Josef Haltrich
Sächsische Volksmärchen aus Siebenbürgen
Josef Haltrich

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65. Die törichte Liese

Ein Mann hatte sich eine junge Frau genommen, die war von Gesicht zwar schön, aber nicht sehr witzig von Reden und nichts weniger als geschickt und erfinderisch in Arbeiten. Als nun die Hochzeit vorüber war und man das Werktagskleid anlegte, fragte sie ihren Mann und sprach: »Was soll ich arbeiten?« Der Mann wurde ein wenig stutzig und dachte: »Das fängt gut an; wenn ihr Witz nicht so weit reicht, daß sie sich eine Arbeit im Hause zu suchen versteht, so werde ich mit ihr meine Not haben!« Allein er verbarg seinen Unmut und sprach zu ihr schön und freundlich, wie das ja in den ersten Tagen zu geschehen pflegt: »Gehe nur zur Nachbarin, mein Kind, und sieh, was die macht, und tue also!« Damit nahm er die Türe in die Hand und fuhr ins Holz. Die junge Frau ging sogleich zur Nachbarin, um zu sehen, was sie arbeite. Diese hatte eben ihren alten Ofen abgebrochen und war im Begriff, einen neuen aufzusetzen. Eilig ging die junge Frau nach Hause, brach ihren neuen Ofen gleichfalls ab und versuchte ihn dann wieder aufzusetzen; allein da sie nie dergleichen gesehen, so arbeitete sie ganz verkehrt und konnte es zu nichts bringen. Als ihr Mann nach Hause kam und sah, was seine junge Frau tat, schüttelte er nur das Haupt und sprach: »Aber Weib, was hast du gemacht?« – »Nu, wie du mich gelehrt hast, was die Nachbarin machte!« Er merkte, daß viel Reden hier nicht am Orte sei. Mit Mühe brachte er den Ofen wieder zusammen; es war aber nur Flickwerk, denn sie hatte die Ziegeln zerschlagen. Den andern Tag rühr der Mann wieder ins Holz, und da seine Frau nicht wußte, was sie arbeiten sollte, und ihn fragte, so sagte er ihr wieder, sie solle sehen, was die Nachbarin mache. Die Nachbarin aber hatte gerade Wäsche in der »Boche« und goß heiße Lauge darüber.

Die junge Frau nahm zu Hause auch einen Boding und legte, da sie keine Wäsche hatte, Pelz und Stiefel ihres Mannes in den Boding und goß heiße Lauge darüber, also daß die Haare abgingen und das Leder verbrannte. Als sie die Sachen gewinnen wollte, so zerfielen sie ihr in der Hand. Der Mann kam am Abend spät nach Hause, da sah er mit Schrecken, was seine Frau getan. Er schüttelte unmutig das Haupt: »O Weib, Weib, das ist ja nicht gut! Was hast du gemacht!« – »Na, was die Nachbarin gemacht hat, wie du mir sagtest!« Weil das Geschehene nicht zu ändern war, so schwieg er; allein er dachte bei sich: »Wohin wird das kommen, die Dummheit deiner Frau ist doch unvergleichlich!« Den andern Tag suchte er schnell fortzukommen, denn er war mißmutig. Seine Frau aber schrie ihm nach: »Mann, was soll ich arbeiten?« – »Nichts, nichts! Doch« – da fiel ihm ein, die Nachbarin werde ja nicht immer Ofen abbrechen und »böchen« – »siehe, was die Nachbarin macht!« Die junge Frau lief hin, und die Nachbarin kochte eben Kraut, auf dem ein Schnittchen Speck lag. Die törichte Liese eilte nach Hause zurück, weil sie aber in keinem Topfe Kraut fand, so nahm sie einen »Bachen« (zwei verbundene Speckseiten), zerschnitt ihn in kleine Stückchen, nahm diese, ging in den Garten und legte auf jeden Krautkopf ein Stückchen Speck. Ihr Haushund Karo freute sich dessen und machte sich dran, ein Stückchen nach dem anderen zu verschlingen. Als die törichte Liese das sah, sprach sie: »Ho, ho, das geht nicht«, packte den Hund am Halsband, schleppte ihn hinein und band ihn im Keller an den Hahn am Weinfaß an; indes aber waren die Hunde der beiden Nachbarn über den Zaunfrieden gesprungen und hatten die Speckstückchen alle zu sich genommen und unsichtbar gemacht. Der arme Karo aber hatte auch großen Appetit darnach, da er sie einmal gekostet; er riß und zog; nur einmal kam der Hahn aus dem Faß; der Hund sprang aus dem Keller hinaus und schleppte den Hahn am Seil fort in den Garten. Jetzt sah die Frau, wie der Wein aus dem Fasse herauskam, und schlug die Hände zusammen und rief: »Ach, wenn das nur einmal aufhörte zu fließen!« Das floß aber immer fort, bis kein Tropfen im Fasse war.

Da ward es ihr leichter ums Herz, und sie sprach: »Gott sei Dank, daß nichts mehr herauskommt!« Aber wie sollte sie jetzt den nassen Boden trockenlegen? Das machte ihr Gedanken. Da fielen ihr glücklicherweise die zwei Säcke Mehl ein, die man ihnen gestern aus der Mühle gebracht. Schnell leerte sie dieselben, indem sie das Mehl ausstreute, und der Boden war trocken. »Dein Mann kann froh sein, daß er eine so kluge Frau hat!« sprach sie bei sich selbst und war seelenvergnügt. Als ihr Mann abends hungrig nach Hause kam und wieder hörte, was geschehen war, da standen ihm eine Zeitlang die Gedanken still; endlich schöpfte er wieder einmal langen Atem und sprach: »Frau, Frau, wie bist du so überaus witzig, das kann ich nun bald nicht mehr aushalten, ich bin ja in kurzem ein ruinierter Mann!« Am folgenden Tage machte er sich frühe davon. »Was soll ich machen?« schrie ihm die Frau nach. Der Mann war in großer Verlegenheit. »Nichts« wollte er nicht sagen, denn da würde sie, dachte er, am Ende noch auf größere Torheiten verfallen; auf die Nachbarin wollte er sie auch nicht mehr verweisen, denn daraus hatte er immer nur Unheil gesehen. »Siehe«, sprach er, »hinter dem Ofen ist ein Topf mit Kürbiskernen, sorge darauf, daß sie nicht verloren gehen!« – »Schon gut, schon gut!« sprach sie. Der Mann ging wieder ins Holz. Er hatte aber im Topfe sein ganzes ererbtes und erspartes Vermögen in lauter blanken Dukaten, und nur oben lagen Kürbiskerne; er dachte: da suchen es die Diebe am wenigsten, und Kürbiskerne wird keiner nehmen, solange er Besseres findet.

Da geschah es aber, daß ein Szekler mit Palukestöpfen und dergleichen irdenem Geschirre in das Dorf kam und seine Töpfe zum Tauschhandel ausstellte. Da eilten die Dorfsfrauen von allen Seiten herbei, eine mit Korn, eine andere mit Roggen, eine andere mit Welschkorn u.dgl. und füllten dem Szekler für je einen Topf denselben zur Hälfte oder ganz oder zweimal, je nachdem man übereinkam und nachdem man bessere oder schlechtere Frucht zu geben hatte. Die junge Frau lief auch hin und sah, wie ihre Nachbarinnen kauften; sie hätte auch gern etwas erhandelt, allein sie hatte keine Frucht zu Hause. Da fielen ihr die Kürbiskerne ein; sie fragte den Szekler in wehmütigem Tone, ob er nicht auch gegen Kürbiskerne Töpfe gebe. Zuerst sprach er: »Nein!« Als sie ihm aber fort und fort in den Ohren lag, sagte er endlich: »So bringt sie einmal her!« Er gedachte damit seinen Kindern eine Freude zu machen, und da sie ihm angetragen wurden, hoffte er, sie leichten Kaufes zu bekommen. In vollem Laufe war die junge Frau nach Hause geeilt und war auch bald wieder mit ihren Kürbiskernen da. Der Szekler wühlte ein wenig mit der Hand in den Kernen, um zu fühlen, ob sie trocken und gesund seien; da sah er die Goldfüchse hervorschimmern. »Topp!« schlug er gleich der Frau in die Hand, »die Kerne gefallen mir gut, und ich gebe Euch meine ganze Ware.« Wer konnte jetzt glücklicher sein als die junge Frau. Sie wollte nach Hause, um einen großen Korb zu holen. »Es ist nicht nötig!« sprach der Szekler freundlich, »ich komme mit dem Wagen hin und führe Euch alles nach Hause.« – »Oh, Ihr seid ein guter Mann!« rief sie entzückt, »ich will, bis Ihr kommt, zu Hause aufräumen!« und damit lief sie fort. Der Szekler strich sich den Schnurrbart und lachte in seinem Herzen, wie wenn er zehn Sonntage hintereinander zu feiern hätte, denn so einen Handel hatte er in seinem Leben nicht gemacht und gewiß auch keiner seiner Brüder, solange sie im Sachsenlande ihre Palukestöpfe vertauschhandeln. Er spannte schnell seine mageren kleinen Pferde an, fuhr zu dem Hause der Frau, lud alles ab und war wie der Wind alsbald über alle Berge; denn daß die Frau da oben nicht ganz bei Trost sei, hatte er gemerkt, und er fürchtete mit Recht, daß ihr Mann, wenn er noch dazukomme, den Tausch aufheben würde.

Die Frau in ihrem Glücke aber nahm die einzelnen Töpfe und hing sie an die Rahmen und machte die ganze Wand voll; zuletzt blieb ihr noch ein kleines Töpfchen in der Hand, und da kein Nagel mehr leer war, rief sie den andern Töpfen zu: »Macht ein wenig Platz diesem armen Kleinen!« Aber die Töpfe hörten auf die wiederholte Aufforderung nicht. Da ward sie zornig, nahm einen Stock und schlug alle herunter, hing das kleine Töpfchen sofort auf und tanzte froh auf dem Boden herum: »Da habt ihr's nun! So geht es, wenn man nicht folgt! Das kleine soll es dafür nun gut haben!«

Als sie noch so mit sich und den zerschellten Töpfen sprach, kam ihr Mann nach Hause. Ganz froh erzählte sie ihm, wie sie um die schlechten Kürbiskerne Töpfe erhandelt und diese dann, weil sie nicht gefolgt und dem armen kleinen da nicht Platz gemacht hätten, bestraft habe. »Weib, Weib!« schrie der Mann, »das ist zum Wahnsinnigwerden! O weh, mein sauer erworbenes und ererbtes Gut ist hin! Wowärts ist der Mann gefahren?« – »Dawärts!« zeigte die Frau. »Wowärts?« – »Dawärts!« rief sie wieder und zeigte nach einer anderen Richtung »Wowärts?« – »Dawärts!« und zeigte auch jetzt anderswohin. »Ach, sage mir doch bestimmt, wowärts?« – »Dawärts!« und zeigte auch diesmal nach einer anderen Gegend. Dem armen Manne war's, als sollte die Erde unter ihm einsinken; es brannte unter seinen Füßen, er wäre gern dem Szekler nach, aber welchen Weg sollte er einschlagen? »Komme mit, daß wir den Mann suchen!« rief er seiner Frau und lief, wohin ihn seine Nase und Augen führten, und seine Frau hinter ihm her. Auf dem nächsten Berge wandte er sich einmal um und rief seiner Frau entgegen: »Eile zurück, die Türe ist ja offen geblieben, sperre zu, sonst kommen wir nachgerade um all unser Gut!« Die Frau ging; allein da sie den Schlüssel immer verkehrt einstecken wollte und nicht zusperren konnte, nahm sie zuletzt die ganze Türe auf den Rücken und lief keuchend ihrem Manne nach, so daß ihr unter der Last der Schweiß troff. Als sie ihren Mann von weitem sah, rief sie ihm zu: »Warte doch, lieber Mann, und sperre die Türe zu, denn ich verstehe das nicht!« Da konnte sich der Unglückliche nicht mehr bezwingen, seine Ungeduld war aufs höchste gestiegen. »Gehe, du törichter Mensch!« sprach er, »wohin du willst, ich will nichts mehr von dir wissen!« – »Ja, nun glaube ich!« sprach er zu sich, »daß es wahr ist, was mein Großvater immer sagte: ein törichtes Weib ist wie die Pest und kann mehr Unheil anrichten als Wasser und Feuer! Der Himmel bewahre einen jeden vor solchem Unglück!«

Damit lief er in einem fort, um von seinem törichten Weibe freizuwerden; diese aber lief ihm nach mit der Türe auf dem Rücken und läuft bis heute noch, wenn sie nicht bei den klugen Frauen, die stets Wasser im Sieb zur Küche tragen, um das Feuer damit anzuzünden, in Dummliesendorf angelangt ist und sich da seßhaft niedergelassen hat.


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