Fouqué, Friedrich Baron de la Motte
Die wunderbaren Begebenheiten des Grafen Alethes von Lindenstein
Fouqué, Friedrich Baron de la Motte

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Neuntes Kapitel

Yolandens Klagetöne bebten um Alethes Ohr, als er wieder zu sich selbst kam. Weh', weh' mir! seufzte sie aus der Höle, besiegt hat er den gräulichen Gegner wohl, aber sich und mir zum Tode! In der furchtbaren Felsenhalle muß ich nun ersterben in entsetzlicher Verzweiflung, von allem menschlichen Troste fern, dicht, dicht an die furchtbare Ewigkeit gerückt!

Nein, Du sollst nicht vergehn, Du süßes Licht, rief Alethes, sich aufraffend. Die Thür, schon durch seine Hiebe vorhin erschüttert, gab nun brechend der ersten kraftvollen Anstrengung seiner Arme nach, und Yolande schlang ihm die schönen Hände freudig weinend um den Hals.

Du lieber Bote, Du schöner Bote, sagte sie schmeichelnd, Licht und Freude bringst Du mir, und sprengst, was uns trennen wollte, Du tapfrer Sieger, und führst mich wieder heraus in das liebe, liebe heitre Leben. O Gott, wie lockend ist diese Welt! Wie schwer der Tod! Wie unendlich reich die Erde an den süßesten Freuden! Und wie nahe dran war ich, dies Alles zu verlieren! Es war sehr furchtbar, Alethes. Fest und starr vor mir, wie durch Zauber verschlossen, die wunderliche Pforte, und wie durch Stäbe eines Sarggegitters sah zu mir herein der freundliche, helle Sommerhimmel, als sage er mir ein ewiges, inniges Lebewohl. Um mich her die Steine und das Moos, meine Grabeswände! Sie kamen mir schon ganz bekannt vor, als hätten sie bereits den Jammer, die verzweifelnde Angst gesehn, die mir noch erst bevorstand, mir, der Lebendigbegrabnen! O, himmlische Güte, ich würde dies Grausen nicht lange mehr ertragen haben. Es mag wohl nur eine Viertelstunde vergangen seyn, seit Du draußen ohnmächtig lagest, aber die Schrecken eines ganzen wahnsinnigen Lebens und eines abscheulichen Todes drängten sich mir darin zusammen. Mich fängt's zu schwindeln an, Alethes; halte mich.

Sie sank ermattet von Angst und Freude in seinen Arm, er trug sie auf das Mooslager, wo er ehmals geschlafen hatte, und das er noch sorgfältig geordnet fand.

Yolandens holde Gestalt ruhte lieblich auf dem dunkeln Bette, aus ihren Augen drangen noch einzelne Zähren, aber der Sonnenschein der Freude und Zärtlichkeit glänzte hindurch. Sie schmiegte sich ihrem Retter an, und streichelte in süßer Vertraulichkeit seine Wangen. Er hatte sie noch niemals so schön gesehn. Befangen in stiller Einsamkeit mit dem über alles geliebten Bilde, wich vor ihm zurück, was er außer Yolanden gekannt und geliebt, sein ehmaliger Unwille gegen sie erschien ihm nun als ein albernes Spiel, und er gedachte dessen auch nur dunkel. Wie ein in's Leben getretner Traum war Yolande vor ihm hingegossen, auf dasselbe Lager, wo ihre Erinnerung seinen Schlummer oftmals verschönt hatte. Er umfaßte sie voll glühender Liebe, erröthend legte sie ihr Gesicht an seine Brust, und ward sein mit all' ihrem unendlichen Reiz.

Ein furchtbares Getöse schreckte die Liebenden aus ihrem Taumel auf. Herr Gott, rief Yolande, der Alte kommt gespenstisch, sich zu rächen! Auch Alethes fühlte sich von plötzlichem Schrecken durchzuckt, bald aber gewann er soviel Besinnung, zu begreifen, dieser Tumult sey der ihm sonst wohlbekannte vom unterirdischen See herauf. Er wollte Yolanden beruhigen, und erklärte ihr dieses Geräusch unter schmeichelnden Worten, sie aber bat ihn, ihr nur gleich aus der Höle zu helfen. Draußen jagte ein heftiger Wind schwere Gewitter herauf. Die glühende Luft ward durch keinen fallenden Regentropfen erquickt, aber gewaltige Donnerschläge schmetterten über die Berge hin.

Dahinaus willst Du? sagte Alethes, nach dem drohenden Unwetter deutend.

Draußen ist nur der Tod, entgegnete Yolande mit seltsamer Stimme, aber hier innen ist die Hölle.

Alethes eilte mit ihr nach dem Ausgange. Indem sie in die freie Luft traten, tönte es durch Sturm und Gewitter, wie ein ängstlich wehklagender Laut aus der Tiefe herauf. – Lieber Gott, sagte Alethes erschüttert, das ist der alte Reinald. Er lebt noch, und quält sich unten im Abgrunde. Ich darf ihn nicht so allein sterben lassen, vielleicht in Verzweiflung. Halte Dich hier einen Augenblick, Yolande, und vergönne mir, hinabzuklimmen nach ihm.

Willst Du Dein Weib tödten? rief Yolande, ihn fest umschlingend. Denn Dein Weib bin ich ja doch nun, oder Du wärest nicht der edle Alethes von Lindenstein.

Mein Weib bist Du, sprach Alethes zurück, aber banne nicht Reinald's rächenden Schatten in unsern Schlaf, indem Du mich zwingst, den Sterbenden zu verlassen.

Ach, sagte Yolande sehr sanft; aber mich findest Du nicht lebend wieder. Ich halt' es hier allein nicht aus. Hättest Du mich recht lieb, Du eiltest, mich aus der furchtbaren Einöde fortzutragen.

Ueberwunden von ihrer Schwäche und ihrem Liebreiz, faßte sie Alethes in die Arme, ihr Gesicht mit Küssen bedeckend, und sich dadurch gegen die Klagelaute betäubend, welche noch immer aus der Tiefe heraufdrangen. Er eilte mit seiner holden Beute nach dem Abhange des Berges zu. Seine Küsse erwiedernd, sagte sie halbweinend, halblachend: hergetragen von teuflischem Spuk, rückgetragen von himmlischer Liebe. O Du Herrlicher, Du Langersehnter!

Der Sturm aber wühlte feindlich durch die Locken der Eilenden, und brüllte im wilden Geheul um sie her; laute Donnerschläge rasselten ihnen nach.


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