Fouqué, Friedrich Baron de la Motte
Die wunderbaren Begebenheiten des Grafen Alethes von Lindenstein
Fouqué, Friedrich Baron de la Motte

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Elftes Kapitel

Ihr müßt wohl viel vom Baron Thurn gehört haben, denn er spielte in den letztvergang'nen Glaubenskriegen eine große Rolle. Es ist nicht eben nöthig, daß Ihr mir's mit Worten kund gebt. Ich sehe schon an Eurer Miene, daß Ihr seinen Namen kennt, und daß Ihr Euch noch vielmehr verwundern müßt, wenn Ihr hört, daß Yolande und Emilie seine Töchter sind; von verschiednen Müttern freilich, und das kam so. Der Freiherr von Thurn war mit einer wunderschönen Frau verheirathet, die aber dabei eben so wunderfromm war, und daher dem weltlich wilden Sinne meines Herrn in vielen Dingen nicht gefiel. Ich war ein eben so toller Jüngling, als der Baron, und eben deshalb hatte er mich vor allen seinen Dienern ganz besonders lieb. Wenn er wunderliche Einfälle im Kopfe hatte, und ihnen nachritt, nahm er gewöhnlich nur mich allein mit, und wir führten Zeugs aus, wovor mir nun nach gerade der alte Kopf zu schwindeln anfängt. Ehmals mocht' ich gern dran denken und mich gern damit rühmen. Nun aber, seitdem mir die Hölle – ich meine der Tod, denn das ist doch der klapprige Wegweiser dahin, – seitdem mir die Hölle näher gerückt ist, wird mir manchmal weh' dabei zu Muth, und ich lass' es lieber im tollen Taumel mitsammen hingehn. Dennoch muß ich jetzt von einem unsrer Ausritte erzählen, weil er nothwendig zur Sache gehört.

Es war an einem stürmigen Abend spät, da stand der Freiherr auf dem Schloßhof, und rief mir durch's Gesaus: halloh, Using! Zu Roß! Den Rappen und den Fuchs gesattelt! Es geht auf guten Fang. – Wie ich nun die Thiere herauszog, hieß er mich Pechfackeln mitnehmen und Schwefelfaden und Stahl und Stein und Zunder. Da merkt' ich schon ungefähr, was es geben sollte, und als wir gegen's Kloster Mariatrost hintrabten, wußt' ich's ganz gewiß. Dort war ein schönes Fräulein vor Kurzem eingekleidet worden, aus großem Hause. Man nannte sie Isidore, und Viele munkelten davon: der Erzbischof sey in sie entbrannt, in einem Jahre längstens werde sie Abbatissin seyn. Nun dacht' ich mir: die holt sich der Herr, und wehren sich die Bestien drinnen, so macht man ihnen mit Pech und Schwefel im eignen Hause zu thun, daß ihnen das Mischen in unsre Angelegenheiten vergeht. So war' s denn auch, und der Baron vertraut' es mir noch unterwegens an. Wir kamen vor's Kloster. In der dunkeln, stürmigen Mitternacht häuft' ich erst vor alle Thüren Reisig, und legte Zunder und Schwefel hinein, dann stellt' ich mich mit der angezündeten Pechfackel hinter ein Mäuerlein, des Freiherrn Ruf erwartend. Der kam mit Isidoren bald darauf hervor, durch eine kleine Pforte, die er vorhin erbrochen hatte. Sie sträubte sich, sie schrie; er lachte, und lobte ihre holde Gestalt. Auf ihr Gekreisch aber ward's lebendig im Kloster. Lichter zeigten sich in den Gängen, auf den Höfen vernahm man die Tritte der Reisigen, welche in der damaligen unruhigen Zeit das Gotteshaus vor solchen Ketzern sichern sollten, wie wir waren. Nun zünd' an, Using, schriee Thurn; nun ist's die höchste Zeit! – Und während er mit seiner riesenmäßigen Kraft Isidoren leicht vor sich auf's Roß hob, und davon sprengte, kreist' ich wie ein böser Geist um's Kloster her. Zisch! Zisch! loderte hier und dort die Flamme auf, vor allen Thoren und Thürlein; ich dann auf's Thier, und meinem Freiherrn nach, Gezeter und Gejammer hinter mir her – es sollen die Mehrsten drinnen verbrannt seyn. –

Im Walde fand ich meinen Herrn und Isidoren abgesessen. Sie hielt ihn von sich fern, indem sie ein Pistol, das sie aus seines Sattels Holster gezogen hatte, auf's entschlossenste und bedrohlichste bald gegen ihn, bald gegen sich selbst wandte. – Ihr seyd mir eine wunderliche Lukrezia, sagte der Freiherr lachend. Sind es denn nur Erzbischöfe, die Euch gewinnen können? – Ja, Erzbischöfe, zürnte Isidore zurück; aber nur solche, die mit Herzogshüten oder auch mit Königskronen zu spielen verstehn. Freibeuter Deinesgleichen können mich nur todt gewinnen. – Ho ho! lachte der Freiherr; sieh einmal, wie durch die Waldstämme die Gluthen Deines Klosters roth hereinleuchten; da kannst Du sehn, wie ich vor Deinem Erzbischof bange bin, und vor seiner gesamten Geistlichkeit. – Thörichter Freiherr von Thurn, entgegnete Isidore, ich kenne Dich wohl, und habe die glühenden Blicke bemerkt, welche Du kecker Ketzer oftmals nach mir heraufsandest, wenn Du am Kloster vorüber rittest. Du bist auch ein braver Kriegsmann, und ein schöner obendrein, aber nun höre, was ich Dir verkünden will. – Und eine Rede begann sie, die uns Beide schauern machte; Verbindungen waren gesponnen, so unfehlbar und stark, daß man sich ihren Schlingen nur im Tode zu entziehen vermocht hätte, und all' die Fäden lagen nicht sowohl in des Erzbischofs als in Isidorens Hand. – Thue nun mit mir, was Du willst, kecker Freiherr, sagte sie am Ende, aber sieh auch, was Du Dir bereitest.

Er stand ihr ehrerbietiger gegenüber, und meinte, was sie denn von der Liebe eines Erzbischofs erwarten könne; sie, einem hohen Hause entsprossen, sie eines Geistlichen Buhlerin?

Hast Du nie von Papst Gregor dem Siebenten gehört, fragte sie, und von der Gräfin Mathilde? Aber Du hast Recht, ich will lieber Dich, den tapfern Krieger, dessen Weib ich seyn kann.

Ich bin vermählt, entgegnete Thurn mit finstrer Miene.

Und dort brennt das Kloster! rief Isidore; und ich tödte mich, wenn Du mich nun nicht zur Freifrau von Thurn erhebst. Hast Du von den Gespenstern gelesen, die man sich frevelnd aufläd't, und drauf nimmer wieder los wird? So Eins bin ich für Dich, aber ein liebreizendes doch, wie mich dünkt. Sterb' ich, so reißt der Erzbischof alle unsre Netze rächend über Dich zusammen; leb' ich, so liegt des Zuggarns Faden in meiner und Deiner Hand. Wähle!

Thurn wandte sich ingrimmig gegen mich. Du siehst, wie es steht, sprach er. Dieser gehör' ich an, und sterben darf mir die Freifrau dennoch nicht. Sie trägt ein Kind von mir unter dem Herzen, das sagte sie mir Heute früh. Aber sag' ihr, vor der Welt muß sie sterben, denn Isidore ist unabtrennlich mein.

Er zeigte mir die Art und Weise an, und ritt mit der ihm nun schmeichelnden Entführten nach einer andern Veste durch den Wald, während ich mich nach der Burg begab, wo die schöne Freifrau mit Sehnsucht ihres heimkehrenden Ehmanns harrte.

Es kann wohl keine holdern und beweglichern Thränen geben, als die süße Frau vergoß, indem ich ihr den Beschluß ihres Hausherrn kund gab. Sie fügte sich aber in Alles, wie ein liebes, frommes Kind; das Schauspiel ihrer Krankheit und ihres Todes ward nach der Vorschrift gespielt, und ich brachte sie zur Nachtzeit, von Jedermann unbemerkt, auf ein entlegnes Schloß, eben das, welches jetzt die tolle Alte bewohnt, und welches damals dem Freiherrn von Thurn gehörte. Ich glaube, es ist in der That mehrentheils die alte Gewohnheit, welche mich noch oft dahinauf treibt, denn zu jener Zeit mußte ich es oft besuchen, um der vermeinten Todten Nahrung und Wartung zu bringen, wie es ihr Stand erheischte, denn solches begehrte unter den strengsten Drohungen mein Herr.

Der lebte indeß in Freude, Macht und Herrlichkeit; durch Isidoren, die er bald darauf heimführte, zu den höchsten Gipfeln des Glanzes erhoben. Sie hatte viele und wundersame Verbindungen am Kaiserlichen Hofe, und verwickelte ihren Mann in Geschäfte und Entwürfe, davon er früher auch nicht das Mindeste geahnet haben würde.

Using, Using, unterbrach ihn Alethes, besinne Dich doch. Du bist aus des Freiherrn Geschichte in meine herübergefallen. Thut's Dir die Schläfrigkeit? Oder welche Verwirrung sonst?

Es thut's mir nicht die Schläfrigkeit, entgegnete Using, es thut's mir keine Verwirrung sonst. Wenn Eure und des Freiherrn Geschichten sich gleichen, scheltet nicht mich drum; scheltet den Schöpfer drum, der manchmal dieselben Gedanken in ähnlichen Formen wiederholt. Und der muß doch Recht haben, weil er ja selbst das Recht ist.

Er schauderte erbebend zusammen, und als ihn Alethes darüber befragte, antwortete er: schaudert doch auch der Teufel, dieweil er am letzten Gericht vor den Ewigen, der zugleich das Recht ist, hintreten soll. Wie wird mich's denn nicht schütteln, der ich viel früher vor den furchtbaren Stuhl muß! – Laßt's Euch nicht anfechten, und hört weiter. – Ich mußte bald dem Freiherrn aufwarten, bald mußt' ich nach der verstoßnen Frau hin, ihrer zu pflegen. Da ward mir doch mein hartes Herz oft weich, wenn ich sie bei dem Kindlein fand, das sie unter heißen Thränen geboren hatte, und wie sie's unterrichtete, und ihm von der unsichtbaren Welt vorsprach, und von den ewigen Freuden, und es für seinen Vater beten lehrte. Droben auf der Mauer ist eine Stelle unter einem uralten Lindenbaume, der aus dem verwitterten Gestein aufgeschossen ist; da fand ich sie oftmals mit der kleinen Emilie. Jetzt heult die tolle Alte gern von da herunter.

Was bringst Du denn das Alles immer so verrückt zusammen? rief Alethes; die fromme Frau und Emilie und die Alte; das wirbelt ja durcheinander, wie ein Strudel.

So wirbelt's in meinem Geist, so geb' ich's weiter, sprach Using, und fuhr folgendermaaßen fort: wenn's mit einem jenseitigen Leben wirklicher rechter Ernst ist, mögen die Bitten der Mutter und des Kindes wohl gut für den Freiherrn von Thurn gewesen seyn. Wenigstens ward er seiner Versucherin Isidore los, bald nachdem sie ihm die kleine Yolande geboren hatte. Zugleich aber verlor er auch alle weltliche Ehr' und Herrlichkeit. Er kam nämlich eines Abends früher nach Hause, als wir vermuthet hatten, und fand Isidoren in den Armen eines adlichen Jünglings, den er bei wachsendem Reichthum und Ansehn in seine Dienste genommen hatte. Mir ist, als säh' ich's noch vor mir, wie wir Andre auf dem Hofe saßen, unter dem großen Ulmenbaum, und würfelten und zechten, (denn lustig ging's bei dem Freiherrn her,) während Einige von uns die Pferde des heimkehrenden Herrn in Obhut genommen hatten, und er selber rasch in's Schloß gegangen war. Da klirrt's drinnen wie von gezognen Schwerdtern, da stürzt Isidore, unordentlich in ein großes Tuch gehüllt, aus der Thür, ein Kästlein im Arm – es sollen unermeßliche Schätze drin gewesen seyn – der Baron ihr nach, und hoch schwang er die blut'ge Klinge über's Haupt, mit welcher er schon den Edelknecht erschlagen hatte. Die schöne Verbrecherin flog wie ein Reh vor uns vorbei, zum noch offnen Thore hinaus, und glitt mit unbegreiflicher Gewandtheit einen halsbrechenden Felsenhang hinunter. Während nun der Freiherr über die Brücke stürmte, den gewöhnlichen Burgpfad ihr nach, sahen wir sie unten im Thale spöttisch tanzen, fast wie Eine, die verrückt geworden sey vor Schreck und Zorn, und das Kästlein oftmals über ihr Haupt emporheben, als höhne sie uns damit. Ach, wer den Schatz hätte, der drinnen lag! –

Gierig starrte der alte Using vor sich hin, als ob der Schatz vor ihm läge. Das häßliche Lächeln des geizigen Verlangens blitzte entstellend über seine Züge, und erst spät antwortete er auf Alethes wiederholte Fragen: Isidore? Was aus Isidoren geworden ist, wollt Ihr wissen? Ja, da kann ich Euch nicht dienen. Sie war früher in's Gebüsch verschwunden, als es für uns möglich gewesen war, hinabzukommen, und kein Mensch hat seitdem das Geringste von ihr gehört. Was mich betrifft, ich glaube, sie sey wirklich toll geworden, und habe sich wo in wilder Lustigkeit ein Leides gethan. Das ist aber auch das Mindeste dabei. Der Schatz, Herr Graf, der Schatz!

Alethes stampfte ungeduldig den Boden, und Using sprach, plötzlich wieder gesammelt: es ist auch wahr, Graf Lindenstein; was soll der Schatz für Euch! Ich will Euch die Geschichte weiter erzählen. Des Freiherrn Verbindungen brachen nach Isidorens Verschwindung zusammen. Unbedeutend geworden und beinah arm, zog er sich mit der kleinen Yolande im wilden Unmuth auf ein ödes Waldschloß zurück. Als die verstoßne Frau das Alles von mir erfuhr, sagte sie: laß mich zu ihm, Using; er hat meiner doch ganz gewiß nöthig in einer solchen Betrübniß. Will er mich nicht haben, so kehr' ich sonder Weig'rung wieder hierher zurück in mein stilles Grab. – Ich that nach ihrem Begehr, und brachte sie samt der kleinen Emilie zu meinem Herrn. Hätt' ich's doch nimmermehr gethan!

Ich hoffe nicht, rief Alethes, daß es dem Freiherrn von Thurn einfallen konnte, ihr unfreundlich zu begegnen.

Ei, grade das Gegentheil! grinste der häßliche Using. Mit Thränen empfing er sie, auf den Knieen, und der Teufel weiß, mit was sonst noch für Devotion. Aber nun ging ein stilles Bußleben an, und das war viel zu spät, um mich seelig zu machen, aber noch Zeit genug, um mich in verworrner Langeweile beinah um den Verstand zu bringen. Mein lieber Herr Graf, Ihr habt auch keinen übeln Ansatz zur Gottseeligkeit, aber wie es dorten getrieben wurde, wär' es Euch selbsten zu toll geworden. Die Paar übrigen Burgen wurden zu der Armen Besten verkauft, man lebte in Eintracht und Mäßigkeit, – kurz, es war nicht zum Ertragen. Was noch von Kriegesfreudigkeit in des Baron's Seele flammte, zog ihn zu den Geschichten von Carol Magnus und seinen Rittern. Da konnte er halbe Tage lang drin lesen. Mir waren die Historien zuwider, und trotz einiger wilden Streiche, die drin vorkamen, viel zu fromm. Ein einziges witzig kluges Teufelchen erheiterte mir die Heiterkeit dieser Engelsgesellschaft; es war Yolanden, die heranwachsend immer größern Widerwillen gegen die Lebensweise ihres Vaters gewann, und immer größre Lust zu dem, was ich ihr von der ehemaligen Herrlichkeit erzählte. Wir hätten den alten Thurn auch noch vielleicht herumgebracht, aber Emilie stand mit ganz wundersamer Gewalt, wie ein hütender Engel, vor seiner Seele. Wenn man so die beiden Schwestern ansah, und zugleich ihre Sinnesart kannte, mußte man auf's allerhöchste erstaunen. Von Außen einander zum Verwechseln ähnlich, denn Beide glichen dem Vater, und von Innen Jede ihrer Mutter Abbild! –

Die Freifrau war schon gestorben, und beide Töchter zu außerordentlicher Schönheit erwachsen, da kam eines Tages ein wunderlicher Mensch in unser abgelegnes Waldschloß.

Corandro hieß er, ein Sohn christlicher Eltern, die über den Trümmern von Athen gewohnt hatten; als ein schöner Knabe war er durch Türken geraubt worden, und, zu ihrem Glauben übergetreten, hatte er als Seeräuber unermeßliche Reichthümer gewonnen. Diese fröhlicher zu vergeuden kam er, ein blühender, prächtiger Mann, nach Europa herüber, und durch eine sonderbare Laune seiner Irrfahrten endlich auch an unsre verfallne Burg. Yolandens und Emiliens Anblick zauberte ihn fest; aber nur der erstern begann er ausschließlich zu huldigen, wohl merkend, daß Emilie für ihn so gut zu erreichen sey, als irgend ein Stern am blauen Nachthimmel, oder als die liebe Sonne selbst. Anfänglich war er dem alten Thurn zuwider, denn dieser war so in die Frömmelei der Christen vertieft, daß ihm Corandro für einen Neubekehrten durchaus oberflächlich und auf das abscheulichste leichtsinnig vorkommen mußte. Es hatte aber noch eine andre Bewandtniß. Corandro vertraute mir und Yolanden einstmals, daß er wirklich gar nicht getauft sey, und sich nur des äußern Anstandes und Fortkommens halber für einen Christen halten lasse. Den Freiherrn Thurn gewann er sich bald. Aus den alten Heldenliedern der Griechen wußte er so herrliche Kriegsgeschichten zu erzählen, daß es Einem wohl und bang dabei zu Sinne ward; und vorzüglich wenn er von dem Trojanischen Kriegsherrn Hector anfing, gerieth der Freiherr in eine solche Verzückung, daß man glauben mußte, der uralte Trojer stelle sich in eigner Gestalt neben den wunderlichen Thurn, und rede in sein Ohr.

Es geschah endlich, das Corandro zu heftig in Yolanden entbrannte, um jemals von ihr lassen zu können, und dennoch war an die Einwilligung des Freiherrn nicht zu gedenken. Dieser litt den glänzenden Griechen nur um sich, wie einen Zauberer, dessen Gaukeleien man wohl mit ansieht, und Freude dran hat, dem man jedoch das beste Juweel seines Hauses auf keine Weise vertrauen möchte. So ward man denn zur Entführung einig. Yolanden lüsterte es, in die weite, bunte Welt hinaus zu kommen, und daß man mich mit in die Verschwörung aufnahm, sah ich als ein großes Glück an.

Es ging also in einer mondhellen Nacht hinaus, und wir trabten eben durch einen waldbegränzten Thalgrund hin, da war uns der alte Thurn auf die Spur gekommen, und erschien nun plötzlich oben am Rande der schroffen Klippen. Wüthig bald und weinend bald rief er hinab in's Thal nach seinem Kinde, aber Yolande entgegnete ihm: Vater, Ihr habt mich gehalten wie ein blödsinnig Kind, und mir die besten Freuden verschwiegen; hier unten aber reiten wir eben aller Lust entgegen, und ich bitte Euch, sucht nicht vergebens, mich zurückzuhalten von der schönen, blühenden Welt, denn da gehör' ich hinein. – Aehnlicher Worte brauchte sie noch mehr, während der Alte immer grimmiger heulte und schalt. Wir ritten indeß eilig weiter, und verloren so Ruf als Gestalt des Freiherrn in Kurzem gänzlich aus den Sinnen und aus dem Sinne.

Du erzählst abscheuliche Dinge, rief Alethes. Aber nun einmal angefangen, sprich weiter und weiter, daß ich bis auf den Grund dem häßlichen Brunnquell schau'.

Was ist da noch weiter zu erzählen? entgegnete Using. Daß Corandro sich zum Grafen machen ließ mit dem Namen, unter welchem Ihr Yolanden ehlichtet, könnt Ihr Euch leichtlich denken, und übrigens ist ja Yolandens glänzendes Leben aller Welt bekannt, so vor als nach dem Tode ihres Gemahls, der an einem Sturze auf der Jagd sehr früh verstarb. Oder wollt Ihr wissen, ob Corandro getauft worden ist? Ich glaub' es nicht, wenigstens hätt' es in eine Zeit fallen müssen, wo ich eben weit ab gewesen wär'. Es bleibt also immer höchst wahrscheinlich, daß Ihr Euch eines Muhammedaners Liebschaft zur Frau genommen habt.

Ich wär' ja auch eigentlich thöricht, sagte Alethes, wenn ich mehr von Euerm heillosen Treiben erforschen wollte. Was ich weiß, genügt. Aber sage mir dafür, was ward aus dem Freiherrn von Thurn, und wie kam Emilie wieder zu Euch?

Von Beiden, sprach Using, wußten wir lange Zeit hindurch gar nichts, und kümmerten uns auch eben so wenig drum. Endlich aber, schon nachdem Corandro todt war, kam Emilie eines schönen Morgens an, und berichtigte, wie der Alte nach Yolandens Flucht wahnwitzig geworden, und ihr, der schwachen Hüterin, entsprungen sey. Sie armes, schüchternes Mädchen habe ihn wohl hin und her gesucht, aber seine Spur sey fort, und wie könne sie ihn auf der großen Erde finden. Die Schwester sey ja reich, die werde ihr helfen; sie sey auch klüger, und werde wohl selbst mit ihr nach dem irrenden Vater umherreisen. – Das war nun freilich Yolandens Sache nicht. Aber Geld mag sie wohl genug für die Geschichte ausgeben, wie sie denn ohnehin damit leicht bei der Hand ist. Da schickt Emilie nun noch immer Boten in die Welt hinein, und wenn sie spurlos zurück kommen, ist sie so herzlich betrübt. Mir ist mehrmals weh darüber zu Sinne geworden. Daß sie nicht in Yolandens Lebensweise eingeht, ja auch die Schwester fast nimmer zu sehn bekommt, versteht sich von selbst. Sie redet auch selten mit Einem aus der Dienerschaft, und seit der letztern Zeit sind wir wie gar nicht mehr für sie da. Früher, noch bevor Ihr zum erstenmal hierher kamt, ließ sie sich manchmal von Einigen aus uns etwas von Euern Kriegsthaten erzählen, und hörte mit großem Wohlgefallen zu; seitdem aber will sie auch davon nichts mehr wissen. und lebt in diesem schwelg'rischen Hause wie eine Siedlerin.

Ueber Using's Erzählungen war die Morgendämmrung kalt und schaurig hereingebrochen. Halt inne, sagte Alethes zu ihm. Du hast mir ja die ganze Nacht hinweg gekrächst, Du furchtbar mahnender Uhu. Nun laß ab von mir, und schlage jenen Weg ein, daß ich einsam zu Haus gehn kann.

Using that murrend und höhnisch, was ihm sein Herr gebot, und Alethes schritt, voll der Ueberzeugung, wie er den heilenden Edelstein verworfen und dafür den Giftstein unauflöslich fest an sein Herz gedrückt habe, in gränzenlosem Schmerze langsam und auf weiten Umwegen nach dem Pallaste zu.


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