Fouqué, Friedrich Baron de la Motte
Die wunderbaren Begebenheiten des Grafen Alethes von Lindenstein
Fouqué, Friedrich Baron de la Motte

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zwölftes Kapitel

Ein bequemer Wagen nahm den Freiherrn und Emilien auf. Zwar hatte Jener beim Abreisen oft sehnsuchtsvoll nach den edlen, stampfenden Rossen geblickt, die für Alethes und dessen Reisige und Diener bereit standen, aber ein bittender Wink seines Engels gnügte, um ihn ohne die leiseste Widerrede, gleich als durch Magnetenkraft, mit in den Wagen zu ziehn.

Gewöhnlich trabte unterweges Alethes beiher, nicht steile Fußwege, nicht Hecken, nicht Graben scheuend, um seinen lieben Beschützten so nahe, als möglich, zu bleiben, und jeden ihrer Wünsche im Voraus zu errathen und zu erfüllen. Nur wenn irgend eine Reiseanordnung seine unmittelbare Gegenwart erheischte, – die Zeiten waren damals noch immer nicht ganz vollkommen ruhig und friedsam geworden, – flog er pfeilschnell davon, um bald noch pfeilschneller an den ihm unendlich theuern Posten zurückzukehren.

Während einer solchen kurzen Entfernung sagte einmal der alte Freiherr Thurn mit lächelnder Wehmuth zu Emilien:

»Geht es denn wirklich gar und durchaus nicht an, daß ein edler Ritter die Liebe eines Engleins gewinnt? Kann es irgend wer, so muß es mein herrlicher Neffe Organtin können. Und was Ihr Zwei für ein Paar seyn müßtet, Du und er! Und ich glaube, die Welt würde mir vor solch einer Freude mit einem einzigen, seeligen Jubelschlage vollkommen klar und hell. – Aber Du weinst ja, liebes, schönes Engelein! O nein, das muß nicht geschehen. Trockne Dir Deine schönen Augenlichter, und glaube nur recht fest, ich will dergleichen nun und nimmermehr wieder reden.«

Und sanft mit einem Trauerflor, den er gewöhnlich um den Arm zu tragen pflegte, fing er ihre holden Thränen von den Wangen auf, und hielt auch Wort mit dem Schweigen über jenen ihm sehr theuern Wunsch. Er that gut daran, denn Emiliens zartes, so viel und schwergeprüftes Herz blutete wohl ohnehin schon aus allzu vielen Wunden.

Die Reise war vollendet. Mit ahnungsvollem Herzklopfen sah Alethes die Thürme auf Yolandens und Isidorens verhängnißreichen Burgen über die vom Knospengrün wie umhauchten Waldeswipfel hervorragen. Er ließ Emilien nach ihrem Wunsch in einer stillen Meierei zurück, einsam und friedlich im Thale gelegen. Hineinschreitend sagte der alte Thurn: »mir ist, als würde Reinald von Montalban noch am Ende ein frommer Schäfer werden, oder ein heitrer Blumengärtner. Man hat wohl schon früher dergleichen Beispiele in den Heldengeschichten gefunden.« –

Ganz allein trabte Alethes bergan, in ungestümer Eilfertigkeit sein Roß zu Isidorens finstrer Behausung empor treibend. Jetzt sprengte er donnernd über die Zugbrücke. Als habe sie ihn schon erwartet, stand Yolande ganz allein auf den Zinnen der Burg. Staunend hielt er die Zügel an vor dieser herrlichen Erscheinung. Ihre stillgewordne, nun etwas bleiche Schönheit leuchtete wie ein sanfter Strahl aus den weitumwallenden, schwarzen Gewanden hervor. Voll unbeschreiblicher Liebe sah sie zu Alethes herab, der, von den wundersamsten Gefühlen durchwogt, unwiderstehlich in wehmüthige, leisequellende Thränen wie ganz aufgelöst, die schmerzenglühenden Blicke gar nicht von ihr abzuwenden vermochte.

»Ja, weine nur, holder Freund, sagte sie endlich, weine nur. Es ist ein reiches Himmelsgeschenk um die Thränen, und es wird auch mir in meinem gottversöhnten Zustande aus überwallenden Gnaden oft verliehen. Aber jetzt kann ich nicht weinen, denn ich freue mich so hell und still und heiter über Deinen Anblick. Du bist sehr gut, sehr edel; Du wirst auch noch sehr klar und sehr glücklich werden. – Für Heute, lieber Gast, darf ich Dich nicht einlassen. Meine Mutter wird wohl noch in dieser Nacht zu Gott gerufen werden, und der Abend sinkt schon mit tieferer Dämm'rung nieder. Auch mußt Du Deine beiden Begleiter mitbringen. Staune nicht. Mir haben recht liebe Träume Alles berichtet, und ich stehe Dir dafür ein, diese Fahrt soll weder meinem edlen Vater schaden, noch meine Engelsschwester Emilie erschrecken. Nicht wahr, Du bringst sie mir Morgen in der Frühstunde Beide hierher? – Es wohnt nun gar nichts Unheimliches mehr in diesen Mauern. Sehr schwer haben wir gerungen, sehr furchtbar, meine arme Mutter und ich, aber eben aus der allerentsetzlichsten Verzweiflung ging uns endlich das ewige Gnadenlicht auf, und gab uns den süßen Trost himmlischer Begnadigung. O wie ist Alles nun so schön! – Gute Nacht, lieber Alethes, und Emilie soll für mich und meine Mutter beten.«

Und feierlich, aber dennoch mit holder Vertraulichkeit grüßend, schritt sie zurück, und Alethes eilte zu Emilien, und meldete ihr Alles. Es war nicht erst die Rede davon, ob man Morgen nach der Burg hinauf wolle und dürfe. Wie ein Himmelsgebot war Yolandens unerwarteter Wunsch in die Herzen gedrungen, und alles Zweifeln und Zagen war aus.


 << zurück weiter >>