Josef Haltrich
Sächsische Volksmärchen aus Siebenbürgen
Josef Haltrich

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112. Der Fuchs und die Schnecke

Wenn der Zigeuner satt ist, so ist er ausgelassen fröhlich, und so auch der Fuchs. Als er die sieben jungen Raben im Bauch hatte, lief er mutwillig spielend auf einer Wiese herum und machte allerhand lustige Sprünge. Da sah er im Grase eine Schnecke kriechen und fing laut an zu lachen und zu spotten: »Na, du kleines Ding, wie du laufen kannst, das hätte ich nicht gedacht; willst du nicht mit mir in die Wette laufen?« Die Schnecke streckte ihre vier Hörner aus, sah um sich und maß den Fuchs mit ihren vier Augen: »Warum nicht?« antwortete sie, »mit dir kann ich es immer aufnehmen!« Sie setzten zum Ziel das Ufer des Flusses, das einige hundert Schritte entfernt war. »Ich will dir eine Körperlänge noch vorgeben!« sprach die Schnecke, »und doch werde ich dich überholen!« Das schien dem Fuchs wunderlich und unmöglich; allein er nahm es an. Da klebte sich die Schnecke an die äußerste Zagelspitze des Fuchses und rief dann: »Ich bin fertig, schicke dich, ich will abzählen.« Der Fuchs nahm Stellung, und kaum hatte die Schnecke eins, zwei, drei gezählt, so flog er wie der Wind fort und war alsbald am Ziel. Jetzt schwenkte er rasch um, damit er sehe, wo die Schnecke sei und ob sie nachkomme;
beim Schwenken aber hatte er sie von seinem Zagel auf das jenseitige Ufer geschnellt. »Kommst du bald?« rief er, »du Langsamschleicher?« – »Ich bin schon«, antwortete die Schnecke vom jenseitigen Ufer, »seit einer Viertelstunde hier;
aus Langeweile ging ich dann noch über den Fluß.« Der Fuchs zog beschämt den Zagel ein und sprach: »Daß dich der Donner! Das kleine Ding kann mehr als du«, ließ die Schnecke drüben stehen und ging von dannen.


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