Fouqué, Friedrich Baron de la Motte
Die wunderbaren Begebenheiten des Grafen Alethes von Lindenstein
Fouqué, Friedrich Baron de la Motte

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Viertes Kapitel

Trüb und wehmuthsvoll trat dem Grafen der alte Burgvogt – ehemals auf Lindenstein, jetzt durch seinen Befehl hierherberufen – entgegen.

»Ich habe schlecht gewacht, lieber Herr;« sagte er mit leiser Stimme; »wenigstens sehr unglücklich hab' ich gewacht, denn das Liebste und Schönste, was auf diesem Schloß für Euch blühte, ging Euch unwiederbringlich verloren.«

»Zum Theil schon bin ich in Deine Geheimnisse recht furchtbar eingeweiht, mein guter Alter; entgegnete Alethes. Ach, das Liebste und Schönste, was ich auf diesem Schlosse verließ, war ja niemals mein! – Staune nicht, greiser, liebevoller Freund; frage nicht. Ich könnte Dir in dieser Stunde ja doch nicht antworten. Führe mich sogleich in Dein Gemach, – hörst Du? in Dein frommes, stilles Gemach, und dort beginne ausführlich und schonungslos Deinen wunderbaren Bericht.«

Schon saßen die Beiden in dem Kämmerlein des Burgvogtes einander gegenüber. Die kleine Lampe zwischen ihnen warf ihre Strahlen hell und sanft auf ein an der Wand befestigtes Heilandsbild. Draußen zogen die ersten Morgennebel der anbrechenden Dämmrung vorauf.

»Es sind nun fast drei Wochen,« – so hub der Burgvogt zu sprechen an, – »ja, grade drei Wochen werden es seyn, denn an diesem Tage geschah's,« – und einen Kalender hielt er dem Grafen hin, wo das gesuchte Datum mit einem großen rothen Kreuze bezeichnet stand,-  »daß Using lange und heimlich mit der Gräfin Yolande sprach, bis tief in den Abend hinein. Da ließen sie sich zwei Pferde satteln, und ritten allein in das wachsende Dunkel hinaus. Der liebe Gott fügte es so, daß ich grade auf einer Wiese zu schaffen hatte, die bei der Burg der tollen Alten lag. Wie ich nun, den Beiden unbemerkt, bald nach ihnen aus dem Thor reite, sehe ich mit Erstaunen, daß wir ein und desselben Weges ziehn. Anfangs kümmerte ich mich nicht eben Großes drum, aber wie ich merke, daß sie grade nach der Unheilsburg hinaufreiten, wird mir's denn doch bedenklich. Man konnte ja nicht wissen, was der Using in seinen oftmals sehr schlimmen und wilden Gedanken trug. Ich, hui, meine alten Knochen zusammengerafft, den Klepper angestochen, und hinterdrein, daß ich mich ordentlich freute, wie es beinah eben so windschnell ging, als sonst in meinen Springinsfeldjahren. So hatte sich sie denn bald eingeholt, und brachte mit höflichen Worten meine Bedenklichkeiten und Einwendungen vor. Wild schnob mich der grimmige Using an; die Gräfin lachte höhnend. Aber ich ward endlich des häßlichen Benehmens überdrüssig, und fühlte das mir von meinem gnädigen Herrn Grafen übertragne Recht. »Hört, Using, sprach ich, der hochedlen Frau hab' ich nichts einzureden. Wohl aber Euch, denn mir ist der Schutz der Burg befohlen, und daß die Frau Gräfin das köstlichste Juweel der Burg ist, brauch' ich nicht erst zu erinnern. Das muß ich für meinen lieben Herrn recht sorgsam pflegen und behüten. Ihr, Using, seyd mein Untergebner, und somit gebiete ich Euch: gebt mir Red' und Antwort: wo geleitetet Ihr die Frau Gräfin hin zu dieser unheimlichen Stunde und auf diesem furchtbaren Wege?« – Using riß die Klinge aus der Scheide, als wolle er mich anfallen. Da mußte ihm aber auf einmal ganz seltsam zu Muthe werden; – es mochte wohl daher kommen, daß ich meine Seele recht inbrünstig Gott befahl, denn ich dachte im Gefühl meiner Altersschwäche, nun käme mein Letztes; – kurz, er fing heftig zu zitttern an, brachte das Schwerdt wieder an seinen Ort, und murrte nur feindseelig und unverständlich vor sich hin, nach seiner gewöhnlichen Art. Ich aber hatte mein Pferd derweile so gedreht, daß es den Beiden auf dem schmalen Bergpfade entgegen stand, und sie nicht wohl fürder reiten konnten, als etwa grade über meinen Leichnam hin. Denn mir verkündete es der gute Geist in mir, es gehe hier nichts Gutes vor, und da müsse ich eingreifen nach meiner Schuldigkeit mit letzter und bester Kraft.«

Nach einigem Schweigen sagte Gräfin Yolande in mir ganz ungewohnter Huld und Freundlichkeit: »wir wollen Dir nur die reine Wahrheit ganz offen heraus sagen, Du alter seltsamer Mann. Ich weiß aus Erfahrung, damit kommt man doch bei Leuten, wie Du und Dein Herr es sind, zuletzt am Besten fort.« – Ihr könnt denken, lieber Herr, wie tief und dankbar ich mich für diese große Gnade verneigte. Using lachte recht häßlich dazu. – »Die tolle Alte im Schloß, fuhr Gräfin Yolande fort, und es war, als schüttle sie ein inn'res Grausen trotz ihres Widerstrebens zusammen – »die tolle Alte im Schloß bewahrt ein Kästchen mit unermeßlichen Schätzen. Das will sie mir auf eine ganz leichte Bedingung übergeben.« – »Uns, uns; murrte Using dazwischen. Ich kriege ja die Hälfte für meine Müh.« – Die Gräfin nickte ihm bejahend zu, und sprach weiter: »und um nun diesen Schatz abzuholen, sind wir unterweges. Halte uns nicht länger auf, und habe gute Nacht.« – »Gnädige Frau, erwiederte ich, da laßt mich doch erst die Bedingung wissen. Auf so eine Bedingung kommt sehr viel an.« – »Ei, es ist weiter nichts, als daß sie mir sechs Worte in's Ohr sagen will.« – Ich bebte; die Gräfin desgleichen, aber bald wieder gefaßt, sagte sie: »sie hat mir's freilich schon oft durch Using anbieten lassen, und ich hab's ihr immer mit einigem Grauen abgeschlagen, aber jetzt, da die Entwürfe Deines Herrn nur durch den Besitz erneuter Schätze glücklich hinausgeführt werden können, – jetzt habe ich mich zu dem wunderlichen Ritt verstanden. Und, Alter, verzögre nicht länger meine Fahrt. Es gilt das Leben und die Ehre Deines Herrn.«. Da ließ ich mich blenden; (ach Gott, ich hätt' es nicht thun sollen! Aber der Mensch ist schwach, und die letzten Worte der Gräfin hatten mich ja so recht bei dem Herzen meines Herzens gefaßt.) Ich wandte mein Pferd, und ritt voran, denn das Zurückbleiben ließ ich mir durch keine Lüge und keine Drohung einreden. »Wenn das Beiseyn eines frommen Christenmenschen Euer Werk zerstört«, sagte ich endlich, »so lass' ich das ganze Werk nicht zu.« Da blieben sie still, und wir kamen an die Zugbrücke.«

»Was nun geschah, – ach, guter Herr, fordert nicht allzu viel Ausführlichkeit. Eine Fackel in der einen, ein schwarz und roth und goldnes Kästlein in der andern Hand, schlich die gräuliche Alte über die Brücke heran. Sie murrte wohl etwas vor mir, aber sobald sie die Gräfin sah, fing sie an, in wilder Lustigkeit zu tanzen. Ich hielt mich dicht an meine gnädige Frau, gezückten Schwerdtes, so, daß ihr die Alte gewiß nicht leiblich schaden konnte, und betete inbrünstig, es möge auch geistig nicht geschehn. Ach, die Erhörung blieb außen. Denn an der zitternden Yolande Ohr geneigt, schrie plötzlich die Alte gellend: »ich bin Deine Frau Mutter Isidore!« Und als sey Yolanden der Wahnsinn damit in's Haupt geschleudert, riß sie der Tollen die Fackel aus der Hand, schlug mir damit blendend und sengend gegen das Angesicht, und riß die Alte sich pfeilschnell nach in die Burg, den Thorflügel mit gewaltiger Kraft hinter sich zuschmetternd. Dann tanzte sie oben auf der Mauer umher, und sang, daß der Wald dröhnte: »Eumenide! Eumenide! Nun ist die Eumenide geboren! Wohnt nun in ihrem Gluthenschloß!« und die Alte schmiegte sich ihr mit gräulicher Zärtlichkeit an. – Using hatte sich derweil des Kästleins bemeistert, aber indem er wild jubelnd damit fortlief, trat er fehl, und stürzte schmetternd den schroffen Rand des Steinbruches hinab. – Seitdem ist Alles so geblieben. Yolande und die Alte treiben mit gräßlichen sinnverwirrenden Zauberliedern jedweden Versuch, die Veste zu öffnen, von sich zurück, und das Landvolk muß nun der Mutter und Tochter erlesne Speisen an die Mauer bringen, um sich vor ihren gräßlichen Verwünschungen zu schützen.«

»Den Leichnam des schlimmen Using habe ich auf der Stelle seines Todes begraben, und das Unheil bringende Schatzkästlein ungeöffnet mit hineinversenkt.« –

Der Greis schwieg erschöpft. Alethes lehnte sich schaudernd, die Hand vor die Augen, in seinen Sessel zurück.


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