Arthur Holitscher
Das unruhige Asien
Arthur Holitscher

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Hifukuscho

Was das Erdbeben übrigläßt, verschlingt in Japan das Feuer. Das japanische Haus scheint direkt auf Feuergefahr, als Feuerfutter gebaut zu sein – so scheint es dem Europäer! Es hat wohl eine gewisse Ähnlichkeit mit dem chinesischen, doch ist dieses aus Stein, die japanischen aber aus Holz, Binsenmatten, Papier.

Eigentlich sind es Schachteln, Pappheime, niedliche Spielzeughäuschen, in denen Schiebetüren, Schiebewände fortwährend die Räume vergrößern, verkleinern. Die dünnen, hellgrünen Matten, sauber und zart, Kissen auf dem Boden, eine Matratze leicht zusammenrollbar: Schlafzimmer. Hier und da eine Truhe, in der die Kimonos, das Gut des Japaners, aufbewahrt werden. Latte, Bambus, Papier und Binsengeflecht, das ist des Japaners Wohnung.

Der einzig konsistente und unverrückbar scheinende Bestandteil des japanischen Hauses ist ein starker unbehauener Baumstamm, der sich in dem zentralen Wohnraum des Hauses befindet. Er reicht vom Boden bis zur Decke. In seinem Schatten ist die Nische errichtet für das Kakemono, das lange, aufgerollte, auf Papier gemalte Wandgemälde, das in jedem japanischen Hause die fast religiöse Beziehung des Heimes zur Kunst des Volkes herstellt.

 

Die Brände! Die furchtbare Plage, schrecklicher als die Erdbebenplage Japans.

In Tokyo eine heilige, von übermenschlicher Tragik umwitterte Stelle: Hifukuscho. Hier sind beim letzten großen Erdbeben 32 000 Menschen verkohlt; – dieser Ort war eine kleine Insel inmitten der brennenden Stadt, Brücken führten zu ihr hinüber, die, vom Wasser umgeben, die Baracke des Militär-Montur-Depots trug; dorthin flüchteten die 32 000 mit ihrem Hab und Gut, d. h. Kleidern und Bettzeug.

Ein Wind erhob sich . . .

Ein Wind erhob sich, Funken flogen in den hochgestapelten Haufen der aufgerichteten leichten Habe, im Nu brannten Baracke, Kleiderhaufen, Brücken, Menschen. Jetzt ist Hifukuscho eine Tempelstätte unter tausend ragenden Holzgedenksäulen; immer kommen Menschen hierher, um zu beten, um den Manen der Gestorbenen zu opfern; 302 sitzen auf den Bänken, starren auf den breiten leeren Platz, fühlen sich mit den Geistern verbunden, die hier schwebend verblieben sein mögen, denn das lehrt der japanische Ahnenkult . . . Man wollte die Asche der 32 000 Verbrannten mit Zement vermengen und hier einen riesigen Buddha errichten, ein entsetzlicher Gedanke! Er gelangte nicht zur Ausführung.

 


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