Fouqué, Friedrich Baron de la Motte
Die wunderbaren Begebenheiten des Grafen Alethes von Lindenstein
Fouqué, Friedrich Baron de la Motte

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Zweites Kapitel

Schon lag die tiefe Mitternacht schweigend über den Straßen von Wien, und noch immer wußte der junge Croatenobrist, Graf Dondoni, den eisgrauen Minister und den kränklichen Doctor Juris bei der Conferenz fest zu halten. Endlich aber riß dem Greise die Geduld. – »Hört doch, Herr Obrister, sagte er, wie Eure Pferde dem Pflaster meines Hofes mitspielen. Laßt sie zu Haus führen, damit sie und wir in Ruhe kommen, denn in dieser Nacht ist ja doch von keiner Abreise die Rede mehr.« – »Wenn sich Ew. Excellenz nur noch auf ein Stündchen munter erhalten wollten; entgegnete der feurige Jüngling. Graf Lindenstein kommt ganz gewiß.« – »Dieser Meinung möchten erhebliche Zweifel zu opponiren seyn; sprach der Doctor. Und falls sie sich dennoch in der That bestätigen sollte, stände ja die Resolutio definitiv morgen eben so wohl abzufassen, als heute, und zwar um ein gutes Theil ordentlicher und bequemer.« – Der wilde Dondoni hätte fast mit der erzbeschlagnen Säbelscheide auf den getäfelten Boden gestampft in seinem Unwillen, sich aber besinnend, daß er im Hause des Ministers sey, sagte er blos höhnisch lächelnd: »Herr Doctor, Euerm Schreiber könnt Ihr freilich zu jeder beliebigen Zeit in die Feder sagen, was Euch ersprießlich vorkommt, aber nicht zu jeder beliebigen Zeit lassen sich Vestungen überrumpeln und Schlachten gewinnen. Ich dächte, Ihr behieltet noch immer der Stunden genug, um Euch im Federbette zu dehnen.« – »Es ist denn doch so gar ausnehmend eilig nicht, wie Ihr's Euch vorstellt, Herr Obrister;« sagte der mürrisch werdende Minister. Da fuhr der kecke Dondoni endlich in ganz überquellender Ungeduld heraus, und rief: »ei Du mein Gott, wenn ich Excellenz wäre, und siebenzig Jahr alt, oder wenn ich Doctor Juris wär', und wüßte von keiner andern Glorie, als die man sich mit der Feder erkritzelt, oder auf dem Katheder erdisputirt, – ei, da möchte meinthalb die Langsamkeit selber am Staatsruder stehn. Ich hätte das meinige weg, und wäre eben so zufrieden mit dem Thun als mit dem Lassen. So aber gedenke ich nicht ewig Croatenobrist zu bleiben, und habe bis zur Excellenz noch gar gewaltig weit. Ich muß daher bitten, sich ein wenig rüstiger im Marsch zu erhalten.«

Der Doctor Juris erschrack gewaltig über diese frevelhaften Redensarten, so, daß ihm die fast schon zugefallnen Augen mit einemmal ausnehmend groß wieder aufgingen. Der Minister drohte liebreich, aber sehr ernst mit dem Finger, sprechend: »seyd zufrieden, Herr Obrister, daß Eure Thaten schon öfters um ein großes besser und löblicher gewesen sind, als Eure Worte, sonst möchte Euch dieses wunderliche Betragen nicht so ohne Verantwortung hingehn. Auf Eure vielen, selbstbesoldeten Truppen müßt Ihr eben nicht stolz thun. Was nicht in kaiserlichem Dienst geschieht, ist Rebellion, und Rebellen haben nun und nimmermehr ein gutes End gefunden.«

Der kriegerische Jüngling war vor dem gelassen hergesagten Spruch des Alten doch ganz scheu geworden, und blickte verwirrt vor sich nieder.

Die Thüren flogen auf. Eilende Diener meldeten den Grafen Lindenstein; andre folgten mit hohen Wachskerzen; Alethes stand plötzlich, sehr ernsthaft grüßend, in der Mitte des Gemaches.

Dondoni konnte seine nur eben erst mühsam unterdrückte Lebhaftigkeit nicht zügeln. Er flog an des geehrten Kriegsmannes Brust, ausrufend: »Ihr wolltet mich einstmalen aus einer Stadt jagen, wo es mir ganz wohl gefiel, mein edler Held; – wißt Ihr noch? Was mich betrifft, ich erfuhr er erst lange hinterdrein. – Nun verhoffe ich unter Euerm Befehl eine ganze Menge Städte und Feldläger zu erobern.«

Der Minister entschuldigte mit einigen wohlmeinend feierlichen Worten das übereilte Betragen des jungen Croatenführers. Dann erhub er sich von seinem Sitze, reichte dem Grafen ein schön verpetschiertes Pergament in ebenholzner Kapsel hin, und sagte: »ich freue mich, den edlen Ritter von Lindenstein als bestallten kaiserlichen Feldobristen und Rath begrüßen zu dürfen.«

Alethes aber wich einige Schritte zurück, und erwiederte gelassen: »ich erkenne alles Ehrende, was darin liegt, dem erhabnen deutschen Kaiser im Feld und am Schreibtisch dienen zu dürfen, aber als ein protestantischer Edelmann und meiner ganzen Eigenthümlichkeit halber, sehe ich mich genöthigt, diese Gnade in Dank und Ehrfurcht abzulehnen.«

Alle standen wie versteint. Der Minister nahm endlich aus seinem Schreibschrank einen eigenhändigen Brief des Grafen, und hielt, statt aller andern Antwort, ilhm den, wie fragend, entgegen.

»Ew. Excellenz stummer Vorwurf trifft mich allerdings, sagte Alethes, aber noch weit herber würde er mich treffen, wenn ich aus irgend einem Grunde vermöchte, gegen meine heilige und wahrhafte Ueberzeugung zu handeln. Die Gründe, die mich bewogen, meine jüngstgethanen Schritte als einen grund- und bodenlosen Irrthum zu widerrufen, brauche ich hier nicht anzugeben. Wohl aber bin ich zu dem offnen Bekenntniß verpflichtet: ich habe geirrt, ich sehe meinen Irrthum ein, und werde ihn aus allen Kräften zu verbessern trachten. Dies denn lege ich hiermit ab und empfehle mich den Herrn insgesammt für heut' und immer.«

Der Minister konnte keine Worte finden. Ein stiller, kalter Unwille legte sich wie erstarrend über sein ehrwürdiges Angesicht; der Doctor Juris war ganz versteint; Alethes wandte sich nach der Thür. Da vertrat ihm der feurige Dondoni den Weg. »Wenn Ihr mit kaiserlicher Majestät ein Spiel treiben wolltet, rief er, so thatet Ihr eben nicht sehr weise dran, in Person nach Wien zu kommen, um es zu melden. Der Rückweg möchte Euch etwas schwer gemacht werden.« Alethes schaute ihn mit strahlenden Augen wie durch und durch. »Ihr werdet mir meine Gänge schwerlich hindern, Herr Obrist; sagte er. Wenigstens kommt Ihr mir nicht so vor. Was irgend eine Gewaltthat gegen mich für die angelegten Pläne Verderbliches bringen würde, überlasse ich Sr. Excellenz zu beurtheilen; wie es unmittelbar für Euch, Herr Obrist, ablaufen möchte, weiß ich mit ziemlicher Gewißheit. Ich kam nicht unvorbereitet, auch auf den äußersten und übereiltesten Fall.«

Der Minister winkte den wilden Dondoni mit sichtlichem Unwillen zu Ruhe, welcher zurücktretend noch in Alethes Ohr flüsterte: »wir finden uns wieder.« – »Das glaub' und hoff' ich selbst;« entgegnete Alethes, grüßte ehrerbietig gegen den Minister, und verließ ruhig das Gemach, eine Stunde darnach auch die Kaiserstadt.


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