Fouqué, Friedrich Baron de la Motte
Die wunderbaren Begebenheiten des Grafen Alethes von Lindenstein
Fouqué, Friedrich Baron de la Motte

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Fünftes Kapitel

Yolandens Wagen hielt auf Alethes Ruf, und indem sich die schöne Frau neugierig herausbog, erschrack sie heftig vor der bleichen Gestalt an ihres Gatten Arm.

Es ist Bertha, sagte dieser, Eugenius Bertha; dessen Burg liegt in der Nähe, und Du wirst ihr wohl bis dahin einen Platz neben Dir verstatten. Siehst Du nun, daß Eugenius dennoch Recht hatte, und Du dazu erkoren bist, ihm die gerettete Braut zuzuführen?

Die? fragte Bertha verwundert, und sah mit einem langen, durchdringenden Blick auf Yolanden, dann schüttelte sie lächelnd das Haupt.

Hebe sie nur hinein, und setze Dich zu ihr, sprach Yolande. Sie scheint fremd und scheu vor mir, und, ist die Burg so nah, lege ich den anmuthigen Weg im kühlen Abendhauche lieber zu Fuße zurück. Ihr könnt doch nur langsam fahren, denn diese zarte, erschöpfte Gestalt erträgt wohl keine Erschütterung.

Ich glaube es selbst nicht, sagte Bertha, und noch ein einzigesmal möchte ich Eugenius gar zu gern hienieden sehn.

Alethes wollte Yolanden zureden, bei der Kranken im Wagen zu bleiben, aber sie flüsterte, sich herunter beugend, in sein Ohr: sie erweckt mir Grauen, wie ein Gespenst. Willst Du Yolanden nicht gleichfalls krank wissen, so laß mich zu Fuß gehn.

Sie stieg ab, und forderte Erwin auf, sie zu begleiten, der mit einem leichten Gelächter erwiederte: gern, schöne Frau. Aber Ihr fallt dennoch einem memento mori in die Hände.

Einem lustigen wenigstens, sagte Yolande. Daß wir Alle sterben müssen, ist freilich eine betrübte Wahrheit, aber von den Nachtigallen und Rosen des Kirchhofes läßt man sie sich noch am liebsten predigen. Wird mir's zu arg, und der Weg zu weit, so ist ja mein weißer Zelter zur Hand.

Unter diesen Reden kam ein Diener zurück, welchen Alethes gleich anfänglich ausgesandt hatte, sich nach Eugenius Burg zu erkundigen; sie liege ganz nahe, berichtete er, und schon die nächste Windung des Thales mache sie sichtbar. Hierauf bewegte sich der Zug langsam vorwärts, Yolande mit Erwin über den Rasen hinwandelnd, Alethes neben Bertha im Wagen.

Er hatte Ihr Schweigen bis dahin der Ueberraschung zugeschrieben, aber sie blieb ganz still, und sandte nur wehmüthig lächelnde Blicke nach allen Gegenständen umher, die sich ihnen im Thale darboten; es war, als treffe sie lauter alte Bekannte wieder an. Ueber einige Bäume und Gebüsche schien sie erstaunt, wie sie sich seit ihrer Abwesenheit verändert hatten, mit andern führten ihre holden Augen wie ein vertrauliches Gespräch, und manche davon grüßte sie ordentlich mit Neigen und Winken.

Sie ward nun Eugenius kleine Burg gewahr, und überströmte bei diesem Anblick ihre Wangen mit milden Thränen. Bemerkend, daß Alethes ihr etwas Erheiterndes sagen wollte, winkte sie ihm, still zu bleiben, und weinte lächelnd fort. Manchmal sagte sie: arme Bertha, armer Eugenius; spielten hier so froh, die artigen Kinder! – Es war, als riefen diese halblauten Worte neue, unversiegbare Thränenquellen aus ihr herauf, so reichlich ergoß sich jedesmal darnach die sanfte Flut.

Halt hier! flüsterte sie, als man sich einem Gehäge näherte. Aussteigen! – Alethes hob sie aus dem Wagen, sie lehnte sich auf seinen Arm, öffnete eine kleine Gitterthür, und Beide traten in ein duftiges Gartengebüsch, aus Oelkirschen und Rosenbäumen etwas verwildert aufgeschossen. Sichern Trittes führte Bertha ihren Begleiter durch einige halbbegraste Gänge, die man jedoch da, wo Bertha ihren Weg hinrichtete, noch am mehrsten bertreten fand. Sie schien dies zu bemerken, und nickte einigemal beifällig lächelnd mit dem Kopfe.

Alethes fragte, ob sie nicht nach der Burg wolle, – Es ist so schönes Wetter Heut, entgegnete sie; zweifelsohn ist er draußen, und gebt Acht, ob nicht bei dem Lindenquell.

Ihre Worte bestätigten sich, indem man bald darauf unter einigen uralten Lindenbäumen am Rand eines klaren Wässerleins einen Jüngling wahrnahm, welcher, den Rücken gegen die Kommenden gekehrt, unverwandt in die Wellen blickte. Ihrer Mattigkeit für einen Augenblick vergessend, machte sich Bertha von Alethes Arme los, flog mit ätherischer Leichtigkeit über den Rasen, und sich an Eugenius Busen schmiegend, sagte sie wie mit Tönen der Nachtigall: o nun nicht mehr weinen, mein süßer Freund, nun nicht mehr weinen! Sieh doch, Bertha ist ja wieder gekommen, und will nun bei Dir bleiben, mein holdes Selbst.

Eugenius weinte in der Ueberraschung nur heftiger, und brach zwischen seinen inbrünstigen Küssen und Umarmungen in laute Ausrufungen des allerfreudigsten Jubels aus.

Da machte sich Bertha von ihm los, und sagte wehmüthig: ach, Du armer Eugenius, sieh mich doch nur recht an. Ich schelte mich, daß ich Dir in der ersten Freude von bei Dir bleiben vorsprach. Das möchte ich freilich wohl gern, aber der kalte Bräutigam, Tod geheißen, wohnt mir ja schon im Herzen, und will mich sehr bald hinüberführen in sein dunkles Land. Du kommst mir wohl auch bald nach? Nicht? Wenn man sich so recht herzlich sehnt, gehn des Leibes grobe Bande schon von selbst auseinander, denn gewaltsam darfst Du Dich nicht zerstören, mein höchst liebliches Bild.

Sie streichelte unter diesen Worten sein Antlitz, welches er, von ihrem bleichen Aussehn erschreckt, sehr betrübt in ihren Schooß gelegt hatte.

Nach einer Weile richtete sich Eugenius wieder auf, und sagte: mußt Du denn von mir? Wenn Du nicht willst, muß Du nicht. Du meintest eben, die rechte Sehnsucht löse des Körpers Bande; die rechte Sehnsucht hält sie auch zusammen. Fasse Dich nur in inbrünstiger Liebe zu mir recht fest an das Leben an, und Du wirst leben.

Lächelnd entgegnete Bertha: Du sprichst thöricht, mein lieber Freund; gottlos, müßte ich sagen, wenn es nicht die göttliche Liebe wäre, die nur in verwirrten Klängen durch Deinen Schmerz hervorbricht. Sich so an's Leben anklammern, mag helfen für irdisches Leben, für ewiges hilft es wahrlich nicht. Und was haben wir denn aneinander so lieb? O keinen Kampf laß uns mehr bestehn! Still geschieden und friedlich, wie es Heute Abend die Sonne von der Erde thut.

Meine holde Sonne, erseufzte Eugenius, wenn Du scheiden willst, so erzähle mir auch vom Aufgange recht viel, damit ich weiß, wie ich es anfangen soll, die lange, einsame Nacht zu überstehn.

Du wirst bald einschlafen, antwortete Bertha. Dann träumt sich's still und heimlich eine Weile fort, und wann Du erwachst, siehst Du mich morgenlich heiter im Osten stehn, ewig jung, wie Du alsdann selbsten geworden seyn wirst. Jetzt aber, sieh nur, leuchtet das Abendroth schon um die Stämme der Linden, um ihre Wurzeln schon. Ach sieh, ein Purpurbett auf grünem Rasen hat es mir bereitet. Hier soll begraben werden, was von mir rückbleiben wird. Und gute Nacht, mein lieber, frommer Freund!

In einen langen Kuß hatte sie die holde Seele ausgehaucht, und sank nun starr und kalt auf den sonnerleuchteten Rasen hin, so, daß die Strahlen noch verschönernd um ihre Wangen spielten.

Eugenius saß in stiller, freundlicher Betrachtung neben der Leiche, Alethes lehnte tiefsinnig an einer der Linden, als eine lustige Musik, von vielen jubelnden Stimmen begleitet, aus den Gebüschen heran klang. Die beiden Trauernden wendeten sich überrascht dahin, und erblickten den getreuen Kurt, der von Alethes Dienern vernommen hatte, wie Bertha gerettet sey, und nun in Begleitung des Schloßgesindes herankam, seiner jungen Herrschaft einen freudigen Gruß zu bringen. Schmerzlich lächelnd sagte Eugenius zu den Alten: sie ist schon wieder fort. Aber dies zarte Bildniß hat sie mir zurückgelassen. Schade nur, daß wir's noch erst in die Erde säen müssen, bevor es in seiner vollen Herrlichkeit leuchten kann. Bestelle mir Priester, und was sonsten zur Saat gehört. Morgen, mit Aufgang der Sonne, will ich meine erblichne Sonne hier in ihr Bett verhüllen.

Kurt weinte laut, mit ihm das Gesind, und als sich der Alte ein wenig gefaßt hatte, hieß er die Andern auf den Instrumenten, mit denen sie sich so lustig hergeblasen hatten, ein Todtenlied spielen. Es geschah, und die Sterne stiegen während der feierlichen Melodie an dem dunklen Nachthimmel herauf. Eugenius fing unterdeß an, ein Rasenbett für die schöne Leiche zu ordnen, und es mit Blumen auszuschmücken, damit sie bis zur morgenlichen Bereitung des Grabes darauf liegen könne, wobei ihm Alethes schweigend half, während sich das Gesinde still weinend entfernte. Kurt, der bald nachher von den Anordnungen zum Begräbniß allein zurückkam, näherte sich noch einmal der Leiche, und befühlte ihr Puls und Wangen, als halte ihn noch ein Zweifel aufrecht. Dann aber trat er sehr betrübt zu den Beiden, und fing an, ihnen bei ihrem Geschäfte zu helfen, sprechend: Lichtlein ist ausgebrannt. – Ja wohl, entgegnete Eugenius, wie als wir sie damals in ihrem Zimmer suchten, und es war so leer, und sie so fern.

In der Bereitung des Rasenbettes, und indem sie die schöne Gestalt darauf legten, blieben alle Drei die Nacht hindurch beisammen. Selten sprach Jemand, aber der Alte sang bisweilen Verse aus geistlichen Liedern, worin die Andern unaufgefordert einstimmten.


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