Josef Haltrich
Sächsische Volksmärchen aus Siebenbürgen
Josef Haltrich

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2. Die drei Rotbärte

Ein armer Mann rief eines Tages seine drei Söhne vor sich und sprach: »Ihr seht, daß ich nicht mehr imstande bin, euch zu erhalten; zieht in die Fremde und sucht euch das tägliche Brot zu verdienen!« – »Ja, lieber Vater«, sagten sie, »wir wollen Euch nicht länger zur Last fallen; wir wollen dienen gehen und so auch für Euch sorgen!« Damit nahmen sie ihre Sachen zusammen und machten sich des andern Tages auf den Weg. Da traf es sich, daß sie durch einen Wald gingen, und es begegnete ihnen ein alter Mann in einem grauen Mantel, der fragte sie freundlich: »Wohin zieht ihr, meine Kinder?« – »Wir wollen dienen gehen, guter Mann, denn unser Vater ist nicht mehr imstande, uns zu ernähren, und so können wir auch für ihn sorgen!« – »Das ist ja recht schön, hütet euch nur vor den Rotbärtigen; denn mit denen ist es nicht ganz richtig!« – »Wir wollen's behalten!« sprachen sie und gingen weiter. Es währte nicht lange, so begegneten ihnen drei Rotbärte, und diese fragten die drei Burschen, wohin sie es denn gestellt hätten. »Wir suchen einen Dienst!« sagten die Brüder. »Und wir brauchen gerade Diener!« erwiderten die Rotbarte, »wollt ihr bei uns eintreten?« – »Wir möchten ja gerne«, sprachen sie, »allein ein alter Mann sagte uns, mit Rotbärten sollten wir uns nicht einlassen, denn mit denen sei es nicht ganz richtig!« – »Ha, ha!« lachten diese, »und auf den alten Mann wollt ihr hören? Ihr Narren! Wir geben euch auf ein Jahr einen so hohen Lohn, wie ihr sonst in zehn Jahren nicht verdienen könntet!« Die Brüder dachten nur an ihren armen Vater, wie gut es für den sein würde, wenn sie bald mit reichem Lohn heimkehrten, und verdingten sich. Einer wie der andere sollte nach einem Jahre einen Beutel voll Dukaten bekommen und dafür die ganze Zeit nichts anders tun, als immer um einen Turm gehen und einen Spruch hersagen, den man ihm aufgeben würde. Jeder von den Rotbärten nahm nun einen mit. Der Älteste sollte beim Herumgehen um den Turm immer sprechen: »Wir drei Brüder«, der Mittlere: »Um einen Käs«, der dritte: »Das ist recht!« Und so geschah es auch. Nach einem Jahr bekam ein jeder den bedungenen Lohn.

Als sie nun miteinander heimkehrten, konnten sie nichts anders sprechen, als was sie das Jahr hindurch immer und allein gesprochen hatten; sonst hatten sie alles vergessen. Da begegnete ihnen ein Mann, der grüßte und fragte sie: »Wohin?« Der Älteste antwortete: »Wir drei Brüder!« – »Aber wohin? frage ich.« – »um einen Käs´« sagte der zweite. »Hol euch der Henker!« – »Das ist recht« fiel der dritte ein. Der Mann glaubte nun, er habe es mit Narren zu tun, fragte nicht mehr und ging seiner Wege. Als sie nun weiter wanderten, sahen sie nur einmal, wie ein Reisender von einem Räuber überfallen und blutig geschlagen wurde. Sie liefen schnell hinzu, um dem Armen zu helfen; allein es war zu spät; der Räuber entwischte ihnen, und der Geschlagene starb bald unter ihren Händen. Da trafen die Gerichtsdiener zu ihnen, wie sie gerade mit dem Sterbenden beschäftigt waren; die hielten sie für die Räuber und Mörder, ergriffen und banden sie und führten sie ohne weiters vor Gericht. Als sie vorgestellt und gefragt wurden, wer den Fremden totgeschlagen, sprach der Älteste: »Wir drei Brüder!« – »Warum?« fragte der Richter weiter. »Um einen Käs´« sagte der zweite. »Man wird euch jetzt hängen!« sprach der Richter. »Das ist recht!« sagte der dritte. »Was brauchen wir mehr?« sprach der Richter; »ihre Schuld haben sie selbst ein-gestanden und erkennen die Strafe für gerecht: wohlan, so hänge man sie!«

Da wurden sie zum Galgen geführt, und schon hatten sie die Leiter erstiegen, und die drei Rotbärte standen nahe und paßten; siehe, da kam der alte Mann im grauen Mantel herzu und sprach, aber so, daß niemand ihn sah und hörte als die drei Brüder: »Ihr hättet es zwar verdient, daß ich euch zappeln ließe, weil ihr nicht folgtet, aber da ihr ein gutes Herz habt, will ich euch retten; sprechet!« Da riefen die drei Brüder zugleich mit lauter Stimme: »Die drei Rotbärte greift!« Wie die das hörten, machten sie sich sogleich aus dem Staub und waren verschwunden, noch ehe sie jemand gewahr wurde. Nun erzählten die drei Brüder, wie alles sich zugetragen habe, und das Volk erkannte daraus, daß die Rotbärte drei Teufel und der Mann im grauen Mantel unser Herrgott gewesen. Der rechte Mörder wurde von ihnen genau bezeichnet, und bald stellte er sich selbst vor Gericht und bereute seine Sünde, aber um der Gerechtigkeit willen wurde er dennoch gehängt.

Die drei Brüder zogen nun mit dem vielen Gelde heim und blieben jetzt bei ihrem armen Vater und hatten weiter keine Not ihr Leben lang.


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