Fouqué, Friedrich Baron de la Motte
Die wunderbaren Begebenheiten des Grafen Alethes von Lindenstein
Fouqué, Friedrich Baron de la Motte

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Achtes Kapitel

Reinald setzte den Weinkrug nieder, und faßte, näherkommend, die Keule mit beiden Händen, weshalb Alethes sein gezücktes Schwerdt vorhielt, ihm aber zugleich zurief: kennst Du mich denn nicht mehr, Reinald? Laß uns erst ein Wort in Frieden sprechen; es wäre doch schlimm, wenn wir zwei Genossen mit einander in's Gefecht kommen müßten. – Der Alte starrte ihn mit großen Augen an, und sagte sodann, die Keule senkend: ach, Organtin, bist Du's! Ich freue mich von Herzen, daß Du wieder hier bist, lieber Vetter. Dein Abscheiden that mir recht weh. – Und damit bot er ihm die unbewehrte Rechte freundlich dar, welche Alethes mit Innigkeit faßte, lebhaft wünschend, daß ihn Reinald's drohende Grillen doch zu keiner Gewaltthätigkeit zwingen möchten.

Was meinst Du nun, sagte Reinald nach einem augenblicklichen Schweigen, kann ich prophezeien? Was habe ich Dir vor drei oder vier Jahren von der schönen Balisandra gesagt? Nun prangt die bunte Blume herrlich in meiner Burg. Ich hab' sie Caroli Magni Kriegsleuten richtig wieder abgejagt. Olivier und Dudo, sieh! lagen unter meinen Füßen, und dem Ramon von Arborea, dem jungen Fant, der sich mir ordentlich auch widersetzen wollte, hab' ich eins vor die Brust gegeben, daß er dran denken wird.

Was willst Du denn mit Deiner schönen Beute thun? fragte Alethes.

Der Kaiser mag warten, bevor er sie wieder zu sehn bekommt, lachte Reinald in sich hinein. Claricia, mein Weib, ist ja an des großen Caroli Wortbrüchigkeit gestorben, und was hindert mich denn nun, Balisander'n an deren Statt zu erwählen? Ich hätte keinen Priester in meiner Burg, meinst Du? O hier hat einmal ein Mönch bei Winterszeit den Hals gestürzt. Ich weiß Worte über seinen bleichenden Schädel zu sprechen; dann wacht er auf, und seegnet uns ein. – Dir zwar die Wahrheit zu sagen, Organtin, fuhr er mit tiefer, scheuer Stimme fort, hat Balisandra etwas an sich, so mich all' ihrem Liebreize zum Trotz von ihr zurücktreibt. Vermuthlich wird ein entsetzlicher Donnerschlag durch den Felsen fahren, wenn ich ihr die Hand zum Ehebunde reiche, und dann muß ich sie ermorden. Aber es geht nun einmal nicht anders an. Du weißt, ich sagte Dir's schon damals voraus, Carol kriegt sie aus meinen Händen nicht zurück.

Bedenke Dich, Reinald, entgegnete Alethes. Was Einen im Innern warnt, hat immer Recht, denn der Mensch ist ursprünglich ein wahrhaftiges Geschöpf.

Hab' geschworen, sagte Reinald verwildert. Und Dir, Organtin, gebe ich den Rath, daß Du nicht mit in die Höle gehst. Man weiß nicht, was vorfallen kann. Es wäre Schade um Dein junges Blut, und Du bist mir ordentlich an's Herz gewachsen, mein lieber, trauter Organtin.

Ein Blick, der innigsten Lieb' und Wehmuth voll, drang aus den verstörten Augen hervor, und regte in Alethes Brust die gleichen Gefühle auf.

Ich bitte Dich, mein alter, getreuer Reinald, sagte er, folge mir nur dies Einemal.

Was möchtest Du denn von mir? fragte Reinald mit einer düstern Freundlichkeit. Ich thäte es von ganzer Seelen gern, denn Du bist mir ein gar zu theurer Gast, aber ich wittre schon was Tolles in Dir, das sich zu einer Bitte gestalten will, und es wird dann wohl nichts draus werden können.

Ich bitte ja nicht allein, sagte Alethes. Du gestehst ja selbst, Dein eigner Geist bitte und warne ja auch.

Ho! Von der schönen Balisandra ist die Rede! rief der Alte, und seine Augen begannen furchtbar zu rollen, furchtbarer noch, als wenn vormals das Gebrüll der unterirdischen Flut seinen Wahnsinn zu erhitzen begann. Ja, ja! fuhr er fort, Du möchtest sie mit Dir führen, und wirbst bei mir um sie als um eine Braut. Aber ich hab' geschworen, hab' geschworen. Meine eigne Herrin und Gemahlin muß sie seyn, wenn auch vermuthlich nur im Tode. O, mein lieber Tollhäusler, Dein Erkühnen ist mir gar nichts Neues. Die Sterne haben mir oftmals davon gesagt, aber es war eine furchtbare Figur alsdann, in der sie standen. Dies nimmt kein gutes End. Lieber Organtin, guter Organtin, mach' Dich seitab, suche nach frommen, freundlichen Menschen unten in der Ebne; an mir ist gar nichts Gutes mehr und an der schönen Balisandra noch minder. Wir sind ein Paar gottlose Kreaturen. Laß uns nur vollends zum Teufel fahren, so erfüllen wir unsre Bestimmung. Daß er mich schon halb inne hat, ist Dir bekannt; Du weißt ja, ich bin besessen. Balisandren sieht man's weniger an, aber glaube nur, wenn einmal das Bischen Larve abfällt, wird mehr Diabolus daraus hervor flakkern, als aus meinen alten Knochen. Und somit sey der auf Deinen Wegen, den Balisandra nicht nennen darf.

Hei, Pilgersmann, mein Pilgersmann,
Such' Dir 'nen Wirth in Thal.
Hier oben triffst nur Geier an,
und wirst für sie ein Mahl.

Er wollte an Alethes vorbeischreiten, der aber faßte ihn, obzwar mit widerstrebendem Graus, und sagte: nicht zu ihr! Und sollte mir es ergehn, wie Gaston, als er mir den Weg zu ihr sperrte. Denn noch im Tode konnt' er's, und das kann vielleicht mein Leichnam auch.

Ach weh! Dein Leichnam! seufzte Reinald. Das müßte mich ewig dauern. Mache mich nicht toll, Organtin, ich bitte Dich drum, es wär' zu Deinem größten Unheil. Hör' mich! rief ihm Alethes, von streitenden Gefühlen wild gereizt, in's Ohr. Hör' mich! Jetzt, jetzt bist Du toll. Werde klug, fasse Dich! Laß mich die Wahrheit in Dich hineinschreien. Du bist gar nicht Reinald von Montalban! Die drinnen ist gar nicht die schöne Balisandra! die drinnen ist Gräfin Yolande!

Wie aufgeschreckt durch einen plötzlichen körperlichen Schmerz riß sich Reinald von Alethes los, lautschreiend, und nachdem er einige Schritte von ihm fortgetaumelt war, sagte er: Ei, Du Teufel, Du Teufel, wie Du Einen zu fassen weißest. Alle Fibern willst Du sprengen, mit denen unser Einem sich das Daseyn zusammen hält. Das ist ja eine ganz verfluchte Manier. Und überhaupt, fuhr er fort, indem sein Angesicht als in wilder Lohe entbrannte, und die Augen umherschossen, wie aus ihren Kreisen gerissene Sterne, – und überhaupt, Organtin, hast Du von Glück zu sagen, daß Du noch am Leben bist. Denn wer unterstand sich's doch, mit der Klinge gegen meine Thüre zu hau'n? Wart, Bürschlein, wollen Dir Rechenschaft abfordern!

Die schwere Keule pfiff in Reinald's gewaltiger Hand durch die Luft, wie ein schwankes Weidenrüthlein, und kaum mochte Alethes seitwärts springen, so zerschmetterte sie auch an der Stelle, wo er gestanden, ein aufgeschoßnes Gesträuch bis an die Wurzel. Alethes führte einen Hieb gegen seinen Feind, hoffend, ihn durch die Verwundung seiner Rechten wehrlos zu machen, aber mit gleicher Gewandtheit, als eben der Graf bewiesen, wich auch der Alte dem drohenden Hiebe aus.

Der an Erbittrung immer wachsende Zweikampf blieb überhaupt in dieser wunderlichen Weise des sich Hin- und Hertreibens; man focht mit großer Anstrengung, und fühlte mit jedem verfehlten Hiebe mehr, wie Leben und Lust des Lebens hier auf dem Spiele stehe.

Die Kämpfer, in einem seltsamen Ringe befangen, wurden schwindlich, indem der nahe Abgrund nach seiner Beute herauf zu rufen schien. Unversehns auch stürzte der Alte mit einem Schrei des Entsetzens über den schroffen Klippenhang hinab, und Alethes, eben im Begriff nach ihm zu hauen, wär' ihm beinahe nachgestürzt. Nur mit großer Anstrengung warf er sich rückwärts nieder. Während er aber Reinald'en mit seiner schweren Keule von Absatz zu Absatz fallen hörte, vergingen auch ihm die Sinne, und eine tiefe Ohnmacht warf ihre Schleier um ihn her.


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