rekrutirt, gerade die, die im Berufsleben die Fahne des Egoismus hochhalten«. In der Freimaurerei schliesse sich der Reichthum in einer geheimen Gesellschaft zusammen und trete als geheime Macht auf, die weder der Staat noch die Kirche gebraucht, die aber, weil sie sich »mit einer mystischen Wolke umgiebt, hinter der sehr praktische Ziele, darunter auch der Machtkitzel lauern«, schädlich wirkt. Die Freimaurerei beabsichtige, einen geheimen Staat im Staate und eine geheime Kirche in der Kirche grosszuziehen, sei aber durchaus unzulänglich und unbrauchbar, Staat und Kirche zu ersetzen. Sie wohne mit der Freidenkerei unter einem Dache, und der Gevatter des Freimaurerstaates sei »der Herr Don Quixote seligen Andenkens, nur hat er seinen Harnisch, den er im Kampfe gegen den Egoismus trägt, beim Taufacte abgelegt und erscheint bei diesem mit dem Frack und weissen Glacéhandschuhen angethan, den Cylinderhut nicht zu vergessen«. Die Freimaurerei werde das von ihr vorgegebene Ziel nie erreichen können, aber alle guten Absichten, die sie nur ausdenken kann, würden in der Entwickelung von Staat und Kirche befördert und zur Wirklichkeit geführt werden, soweit die göttliche Vorsehung es haben will. Deshalb hält der biedere Kämpe »wider die Freimaurerei für das Christenthum« die Freimaurerei für unnöthig, denn die christliche Kirche allein im Verein mit dem Staate sei berufen, den Kampf mit dem Würgeengel Egoismus aufzunehmen, und im Stande, ihn glücklich zu vollenden. Hätte sich aber dieser sonst ganz wohlgesinnte Mann, statt über die Freimaurerei abzusprechen, ohne sie aus eigener Anschauung zu kennen, in eine Loge aufnehmen lassen, er würde erfahren haben, eine wie werthvolle Bundesgenossin die Freimaurerei der Kirche und dem Staate in der Erfüllung ihrer Aufgabe gewesen ist und heute noch sein kann, und er würde zugleich erkannt haben, dass gerade die »caritas, die tröstende und heilende Barmherzigkeit«, in der er den Kern der christlichen Lehre erblickt, auch die vornehmste Freimaurertugend sein soll.

Gegner der Freimaurerei sind endlich sehr bezeichnenderweise auch die Socialdemokraten.

Unter dem Titel »Freimaurerei und Socialdemokratie oder: Ist ausser der Socialdemokratie auch die Freimaurerei nachweisbar religions-, staats- und gesellschaftsgefährlich? Ein Mahnruf an Fürsten und Völker von einem deutschen Patrioten« erschien im Jahre 1891 eine Schrift, die, sich stützend im Wesentlichen auf die »vorzüglichen« Werke des Jesuiten Pachtler und des »berühmten ehemaligen Freimaurers« Leo Taxil, nachzuweisen sucht, dass die Freimaurerei die Mutter der Socialdemokratie sei. »So lange man die Freimaurerei nicht allgemein als das erkennt, was sie nach eigenen Geständnissen ist, und dem entsprechend gegen sie vor Allem von oben herab und dann in allen Gesellschaftsclassen energische Stellung nimmt – als Staat im Staate, als religions-, staats- und gesellschaftsgefährlichen Bund zugleich –, so lange sterben die Socialdemokraten, die würdigen Söhne der Freimaurerei, nicht aus, und so lange giebt es keine gründliche Besserung und Heilung unserer zum sittlichen und socialen Verderben so mächtig hintreibenden Zeit« – ruft der angebliche »deutsche Patriot« den Fürsten und Völkern zu, um eine allgemeine Freimaurerhetze ins Werk zu setzen. Es unterliegt indess keinem Zweifel, dass hinter dem angeblichen »deutschen Patrioten« ein waschechter Jesuit steckt, vermuthlich der Jesuitenpater Gruber alias Hildebrand Gerber, der die im Verlage des Berliner Jesuitenblattes »Germania« erschienenen Schriften gegen die Freimaurerei verfasst hat, die im Wesentlichen mit dem Mahnrufe des »deutschen Patrioten« übereinstimmen.

Mit der Behauptung dieses Mahnrufes vom Ursprunge der Socialdemokratie aus der Freimaurerei dürfte es wohl nun schwerlich zu vereinbaren sein, dass sich die Socialdemokraten selbst als Gegner der Freimaurerei bekennen, indem sie die Loge als eine »Bourgeoiseinrichtung« bezeichnen, die nur reiche Leute aufnehme, um gesellige Unterhaltung zu pflegen und einander in der Ausbeutung der Armen und Schwachen zu helfen und zu fördern. Die Socialdemokratie beruft sich dabei vornehmlich auf die bereits gekennzeichnete Schrift von Sassenbach, worin »gesellige Unterhaltung, gegenseitige Hülfe und Förderung« als der »Hauptzweck« der Logenarbeit hingestellt werden. Nun vielleicht wäre die möglichste Verbreitung wahrhaft freimaurerischer Gesinnung das wirksamste Mittel zur Lösung der socialen Frage; sicher würde damit mehr erreicht werden, als mit der Verbreitung einer Weltanschauung, die, wie die socialdemokratische, dem innersten Wesen der Menschennatur widerstreitet. Es würde davon aber auch eine weit gründlichere »Besserung und Heilung unserer zum sittlichen und socialen Verderben so mächtig hintreibenden Zeit« zu erwarten sein, als von der Art »christlicher« Volkserziehung, die der im Mantel eines »deutschen Patrioten« einherstolzirende Jesuit als das alleinwirkende Allheilmittel aller Schäden und Uebel der Zeit anpreist.

Br. Otto Kuntzemüller.


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