Fouqué, Friedrich Baron de la Motte
Die wunderbaren Begebenheiten des Grafen Alethes von Lindenstein
Fouqué, Friedrich Baron de la Motte

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Achtes Kapitel

Erwin ist sehr krank, sagte Using, indem er einige Tage darauf in Alethes Zimmer trat; er wünscht Euch zu sprechen. Zu der Gräfin hat er mich bereits früher mit dem nämlichen Begehren gesandt.

Alethes ging hin, und fand Yolanden schon an dem Bette des Kranken. Dieser sah sehr leichenartig aus, und faselte auf eine recht seltsame Weise. Sobald er aber den Grafen in's Angesicht bekam, schien er sich zu vollkommner Besinnung zu ermannen, sprechend: Using war mir nicht der Rechte, aber Ihr seyd es, obgleich Ihr mit ihm an einem Karren zieht.

Gewisse ähnliche Worte, die Using ehemals in Paris kurz vor der Ermordung des Thorwärters gesagt hatte, schauerten durch Alethes Gemüth, so, daß er fast gedachte, sich abzuwenden, und das Zimmer zu verlassen. Da sagte Erwin: bleibt doch hier, Herr Graf. Wenn Ihr jetzo zittert, braucht Ihr vielleicht in Eurer Todesstunde nicht zu zittern, wie ich.

Zitterst Du, Erwin? fragte Yolande. Du brauchst es doch wahrlich nicht. Ich denke, wir sind darüber einig, was Sünde ist, und was nicht, und wie es eigentlich gar keine unversöhnliche Sünde geben kann, wenn uns ein rechter Gott nur recht lieb hat in seinem Herzen. Ach, das ist allerhöchstens nur kluges Menschengerede, sagte Erwin, indem er vor Fieberschauern und naher Todeserwartung immer heftiger mit den Gliedern zusammen schlug. Wer hat es Euch denn vermacht, daß Ihr nach Euern angenehmen, lustigen Prinzipien gerichtet werden sollt? Dort jenseits halten sie die Wage auf eine ganz eigne Manier, und sie klingt mir schon so in die Ohren, wie Ihr's Euch gar nicht einbilden könnt.

Erwin, Erwin, sagte Yolande, was sollen die mehrsten Menschen erwarten, wenn ein Geist, wie der Deine, den Schrecken des Todes so gar erliegen kann! Du meinst es aber auch nicht, wie Du sagst; das Fieber spricht aus Dir, nicht Du.

Was Ihr Menschen Euch für tolle Ausdrücke erfunden habt, um Euch die Wahrheit zu verkleiden! entgegnete Erwin. Aengstet sich etwa auch das Fieber in mir, und nicht ich? Aber Ihr seyd dermaaßen klug, daß Ihr Jedermann sprechen lassen könnt, was Ihr wollt, indem er mit den entschiedendsten Worten dagegen protestirt. Dann ist Er's nicht gewesen, dann war's Gott weiß Wer, oder der Teufel weiß! Und der arme Sünder hat seine Noth im Herzen, und schreit sie draus hervor, aber in Eure Weisheit kommt nichts hinein.

Die Gräfin bat ihn, still zu bleiben: er schade nur seiner Gesundheit mit den wilden Ausbrüchen, aber er erwiederte schmerzlich lächelnd: laßt doch auch Euer Leben ein bischen stillstehn. Ihr schadet Euch nur mit dem schnellen Fortleben, denn Ihr wißt, Ihr lauft damit schnurstracks dem Tode zu. Was aus mir spricht, ist Etwas, das sich gar nicht anders zu helfen weiß; eben wie Euer Athemholen. Das consumirt freilich die Lebenskraft in Eurer Brust, aber wenn Ihr's nicht thätet, müßtet Ihr gar ersticken.

Du hast ja, sprach Yolande, nicht einmal das Geringste gethan, was der eigensinnigste Pfaffe verdammlich nennen könnte. Menschliche Schwachheit, so lehren auch die Strengsten, findet einen milden Richter.

Wenn ich ihn kennte, diesen Richter! seufzte Erwin. Aber ich habe mich ein ganzes Leben lang nicht um ihn bekümmert. Nun vor ihn zu treten, erweckt Besorgniß und Grauen. Auf Euch, Yolande, und Eures Gleichen hab' ich mich verlassen, aber von allen denen weiß man dorten nichts, wo ich hingehe. Ich bitte Euch nur, bleibt still mit Euern Trostgründen. Die waren mir bis Heute geläufiger, als Euch, aber nun verstummen sie, und ach Gott! ach Gott! die entsetzliche Angst tritt ein.

Yolande bebte erbleichend zurück, und Alethes sagte zu dem Kranken: stoße den holden Engel, welcher an Deinem Lager steht, nicht mit so feindlichen Reden zurück.

Engel? Engel? entgegnete Erwin zuckend; Du bist bethörter, als ich es war, mein armer Graf, aber eben drum nicht gänzlich so verkehrt, und um vieles minder strafbar. Ich hätte Dir Manches über dies Kapitel zu sagen, aber es geht mir schwerlich mehr Alles über die Zunge.

Sieh diese Gestalt an, Yolandens himmlische Gestalt, rief Alethes, Du wahnbefangner, krankhafter Geist, und lege den Irrthum ab, als könne sie anders wohin leiten, als zu Seeligkeit und Freude!

Das ist ja nicht die rechte, das ist ja nicht die rechte, lallte der sterbende Erwin. Diese hier steht ja zu meiner Linken, und ist ein bloßes Schattenbild. Die rechte muß zu meiner Rechten gehn. Da geht sie auch.

Zu Deiner Rechten hat ja gar nichts Raum, sagte Alethes. Da ist ja unmittelbar die Wand und das Fenster. Besinne Dich doch, armer Mensch.

So geht sie draußen im Garten, röchelte sehnsuchtsvoll Erwin. Die rechte Schwester, die rechte Schönheit, die, so kein Trugbild ist, geht draußen.

Unwillkürlich blickte Alethes durch das Fenster über des Sterbenden Lager hin, und sah Yolanden in weißen Kleidern über den Rasen hinschweben, und im nahen Gebüsche verschwinden. Umblickend sah er sie dennoch wieder, buntfarbig geschmückt, zu seiner Seiten stehn, und bevor er sich von dem Schwindel hierüber erholte, sich überzeugend, daß nur jene verwirrte Reden ihm die Erscheinung im Garten vorgezaubert haben müßten, war Erwin bereits gestorben.


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