Josef Haltrich
Sächsische Volksmärchen aus Siebenbürgen
Josef Haltrich

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113. Der Fuchs überlistet den Haushahn

Bald nach diesem Wettlauf bekam der Fuchs wieder Hunger. Er wußte aber auf einem Hofe zwölf Hühner; die bewachte ein Hahn, der war auf dem rechten Auge blind. Eben sah er einen Stoßvogel (Hühnerhabicht) über dem Hofe kreisen. »Der schnappt dir den Braten weg, wenn du nicht gleich ihm zuvorkommst«, dachte der Fuchs und lief eiligst hinzu. Der Haushahn hörte und sah ihn kommen, rief seinen Hühnern und warnte sie. »Du hast nicht Ursache, mein lieber Zeitbemerker, vor mir zu warnen, ich komme zu eurer Rettung, siehe einmal hinauf mit deinem linken Auge, so wirst du den Weltgucker erblicken, wie er sich anschickt, euch zu verschlingen.« Der Hahn sah hinauf und erschrak so sehr, wie er den Stoßvogel über sich erblickte, daß er kaum das Zeichen geben konnte zur Flucht. »Jetzt siehst du, wie ich es mit euch gut meine. Aber ich möchte dir noch einen Beweis meiner Freundschaft geben. Mit zwei Augen sieht man besser als mit einem, wenn du wolltest, möchte ich dir den Star am rechten Auge heilen, dann würdest du den Weltgucker jederzeit sehen und dich und deine Leute vor Gefahr schützen können. Es braucht einfach einen Kuß von mir – denn ich bin ja ein Gottesmann –, so ist dein Auge gesund.« Der Hahn wußte, man dürfe dem Zaunumschleicher nie recht trauen, allein er war jetzt so betört durch die Aussicht auf ein vollkommenes Gesicht, daß er hinging und das Auge zum Kusse darbot. Der Fuchs aber packte den Hals, würgte den Hahn, und da die Hühner nun schutzlos waren, holte er sich nun eins nach dem andern ab.


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