Ida von Hahn-Hahn
Orientalische Briefe
Ida von Hahn-Hahn

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16. An Gräfin Schönburg-Wechselburg

Damaskus, Sonnabend, Oktober 14, 1843

Meine liebe Herzens Emy, ich komme ja gar nicht dazu Ihnen zu schreiben! Bis jetzt auf der ganzen Reise einen einzigen Brief! Ich denke immer: es ist für Euch alle, gleichviel an wen adressiert; – heute indessen will ich mich einmal an Sie richten. Gott, was hab ich alles zu erzählen! Ich bin in Damaskus. So fern von der Heimat bin ich noch nie gewesen; Libanon und Antilibanon liegen zwischen mir und dem großen weiten Meer, das mich von Europa abschneidet. Ach, und Damaskus ist gar nicht so »paradiesduftend«, wie die ekstatischen Dichter der alten Omajaden es besungen, und wie die reisenden Europäer es ihnen respektvoll nachgesprochen haben. Aber ich will beim Anfang anfangen, nämlich bei unserm Ausritt aus Beirut, der Montag den 9. um 10 Uhr morgens stattfand. Da müssen sie vor allem die Bekanntschaft eines Mannes machen, der auf der ganzen Reise für ihre materiellen Interessen unser Faktotum sein wird. Es ist unser Dragoman, ein Zypriote, namens Giorgio, der uns in Konstantinopel aufs beste empfohlen wurde, und der unberufen! ein höchst brauchbarer und tüchtiger Mensch ist. Bei dem Wort Dragoman müssen sie nur nicht an die höchst wichtigen und zum Teil vornehmen Leute denken, welche als Dragoman bei den europäischen Gesandtschaften angestellt sind, oder gar an den sogenannten Pforten-Dolmetsch, durch den wenigstens in früherer Zeit alle Staatsgeschäfte mit dem Ausland gemacht wurden, weil niemand außer ihm, der gewöhnlich ein Renegat war, eine abendländische Sprache verstand. Giorgio ist nicht mehr noch weniger als das, was man bei uns einen Kurier nennt, ein Diener der alle Reiseanordnungen zu machen hat; weil aber diese Leute bei der orientalischen Reise türkisch, arabisch, griechisch, außer französisch und italienisch, fertig sprechen müssen: so nennt man auch sie in Konstantinopel Dragomane. Da er die Reise mehrmals gemacht hat, so kennt er alle ihre Erfordernisse und hat uns mit ihnen ausgerüstet. Sie sind groß. Zwei Zelte, Matratzen mit Zubehör, ein Tisch und zwei Stühle, Koch-, Speise-, Wasch- und Kaffeegeschirr, Servietten und Handtücher, Leuchter, Licht und Laterne, Lebensmittel von Reis, Makaroni, Tee, Schokolade, Kaffee, Zitronen und Zucker: das hat er nach und nach angeschafft. Ein paar kleine Mantelsäcke dazu, und wir hatten Gepäck für drei Pferde. Das Klügste was ich seit langer Zeit getan, ist daß ich aus Konstantinopel meine gezierte Kammerjungfer zurückschickte, weil dergleichen Leute nicht für den Libanon und die Wüste taugen; und daß ich mir in Wien einen vollständigen, nicht Männer- aber Knabenanzug machen ließ, ein costume de gamin von größter Einfachheit, Bluse und Pantalon von staubfarbenem Wollenstoff, rot und weiß gestreifte Hemden, runder Strohhut, geknöpfte Schuhe von coutil – ganz namenlos bequem für diese Reise, wo man im Zelt also in Kleidern schläft, und sehr steile und steinige Wege zu Fuß bergauf oder bergab macht. Das lange Reitkleid und unser gewöhnliches Kleid sind beide vollkommen unpraktisch, und mein Anzug, den ein brauner Burnus bei Regenwetter vervollständigt, ist durch und durch empfehlenswert. – Es war ein tumultuarischer Morgen an dem wir uns in Bewegung setzten, denn mit uns zugleich verließen vier Franzosen den Gasthof um nach Jerusalem zu gehen. Deren zwölf Pferde und unsere sieben, die Diener, das Gepäck aller Art, sperrten weithin den kleinen Platz an dem das Haus liegt, und es gab ein Geschrei, ein Gezänk, ein Rufen, Befehlen und Widersprechen, wie man sich keine Vorstellung davon machen kann. Die Maultiertreiber wollten die Bagage anderes verteilen als der Dragoman; dies Pferd sollte geschont werden; jenes war stark. Man packte; dann saß nicht alles fest und paßte nicht genau – man packte wieder ab. Mir war das höchst gleichgültig. Die erste Tagesreise von sechs Stunden war so klein, daß sie keinen frühen Aufbruch erforderte. Endlich kam es doch so weit. Die Packpferde eröffneten den Zug, und der Seïs (Anführer der Maultiertreiber) ritt zuweilen auf dem einen, während zwei Knechte immer nebenher gingen. Dann folgte Giorgio um Pferde und Knechte beständig anzutreiben und zu ermuntern; dann ich, dann Bystram; und ein Bedienter machte den Schluß. Diese Reihenfolge wurde selten gestört, teils weil die Pferde gewohnt sind hinter einander zu gehen und neben einander sich gar nicht zum Fortschreiten entschließen möchten; teils weil die Wege übers Gebirg die allerschmalsten Fußsteige von der Welt sind. Anfangs, aber immer schon steigend, ritten wir zwischen den monströsen Kaktushecken fort, welche die Campagnen umgeben, dann durch Öl- und Maulbeerpflanzungen, neben denen die Akazie mit kleinen goldenen Blüten, rund und weich wie Bälle, köstlich duftet. In Töpfen hat man sie bei uns im Gewächshaus; hier wird sie ein Gesträuch von der Höhe unseres Hollunders. Aber wir bleiben nicht in dieser südlichen Region; wir steigen und steigen die ungebahntesten Wege auf denen man je geritten ist, immer über Geröll von Steinen empor; manche sind faustgroße rollende Kiesel, andre sind Blöcke. Einen ebenen Platz groß genug um seinen Fuß fest und unbesorgt hinzustellen, findet das arme Pferd auf dem ganzen Weg über den Libanon nicht. Aber es ist daran gewöhnt und unglaublich geschickt. Es prüft ein wenig, und tritt dann vorsichtig wie eine Katze vorwärts; nie ist das meine gestolpert! Daher hat der Reisende nichts zu fürchten. Bequem ist dies steile Klettern natürlich nicht, aber ganz sicher.

Der Libanon hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit den Alpen und Pyrenäen, hat nicht ihre grünen Wiesenabhänge, nicht ihre ewigen ungeheuren Schneegefilde, nicht ihre donnernden Katarakte, nicht ihre scharfaufschießenden Spitzen, ihre gleichsam kristallisierten Gipfel, mit denen sie wie mit Adlerhäuptern hoch über den Wolken hinab auf die Erde blicken. Es ist kein Granit-, sondern ein Kalkgebirge, und obgleich seine höchsten Punkte, wie der Djebel Makmel zum Beispiel sich zu 9.000 Fuß erheben sollen, so verändert das doch nicht seine Formation, denn er besteht aus langgezogenen, gewellten und zerklüfteten Rücken über welche jene einzelnen Höhen sich in großen Kuppen immer rundlich, nie zugespitzt, erheben. Die Wasser haben recht ihr Spiel in der Kalkformation getrieben, und sie durchspült, zerwaschen, dann sie verlassen; darum hat der Libanon etwas ungemein Starres, nicht die Frische, die Erquickung, welche einem in den Alpen mit den Quellen entgegen rieselt, mit den Wiesen anweht. Doch öde ist er nicht, obgleich ihm der natürliche Schmuck wilder Vegetation fehlt. Die Maroniten, dies fleißige Völklein, das christlich ist und im Libanon sich angesiedelt hat, bebaut ihn mit Getreidefeldern und Weingärten, mit Dörfern und Klöstern – vorzugsweise seinen westlichen, dem Meere zugewandten Abhang, der bei weitem der schönere ist. Es war gar hübsch wie wir auf unserm ungebahnten barbarischen Wege dahin zogen, dennoch in einer Schlucht tief unter uns ein stilles Dorf mit seinen grünen Feigenbäumen zu sehen oder auf fernen Felsen ein Kirchlein im Schirm einiger Palmen oder über uns, von Stein zu Stein springend und genügsam ein mageres Futter suchend, eine Herde von munteren Ziegen mit langen schwarzen Haaren. Auch großen Zügen von Eseln und Maultieren begegneten wir, denn Beirut ist der Hafen von Damaskus. Alle Erzeugnisse Persiens und des tieferen Orients, die Europa brauchen kann, gehen über Damaskus nach Beirut, und die europäischen gehen umgekehrt wieder nach Persien, nach Bagdad, etc. über Damaskus.

Die Dorfbewohner, denen wir begegneten, grüßten uns freundlich, die Weiber indem sie die Hand auf die Brust legten, die Männer auf Brust und Stirn. Die Weiber haben allerdings einen gültigen Grund um ihre Stirn nicht zu berühren: sie können es nicht! Denn der greulichste Kopfputz, den je ein entarteter Geschmack ersonnen hat, erhebt sich über ihrer Stirn in Gestalt eines ellenhohen, schief nach vorn geneigten, hölzernen Kegels. Diesen schweren Turm befestigen sie mit ungeheuren Schmerzen durch eine hölzerne Feder am Kopf, werfen dann ihren dunkelblauen Schleier über, binden ihn mit einem Bande oder Riemen an den Turm, den Kegel, das Horn – ich habe keinen Ausdruck für diese Maschine! – und fühlen sich befriedigt der Mode genug tun zu können. Der starke Druck der Feder soll dermaßen heftige Schmerzen machen, daß manche Weiber mit ihrem Kegel auf dem Kopfe schlafen, weil sie nicht ertragen könnten ihn wieder anzulegen nachdem sie ihn einmal abgenommen; sie tragen ihn immer um sich desto früher an den Schmerz zu gewöhnen. Nur die Frauen sind mit dieser Ehrenkrone geschmückt, die Mädchen nicht. Außer dem dunkelblauen Schleier, der die ganze Gestalt vermummt, tragen sie ein blaues oder weißes Kleid und weite weiße Pantalons – alles von dünnem, groben Baumwollenzeug. Die Männer sehen besser aus, der große Turban, die faltenreichen Beinkleider, die bunten Jacken mit den aufgeschlitzten, herabhängenden Ärmeln, bilden ein sehr malerisches Kostüm. Hie und da arbeitete einer in seinem Garten. Neben den Feldern war immer gleich die Dreschtenne angelegt: ein runder Platz, von Steinen gereinigt, und der Boden festgestampft. Auf der einen wurde gedroschen, und zwar mit einem Dreschschlitten, was lustig genug aussah. Vor eine plumpe Schleife wird ein Pferd gespannt, ein Mensch stellt sich darauf und fährt im Kreise auf der mit Getreide belegten Tenne so lange herum, bis das Korn aus den Ähren heraus ist.

Die erste kleine Tagesreise, die um ein Viertel nach 4 Uhr bei dem Khan Husseyn beschlossen wurde, war bei weitem die interessanteste, weil sie zugleich die Kultur des Libanon zeigte, und seine Schönheit hervorhob. Seine Schönheit sind seine Farben im Kontrast zu den Farben des Meeres. Der nackte kahle Stein taucht sich förmlich in die Sonnenstrahlen, und hüllt sich, besonders morgens und abends, in ein Rosenrot, in einen golddurchwebten Purpur, in ein tiefes zartes Violett, für die noch kein Maler den Pinsel gefunden, und die sich wie ein Regenbogen lieblich über das starre Gebirge legten und seine Härte milderten, während das Meer tief unten in größeren und kleineren Ausschnitten bei jeder Wendung sichtbar, und stets in seinem ruhigen himmlischen Blau blieb.

Ein Khan ist eine Herberge, ein kleines niedriges aus Steinen roh zusammengesetztes Gebäude, das weder Tür noch Fenster, sondern für Licht und Luft, Menschen und Vieh, einen von rohen Bogen und Pfeilern gebildeten Eingang hat. Gewöhnlich ist ein Brunnen oder ein Quell in der Nähe. Außer dem Obdach findet man in einem gutversorgten Khan Kaffee, Hühner und Eier; in einem schlechten nichts. Da alle Maultierzüge bei diesen Khans rasten, und die Treiber in ihnen: so muß der Aufenthalt darin etwas unlieblich sein. Wer sein Zelt hat, schlägt es hundert Schritt davon auf, und laßt sich nur die nötigen Lebensmittel vom Wirt geben. Unser Zelt, ein großes, grünes, von doppelter Leinwand mit Ölfarbe angestrichen und mit eingesetzten Wänden, ist schnell aufgeschlagen und eingerichtet. Dann ersteht das graue, gewöhnliche für die Leute, und dann wird das Diner besorgt, das den einen Tag aus Hühnern mit Reis und den andern aus Hühnern mit Makaroni bestand. Giorgio schlug mehr Speisen vor, und wünschte sehr sich mit Omelette und Kotelett als geschickter Koch zu zeigen; wir haben es ihm hier in Damaskus gestattet, aber während der Reise selbst ist es ja eine Plage das Küchendepartement über die Notwendigkeit auszudehnen. Ich für meine Person würde wo es auch sei, immer am liebsten eine Mittagsmahlzeit von einer Speise, wie die Bauern, halten; aber diesen gemeinen Geschmack darf ich wohl kaum aussprechen, und nur in der wilden Wüste auf der Pilgerfahrt befriedigen. Bis Huhn und Reis gekocht sind mache ich meine Toilette, und ungefähr anderthalb Stunden nach unserer Ankunft wird zu Mittag gegessen. Später kommt der Tee. Der Schlaf kommt denn wohl auch am Ende! Aber die Nächte sind der am wenigsten angenehme Moment. Es ist bitterlich kalt in den Bergen sobald nicht die Sonne am Himmel steht und trotz Kleider und Decken, und obgleich das Zelt außerordentlich gut verwahrt ist, fühlt man doch immer den schaurigen Luftzug der Nacht. Von quälenden Insekten ist man hingegen gänzlich frei, und das ist eine namenlose Wohltat. Mit Tagesanbruch verläßt man das nicht sehr üppige Lager, das aus einer Strohmatte, einem dicken Teppich, Matratze und Kopfkissen – nach Landessitte mit Baumwolle statt mit Roßhaar gepolstert – Rehhaut und wattierter Decke besteht, – und dann kommt ein fataler Augenblick- während man eine Tasse schwarzen Kaffee trinkt, wird einem das Zelt über dem Kopf abgebrochen, und man sitzt in der kalten Morgenluft. Ein- und Auspacken dauert ungefähr eine Stunde, die unbehaglichste des ganzen Tages. Unsre Feldstühle sind das Letzte, was auf- und das Erste was abgeladen wird. Gegen sieben Uhr geschieht immer unser Aufbruch, und dann ist von unsrer Lagerstätte keine andre Spur, als der kleine schwarze von Steinen umgebene Aschenhaufen, der Giorgios Kochherd gewesen ist. Aber sie sehen, Herzens Emy, ich habe ein Haus und eine vollständige Einrichtung, denn wie es am ersten Nachtlager beim Khan Husseyn zuging, so wird es auf der ganzen syrischen Reise sein. Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben mein eigenes Haus, und das ist das Haus der Beduinen: ein Zelt.

Am Morgen des 10. war es prächtig schön beim Khan Husseyn, denn diese Beleuchtung war dem Bilde vorteilhafter als die abendliche. Durch einen tiefen Ausschnitt in den Bergen sahen wir den ganzen Vorsprung, auf dem Beirut liegt mit seinen freundlichen Gärten und Campagnen aus dem Meer auftauchen. Der Hafen mit den Schiffen war zu erkennen; eines zog mit fliegenden Segeln hinaus, und ein anderes war schon so weit in der See, daß man nur jene noch erkannte, so daß es auf weißen Schwingen, wie ein Geisterschiff in den Himmel hinein zu schweben schien. Rund um uns her lag eine in Trümmer zerbröckelte Felsenwelt, auf einem fernen Bergabhang ein Dorf, noch im Schatten der Dämmerung; aber über demselben, auf einem höheren Berge, bereits von der Morgensonne bestrahlt, ein großes Kloster, und während die Sonne rasch über das Gebirg empor stieg, stieg der bleiche Mond, duftig wie eine Seifenblase, langsam und zögernd wie ein Traum am Horizont herab. Hätte ich immer ein solches Bild vor mir, so würde ich mich während der Aufpackstunde nicht langweilen. Um 7 Uhr brachen wir auf und erreichten um 9 Uhr, auf sehr schlechten Wegen, die Höhe des Passes. Von nun an ging es bergab und wir verloren das göttliche Meer aus den Augen. Der Blick auf den Antilibanon und in das Tal der Bekaa, welches beide Gebirgszüge trennt, entschädigte uns keineswegs, denn er ist unbebaut und unbewohnt und noch weniger scharf gezogen als der Libanon, und die Bekaa, ein höchst fruchtbares Ackerland, das den besten Boden besitzt, ist in dieser Jahreszeit durch den Sommer ausgedörrt, und wartet auf die herbstlichen Regen, um zu ergrünen. Ist das Erdreich durch den Regen befruchtet, so wird der Acker leicht und oberflächlich bestellt. Im Frühling ist das Getreide reif, wird geerntet, und dann nimmt der Boden wieder den Charakter eines verdörrten Weidelandes an: so wie wir ihn gesehen haben. Sprechen Reisende von der paradiesischen Bekaa, so haben sie vermutlich im Frühling sie gesehen. Gewiß ist es aber, daß dieses Tal eines der herrlichsten der Erde, reich wie die Ebene der Lombardei, wie die Vega von Valencia und Granada sein könnte, wenn man ihm die Sorgfalt und Pflege widmete, welche jenem zuteil werden, denn es hat Wasser vollauf: den Leontes, einen großen Wiesenfluß, der in der Bekaa selbst aus einem kleinen See entspringt, das ganze Tal durchläuft und später oberhalb von Tyrus im Meer fällt. Man könnte ihn herrlich zu Irrigationen benutzen und die Bekaa in den üppigsten Garten verwandeln. Allein das Volk ist so mäßig, daß seine Bedürfnisse durch geringere Mühe reichlich befriedigt werden, und die Regierung denkt nur daran, Menschen und Land auszusaugen, aber nicht im geringsten an die Vermehrung der einen, und die Verbesserung des andern. Ach, liebes Herz, wäre das türkische Regiment ein zuverlässiges, ich meine ein solches, das Ordnung halten könnte in seinem eigenen Reich: dann ein paar tausend tüchtige, fleißige, arbeitgewohnte, brave deutsche Hände hieher zu schaffen, statt nach dem unseligen Amerika, das könnte etwas Gutes werden. Aber nun ist keine Zuverlässigkeit, und machte einmal ein Beduinenstamm eine Invasion, so würden die türkischen Firmans so wenig als türkische Soldaten unsre Kolonisten schützen.

Nun, wir zogen bergab auf sehr schlechten Wegen. Die Pferde mußten wie Lämmer hüpfen, wie Seiltänzer balancieren, und sie taten es mit der größten Geschicklichkeit – die guten Tiere! Man wird aber doch tüchtig durchgeschüttelt von solchem Ritte. Wie kleine Oasen sind hie und da Pflanzungen von Obstbäumen, Bouquets von Pappeln und Weiden, in die Ebene, neben ein Dorf gestreut; es sind jedoch stets nur geringe grüne Flecke im Vergleich zu der Ausdehnung des Tals, und Silberpappel und Weide sind auch nicht sehr erfreuliche Bäume, indessen freut man sich dennoch an dem frischen Grün, besonders bei der Mühle von Sachle, wo wir um halb zwei Uhr Halt machten, und ein wenig frühstückten. Jene Bäume und das kleine Bächlein, das die Mühle in Bewegung setzte, machten einen ganz europäischen Eindruck. Die Menschen nicht. Hier sind es nicht mehr Maroniten, wenigstens nicht diese allein. Araber grüßten uns mit dem schönen: »Salám aleikum!« – Friede mit dir –. Einige kamen neugierig, um zu sehen, wie mein Reisegefährte eine Zigarre mit dem Zündhölzchen ansteckte. Worte und Gebärden verrieten höchstes Erstaunen, besonders bei den Männern; den Weibern war die ganze Sache gleichgültiger. Bystram verschenkte einige Zigarren und vollzog das Wunder ihrer Entzündung bei denjenigen, die entweder den Ramadan nicht in seiner Strenge hielten, oder die nicht Mohammedaner waren. Sie verstanden aber nicht Zigarren zu rauchen, sprachen jedoch mit großem Wohlgefallen untereinander von »Habanna«, kannten zu meinem größten Erstaunen die Heimat der Zigarren dem Namen nach. Zuletzt kam ein prächtiger Mann geritten, der in seinem mächtigen weiß und schwarzen Turban, seiner feuerfarbenen Jacke, mit hängenden Ärmeln und enorm faltenreichen weißen Beinkleidern, recht wie ein Araberfürst aussah. Er hielt hoch und stolz zu Roß und blickte mit einem ernsten, dunkelbraunen, zerfurchten Gesicht auf uns herab. Es fiel mir ein ihn zu grüßen, weil er so majestätisch aussah, und zwar nach morgenländischer Sitte. Das mochte ihm schmeicheln, denn nun größte er mich, indem er sich etwas neigte und langsam die Hand auf die Brust und an die Stirne legte, mit einer zugleich würdevollen und huldigenden Ehrerbietung, wie ein Mann im schwarzen Frack mich nie gegrüßt hat. Die Zigarre, die Bystram ihm anbot, nahm und rauchte er sogleich, und als wir bald darauf aufbrachen, gab er uns das Geleit, ließ sein Pferd vor uns paradieren, das aber nicht sehr schön war, und ritt wohl eine halbe Stunde weit bis Kerak mit uns. Da wird Noahs Grab gezeigt, den die Mohammedaner in großen Ehren halten. Liegt etwas von der Arche in jenem unendlich langen schmalen steinernen Sarge, so ist es vermutlich ihr Mastbaum. Ein Gebäude, dessen oberes Ende zu einer Moschee eingerichtet ist, umschließt dieses wunderlichste der Gräber. Unser Araber blieb dort, und wir ritten weiter, bis wir um fünf Uhr bei dem Dorf Temnin ankamen, das schon ganz und gar in der Ebene liegt. Tief unten, am südlichen Ende derselben hebt sich der höchste Punkt des Libanon und Antilibanon aus der Kette hervor, der Djebel Scheikh. Er ist eine mächtig große, aber im Grunde formlose Masse, die sich nicht von ihren Nachbarn auszeichnet. Er soll es sein, der in der Bibel Hermon genannt wird. Ich war nun in dem alten Cölesyrien und höchst gespannt auf den morgenden Tag, der mich nach Balbek bringen sollte. Der Tag kam. Während des Aufpackens versammelten sich alle Weiber und Kinder von Temnin um mich, obgleich wir uns außerhalb des Dorfes gelagert hatten. Sie betrachteten mich mit unsäglicher Neugier, untersuchten meine zugeknöpften Schuhe und Handschuhe, baten mich letztere auszuziehen, und zeigten mir triumphierend ihre dunkelblau bemalten Hände, die ihnen unendlich viel besser gefielen. Die eine ergriff mein Lorgnon, die andere zog mir eine Haarnadel aus. Das wurde mir lästig und ich rief Giorgio, um sie fortzujagen, der auch sogleich seine kräftige Stimme zu einigen Donnerworten erhob. Aber sie wichen nicht zurück, und entgegneten ihm: es sei ihnen allzu kurios, eine fränkische Frau zu sehen. So ergab ich mich in mein Schicksal. Ab und an reisen denn doch Europäerinnen durch den Libanon, da man aber sein Zelt nach Gutdünken bald hier bald dort aufschlägt, so ist es wohl möglich, daß jene Weiber wirklich noch nicht in der Nähe eine fränkische Frau gesehen haben, und ich vergab ihnen ihre Neugier umso leichter, da ich sie ebenfalls höchst aufmerksam musterte. Denn ich will durchaus die orientalischen Schönheiten finden, welche uns die Keepsakes in so reizenden Stahlstichen vorführen, und die Dichter so anmutig mit Gazellenaugen und Gazellenbewegungen beschreiben. Bis jetzt habe ich außer in Smyrna keine gefunden. Der Gesichtsschnitt ist freilich ein ganz anderer als bei uns: die Züge sind viel schärfer und bestimmter; und eben dadurch kommt etwas Grobes und Hartes ins Antlitz, das sich namentlich um den Mund bis zum Tierischen steigert. Ich habe sie nie anders als freundlich gesehen; im Zorne müssen sie Megären gleichen. Höchst auffallend ist mir der Mangel an jungen Gesichtern; Kinder und alte Frauen! – die Mittelstufe fehlt ganz. Außer den bemalten Händen tätowieren sie den Busen, den sie im Gegensatz zu dem halbverhüllten Gesicht ganz entblößen, mit verschiedenen dunkelblauen Zeichnungen, unter denen mir ein Palmbaum in der Mitte des Busens und auf jeder Brust ein Stern, als eine beliebte auffiel. Die Verhüllung des Gesichts besteht im Gebirg nur darin, daß sie den Zipfel des Schleiers vor Männern oder auf der Straße über den Mund halten, was man als eine vielleicht unbewußte Koketterie betrachten darf, weil dadurch ihre Augen in Evidenz gesetzt werden, die groß und dunkel, und ganz besonders dunkel umkränzt sind mit fingerbreiten Augenbrauen, aber auch mit fingerlangen Wimpern. Nach meinem Geschmack sind diese Wimpern ihre einzige Schönheit. Den abscheulichen Kegel tragen nur die Maronitinnen.

Von Temnin ritten wir in fünf Stunden immer durch die unmerklich ansteigende Ebene, die von einem Ende zum andern ihren Charakter als baumloses, unbestelltes, höchst fruchtbares Ackerland behält, nach Balbek. Um 12 Uhr erreichten wir unsern Lagerplatz bei einer kleinen Wassermühle und einem Walnußbaum, ganz nah den Ruinen und mit der besten Aussicht auf die wundervollen sechs Säulen des Riesentempels, die wir schon seit anderthalb Stunden gesehen hatten. Hier also war die Stätte, wo der Gott der ältesten Völker des Orients, der Assyrer, Babylonier, Phönizier, der Gott des Lichtes, Baal, verehrt wurde. Die volle Mittagsbeleuchtung in der wir die Tempel zuerst sahen und besahen, war ihrer Schönheit nicht günstig. So viel Licht von oben und rings herum, drückt das Beleuchtete herab und zusammen, und sie kamen mir weniger majestätisch in der Nähe als in der Ferne vor. Aber je tiefer die Sonne sank, um desto größer wurden sie. Wir verbrachten natürlich den Tag in den Ruinen. Mohammedaner und Christen, Turkmanen, Seldschuken, Mongolen, und überdas die fürchterlichsten Erdbeben haben hier gehaust. Kaiser Theodosius hat den Sonnentempel in eine christliche Kirche verwandelt; Sarazenen haben seine Steine zum Bau einer Moschee verwendet; ein Fortifikations-Überbau mit Schießscharten erhebt sich über den Mauern des Riesentempels, Hügel von Trümmern, Berge von Schutt sind durch die Erdbeben überall zusammen gewühlt und aufgetürmt, und trotz dieser Verwüstungen prangen die Überbleibsel noch immer in unverwüstlicher Herrlichkeit. Im Dorf, und in einen Ziegenstall verwandelt, liegt ein kleiner Tempel der Vesta, rund wie man sie dieser Göttin widmete, und sehr überladen, der schwerfälligen Konstantinischen Zeit präludierend. Am andern Morgen eilte ich zu den Ruinen um die Sonne über ihnen aufgehen zu sehen, wie ich sie hatte untergehen sehen, und da begriff ich die Fabel von der klingenden Memnonssäule. Während der Zeit waren die Zelte unten am Bach verschwunden, die Pferde gesattelt und gepackt, – wir mußten fort. Ja, sagt' ich, Baal ist gefallen! Aber der echte Lichtgott lebt ewig in unseren Herzen, und lenkt sie wie die Sonne die kleine dunkle Erde lenkt.

Der Libanon ist von 80.000 Maroniten, der Antilibanon hauptsächlich von Drusen bewohnt die einst das ganze Gebirge erobert hatten. Die Drusen sind ein kleines geheimnisvolles Volk, von dem man wenig weiß, nur daß sie wild und kriegerisch, und weder Christen noch Mohammedaner sind. Ob Götzendiener, ob wirklich ohne alle Spur von Religion, wie einige meinen, weiß man nicht genau, denn sie halten sich außerordentlich fern von den Fremden. Oberhalb der Steinbrüche ritten wir in den Antilibanon hinein, anfangs am Bergabhang, mit dem Blick auf das mächtige weite Tal, das im Süden fürs Auge durch den Djebel Scheikh geschlossen wird, und im Norden mit Hügeln in die Ebene zu verlaufen scheint; dann, nach drei Stunden, schroff und steil über einen scharfen Bergrücken, auf dem der Pfad über rollendes Gestein im Zickzack laufend so unsicher schien, daß ich zum ersten Mal den eignen Füßen lieber, als denen des Pferdes mich anvertraute. Der Wüstencharakter beginnt; jenseits des Antilibanon erstreckt sich ja die große syrische Wüste, in der die Ruinen von Palmyra liegen, bis an den Euphrat. Durch die trockenen, steinigen Bette wilder Winterströme, ritten wir nach kurzer Rast weiter, immer aus einer Schlucht in die andere. Sie waren nicht ganz kahl, eine Eichenart, die aber nur ein Strauch wird und die man zu Färbereien braucht, gedeiht zwischen dem Gestein. Dieser Strauch, der heftige und scharfe Wind und die kühle Luft hatten etwas ganz Nördliches. Ich hätte mich leichter im Jura als im Antilibanon geglaubt, wenn wir nicht großen Trupps von Arabern begegnet wären, die sämtlich zu Pferd und bewaffnet, mit ihren großen Turbanen und in bunte Farben gekleidet, die öde und eintönige Gegend belebten und erheiterten. Sie ließen uns ruhig ziehen, ohne Feindseligkeit und ohne Gruß. Die Regierung hat in diesen Gegenden, um die Handelsverbindungen nicht zerreißen zu lassen, die Scheikhs – (d. h. die Alten, welche nach patriarchalischer Sitte noch immer die Oberhäupter jedes Stammes sind) – gezwungen eine solidarische Verantwortlichkeit aller Dörfer untereinander anzuerkennen, so daß sie alle zusammen Ersatz leisten müssen, wenn Reisende und Karavanen beraubt werden. Hier, wo sie feste Wohnsitze haben, in Dörfern vom Ertrag der Gärten und Felder leben, mögen der Regierung Mittel zu Gebot stehen um sie zu dieser Disziplin zu zwingen; und daher reist man hier ganz sicher. Aber den Beduinen, den Hirten- und Nomadenstämmen gegenüber fehlen jene Mittel, denn sie brechen ihre Zelte ab und ziehen in die Wüste wenn man sie zur Verantwortung zu ziehen versucht. Überdas haben die türkischen Soldaten eine solche Furcht vor den Beduinen, daß man, sobald man Bedeckung nötig hat, immer um die der Beduinen selbst beim Scheikh nachsuchen, oder – mit dürren Worten gesagt – seinen Schutz kaufen muß. Die Soldaten werden bei einer feindlichen Begegnung nicht Stand halten. Wir wünschten sehr, direkt von Damaskus nach Nazareth zu gehen und den großen Umweg zurück nach Beirut zu vermeiden; aber schon dort hörten wir, dazu sei es gegenwärtig im Innern des Landes viel zu unruhig, und auch hier wird es uns bestätigt. Der mächtige transjordanische Beduinenstamm der Gerasi hat Feindschaft mit seinen Nachbarn, und so würde man leicht zwischen zwei Feuer geraten. Von dem allen hatten wir bis jetzt nichts zu fürchten. Im Gegenteil! Wir wurden überall mit offenen Armen empfangen; ja, mit den alleroffensten, mit denen der Neugier. Als wir in das große Dorf Zebdani hineinritten, wo die Bewohner in Gruppen vor ihren Türen saßen um die Fasten des Ramadan durch Gespräche zu erheitern, schlugen sie uns dringend den kleinen freien Platz in der Mitte des Dorfes zur Lagerstätte vor, um uns so recht mit Bequemlichkeit samt unserm Tun und Treiben zu beobachten. Allein weder ihre eigene noch ihrer Häuser Nähe ist wünschenswert – wegen Ungeziefers – und wir ritten zum anderen Ende des Dorfes, wo wir auf den Trümmern einer kleinen Moschee am Ufer eines Nebenarmes des Barrada Halt machten.

Ich amüsierte mich sehr in Zebdani. Kaum waren wir, um halb fünf Uhr, vom Pferde gestiegen, so kam Scheikh Abdallah – (das Oberhaupt eines Nachbardorfes) – von der anderen Seite hereingezogen. Er selbst im dunkelroten Mantel und weißen Turban auf einem Kamel reitend, seine Begleiter zu Pferd: so rückte er ein, und wurde mit Ehrenbezeugungen, d. h. Flintenschüssen, von seiten der Männer – und mit gellendem Freudenruf von seiten der Weiber empfangen. Dieser eigentümliche tremulierende Jubelschrei heißt Zugarit, und ist durchdringender als eine Trompete. Zwanzig Schritt von unserem Zelt stand am Bach ein wüstes Kaffeehaus und vor demselben ein prächtiger Sykomorus, in dessen niedrigen Ästen man eine Art von Altan gebaut hat. Da schlug der Scheikh sein Nachtquartier auf. Es bestand darin, daß man einen superben Teppich auf den Boden breitete; das war zugleich sein Sitz und sein Lager. Des Ramadans wegen durfte er nach Sonnenuntergang erst essen und rauchen; so setzte er sich denn gelassen auf den Teppich und nahm vornehm weder von dem Volk noch von den Fremden Notiz. Als die Weiber sich müde gejauchzt hatten, wendeten sie ihre Aufmerksamkeit vom Scheikh ab und mir zu. Ich bin es aber gänzlich überdrüssig, immerfort meine Handschuhe aufknöpfen und ausziehen zu müssen – was sie unglaublich unterhält, mehr noch als mein Lorgnon; drum ging ich ins Zelt um mir wie gewöhnlich das Haar zu machen. Den Eingang, der kaum drei Schritte vom Bach war, ließ ich schließen. Das war ihnen unerträglich, sie fingen an, durch die Spalten zu gucken und drängten sich dermaßen herzu, daß sie die Zeltpflöcke ausrissen indem sie über die Stricke stolperten. Ich rief Giorgio zu Hilfe. Bei der Evolution, die sie rückwärts machten, stürzte ein Knabe in den Bach, aber das alles gab ihnen nur Gelegenheit zu Gelächter und stimmte ihre Neugier so wenig herab, daß am nächsten Morgen wieder eine große Schar versammelt war um uns abreiten zu sehen. »Salám! Salám!« riefen sie uns nach. Ein Löwe, aber ein echter, kein »lion«, würde in Salons kein Aufsehen machen als eine Europäerin bei diesen arabischen Weibern macht.

Es hatte über Nacht geregnet und nebelte noch ziemlich stark als wir gestern noch vor 7 Uhr unsere letzte Tagesreise antraten. Sie war ziemlich stark, denn um Mittag rasteten wir nur eine halbe Stunde, und kamen erst um 5 Uhr vor dem Tore von Damaskus an; aber sie war unterhaltender als die übrigen – die erste ausgenommen. Durch Gärten ritten wir aus Zebdani heraus, wie wir hineingekommen waren; Kühe und Ziegen suchten sich in ihnen Nahrung, meistens an den Weinblättern und an dem zweiten Trieb der Maulbeerbäume. Durch zahlreiche schmale Graben verteilt das Flüßchen sein Wasser in den Pflanzungen. Später wird der Boden morastig, die Kultur hört auf, und der Barrada scheint zu versumpfen. Allein er macht eine Wendung, bricht durch die Berge, und stürzt mit einem recht schönen Fall in eine tiefe Schlucht und durch sie fort. Der Weg folgt dem Fluß, ist einigermaßen gemacht, an einer Stelle untermauert, an anderen durch den Bergabhang gestochen; einmal führt sogar eine gute sichere Brücke zum anderen Ufer hinüber. Dies ist der Felsenpaß el Suk, der die Merkwürdigkeit besitzt, daß in seine schroffen Kalkwände und in bedeutender Höhe Höhlen mit regelmäßigen Eingängen gehauen sind. Einige dieser Türen sind mit rohen Pilastern eingefaßt; neben anderen sieht man architektonische Zeichnungen. Im Winter sollen die Araber ihre Lehmhütten verlassen und in diesen Höhlen Schutz gegen die Kälte suchen, die allerdings heftig genug in den Gebirgsdörfern sein mag. Nur begreift man nicht recht wie sie ohne Flügel hineinkommen können, da die Felsenwände senkrecht sind. Man muß annehmen, daß die Höhlen einen zweiten versteckten Eingang haben. Gewiß hatten sie in früheren Zeiten eine andre Bestimmung, waren Gräber, und sind durch das Bedürfnis aus Wohnungen der Toten in die der Lebendigen verwandelt. Immer mehr und mehr tritt der Charakter von Wüste und Oase hervor. Die Berge an deren Abhang wir zogen, waren bis zum Gipfel ringsum von einer tödlichen Öde, und doch keine rechte Felsen mehr, sondern versteinerte Sandhügel möchte ich sagen; blickten wir aber herab, und versteckten Bergvorsprünge uns nicht die Schlangenwindungen des Barrada: so wehten und rauschten da unten die Silberpappeln und die Walnußbäume so schattig und lockend, und taten dem Auge durch ihr prächtiges Smaragdgrün so wohl, daß man die größte Lust bekam, hinabzusteigen und da spazieren zu gehen. Merkwürdigerweise ist nicht ein einziges Dorf unten – sind alle am kahlen steinigen Abhang angelegt, so daß die Leute nicht nur unfreundlich wohnen, sondern auch die Mühe haben, alles Wasser herauftragen, und ihre Kühe zur Weide unter den Bäumen hinabtreiben zu müssen. Die Luft muß am Fluß ungesund sein oder dafür gehalten werden. In dem Punkt ist man hier sehr vorsichtig. Auch unser Zelt wird nie unter einem Baum und nicht einmal auf einem Rasenfleck aufgeschlagen, denn der Tau der Nacht soll die Ausdünstungen der Pflanzen schädlich machen. Diese Besorglichkeit mag sich wohl auf Erfahrung gründen. Endlich, als wir den Höhepunkt eines Berges erreicht hatten, lag eine ungeheure, gelblich-staubfarbene Ebene zu unseren Füßen, und darin ein großer grüner Fleck, eine Oase, aus deren Bäumen Kuppeln und Minarette sich erhoben; das ist Damaskus inmitten seiner Aprikosengärten. Großartig oder malerisch präsentiert es sich gar nicht; nur freundlich und fruchtbar. Der Barrada, sobald er seine Bergwiege verläßt und in die Ebene hineintritt, zerspaltet sich in sieben dünne Ärmchen, äußerst vorteilhaft für die Gärten, doch nicht für die Landschaft, denn das Wasser verschwindet aus ihr. Sie besteht, wie gesagt, aus einer Wüste. einem Obstgarten, und den verwaschenen Linien des Antilibanon. So ist wahr und wahrhaftig die Ansicht von Damaskus, meine Herzens Emy.


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