Ida von Hahn-Hahn
Orientalische Briefe
Ida von Hahn-Hahn

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14. An meine Schwester

Beirut, Freitag, Oktober 6, 1843

Gott grüß Dich, mein Clärchen! Die Meerfahrt ist überstanden, frisch und munter hab ich Fuß gefaßt auf der lieben guten und wunderschönen Erde, und das erste was ich Dir erzählen will ist, daß ich vorgestern Deine Gesundheit, wie sie Deinem Geburtstag zukommt getrunken habe, und zwar in dem berühmtesten Wein der Welt: im Zypern-Wein, und im Franziskanerkloster von Larnaka auf Zypern. Ach es ist mir wie ein Traum was alles ich in der Nähe und Ferne gesehen habe und wo ich gewesen bin in diesen acht Tagen. Nur die Namen zu nennen Chios, Patmos, Samos, Rhodos – klingt das nicht wie ein lieblicher Akkord? Macht Dir das nicht einen holdseligen Eindruck, als ob Du einen Strauß Rosen in die Hand nähmest? Ach wie schön ist die Welt, wie groß! Und doch gar nicht so undurchdringlich weitläufig, wie man es sich vorstellt ehe man ein paar tüchtige Schritte in sie hinein gemacht hat. Da sitze ich so ruhig und wohlbehalten am Fuß des Libanon, wie ich unter den Linden sitze, an der äußersten Küste des Mittelmeeres wie an der Ostsee; keine Gefahren hab' ich auf der weiten Reise überstanden, keine Schrecknisse haben mich bedroht, kein Finger hat mir weh getan. Freilich – seekrank war ich! Aber das ist mehr eine unbegreiflich ungeschickte Einrichtung meiner Organisation, als eine Krankheit, und ewig wohl kann sich der Körper ja unmöglich befinden: drum leidet der meine auf dem Meer. Mit einem Fuß nur das Land berührend, bin ich vollkommen gesund. Die Seekrankheit ist allerdings über alle Maßen störend; aber dennoch haben wir eine prächtige Reise gemacht, wenn ich so an sie zurückdenke und mich an alles erinnere. Heute vor acht Tagen, nachmittags fünf Uhr, gingen wir in Smyrna an Bord, und gestern früh mit Sonnenaufgang warfen wir hier auf der Reede die Anker. Aber wir haben uns unterwegs viel aufgehalten. In Smyrna traf ich noch einmal mit Grillparzer zusammen, der aus der Ebene von Troja dahinkam – doch nur flüchtig um von ihm Abschied zu nehmen.

So nahm ich Abschied von dem alten üppigen Lydien, wo einst Krösus seine ungeheuren Schätze häufte, wo Kyrus die persische Herrschaft ausdehnte, wo Alexanders unüberwindliches Schwert die Perser in den Staub warf, wo der mazedonische Feldherr Antiochus nach dem Tode seines Heldenkönigs das syrische Königreich gründete, wo diesem durch die Römer ein Ende gemacht ward, und wo die römisch-byzantinische Herrschaft, allmählich durch Turkmanen und Mongolen zerrieben, vor den Osmanen in den Staub fiel. Die osmanischen Sultane liebten fort und fort dies Land, nachdem sie auch längst Konstantinopel besaßen, und schmückten die alte lydische Hauptstadt Magnesia mit dem Glanz ihrer Gegenwart und ihrer Bauten. Aber in dieser türkische Herrschaft ist, wie ich Dir früher schon sagte, mehr ein zerstörendes als ein erhaltendes Prinzip, so daß sie zwar für den Augenblick etwas hinstellen – doch keine Dauer ihm geben kann. Kein überwältigender Feind, kein vernichtender Eroberer hat unter der türkischen Herrschaft seine Zelte hier aufgeschlagen, und doch sind diese Länder verwüstet wie von mörderischen Feinden. Erdbeben haben allerdings furchtbar geschäftig das ihre getan, und sie sind eine Gewalt, welche die Hand des Menschen paralysiert indem sie ihn selbst mit beständiger Furcht und Grauen erfüllt. Aber wenn nicht eine so stumpfe Despotie der eigentliche Genius der hohen Pforte wäre, wenn irgendeiner an Verbesserung, Aufschwung, Fortschritt dächte, wenn das Paschalik nicht ausgesogen werden müßte, damit die Abgaben bezahlt und die Beamten reich werden könnten: so müßte doch wohl irgendeiner auf den Gedanken geraten, daß es hier noch andre Dinge zu versuchen und einzuführen gibt als die europäische Uniform der Soldaten und ihr europäisches Exerzieren und Manövrieren – welches alles nicht das Geringste dazu beiträgt um sie kriegerisch und tapfer zu machen. Wo Landbau und Handel nicht getrieben, beschützt und gehoben werden, da fehlt einem Staat die rechte wie die linke Hand, sowohl welche einnimmt, als die welche ausgibt; denn alle anderen Quellen und Hilfsmittel erschöpfen sich mit der Zeit. Ganz ohne Fabriken ist dies Land denn aber doch nicht! In Brusa webt man recht hübsche Stoffe aus Seide und Baumwolle, manche mit Gold broschiert, andre wieder moiriert und satiniert, die auch in Europa getragen werden könnten, wenn man nicht dort Stoffe ganz von Seide für den nämlichen Preis hätte. Die berühmten Teppiche von Smyrna werden nicht in der Stadt selbst, sondern tiefer im Lande gewirkt, und sind denn freilich durch Dauerhaftigkeit und Schönheit auch den besten englischen weit überlegen, – der französischen und brüsseler gar nicht zu erwähnen. Auf dem Dampfschiff waren einige, und unter andern ein süperber in Besitz eines Paschas, welcher bis hierher mit uns gereist ist.

Der »Lodovico« hatte eine äußerst bunte und zahlreiche Gesellschaft in seinem nicht übergroßen Raum versammelt, mit der ich nach und nach Bekanntschaft machte. So viel verschiedene Menschen auf einem so engen Platz gedrängt habe ich nie gefunden, denn auf dem Donaudampfer bei meiner Abreise von Pest war zwar die Menschenanzahl viel größer, so groß daß sie vollkommen undurchdringlich und daher ungenießbar war. aber es waren lauter Ungarn und meistens Kaufleute, – hier aber alle Nationen, alle Religionen, alle Stände durcheinander gemischt: ein Derwisch und ein Franziskaner, ein würtembergischer Pfarrer und ein maronitischer Geistlicher vom Libanon, jener Hassan Pascha und drei Bauern, deutsche Kolonisten aus der Krim, die sich im Tal Josaphat bei Jerusalem ansiedeln wollen; ein französisches Ehepaar das eine wahre Pilgerreise nach Palästina zu machen scheint, denn es will nur die heiligen Orte besuchen, und ein Ehepaar das seine Honigmonate in der großen arabischen Wüste verbringen will, dann noch mehr Engländer, Deutsche, auch ein Schwede – Clärchen, es war unerhört amüsant! – Die Damenkabine war eine kleine, finstre unbequeme Höhle, mit einem einzigen handgroßen Licht- und Luftloch. Zum Glück teilte ich sie nur mit der Engländerin, die wie ich des Reisens gewohnt, folglich auf Unbequemlichkeiten gefaßt war, und auch wie ich friedlich ihr Lager suchte, sobald sich das Dampfschiff in Bewegung setzte. Da verhielten wir uns denn ganz still, obgleich es auf der vierzigstündigen Fahrt von Rhodos nach Zypern wirklich qualvoll war da unten auszuharren, und ärgerten uns ein wenig über die Französin, die täglich drei Mal, zum Frühstück, zum Diner und zum Tee, vor dem Spiegel unsrer Kabine Haube und Mantille zurecht rückte, uns dabei von ihren Kopfschmerzen, ihrem Schnupfen, ihrem fieberhaften Zustand erzählte, und nach vollendeter Toilette in den Salon ging um dort mit großem Appetit zu essen.

Der Pascha war in andrer Art ein höchst lästiger Reisegefährte. Auf dem ohnehin schon engen Raum, der auf dem Verdeck für die Inhaber des ersten Platzes übrig blieb, standen und liefen immer ein halbes Dutzend seiner schmutzigen, zerlumpten Sklaven um ihn herum, Pfeifenstopfer, Pfeifenträger, Pfeifenbringer – was weiß ich für Gesindel, dem die nackten Beine in zerrissenen Pantoffeln steckten und der Ellbogen aus dem zerrissenen Rockärmel sah. Hatte jemand etwas in Händen, das dem Pascha auffiel, ein Opernglas z. B. oder ein Fernrohr: so winkte er einem Sklaven, und der Sklav nahm sofort Opernglas oder was es war, aus den Händen des Besitzers und reichte es seinem Herrn. Der besah und versuchte es, und gab es, wenn er dessen überdrüssig war, dem Sklaven – dieser es dem Besitzer zurück. Diese Art zu sein fanden einige allerliebst naiv, kindlich; ich fand sie nur grob, denn er benahm sich als sei er Herr und Gebieter des Schiffes, und seine stupiden Sklaven machten einmal die Engländerin aufstehen, um seinen Teppich grade auf ihrem Platz im Schatten auszubreiten. Einmal gab es eine Szene. Einer von seinen Leuten hatte den Maschinisten geschlagen und der äußerst nachsichtige Kapitän begehrte diesmal Genugtuung, sonst würde er den Sklaven auf der erstenbesten Klippe aussetzen: dergleichen dürfe nicht statt finden. Das begriff denn doch der Pascha. Er ließ den Sünder kommen und neben seinem Teppich niederknien, riß ihn beim Kopf herunter und züchtigte ihn mit der Hand, dann mit seinem Pantoffel, wie man Kinder züchtigt. Als er ihn darauf mit dem Fernrohr bearbeiten wollte, sprang der Derwisch hinzu und zog den heulenden Sklaven fort, der ganz wie ein ungezogenes Kind heulte, und der Pascha griff wieder zu seinem Tschibuk. Wie roh, wie brutal das alles war, kann ich gar nicht genug sagen, und ich würde es überhaupt nicht erwähnt haben, wenn es nicht zur türkischen Sittenschilderung gehörte.

Die drei schwäbischen Bauern, welche sich während der ganzen Fahrt nicht von ihrem Deckplatz bewegten, haben eine recht merkwürdige Geschichte. Wie das die Würtemberger viel tun, so wanderten auch sie vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren mit anderen Landsleuten aus, und zwar nach dem südlichen Rußland, wo sie sich im Schutz der Regierung ansiedelten, einen vortrefflichen einträglichen Boden bebauten, nicht mehr als achtzehn Kreuzer per Mann Abgabe zahlten, und sich ganz zufrieden fühlten. Ihre Kolonie wuchs zu einigen hundert Seelen an. Sie sind Protestanten. Jetzt scheinen religiöse Streitigkeiten unter ihnen ausgebrochen zu sein, denn es entstanden Separatisten, und unter diesen bildete sich der Glaube aus: die Zeit der Erfüllung einer apokalyptischen Verheißung sei da; Christus werde auf die Erde kommen, tausend Jahre in Wonne und Frieden die Welt regieren, und im Tal Josaphat die Seinen ganz besonders nah und begnadigend um sich versammeln; – und sie, seine Getreuen, müßten dahin und seine Ankunft erwarten. So wollten sie denn zuerst alle auf einmal auf und davon ziehen, bis sie denn den vernünftigen Vorstellungen von seiten der Regierung insofern Gehör gaben, daß sie nicht blindlings mit Weib und Kind ins Tal Josaphat, d. h. ins Elend gingen, sondern zuvor drei Abgeordnete erst nach Konstantinopel und dann nach Palästina schickten um sich von der Möglichkeit ihres Vorhabens an Ort und Stelle und mit Autorisation der türkischen Regierung zu überzeugen; – und jene Bauern im schwäbischen Wams, mit dem breitkrämpigen schwarzwälder Hut und der breiten alemannischen Sprache, waren nun eben die drei Abgeordneten. Zu dem Bruder des würtembergischen Pfarrers hatten sie Vertrauen gefaßt und ihm erzählt was ich Dir hier wieder erzähle. Auf seine Frage, woher denn grade sie wüßten, daß Christus auf die Erde kommen würde? ist die Antwort gewesen: Einigen unter ihnen hätte es das Herz gesagt. – Und auf diese Aussage hohler exaltierter Köpfe baute eine ganze Gemeinde fest genug um ihre ruhige zufriedene Gegenwart einer idealischen Zukunft zu opfern!

Nachdem wir Freitag abend sechs Uhr aus Smyrna fort- und die Nacht hindurch gegangen waren, lagen wir vierundzwanzig Stunden in der Bucht von Tschesme, der Insel Chios gegenüber, vor Anker, nachdem der Kapitän einen vergeblichen Versuch gemacht hatte ins Meer hinaus zu gehen. Der Wind war so stark und so ganz konträr, daß das Schiff so gut wie gar nicht von der Stelle kam, und daß er fürchtete seinen Kohlenvorrat zu verbrauchen ohne Rhodos zu erreichen. Das Städtchen Tschesme liegt unansehnlich zwischen dem Gestade und kahlen zerklüfteten Bergen; aber seiner Bucht gegenüber liegt die reizende Insel Chios, in der Morgenbeleuchtung mit silbernen Bergen – mittags mit goldroten und abends mit violetten geschmückt, deren Linien zugleich sanft und bestimmt ganz von ionischer Schönheit sind. Wie eine Wunderblume oder eine kostbare Muschel schwamm das reizende Eiland auf den Wellen, und durch ein Fernrohr sah man seine Häuser und Gärten. Vor zwanzig Jahren, beim Aufstand Griechenlands gegen die Pforte, haben die Türken hier Grausamkeiten und Metzeleien verübt, deren Spuren noch nicht vertilgt sein sollen; aber so aus der Ferne sieht man nur die Schönheit, die Gott ihr gegeben hat – wie man bei einem lieblichen Antlitz auch nicht gleich die Schmerzen gewahr wird, die im Herzen wohnen mögen.

Ein tiefblauer wolkenloser Himmel breitete sich über Rhodos aus, als wir uns am Morgen des zweiten Oktober auf dem Verdeck zusammendrängten um die altberühmte Insel so früh wie möglich zu sehen, die eines der Wunder der Welt trug. Rhodos heißt auf griechisch die Rose, und Rhodos hieß die holde Tochter der Aphrodite, welche Phöbus hier auf dem Atabyrisberge sah und ihr seine Liebe schenkte; so lautet die Sage, welche die Insel zur Lieblingsstätte des Sonnengottes heiligte. Seine Statue war es, die man in Erz achtzig Ellen hoch goß und über dem Hafen aufstellte, ihm zu Ehren und Dank, nachdem Demetrius der Städtebezwinger im Jahr 282 vor Christi Geburt Rhodos belagert und nicht bezwungen hatte. Erdbeben, von denen diese herrlichen Himmelsstriche so viel zu leiden haben, stürzten dies Weltwunder, aber als die Araber 672 nach Christus die Insel eroberten, sollen dessen Trümmer noch 9.000 Zentner gewogen haben. – Die Stadt steigt amphitheatralisch am Ufer auf und verläuft in eine weite, reichbebaute Ebene. Ihre Mauern und Türme geben ihr ein behelmtes Ansehen, und einzelne Palmen wehen wie Friedensfahnen über dem ritterlichen Krieger, der hier noch in voller Rüstung auf der Totenbahre zu liegen scheint. Der Atabyris dominiert die ganze Insel, die von der heißen Sonne in farbige Glut getaucht war. Sie sah wunderprächtig aus!

Wir streiften kreuz und quer durch die Stadt, kamen durch lange überwölbte Gänge, deren ehemalige Bestimmung man nicht mehr erraten kann; ließen uns die St. Johanneskirche aufschließen, die jetzt eine Moschee wüsten Ansehens ist, auf deren Wänden man halb ausgekratztes christliches Bildwerk erkennt; besahen die Tore, über deren einem in einer kleinen Nische ein vergessenes Heiligenbild steht – ob die heilige Jungfrau, ob St. Johannes, konnte ich nicht erkennen; bestiegen den crenelierten Turm am Hafen, von dem man die Insel und das Meer weit überschaut; – und gerieten zuletzt auch noch auf den Bazar. Der ist echt türkisch und daher sehr unlieblich; aber, Clärchen, ich entdeckte dort etwas, das mich entzückte, etwas wonach ich schon in Konstantinopel umsonst geschmachtet hatte: Feigen! Ganz winzig kleine grüne Feigen, nicht größer als unsre Pflaumen. Der Dragoman suchte ungefähr drei Dutzend der allerbesten aus, und bezahlte dafür zwanzig Para, einen Silbergroschen! Und zuletzt sagte der Verkäufer wir dürften nehmen so viel wir möchten, immer noch auf Rechnung der zwanzig Para. Jede Feige war gleichsam ein kleiner Löffel voll Feigenkompott. Nun kenne ich ihre eigentliche Vollkommenheit, wie ich die der Orange in Cadiz kennen gelernt habe. Die Trauben schienen ebenfalls sehr gut zu sein, und die Obsthändler machten Glück, denn für Leute die von einem Schiff kommen, haben frische Früchte etwas ganz besonders Erquickendes.

Sehr befriedigt von meinem kurzen Besuch in Rhodos, kamen wir um zwei Uhr mittags auf unseren Lodovico zurück, und gingen mit sehr starkem aber günstigem Winde fort, so daß während der vierundzwanzigstündigen Fahrt nach Zypern die Segel immer aufgezogen blieben. Meine Engländerin und ich wir rührten uns nicht in unsrer Kabine. Du kannst Dir vorstellen wie froh wir waren als wir am vierten mit Sonnenaufgang die Nachricht empfingen, man sähe Zypern. Um neun Uhr lagen wir auf der Reede von Larnaka an der südöstlichen Küste vor Anker. Wie Rhodos dem Apollo geheiligt war, und Samos der Juno, die ihre Kindheit darauf verlebte, so ist Zypern die Insel der Venus. In den Tempeln von Paphos feierte man die Göttin und Amathus gab ihr einen ihrer Namen, denn an diese Ufer trugen sie die Wellen, als sie diese Perle der höchsten Schönheit geboren hatten. Der Liebreiz, welchen man sich untrennbar von der Lieblingsstätte der Venus denkt, ist aber mit ihren Tempeln und Hainen verschwunden. Die Landschaft besteht aus weißem kalkigen Erdboden, auf dem der Kaktus wuchert und die Palme gedeiht. Sie gibt durchaus den Eindruck des Südens: Himmel und Meer so unzerstörbar blau, der Boden so blendend weiß; das Auge birgt sich ganz scheu unter der Wimper, vor all dem schattenlosen Glanz.

Bei la Scala landeten wir. La Scala heißt überall der Aus- und Einschiffungsort, möge er sich in der Stadt selbst befinden, wie in Konstantinopel, oder ein Örtchen für sich bilden, wie auf Zypern. Von dort gingen wir vielleicht eine halbe Stunde bis Larnaka, hier an einer wunderschönen Palme vorbei, dort an einem Gemäuer, das zur Zeit der Venetianer ein Wartturm gewesen sein mag, da an einer Lehmhütte, die wie ein viereckiger Kasten aussieht, und deren Hof mit einer Kaktushecke umgeben ist. Langsam, als ob Gebäude sich in Bewegung setzten, ziehen bepackte Kamele über eine Hügelreihe ins Innere der Insel, und ihre unschöne Form sieht wahrhaft mißgestaltet aus, wenn sie an einer herrlichen Palme vorüber schreiten. In Larnaka gibt es ein griechisches und ein lateinisches Kloster, unter dieser altertümlichen, byzantinischen Benennung begreift man hier zu Lande die katholischen Klöster. Wir gingen in letzteres, weil dort eine neue Kirche gebaut wird, und fanden Franziskaner von der Terra santa darin, die gerade das Fest ihres Schutzpatrones und Ordensstifters durch ein Mittagsmahl feierten, zu dem sie die Konsuln eingeladen hatten. Sie bewirteten uns gastfrei im Vorhof mit Wein, Bisquits und frischem Wasser, und der alte ehrwürdige Pater Guardian machte Entschuldigungen daß er nicht die ganze Gesellschaft einlade; aber das Kloster hat strenge Klausur und somit heißt es: »Ma non le donne.«

In einem Kaffeehause von la Scala saßen wir hernach noch lange, tranken Limonade und Kaffee, und die Herren spielten Billard. Viele Neugierige kamen um die Fremden zu sehen, und unter anderen auch ein europäisch gekleideter Mann, der, als er deutsch reden hörte, sich als einen wenigstens Halbdeutschen zu erkennen gab. Aus dem russischen Litauen war er, hatte im Jahr 1831 revolutionieren helfen, und war endlich nach allerlei bunten Schicksalen, zu denen auch eine Gattin in Spanien gehörte, Militärarzt auf Zypern geworden. Ist es nicht höchst ergötzlich gegen das russische Regiment zu revolutionieren um sich unter das türkische zu begeben? Er lobte sehr das leichte und gute Leben mit den braven Türken. Wir fragten nach diesem und jenem, und am Ende kam es denn so heraus: man wird gut bezahlt, man hat Sklaven und Sklavinnen, keiner kümmert sich um den andern, man braucht wenig zu tun und noch weniger zu wissen, kommt man in Zwiespalt oder Meinungsverschiedenheit mit einem höheren Beamten oder überhaupt einem Türken, so muß man ihm in Worten immer Recht geben, immer Recht! dann darf man hintendrein ruhig tun wozu man Lust hat: ist das nicht ein leichtes Leben? – Wir wünschten ihm es noch recht lange und fröhlich zu genießen, und kehrten um vier Uhr an Bord zurück – zum letzten Mal, denn gestern früh um halb sieben Uhr kamen wir hier an.

Liebes Clärchen, hier ist die Hitze so groß, wenigstens für uns Fremdlinge und in Herrn Batistas sehr unkomfortablem Gasthof, daß man erst gegen Sonnenuntergang das Zimmer verlassen mag, und den Tag so unbeweglich und so leicht gekleidet wie möglich hinzubringen sucht Da habe ich also Zeit vollauf, und bin recht froh die Reise so ausführlich beschrieben zu haben, denn sie verdient alles Interesse und eine lange Erinnerung umsomehr, da meines Bleibens nur ganz pilgerhaft flüchtig auf ihren Ruhepunkten war.


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