Josef Haltrich
Sächsische Volksmärchen aus Siebenbürgen
Josef Haltrich

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111. Der Fuchs heilt des Raben Kinder von der Krätze

»Deinen Gevatter Wolf hast du für alle Zeit dir vom Halse geschafft«, sprach der Fuchs zu sich ganz wohlgefällig und streichelte sich den Bart; »er wird das Latein, das du ihm zuletzt gegeben, nie vergessen. Es war ja aber auch länger nicht zum Aushalten; ich sollte immer nur sein Kappennarr sein und ihn zu vollen Tafeln führen; freilich kam ihn keine Mahlzeit umsonst; er hat jede mir immer teuer bezahlen müssen; doch nun bin ich für mich mein eigener Herr und will meine übrigen Tage erst recht genießen und immer lustig sein.« Eine Zeitlang ging es dem Fuchs auch wirklich recht gut, er fand mit wenig Mühe und Gefahr köstliche Nahrung vollauf. Bald aber erschienen auch für ihn die Tage der Not, wo er sich fast nie satt aß und oft zwei, drei Tage und Nächte des Hungers Pein ertragen mußte. So hatte er wieder einmal großen Hunger; lange hatte er umsonst gespürt und nichts gefunden. Da lief er wie wahnsinnig im Walde hin und her und sah nach allen Seiten, ob er nicht etwas entdecke. Nur einmal kam ein Mutterrabe, der hatte schon lange einen Arzt gesucht für seine Kinder, die mit einem bösen Ausschlag behaftet waren; der freute sich, als er den Fuchs erblickte, denn er dachte: »Der im gelben Mente ist gewiß ein Doktor.« Er flog zu ihm und klagte ihm seine Not und bat um Hilfe. Der Fuchs schüttelte bedenklich den Kopf und sprach: »Das ist eine gefährliche Krankheit, doch führt mich hin, daß ich die Kranken sehe.« Der Rabe tat das gerne, und als der Fuchs das volle Nest mit sieben ziemlich erwachsenen Jungen sah, lachte er im Herzen. Er fühlte allen den Puls. Da sperrten sie den Mund auf und schrien und schluchzten vor Angst. »Wie die Armen husten; sie haben den Eselshusten; es gibt kein besseres Mittel«, sprach er, »sie zu heilen, als ein recht warmes Lager; sie sollen alsbald genesen, denn ich will sie recht warm betten.« Damit verschlang er eins nach dem andern, und die Mutter mußte froh sein, daß sie mit heiler Haut den Klauen des Arztes entrinnen konnte.


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