Josef Haltrich
Sächsische Volksmärchen aus Siebenbürgen
Josef Haltrich

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40. Die Geschenke der Schönen

Einem Manne war die Frau gestorben und hatte ihm ein Töchterchen hinterlassen. In der Nachbarschaft lebte aber eine Witwe, die hatte auch eine kleine Tochter, die spielte immer mit jenem Mädchen. Da sagte die Witwe eines Tages zu dem Töchterchen des Mannes: »Sage deinem Vater, er solle mich zur Frau nehmen, dann will ich dir eine gute Mutter sein; ich will dir jeden Morgen ›Biegelchen‹ zum Frühstück geben.« Das kleine Mädchen bat nun seinen Vater so lange, bis er die Nachbarin nahm; die aber hielt ihr Wort nur einige Morgen ; sie gab dem kleinen Mädchen zwar auch forthin »Biegelchen«, aber »birkene« zum Frühstück, d. h. sie schlug es mit Birkenruten, wenn es nicht mit einem Stückchen verschimmelten Brotes oder kalten »Palukes« vorlieb nahm. Ihrer Tochter aber gab sie immer frische »Eierbiegelchen«. Da weinte das arme Mädchen, und wenn es seinem Vater klagte, so ging es ihm noch schlimmer; die Stiefmutter schlug es dann um so mehr, wenn sein Vater fortgegangen war.

Bald aber wollte die Stiefmutter das Mädchen ganz und gar verderben, weil es ihr zuviel aß und zuviel brauchte. Darum schickte sie dasselbe eines Morgens zu dem See, in dem die Schönen badeten. Kein Menschenkind durfte nahe kommen; wagte es ja einmal ein Vorwitziger und wollte die Schönen sehen, so zogen sie ihn in die Tiefe, und er kam nicht wieder. Das arme Mädchen ging aber ohne Furcht hin, und die Wasserjungfern taten ihm nichts; denn sie sahen, daß es ein Leid drücke. Sie fragten es vielmehr mitleidig: wer es wäre und was es so traurig mache.

Das Mädchen erzählte alles treuherzig, wie es die böse Stiefmutter quäle. Da erbarmten sich die Schönen, und als das »Armchen« sich Wasser geschöpft hatte und fortgehen wollte, zogen sie ihm ein schönes neues Kleid an, und jede gab ihm noch einen Heilsegen mit auf den Weg: »Wo du gehst, sollen Blumen sprießen«, sagte die erste: »Wenn du sprichst, soll es angenehm duften« die zweite: »Wenn du dich wäschest, soll ein Goldstück in der Schüssel sein!« die dritte. Als das Mädchen heimkehrte, so machte die Stiermutter große Augen, und es war ihr nicht recht; als sie aber von den Geschenken hörte und sich auch bald überzeugte, daß alles Wahrheit sei, wurde sie ganz grün vor Neid und dachte: »Deine Tochter verdient noch viel mehr!« Am andern Morgen kleidete sie dieselbe schön an und schickte sie auch nach Wasser zum See. Die Schönen kamen hinzu und fragten zornig, wer sie wäre und was sie suche. Jetzt tat sie ganz vornehm und stolz, log und sagte, sie sei eine Edeljungfer und sie wolle noch schönere Geschenke, als sie dem Bettelmädchen gegeben hätten. Da trübte sich auf einmal das Wasser, und die Schönen spritzten mit Kot auf das Mädchen, also daß es auf einmal ganz besudelt war und triefend heimlief. Jede gab ihm noch einen Fluchsegen mit: »Wo du gehst, sollen Dornen wachsen!« sprach die erste; »Wenn du sprichst, soll es stinken!« die zweite; »Wenn du dich wäschest, soll eine garstige Kröte in der Schüssel sein!« die dritte.

Als sie zu Hause ankam und ihre Mutter sie sah in solchem Aufzuge und die Tochter heulend erzählte, wie es ihr ergangen und von dem Fluchsegen, da ließ sie all ihr Gift gegen das Stiefkind aus. Von nun an hatte das keinen guten Tag mehr; fortjagen wollte sie es aber nicht, des Goldstückes wegen, das sie selbst jeden Morgen aus der Schüssel aufhob.

Nach einiger Zeit aber hörte der junge König von den Wundergaben des armen Mädchens und sagte: »Das und kein anders soll mein Ehegemahl werden!« Er schickte einen prächtigen Wagen und schöne Kleider hin, um es abholen zu lassen. Die Stiefmutter aber hatte gleich einen boshaften Plan sich ausgedacht ; sie setzte sich mit ihrer häßlichen Tochter auch in den Wagen, und auf dem Wege stachen sie der Königsbraut die Augen aus und warfen sie in einen Sumpf am Wege, ohne daß es der Kutscher merkte. Dann zog die häßliche Tochter der Stiefmutter die Brautkleider an, und so gelangten sie an die Burg. Der junge König kam ihnen entgegen und hob die vermeintliche Braut aus dem Wagen und rief: »Bist du es, nach der mein Herz verlangt?« – »Ja, ja!« sprach sie, sonst nichts mehr. Da verbreitete sich ein entsetzlicher Gestank, also daß dem König übel wurde. Als die falsche Braut im Schloßhofe so hinging, siehe da schössen gleich zwischen den Steinen Dornen empor, also daß man mit Not fortkommen konnte. »Was ist das?« rief der junge König verwundert, »sind das die Gaben meiner Braut?« – »Das ist von der Anstrengung der Reise!« sprach die böse Mutter, »es wird schon anders werden, nur muß die Braut eine Zeitlang allein bleiben!« Da schloß sich die Alte mit ihrer Tochter in ein Gemach ein, und als diese am andern Morgen sich wusch, goß die Alte selbst das Wasser aus, damit niemand die garstige Kröte bemerken solle.

Unterdessen war das geblendete arme Mädchen aus dem Sumpfe herausgekrochen und war unter einen Baum am Wege gekommen, und da es ganz müde geworden, war es gleich eingeschlafen. Als es erwachte, wußte es nicht, ob es Tag oder Nacht sei, und es fing laut an zu jammern; da kamen drei ganz weiße Schwäne herangeflogen, die hörten die Klage und setzten sich auf den Baum und sprachen: »Du armes Kind, benetze deine Augenhöhlen mit dem Morgentau, der auf den Baumblättern liegt!« Kaum war das geschehen, so hatte es frische Augen und sah noch weit besser als zuvor. Nun sah es auch, daß es schon lichter Tag war und daß die Leute ins Feld gingen. Es machte sich auf und wandelte auf der Landstraße fort und kam gegen Mittag an die Königsburg. Überall aber standen die Leute still, sahen das Mädchen an und staunten; denn auf dem ganzen Wege hinter ihr wuchsen die schönsten Blumen, und wie sie so freundlich die Leute grüßte, verbreitete sich der angenehmste Duft. Als man dem jungen König meldete, es sei eine Bettlerin draußen so und so, rief er freudig: »Das ist keine Bettlerin, daran erkenne ich meine liebe Braut; auf, machet die Tore weit und führet sie herein zu mir!« Er eilte aber selbst hinaus ihr entgegen, herzte und küßte sie.

Die Bosheit der Stiefmutter und ihrer häßlichen Tochter kam nun an den lichten Tag. Der König ließ beide in ein Faß einschließen, das inwendig ganz mit Nadeln beschlagen war, und sie von einem Berge ins Meer hinabrollen. Dann aber feierte er eine glänzende Hochzeit, und das arme Mädchen war jetzt die liebste und glücklichste Königin.


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