Fouqué, Friedrich Baron de la Motte
Die wunderbaren Begebenheiten des Grafen Alethes von Lindenstein
Fouqué, Friedrich Baron de la Motte

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Viertes Kapitel

Durch ein angenehm beschattetes Thal fuhr Yolandens Wagen hin, während Alethes, der sie zu Pferde begleitete, einen Fußpfad wählte, der sich zwischen Erlen und Buchen den Abhang eines Hügels hinauf schlang, und unter den hochstämmigen Bäumen sowohl den Blick in das Thal, als auch nach einem andern, sich droben fortwindenden Wege frei ließ. Die kühlenden Lüfte des Abend's begannen eben ihr Spiel, als von der Höhe herabwallender Staub Alethes Augen dorthin lenkte. Ein schwerbepackter, schönverzierter Wagen fuhr heran; es schien, als sitze ein Kranker drin, so langsam und sorgfältig bewegten ihn die sonst muntern Pferde vorwärts. Die ganze Erscheinung kam dem Grafen bekannt vor, und indem ihn die Begier, zu wissen, wer in dem Wagen sey, nur anregte, stand schon sein feuriger Hengst mit ein Paar kräftigen Sprüngen auf der Höhe des Hügels.

Vor dem plötzlich heraufsprengenden Reiter zogen die Pferde vor dem Wagen erschreckend an, und eine zarte Frauenhand rollte den grünen Vorhang des Kutschenfensters zurück. Gleich darauf tönte eine leise, doch wohlbekannte Stimme hervor: nun rette, Held, nun rette! Halt! rief Alethes dem Kutscher zu, der alsbald dem Gebote des kräftigen Mannes Folge leistete, während aus dem andern Schlage der Kutsche eine mürrische Mannsstimme vergeblich zum Fortfahren antrieb.

Ich will wissen, wer hier der Rettung bedarf, sagte Alethes, während er sich nach dem Wagenfenster hinbog.

Das sehr bleiche, fast entstellte Gesicht Bertha's, die er ehmals im Gebüsche ohnweit Paris angetroffen, schaute hervor, und sie sagte: hier ganz nahe bei ist Eugenius Burg. Ich kenne Dich wohl wieder, der Du damals die geistliche Kleidung trugst, aber nun rette, Du Held, nun rette!

Das will ich, sagte Alethes, freudig im Gefühl seiner jetzigen Kraft und Gewalt. Ihr, alter Herr, laßt der Dame alsbald ihren freien Willen, wofern Ihr nicht Schlimm'res erfahren wollt.

Der Alte, den Alethes gleichfalls auf den ersten Blick wieder erkannte, stimmte ein lautes, unzufriednes Räuspern an, worauf sich ein Bediente auf dem Kutschbock zu regen begann, dem aber der Graf alsbald zurief: still gesessen; auf Deine Gefahr! – Es geschah nach seinem Willen, aber der Bedrohte winkte rückwärts, von wo zwei Diener zu Pferde bewaffnet herangetrabt kamen.

Gebt Euch keine Mühe, sagte Alethes, und die scharfe Klinge blitzte in seiner kampfgeübten Hand. Ich werde mit Euch Allen leichtlich fertig, und zudem schaff' ich mir durch einen einzigen Ruf überlegnes Gefolg' aus dem Thal herauf.

Mit wem hab' ich die Ehre zu sprechen? fragte der Alte sehr höflich.

Es ist kein Geheimniß, entgegnete Alethes. Ich bin Graf Lindenstein.

Nun, so sind wir ja ohne Zweifel vollkommen einig, sagte der Alte. Mein hochgeschätzter Graf wird keinem Vormunde sein Mündel entführen wollen.

Versteht sich von selbst, sprach die alte formelle Dame drein, welche neben dem Herrn im Wagen saß. Fahrt zu, Kutscher!

Um Verzeihung, sagte Alethes. Das wollte ich ihm nun eben nicht rathen. Steigt nur getrost aus, Fräulein Bertha, wenn Ihr Lust habt, Euch durch mich nach Eugenius Burg geleiten zu lassen.

Auf flog die Thür des Wagens, Bertha schlüpfte leicht und geisterähnlich heraus, gleich darauf, von ihren zarten, weißen Gewändern umwallt, auf den Rasen hinsinkend.

Ihr seht, daß meine Nichte krank ist, sagte der alte Herr, und am Ende, mein hochgeborner Herr, beladet Ihr Euch mit einer ganz Verrückten.

O Ihr Thoren, sagte Bertha, sich halben Leibes von dem Rasen emporrichtend, für bethört haltet Ihr mich, weil ich das rechte, unvertilgbare Leben in meinem Busen spüre. Krank mag ich seyn, wie Ihr es nennt, denn freilich hoffe ich, die siegreiche innre Blüthe solle die äußre Schale bald zersprengen. Aber Eugenius Burg ist in der Nähe, das hörte ich allzu deutlich von dem Bauern, den Ihr selbst um den Weg befragtet, und rette Held, Du rette!

Es ist eine confuse Welt Heut zu Tage, sagte der alte Herr. Wir sind nun des kranken Mädchens wegen so langsam gefahren, und eben deshalb mußten wir meinem Herr'n Grafen in die Hände fallen.

Und eben deshalb, fuhr Alethes fort, werdet Ihr weiter keine Umstände machen, wenn Ihr seht, wie ich die Dame mit mir nach dem Wagen meiner Frau führe. Wer es Heute oder irgend sonst wo übel nimmt, wird den Grafen Alethes von Lindenstein allerwärts antreffen können.

Bitte gehorsamst! sagte der alte Herr; freue mich, daß ich die Ehre habe –

Der Wagen fuhr weiter, und Alethes führte die halb ohnmächtige Bertha, oder trug sie fast nach dem Thale hinab.


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