Josef Haltrich
Sächsische Volksmärchen aus Siebenbürgen
Josef Haltrich

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93. Der Johannistag der Wölfe

Die Wölfe hielten bei einem Freunde zusammen Johannistag, schmausten und zechten viel, waren lustig und guter Dinge. Inzwischen waren die alte Katze, die man hatte ersäufen wollen, weil sie keine Mäuse mehr fing, das alte, ausgediente Pferd, das man dem Schinder überliefern sollte, weil es zu nichts mehr tauge, und der Hahn, den man schlachten wollte, ihren Herren entlaufen, hatten sich zusammengefunden und gemeinschaftlich von dem leerstehenden Hause eines Wolfes Besitz genommen. Als dieser spät in der Nacht betrunken heimkehrte, sah er die gräßlichen Gestalten. Er lief gleich zurück und rief alle Wölfe hin. Keiner wagte es hineinzugehen. Da zwangen sie einen alten, lahmen Wolf, sein Leben zu wagen, das sei ja ohnehin am wenigsten wert. Voll Angst ging dieser hinein, kam aber bald übel zugerichtet herausgestürzt und erzählte: »Eine Zigeunerin (die Katze) kratzte mit einer langzähnigen Hanfhechel mich ins Gesicht; ihr Mann (das Pferd) schlug mich mit einem dicken Schmiedehammer in die Herzgegend; ein Drache mit feuriger Säge (der Hahn) schlug mit Säbeln um sich und rief: ›Nicht daß ich über dich komme!‹« Kein Wolf wagte es weiter hineinzugehen; die Katze, das Pferd und der Hahn blieben drinnen und wohnten da bis an ihr Ende; der Hahn kehrte das Zimmer und den Hof, das Pferd spaltete Holz, die Katze kochte.


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