Josef Haltrich
Sächsische Volksmärchen aus Siebenbürgen
Josef Haltrich

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4. Das wohlfeile Holz

Es war einmal ein armer Bauer, der führte immer Holz zum Verkaufe in die Stadt. Als er nun wieder einmal so durch den Wald fuhr, trat ein alter Mann mit langem Bart und grauem Mantel zu ihm und fragte: »Wohin mit dem Holz?« – »In die Stadt!« sagte der Bauer. »Nun so rate ich dir, wenn du glücklich sein willst, es nicht teurer als um einen Kreuzer zu verkaufen!« – »Das will ich tun«, sprach der Bauer und fuhr weiter. Als er in der Stadt anlangte und die Leute zu ihm hinkamen und fragten, wie er sein Holz verkaufen wolle, antwortete er: »Um einen Kreuzer!« Da lachten sie und glaubten, er sei nicht recht bei Troste (bei Sinnen) und gingen weiter. Endlich ließ sich ein armer Bürger in den Handel ein und kaufte das Holz um einen Kreuzer; er ließ es sich gleich heimfahren und ging selbst voraus und erzählte seiner Frau von dem glücklichen Handel. Diese aber wollte es natürlich nicht glauben, lief zum Bauern hinaus und fragte ihn insgeheim um den Kaufpreis. Als der Bauer die Worte ihres Mannes bestätigte, eilte sie hinein und sagte: »Mann, dem Bauer [n] können wir zum Danke wohl auch einen Trunk Wein geben!« – »Ganz gewiß, hole gleich eine Kanne voll neben dem ›Kampestboding‹ her.« Die Frau ging in den Keller und brachte; aber der Wein zeigte sich ganz trüb. Da sagte der Mann: »Was ist das, hast du aus dem rechten Faß gebracht? Der Wein ist doch nicht trüb, oder war die Kanne nicht rein? Nimm eine andere Kanne und hole nochmals!« Die Frau ging und holte gleich wieder; da war aber der Wein blutigrot. »So weiß ich doch nicht, was das ist; ich muß am Ende selbst gehen!« Er wusch sich eine Kanne und ging. Diesmal aber zeigte sich der Wein goldgelb, aber er war so dick, daß er kaum aus dem Heber floß. Der Mann kam herauf und erzählte dem Bauern das Wunder und entschuldigte sich. Der Bauer sagte: »Das macht ja nichts!« Und weil er gerade für den Augenblick nicht durstig war, bat er den Bürger, er solle ihm den Wein in seinen Tornister gießen, bis nach Hause werde er sich schon klopfen und dünn werden. Das tat jener.

Als der Bauer durch den Wald nach Hause zog, trat wieder der Mann im langen Bart und im grauen Mantel zu ihm und fragte, wie es ihm ergangen. Der Bauer erzählte ihm alles. Da sprach der Mann: »Merke dir nun, was ich dir sage; der trübe Wein bedeutet sieben Hungerjahre; der blutigrote sieben blutige Kriegsjahre; der goldgelbe wird samt dem Kreuzer dein Glück begründen!« Damit verschwand der Alte. Als der Bauer zu Hause ankam und seine Frau hörte, daß er das Holz um einen Kreuzer verkauft habe, so schalt sie ihn durch, daß kein ehrlicher Faden an ihm blieb, und wie er sie beschwichtigen wollte und ihr erzählte, er habe auch Wein bekommen und habe ihn in den Tornister gegossen, war sie nun gar nicht mehr zu bändigen; sie tobte und fluchte: »0 du Dummbart, was muß ich an dir erleben! Hat je ein Mensch gehört, daß man den Wein in den Tornister gießt?« Der Bauer aber wollte den Wein ausschütten, doch siehe, da fielen eitel Goldstücke und zuletzt auch der Kreuzer für das Holz heraus. Schnell zog das Donnerwetter vorüber, und der Himmel heiterte sich im Antlitz seiner Frau auf, so daß es eine Lust war, es zu sehen. »Du lieber guter Mann, verzeihe; aber wie kann man seine Frau auch so grob foppen wollen!« – »Gott bewahre mich!« sprach der Mann, »ich sagte die lautere Wahrheit; allein nun sehe ich, daß unser Herrgott dies Wunder getan hat, um meinen Glauben zu belohnen!« Da erzählte er die Geschichte mit dem Mann im langen Bart und grauen Mantel. Die sieben trüben Hungerjahre und die sieben blutigen Kriegsjahre kamen, aber wie hart auch der Bauer hergenommen wurde, der himmlische Segen half ihm sie glücklich überstehen.


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