Fouqué, Friedrich Baron de la Motte
Die wunderbaren Begebenheiten des Grafen Alethes von Lindenstein
Fouqué, Friedrich Baron de la Motte

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Siebentes Kapitel

Erst unten im Gebüsche fand man sich wieder zusammen. Man fing an, sich zu befragen, was denn eigentlich geschehn sey; der Eine wollte Dieses, der Andre Jenes bei der furchtbaren Burg erblickt haben, während Erwin, auf dem herabrollenden Wagen aus seinen Fieberträumen halb erweckt, allerhand seltsame und höchst erschreckliche Worte durch einander mischte. Yolande gebot Allen Stillschweigen, und hieß vorzüglich den Wagen, auf welchem Erwin lag, weit hinter dem ihrigen zurückbleiben. Eben begann der Zug, auf dem ersten gebahnten Wege, welchen man fand, vorwärts zu rücken, als sich ein bewegliches Licht zwischen den Bäumen wahrnehmen ließ. Schon durch die frühere schau'rliche Begebenheit erschreckt, machte man Halt, und Alethes sprang, ohne Yolandens ängstliche Reden zu beachten, kampfergrimmt und fast über sich selbst unwillig aus dem Wagen auf das Pferd.

Er jagte an die Spitze des Zuges, und ihm entgegen kam alsbald ein Mann zu Roß, die Fackel in der Hand, auf dem Haupt eine wunderlich geformte Mütze, aus der hervor ein wildes Haargelock um Brust und Schultern flog. Wer da? rief Alethes, und der häßliche Fremde entgegnete: Ach so! Ihr seyd der Graf von Lindenstein.

Wenn der Teufel meinen Namen weiß, schrie Alethes, halb entsetzt, halb ergrimmt zurück, so weiß ich doch den seinen nicht. Drum sage, wie Du heißt, abscheulicher Kumpan.

Nun ja, sagte der Andre lachend; Euer Kumpan bin ich, oder vielmehr Euer Knecht. Using bin ich, und war Euch entgegen geritten, um Euch in der Dunkelheit zu leuchten. Ist das nicht der Wagen der Gräfin dahinten?

Ja wohl, sagte Alethes. Was fragst Du nur erst?

Gebt mir sie zu führen, kam die Antwort zurück. Ich geb' Euch Leute mit, die Euch auf einem nähern Fußsteig an das Schloß bringen.

Alethes schlug dies Erbieten ab, weil er durchaus Yolanden jetzt nicht auf einen Augenblick verlassen wolle, und Using brach darüber in ein ganz hörbar unzufriednes Gemurmel aus.

Was hast Du doch zu schelten? sagte Alethes ärgerlich. Ich sollte eigentlich schelten, daß Du uns in der dunkeln Nacht nicht früher Jemanden entgegen geschickt hast.

Es hätte Euch ja doch Niemand auf diesem Wege gefunden, entgegnete Using. Denn Ihr kommt grade von der verkehrten Seite.

Wie findest denn Du uns hier? fragte Alethes, und, indem es ihm nun erst in den Sinn kam, daß man Using von der Veste der gräßlichen Alten hatte bergunter reiten sehn, begann er auch desfalls mit Fragen in ihn zu dringen. Using beantwortete das Alles meist nur mit einem feindlich unverständlichen Murren, und rieth endlich dem Grafen, wenn er sich denn ja niemals auf drei Schritt von seiner Gemahlin entfernen wolle, möge er auch jetzo hübsch bei ihr bleiben; sein Vornereiten beim Zuge könne der ängstlichen Dame ja doch nur zu schlechtem Troste gereichen.

In dem zärtlichsten Liebesgefühl zu Yolanden übersah Alethes jedwedes Beleidigende, welches in solchen Aeußerungen eines Dieners für den Herren liegen mußte. Vielmehr wandte er sein Pferd alsbald rückwärts, und näherte sich Yolanden, welcher er, beiher reitend, erzählte, wie Using sie führe, und wie sie nun vor aller Verirrung sicher sey; er suchte zu gleicher Zeit den vorhergegangnen Schrecken durch freundliche und zerstreuende Reden in Vergessenheit zu bringen, so, daß man auch endlich ziemlich erheitert an das Schloß gelangte.

Eine zierliche Abendmahlzeit in demselben Kabinet, wo sich Alethes zum erstenmale mit Yolanden besprochen hatte, empfing die Ankommenden. Das kleine, schön geordnete Gemach hauchte gleichsam aus allen seinen Wänden, Nischen und Verzierungen ein Heer von holden Erinnerungen über die Speisenden, die einander dicht gegenüber die auserlesensten Erquickungen genossen. Eins an des Andern Augen fachte ein süß'res Feuer an, als es die edlen südlichen Weine, welche vor ihnen in Kristallgläsern perlten, zu geben vermochten.

Da pochte es an die Thür, und als die Diener öffneten, stand der bleiche Erwin draußen, in Fieberphantasieen schwärmend, und ein großes Pack Schriften und Briefe unter dem Arm. Man brachte ihn, theils mit Gewalt, theils mit Ueberredung zu Bett, und erfuhr nun, daß ihm die Papiere wirklich von einigen reitenden Boten übergeben waren, welche ihn von andern Geschäften her kannten, und ihn zufällig, in seinem krankhaften Zustande umherwandelnd, unter den Bäumen des Vorhofes angetroffen hatten.

Flaschen und Schüsseln wurden weg geräumt, die beschriebnen Blätter thürmten sich zwischen Alethes und Yolande empor, mit ihrem ernsten, schlauberechneten Inhalte die Grazien liebreicher Huld von dem Antlitze der schönen Frau, die minnesehnende Heiterkeit von der Stirne des Mannes verscheuchend. Es gab nun bis tief in die Nacht hinein zu lesen, und zu beantworten.

Die Arbeit endlich unterbrechend, sagte Alethes zuletzt: es ist doch eigentlich ganz anders geworden, Yolande, als Du Dir es früher hier im Kabinet ausdachtest und wünschtest. Damals war die Rede von heiterm Genuß und herrlichen Festen, und von weiter nichts in der ganzen Gotteswelt. Nun aber, was Du sonsten, den Krieg vermeidend, vermeiden wolltest: ernste Geschäfte, strenge Störung der Genüsse durch berechnende Klugheit – das Alles tritt nun ein. Denn sitzen wir nicht hier, und grübeln, und rechnen, und schreiben, wie trübe Frohnarbeiter in einer Kanzelei?

Was damals für mich taugte, entgegnete Yolande, sprach ich auch damals aus. Ich war ja weiter nichts, als Yolande, und konnte allenfalls mit einem Leben zufrieden seyn, wie es sich für eine schöne, reiche Frau gehörte. Seitdem ich aber den herrlichen Namen des Grafen Alethes von Lindenstein trage, muß ich schon mehr von der Welt verlangen, wenn ich meiner Benennung nicht unwerth seyn will. Zudem ist ja die Freude auch nicht von uns verbannt. Denn ist nicht Yolande Dein? Und sinken nicht die Papiere, schließen sich nicht die Briefe schon, während magisch dämmerndes Kerzenlicht uns zur Ruhe winkt?


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