Ida von Hahn-Hahn
Orientalische Briefe
Ida von Hahn-Hahn

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18. An meine Mutter

Damaskus, Montag, Oktober 16, 1843

Durch die stockfinsteren Bazars gelangten wir mühselig zum Konsul, wo uns die Frau vom Hause prächtiger denn je mit Perlen, Smaragden, einem süperben hochroten Shawl und fußhohen Kabkabs entgegentrat. Dieser Herrlichkeit gegenüber versank ich förmlich in meine kleine dunkle Nichtigkeit. Da sie nur arabisch spricht, so besteht unsre Konversation in wohlwollenden Pantomimen. Das Diner war einigermaßen europäisch serviert, wenn auch nicht zubereitet. Mischmisch (so heißt auf arabisch die Aprikose) kehrte in allen Formen wieder: süß und sauer, warm und kalt, darum hatte ich ausdrücklich gebeten, füge ich hinzu um kein nachteiliges Licht hinsichtlich der Anordnung eines Diners auf die Frau vom Hause zu werfen. Ich habe soviel vom Mischmisch von Damaskus gehört, wie es in seiner einfachsten Form, als zusammengetrockneter Brei, die armen Pilger nach Mekka, die armen Kamelführer nach Bagdad begleitet, und in vervollkommneter als Konfitüre beim Dessert erscheint, daß ich seine Bekanntschaft wünschte: und ich habe sie gründlich gemacht. Mischmisch-Konserve ist gut, aber in Nizza versteht man ganz anders Früchte zu Konfitüren zuzubereiten. Pistazien von Aleppo gab es auch, und zur großen Freude der Frau vom Hause, die eine geborene Aleppinerin ist, fand ich den dortigen Geschmack, die Frucht mit ein wenig Salz zu essen, sehr gut. Wir speisten im Hof und kein Lüftchen regte sich; ungestört brannten die Flammen der Lichter. Es war wie bei uns an einem schönen Sommerabend, sehr verschieden von Beirut wo die Abende wärmer sind als bei uns die Sommertage sind. Die Winter sind kalt in Damaskus; der Schnee fällt nicht nur, sondern bleibt auch zuweilen tagelang liegen. Dann muß es grauslich in diesen hohen, leeren Gemächern sein, wenn ihre Tür und der ganze Hof verschneit ist. Daher ist auch die Palme ein Fremdling, und Zitronenbäume finden sich nur in den sehr geschützten Höfen der Häuser. Regen bezeichnet Anfang und Ende des Winters. Sechs Monate hindurch ist ununterbrochener Sommer mit gänzlicher Regenlosigkeit. Aber der Barrada läßt keinen Wassermangel aufkommen.

Heute früh gingen wir also das Haus von Assad Pascha zu besehen, das nach dem Namen des Erbauers genannt und von einem seiner Nachkommen, einem sehr reichen Araber, bewohnt wird, den der Konsul gut kennt. Wegen des Ramadans durften wir erst um Mittag kommen, denn so lange schlief der Hausherr, und zwar grade in dem berühmten Saal. Ja, das ist wahr! Neben diesem Hause verschwinden alle übrigen! Es nimmt sich wie ein Palast zwischen ihnen aus. Vor allem hat es einen würdigen Eingang, ein schönes, hochgewölbtes Tor, durch das man hineinreiten kann, und obzwar der Durchgang gebrochen ist, wie in unseren Festungstoren und wie bei der Alhambra, so bleibt er doch immer eine Halle,. während er bei den übrigen Häusern einer Höhle ähnlich ist. Das stattliche Tor abgerechnet, zeichnet auch Assad Paschas Haus, ebenfalls wie die Alhambra, von außen sich durch nichts aus, es ist ein großes, unregelmäßiges Mauerwerk aus Lehm. Da ich voreilig beim Besuch der ersten Häuser schon von Feenschlössern gesprochen habe, und da ich das Übertreiben gar nicht verstehe, so habe ich keine Superlativbezeichnung für dieses, liebste Mutter. Ich kann nur sagen, daß es an Größe der Anlage und Geschmack und Reichtum der Ausführung sich eben zu jenen wie ein Palast zu Häusern verhält. Es hat verschiedene Höfe, Pavillons, Liwáns, Bassins, unsymmetrisch aber anmutig verbunden, und der eine Gartensaal, den der Hausherr eben verließ als wir kamen, ist das reizendste, was die Phantasie zu träumen vermag. Er füllt ein eigenes, freistehendes Gebäude, das von Oleander-, Myrthen- und Jasmingebüsch umgeben ist. Er zerfällt inwendig in einen Mittelraum und in drei erhöhte Liwáns oder Alkoven, von denen aber jeder die Größe eines mäßigen Salons hat. Die Wände sind von oben bis unten mit querlaufenden Streifen von schwarzem, weißem und rotem Marmor bekleidet. Die zierlichsten Arabesken von den seltensten und buntfarbigsten Marmorarten mosaikartig zusammengesetzt, bilden den Fußboden. Im Mittelraum erhebt sich aus demselben eine Fontäne, deren Einfassung aus schwarzen, weißen und roten abgebrochenen Säulen besteht. Jede dieser Säulen ist hohl und spritzt einen Wasserstrahl ins Bassin hinein, so daß sich über demselben, wie aus Silberstreifen, eine Art von Krone bildet. Der Plafond besteht aus dunklem Holz, das streifenweise vergoldet und dazwischen mit Perlmutter ausgelegt ist. Unter ihm zieht sich eine Reihe kleiner Bogenfenster hin, ihre Rahmen sind zierliche Marmorarbeit und ihre bunten Scheiben von den brennendsten Farben bilden Verse aus dem Koran in arabischen Schriftzügen, die wie talismanische Zeichen aussehen. Wohin Du das Auge wendest, überall fällt Dein Blick auf das allerköstlichste Material und die allergeschmackvollste Ausführung. Das Seltenste unter dem Seltenen ist hier verschmolzen: Pracht und Grazie. Man weiß nicht ob man ausrufen soll: wie herrlich! – oder wie lieblich! – Breite Sofas umlaufen diese Wände. Zwei schöne Teppiche, ein großer und ein kleiner, lagen in dem einen Liwán, darauf einige Polster. So ist das einfache Bett der Orientalen. O, hier muß es sich anmutig ruhen lassen! Hier möchte auch ich träumen – aber wachend. So habe ich denn doch endlich etwas in Damaskus gefunden, das der Erwartung entspricht, die man von seiner Herrlichkeit hegt; – etwas, das der glänzendsten Zeiten der Kalifen nicht unwürdig ist!

Scharf kontrastierte mit jenem reizendsten Dschinnistan ein zweites arabisches Haus, das wir mit dem Konsul besuchten. Der Besitzer hat es vor einigen Jahren im Geschmack der Häuser von Konstantinopel einrichten lassen, mit abscheulichen landschaftsbemalten Wänden und blumenbemalten Plafonds – ganz und gar der barbarische Ungeschmack, der im Palast von Tschiragan und im Kiosk der süßen Wasser herrscht. Als wir es verlassen wollten, erschien eine Botschaft: die Herrn möchten sich gefälligst entfernen, denn die Frau vom Hause wünsche mich zu sehen. Kaum hatten sich jene in den Vorhof begeben, so sah ich mich von einer Weiberschar umringt, vor der ich förmlich erschrak, so häßlich war sie. Der Besitzer dieses Harems ist nicht beneidenswert! Die Herrin wie die Sklavinnen sahen im höchsten Grade unsauber, nachlässig, recht widerwärtig aus, ganz als ob sie nach der hier herrschenden Sitte in ihren Kleidern geschlafen hätten – und zwar mehr als eine Nacht. Sie lärmten, lachten, schrien um mich herum, betrachteten mich, faßten meine Hände an – die Wilden der Südsee können nicht wilder in ihrer Neugier sein. Und dies war der Harem eines reichen und angesehenen Mannes! Aber der Harem macht stupid und roh, das ist gewiß. Welch ein Unterschied in dem Benehmen dieser Frauen und der schönen Jüdinnen, die, wie sie, in Syrien geboren und ohne alle Erziehung und Bildung sind. Aber das Eine: der freie Umgang beider Geschlechter gibt einen Takt und eine Gesittung, welche den Haremsbewohnerinnen für immer fremd bleiben. Mir war ganz unheimlich zwischen dieser Bande zu Mute und ich dankte Gott als ich wieder zu meinen Begleitern gelangte. So eine Masse roher Weiber zu sehen, ist nur schrecklich. Lieber sehe ich eine Herde Kühe oder Schafe. Der Harem erniedrigt das Weib zum Vieh. Nimm nicht übel den starken Ausdruck, Herzensmama! Ich kann's nicht sehen, nicht denken ohne Empörung Die Männer, die sich die Erlaubnis nehmen über Dinge zu schreiben, die sie nicht kennen, haben denn auch oft behauptet, die Orientalinnen fühlten sich gar nicht unglücklich im Harem. Desto schlimmer für sie! Hat sich je eine Kuh auf der grünen Wiese unglücklich gefühlt? Der Harem ist eine Wiese, die den Bedürfnissen des animalischen Lebens genügt. Basta. Ich kann nicht darüber sprechen. Das Herz im Leibe kehrt sich mir um. Ach, welch eine Wonne, zu den alten sogenannten nordischen Barbaren, zu den Völkern germanischen Stammes zu gehören, bei denen bis in die graueste Vorzeit hinein das Weib den Platz eines Menschen einnahm. Die Polygamie ist eine Mauer, welche den Orient gegen das Christentum absperrt. – Du bist gewiß gar nicht befriedigt von meiner Relation über Damaskus, liebe Mutter. Ja das ist übel – aber in einem steten Begeisterungsrausch bin ich nicht, und die vielbesungene und hochgepriesene Kalifenstadt hat ihn mir nicht eingeflößt. Ich glaube daß das arabische Spanien mich verwöhnt hat. Leute die nicht wie ich nach Lust und Laune, sondern systematisch reisen, werden gut tun zuerst nach Syrien, dann nach Spanien, dem Entwicklungsgang der Araber folgend, zu gehen. – Wir reisen morgen ab und direkt in drei Tagen nach Beirut. Wie man hier in diesen Staubkasten durch das Ungeziefer leidet ist unerzählbar, aber in der Tat auch unaushaltbar! – Ich küsse die Hand, liebe Mutter.


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