Josef Haltrich
Sächsische Volksmärchen aus Siebenbürgen
Josef Haltrich

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89. Der Zigeuner, der Wolf, der Fuchs und der Esel in der Wolfsgrube

Ein Zigeuner kam bei der Nacht vom Medwischer Margrethi-Jahrmarkt (am 13. Juli) und war lustig und guter Dinge und taumelte auf der Landstraße fort und fiedelte dazu. Als er aber einen Seitenweg durch den Wald einschlug, verirrte er sich und geriet in eine Wolfsgrube. Er krabbelte lange hin und her, um herauszukommen, allein die Wände waren zu hoch, es war umsonst. Da ergab er sich in sein Schicksal, setzte sich in eine Ecke und war ruhig. Nach einer Weile kam auch der Wolf und plumpste hinein; der erschrak nicht wenig, als er das schwarze Ungeheuer mit den roten Augen und den weißen Zähnen sah; er zog sich in eine andere Ecke und verhielt sich ruhig. Nicht lange, so kam auch der Fuchs die Straße und fiel hinein; der sah auch in der Ecke das schwarze Ungeheuer mit den roten Augen und den weißen Zähnen und dachte: »Das ist der leibhaftige Teufel!« Die Angst ließ ihn nicht recht sehen, wer in der andern Ecke sei; er zog sich in die dritte Ecke und blieb ruhig. Da kam letztlich auch der Esel diesen Weg, und plumps! rumpelte er auch hinein. Da sah er gleich das schwarze Ungeheuer mit den roten Augen und den weißen Zähnen und erschrak nicht wenig; er schlich in die vierte Ecke. Der Zigeuner zitterte vor Furcht; um diese zu bemeistern, nahm er seine Geige und fiedelte. Das aber kann weder der Wolf, noch der Fuchs, noch der Esel recht vertragen. Der Wolf heulte entsetzlich, der Fuchs bellte, der Esel iahte. »Ach, seid Ihr es, Gevatter?« rief der Fuchs zum Wolf und Esel; »wir sind verloren, wenn ihr nicht meinen Rat befolgt. Ihr, Gevatter Esel, stellt Euch auf die Hinterbeine an die Wand, dann klettere ich und der Wolf über Euch hinaus, und wir ziehen Euch dann empor!« Der Esel tat so, wie ihn der Fuchs geheißen; da sprang dieser und der Wolf sogleich hinaus; sie dachten aber gar nicht daran, den Esel hinaufzuziehen, sondern waren froh, daß sie der Gefahr entronnen. »Helfe Euch Gott!« riefen sie dem Esel zu und machten sich aus dem Staub. Nun war der Zigeuner nicht minder froh, als er den Esel allein da sah, den er jetzt wohl kannte; er hörte auf vom Spielen und sprach: »Fürchte dich nicht, Grauchen, ich bin ja der Midi vom Graben, der deine Schuhe beschlagen hat!« Da ließ auch der Esel seine Angst, und so schliefen beide ruhig bis an den Morgen.


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