Josef Haltrich
Sächsische Volksmärchen aus Siebenbürgen
Josef Haltrich

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33. Der Erbsenfinder

Es war einmal ein Junge, der fand eine Erbse und war über alle Maßen froh. »Was für ein glücklicher Mensch bist du doch!« sprach er bei sich selbst, »nun wirst du keine Not leiden; denn jetzt säest du die Erbse, über ein Jahr bekommst du davon eine Maß, über zwei Jahre einen Kübel, über drei Jahre hundert Kübel, über vier Jahre tausend Kübel und so immer mehr!« Aber da fiel ihm noch gerade zur rechten Zeit ein, daß er nicht habe, wohin er sie schütten solle. »Du willst gleich zum König gehen«, sprach er bei sich, »und tausend Säcke zu Leihen nehmen.« Wie er nun hinging und den König darum bat, fragte dieser: »Wozu brauchst du denn so viele Säcke?« – »Für meine Erbsen!« sprach der Junge. »Ja, ich habe nicht so viel«, sagte der König, »aber bleibe nur hier bis morgen!«

Der König aber hatte eine schöne Tochter, die wollte er gerne einem reichen Jünglinge zum Weibe geben. »Der wäre mir gerade recht!« dachte der König bei sich, »denn wenn er so viele Erbsen hat, was muß er erst anderes haben!« Er ließ ihm jedoch die Nacht nur ein Strohlager machen, um ihn zu prüfen, ob er wirklich reich sei; rausche das Stroh nämlich und könne er nicht darauf liegen, so sei das ein rechtes Zeichen, daß er nicht arm sei. Da mußten nun einige Mägde an der Türe »laustern«. Kaum hatte sich der Junge niedergelegt, so verlor er seine Erbse im Stroh. Da ward er voller Sorge und fing gleich an zu suchen und das Stroh auseinanderzuwerfen, also daß es laut rauschte. Nun liefen die Mägde gleich zum Könige und brachten ihm die erwünschte Botschaft. Der war sehr froh, und am frühen Morgen kam er gleich zum Jungen und sagte, wenn er nichts dawider hätte, so wolle er ihm seine Tochter zur Frau geben, denn er sehe ja wohl, daß er ein sehr reicher Herr sei. »Dagegen habe ich ganz und gar nichts!« sprach der Junge; »eine Königstochter«, dachte er bei sich, »und zumal wenn sie so schön ist, bietet man einem nicht alle Tage an«, und so feierte er noch an demselben Tage mit ihr die Hochzeit und war ganz vergnügt und glücklich. Am folgenden Morgen ließ aber der König anspannen und sprach: »Wohlan, ich möchte so gerne dein Schloß sehen, ziehen wir gleich hin!« Da mußte sich der Junge mit seiner Frau, der Königstochter, und dem alten König in den Wagen setzen und zeigen, wowärts man fahren solle. Er zeigte ja nach einer Richtung, ohne daß er selbst recht wußte, wohin es gehe; es war ihm aber nicht recht, und er hatte keine Ruhe. Als sie in einen Wald kamen, stieg er vom Wagen, als wolle er nur so auf die Seite; allein er wollte entlaufen und war nur voll Angst, daß ihn der König suchen und finden werde. Nur einmal stand der Teufel vor ihm und fragte ihn, warum er denn so ein Narr sei und die Königstochter im Stiche ließe. »Ja«, sprach er, »wie sollt' ich das nicht; der König, ihr Vater, will zu meinem Schlosse fahren, und ich habe doch keines!« Da sagte der Teufel: »Ein Schloß sollst du haben und alles dazu und neun Schweine im Stall, doch unter einer Bedingung: nach sieben Jahren sollst du mir neun Fragen passend beantworten, und bleibst du mir auch nur eine schuldig, so sollst du mir gehören.« Der Junge bedachte sich nicht lange und willigte ein. Der Teufel führte ihn sofort auf eine lichte Stelle im Wald und zeigte ihm in der Feme ein Schloß und sprach: »Ziehe nur dahin, das ist dein!« Der Junge lief jetzt schnell wieder zum Wagen; der König und seine Tochter waren schon ungeduldig geworden, daß er so lange ausgewesen; er ließ schnell weitertreiben, und bald waren sie im Schloß. Das gefiel dem alten König sehr, denn es war alles da, was man sich nur wünschen konnte. Nach einigen Tagen zog er heim und ließ das junge Paar für sich, und die lebten jetzt froh und vergnügt. So verging ein Jahr nach dem andern, bis die sieben Jahre bald um waren. Da wurde es dem Jungen angst, und er dachte mit Grauen an die neun Fragen. Als er so einmal in traurigen Gedanken auf dem Felde herumging und nachdachte, kam ein alter Mann zu ihm und fragte ihn, was ihm denn fehle. Er erzählte ihm von seiner Not. Da sagte der alte Mann: »Kümmere dich nicht, ich werde dir in jenem Augenblicke gute Gedanken eingeben, daß du keine Antwort schuldig bleibst!« Kaum war die Zeit da, so stellte sich auch der Teufel ein und fing an zu fragen: »Was ist eins und ist viel wert?« Da sprach der Junge: »Ein guter Brunnen auf dem Hof ist einem Wirten viel wert!« Der Teufel war mit der Antwort zufrieden und fragte weiter: »Was ist zwei und läßt sich schwer entbehren?« »Wer zwei gesunde Augen hat, dem steht die Welt und der Himmel offen; wer sie verliert, dem werden beide verschlossen!« Der Teufel ärgerte sich, daß auch diese Antwort passend war, und fragte fort: »Was ist drei und läßt sich gut brauchen?« »Wenn jemand eine gute dreihörnige Gabel hat, so kann er gut essen und Heu machen!« Auch diese Antwort paßte; der Teufel kochte vor Zorn und fragte weiter: »Was ist vier und ist sehr nützlich?« »Wer vier starke Räder am Wagen und vier gute Pferde hat, kann weit fahren!« »Was ist fünf und ist ein nützlich Ding?« fragte der Teufel hastig fort. »Wer fünf starke Ochsen hat, kann eine große Last aufladen, denn wenn der vierte fällt, spannt er den fünften ein!« »Was ist sechs und kann schon glücklich machen? Nur schnell, antworte!« »Wer sechs Joch Acker besitzt, der hat ein gutes Einkommen und braucht nicht betteln zu gehen!« »Was ist sieben und ist was Gutes?« »Wer sieben tüchtige Söhne hat, kann alle Arbeit im Jahre wohlbestellen und sich freuen!« »Was ist acht und macht was Rechtes aus?« »Acht Mädchen geben eine rechte Gesellschaft!« Der Teufel war wütend, daß der Junge ihm alle Fragen so schnell und treffend beantwortet hatte. »Nu warte!« rief er, »du bist dennoch mein eigen, wenn du die neunte Frage mir schuldig bleibst.« »Was ist neun und ist was Gutes?« »Die neun Schweine im Stall sind was Gutes – nicht wahr? und die sind jetzt auch mein!«

Der Teufel zog fluchend ab, und der Junge hatte so ein Schloß und neun Schweine sich verschafft und lebte nun mit der schönen Königstochter bis an sein Ende im Frieden.

Aus dieser Geschichte aber kann sich jedermann ein Beispiel nehmen. Wer eine Erbse findet, soll sie nicht gering achten; denn wie leicht ist es möglich, daß er sich damit auch eine schöne Königstochter, ein Schloß und neun Schweine erwirbt!


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