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Ein Etat ist aufgestellt und das Fleisch wird knapp. Pinneberg findet sein Lämmchen komisch

Lämmchen sitzt an einem späten dunklen Nachmittag in ihrer Wohnung, hat ein Heft vor sich und lose Blätter, Federhalter, Bleistift, ein Lineal. Sie schreibt und addiert, dann streicht sie etwas weg und dann setzt sie wieder etwas dazu. Dabei seufzt sie, schüttelt den Kopf, seufzt wieder, denkt: ›Es ist ja wohl nicht möglich‹, und rechnet weiter.

Das Zimmer ist wirklich gemütlich mit der tiefen Balkendecke und den rotbraunen warmen Mahagonimöbeln. Es ist ganz und gar kein modernes Zimmer, es tut dem Meister gar nichts, daß ein mit schwarzen und weißen Perlen gestickter Spruch an der Wand hängt, ›Sei getreu bis in den Tod‹: das gehört alles dazu. Und auch Lämmchen gehört dazu im weiten blauen Kleid mit der kleinen Maschinenspitze um den Hals, mit dem sanften Gesicht und der graden Nase. Es ist angenehm warm im Zimmer, der nasse Dezemberwind faucht manchmal gegen die Scheiben an, das macht alles noch heimeliger.

Lämmchen ist mit ihrer Schreiberei fertig, sie liest sie noch einmal durch. Und so sieht aus, was sie schrieb, mit vielen Unterstreichungen, kleinen und großen Buchstaben:

Normal-Etat
von Johannes und Lämmchen Pinneberg
pro Monat
Anmerkung: Darf unter keinen Umständen überschritten werden!!!!
A. Einnahmen:
Gehalt pro Monat brutto     200.– RM
B. Ausgaben:
a. Lebensmittel:      
Butter und Margarine   10.–  
Eier   4.–  
Gemüse   8.–  
Fleisch   12.–  
Wurst und Käse   5.–  
Brot   10.–  
Kolonialwaren   5.–  
Fische   3.–  
Obst   5.– 62.–
       
       
b. Sonstiges:      
Versicherungen und Steuern   31.75  
Dag-Beitrag   5.10  
Miete   40.–  
Fahrgeld   9.–  
Elektrisches Licht   3.–  
Feuerung   5.–  
Kleidung und Wäsche   10.–  
Schuhwerk   4.–  
Waschen, Rollen und Plätten   3.–  
Reinigungsmittel   5.–  
Zigaretten   3.–  
Ausgänge   3.–  
Blumen   1.15  
Neu-Anschaffungen   8.–  
Unvorhergesehenes   3.– 134.–
       
Gesamtausgaben     196.– RM
Bleibt Bestand     4.– RM
       

Die Unterzeichneten verpflichten sich, unter keinen Umständen und unter keinem Vorwande Geld zu anderen als den vorgesehenen Zwecken und nicht über den Etat hinaus der Kasse zu entnehmen.

Berlin, am 30. November.

Lämmchen zögert noch einen Augenblick, sie denkt: ›Der Junge wird Augen machen‹, dann nimmt sie die Feder und setzt ihren Namen darunter. Sie packt alles fein säuberlich zusammen und legt es in ein Fach des Sekretärs. Aus seinem Mittelfach nimmt sie eine weitbauchige blaue Vase und schüttet sie auf den Tisch aus. Ein paar Scheine fallen heraus, ein bißchen Silber, ein paar Messinggroschen. Sie zählt alles nach, es sind und bleiben hundert Mark. Sie seufzt leicht, dann legt sie das Geld in ein anderes Fach und stellt die entleerte Vase an ihren Platz zurück.

Nun geht sie zur Tür, knipst das elektrische Licht aus und setzt sich gemütlich auf den großen Strohstuhl am Fenster, die Hände auf dem Leib, die Beine schön weit auseinander. Durch das Marienglasfenster des Ofens fällt ein rötlicher Schein auf die Decke und tanzt dort leise hin und her, bleibt plötzlich stehen und zittert dann lange, bis er wieder zu tanzen beginnt. Es ist schön, bei sich zu Hause zu sitzen, allein im Dunkeln, man wartet auf den Mann und vielleicht rührt sich das Kind im Leibe. Man ist so groß und weit, man fließt über und wird immer weiter ... An die See muß man auch denken. Die hob sich auch so und senkte sich und ging immer weiter, man wußte eigentlich auch da nicht, wozu, aber gut war es, daß es so war ...

Lämmchen schläft längst, schläft mit halbgeöffnetem Mund, den Kopf auf einer Schulter, einen leichten, schnellen, fröhlichen Schlaf, der sie hebt und wiegt in seinem Arm.

Und ist sofort ganz wach und ganz bei der Sache, als der Junge das Licht anmacht und fragt: »Na, wie geht's? Im Dunkeln, Lämmchen? Hat der Murkel sich gemeldet?«

»Nein. Heute noch nicht. Übrigens Tag, Mann.«

»Übrigens Tag, Frau.«

Und sie geben sich einen Kuß.

Er deckt den Tisch und sie richtet das Essen an. Etwas zögernd sagt sie: »Es gibt heute Schellfisch mit Senfsauce. Es war so schön billig.«

»Recht«, sagt er. »Mal esse ich ganz gerne Fisch.«

»Du bist guter Laune«, sagt sie. »Ging's gut? «Wie ist es mit dem Weihnachtsgeschäft?«

»Gott, es fängt so ein bißchen an. Die Leute trauen sich noch nicht recht.«

»Hast du gut verkauft?«

»Ja, ich hab heute Dusel gehabt. Ich hab heute für über fünfhundert Mark verkauft.«

»Du bist sicher der beste Verkäufer, den die haben.«

»Nee, Lämmchen, Heilbutt ist besser. Und Wendt ist mindestens ebenso gut. Aber – es kommt wieder was Neues.«

»Was denn? Gutes doch sicher nicht.«

»Bei uns ist jetzt ein neuer Organisator eingestellt. Der soll den ganzen Betrieb durchorganisieren, Sparmaßnahmen und so.«

»An euern Gehältern ist doch nichts mehr zu sparen.«

»Kann man's wissen, was die denken? Er wird schon etwas finden. Lasch hat gehört, er kriegt dreitausend Mark Gehalt monatlich.«

»Wie?« fragt Lämmchen. »Dreitausend Mark, und das nennt Mandel sparen?«

»Ja, die muß er eben wieder herausholen, der wird schon was finden.«

»Aber wie denn?«

»Die reden davon, daß nun auch bei uns jeder Verkäufer gesetzt kriegen soll, so und so viel mußt du verkaufen, und wenn du das nicht schaffst, fliegst du.«

»Gemein finde ich das! Wenn die Kunden nun nicht kommen und wenn sie kein Geld haben und wenn ihnen eure Ware nicht gefällt? So was dürfte gar nicht erlaubt sein.«

»So was ist grade erlaubt«, sagt Pinneberg. »Da sind sie alle verrückt drauf. Das nennen sie vernünftig und sparsam, dadurch finden sie, wer nichts taugt. Ist ja alles Mist. Der Lasch zum Beispiel, der ist ein bißchen ängstlich. Der sagt heute schon, wenn die das so machen, daß sie ihm seinen Verkaufsblock nachrechnen, und daß er immer Angst haben muß, ob er es auch schafft – dann verkauft er vor lauter Angst schon gar nichts!«

»Und das ist ja auch ganz egal«, sagt Lämmchen flammend, »wenn er auch wirklich nicht so viel verkauft und wenn er auch wirklich nicht so tüchtig ist, was sind denn das für welche, daß sie einen Menschen deswegen aus allem Verdienst und aller Arbeit und aller Lebensfreude herausschmeißen?! Sollen die Schwächeren denn gar nichts mehr sein? Einen Menschen danach bewerten, wieviel Hosen er verkaufen kann!«

»Na ja«, sagt Pinneberg, »du gehst ja mächtig los, Lämmchen ...«

»Tu ich auch, rasend wütend kann mich so was machen.«

»Aber die sagen natürlich, daß sie einen Menschen nicht dafür bezahlen, daß er nett ist, sondern daß er eben viel Hosen verkauft.«

»Das ist ja gar nicht wahr«, sagt Lämmchen. »Das ist nicht wahr, Junge. Sie wollen ja doch, daß sie anständige Menschen haben. Aber was sie jetzt machen, mit den Arbeitern schon lange und mit uns nun auch, da ziehen sie lauter Raubtiere hoch und da werden sie was erleben, Junge, sage ich dir!«

»Natürlich werden sie was erleben«, sagt Pinneberg. »Die meisten bei uns sind ja auch schon Nazis.«

»Danke!« sagt Lämmchen. »Ich weiß, was wir wählen.«

»Na – und was? Kommunisten?«

»Natürlich.«

»Das wollen wir uns noch mal überlegen«, sagt Pinneberg. »Ich möchte ja auch immer, aber dann bringe ich es doch nicht fertig. Vorläufig haben wir ja noch eine Stellung, da ist es ja noch nicht nötig.«

Lämmchen betrachtet ihren Mann nachdenklich. »Na schön, Junge«, sagt sie, »bis zur nächsten Wahl sprechen wir uns noch.«

Und damit stehen beide von ihrem Schellfisch auf und Lämmchen wäscht rasch ab und der Junge trocknet ab.

»Bist du auch bei Puttbreese gewesen?« fragt Lämmchen plötzlich. »Wegen der Miete?«

»Erledigt«, sagt er. »Ist alles bezahlt.«

»Dann leg das andere Geld nur gleich weg.«

»Schön«, sagt er und öffnet den Sekretär, die blaue Vase, greift in die Tasche, nimmt das Geld aus dem Portemonnaie, sieht in die blaue Vase und sagt verblüfft: »Da ist ja gar kein Geld mehr drin.«

»Nein«, sagt Lämmchen fest und sieht ihren Mann an.

»Aber wieso?« fragt er erstaunt. »Es muß doch noch Geld da sein! Unser Geld kann doch nicht alle sein.«

»Doch«, sagt Lämmchen. »Unser Geld ist alle. Unsere Ersparnisse sind alle, und was wir von der Reichsversicherung bekommen haben, das ist auch alle. Alles zugebuttert. Von jetzt an müssen wir mit deinem Gehalt auskommen!«

Er wird immer verwirrter. Es kann doch nicht sein, daß Lämmchen, sein Lämmchen ihn beschummelt. »Aber ich habe doch gestern oder vorgestern noch Geld im Topf gesehen. Bestimmt war da noch ein Fünfzigmarkschein drin und eine Menge kleine Scheine.«

»Hundert waren's noch«, erklärt Lämmchen.

»Und wo sind die hin?« fragt er.

»Weg«, sagt sie.

»Aber ...«, plötzlich wird er ärgerlich. »Zum Donnerwetter! Was hast du dafür gekauft? Sag es endlich!«

»Nichts«, antwortet sie. Und als er ganz wütend werden will: »Aber kapierst du denn nicht, Junge, ich hab sie weggelegt, verwahrt, die existieren nicht mehr für uns. Wir müssen jetzt mit deinem Gehalt auskommen.«

»Aber warum denn weggelegt? Wenn wir sagen, wir wollen nichts davon verbrauchen, bringen wir's auch so fertig.«

»Nein, das tun wir eben nicht.«

»Das sagst du.«

»Höre mal, Junge, wir haben doch immer mit unserm Gehalt auskommen wollen, wir haben sogar noch was davon sparen wollen, und wo sind unsere Ersparnisse? Sogar alle Extraeinnahmen sind weg.«

»Aber wieso eigentlich?« fängt er an zu grübeln. »Wir haben doch wirklich nicht üppig gelebt.«

»Ja«, sagt sie. »Erst mal ist unsere Verlobungszeit gewesen, da sind wir immerzu hin und her gefahren, und ausgegangen sind wir auch viel.«

»Und das Aas, der Sesam, mit seinen fünfzehn Mark, das vergesse ich dem Bruder nie.«

»Und die Hochzeit«, sagt sie, »hat auch Geld gekostet.«

»Und die ersten Anschaffungen. Die Töpfe und die Bestecke und Besen und Bettwäsche und mein Bett.«

»Und Ausflüge haben wir auch 'ne Menge gemacht.«

»Und der Umzug nach Berlin.«

»Ja, und dann ...«, sie bricht ab.

Aber er vollendet mutig: »... die Frisiertoilette.«

»Und die Ausstattung für den Murkel.«

»Und die Krippe haben wir auch schon gekauft.«

»Und hundert Mark haben wir immer noch«, vollendet sie strahlend.

»Na also«, sagt er, ebenfalls sehr zufrieden. »Da haben wir doch eine Menge geschafft. Da brauchst du doch nicht zu meckern.«

»Schön«, sagt sie und ändert den Ton. »Geschafft haben wir alles mögliche, aber eigentlich hätte das meiste auch ohne die Reserven gehen müssen. Sieh mal, Junge, es war ja sehr anständig von dir, daß du mir kein Haushaltsgeld ausgesetzt hast, und daß ich immer nur in den blauen Topf zu fassen brauchte. Aber leichtsinnig hat es mich doch gemacht, ich hab manchmal reingelangt, wenn es nicht ganz notwendig gewesen wäre, und vorigen Monat die Kalbsschnitzel und die Flasche Mosel zum Einzug hier, die wären zum Beispiel nicht nötig gewesen ...«

»Der Mosel hat eine Mark gekostet. Wenn wir gar keine Freude mehr haben sollen ...«

»Wir müssen aber sehen, daß wir mehr die kostenlosen Freuden benutzen.«

»Gibt's ja gar nicht«, sagt er. »Alles, was einen freut, kostet Geld. Wenn du bloß ein bißchen ins Grüne willst, her mit dem Geld! Wenn du ein bißchen Musik hören willst, Geld her! Alles kostet Geld, gibt es gar nicht, ohne Geld.«

»Ich habe so gedacht, Museen ...«, sie bricht rasch ab. »Ich weiß ja, man kann nicht immer in Museen gehen und wir verstehen ja auch nichts davon. Das Richtige, was man sich ansehen müßte, finden wir nie. – Aber jedenfalls müssen wir jetzt auskommen und da habe ich mir mal so aufgeschrieben, was wir alles brauchen im Monat. Darf ich es dir mal zeigen?«

»Na, zeig schon.«

»Und du bist wirklich nicht böse?«

»Wie soll ich dir denn böse sein, wahrscheinlich hast du recht. Ich kann nicht mit Geld umgehen.«

»Ich auch nicht«, sagt sie. »Wir müssen es eben lernen.«

Und dann zeigt sie ihm ihre Zettel. Seine Stirn erheitert sich, als er zu lesen anfängt: »Normal-Etat ist sehr gut, Lämmchen. Normal-Etat wird unter allen Umständen eingehalten. Schwör ich.«

»Schwör nicht zu früh«, warnt sie.

Erst geht das Lesen ziemlich rasch. »Mit den Lebensmitteln«, sagt er, »da kann man ja wohl nichts sagen. Hast du es dir ausprobiert?«

»Ja, ich habe angeschrieben die ganze letzte Zeit.«

»Fleisch«, sagt er. »Zwölf Mark, kommt mir schrecklich viel vor.«

»Jungchen«, sagt sie, »das sind auf den Tag nur vierzig Pfennig Fleisch für uns beide zusammen, und das ist eine ganze Ecke weniger, als du in der letzten Zeit bekommen hast. Zweimal die Woche müssen wir jetzt mindestens fleischfrei essen.«

»Was denn?« fragt er besorgt.

»Alles mögliche. Saure Linsen. Und Makkaroni. Und Pflaumen und Graupen.«

»Oh Gott!« sagt er. Und als sie eine Bewegung macht: »Ich seh's ja ein, Lämmchen. Nur sag mir nicht vorher, wenn du so was kochen willst, sonst freue ich mich gar nicht mehr auf das Nachhauskommen.«

Sie zieht einen kleinen nachdenklichen Flunsch, dann besinnt sie sich. »Schön«, sagt sie. »Ich will's auch möglichst wenig tun. Nur – – – wenn es manchmal nicht so schmeckt, sei nicht gleich mies. Ich werd' immer mies, wenn du mies bist, und was haben wir noch vom Leben, wenn wir nun auch noch beide mies sind?«

»Mies«, lockt er. »Komm her, meine Mies! Meine große Mies, meine schöne Mies, komm, schnurr ein bißchen, Mies!«

Sie duckt sich unter seiner Hand, ihr ist so wohlig zumute. Aber dann entzieht sie sich ihm. »Nein, jetzt nicht, Jungchen. Ich will, daß du alles ansiehst. Eher bin ich nicht ruhig. Und dann überhaupt ...«

»Was heißt denn überhaupt?« fragt er erstaunt.

»Nein. Nichts. Es ist mir so rausgefahren. Später. Das hat noch Zeit.«

Aber dies beunruhigt ihn wirklich. »Was meinst du damit? Magst du nicht mehr?«

»Junge«, sagt sie. »Junge. Red doch keinen Unsinn. Nicht mögen ... das weißt du doch!«

»Aber du hast doch eben so was gemeint?« beharrt er.

»Ich hab was ganz anderes gemeint«, verteidigt sie sich. »In dem Buch«, und sie sieht nach dem Sekretär, »steht drin, daß man das in der letzten Zeit lieber nicht mehr soll. Daß das die Mutter auch nicht mehr mag und daß es für das Kind nicht gut ist ... Aber ...«, sie pausiert, »... vorläufig mag ich noch.«

»Wie lange soll denn das dauern?« fragt er mißtrauisch.

»Ach, ich weiß nicht. Sechs Wochen, acht Wochen.«

Er wirft einen vernichtenden Blick auf sie und nimmt vom Sekretär das Buch.

»Ach, laß doch!« ruft sie. »Das ist ja noch lange hin.«

Aber er hat die Stelle schon. »Ein Vierteljahr mindestens«, sagt er vernichtet.

»Na schön«, sagt sie. »Ich glaube, bei mir kommt das später wie bei den andern, mir ist wenigstens noch gar nicht so. Nun mach das dumme Buch zu.«

Doch er liest schon weiter, seine Augenbrauen sind ganz in die Höhe gezogen, seine Stirn ist vor Erstaunen völlig zerdrückt.

»Und nachher geht's ja noch immer weiter mit der Abstinenz«, sagt er verblüfft, »Noch mal acht Wochen während des Nährens. Also sagen wir zehn Wochen und acht Wochen, achtzehn Wochen – sag bloß, wozu sind wir verheiratet?«

Sie sieht ihn lächelnd an, sie sagt nichts. Und da fängt auch er an zu lächeln. »Oh Gott«, sagt er, »wie wird die Welt anders. Das hat man sich alles nie gedacht. Also das ist der Murkel, damit fängt es an.« Er grinst. »Ein freundliches Kind«, sagt er. »Stößt seinen Vater vom Fleischtrog fort.«

Sie lacht. »Vieles, vieles wirst du noch lernen.«

»Es ist nur gut, daß man es weiß.« Er sieht sie strahlend an. »Von jetzt an, Emma Pinneberg, wird Vorratswirtschaft getrieben.«

»Von mir aus«, sagt sie. »Aber nun lies deinen Etat zu Ende. Eher geht es mit der Vorratswirtschaft nicht los.«

»Richtig«, sagt er. »Was ist das? Reinigungsmittel?«

»Na so, Seife und Zahnpasta und deine Rasierklingen und Benzin. Haarschneiden ist auch dabei.«

»Haarschneiden, sehr gut, mein Mädchen. Kleidung und Wäsche zehn Mark, scheint nicht so, als ob wir bald zu neuen Kleidern kommen könnten.«

»Da sind ja auch noch die acht Mark von den Neuanschaffungen, aber Schuhe müssen auch mal sein; höchstens jedes zweite Jahr ein Anzug für dich, habe ich gedacht, und jedes dritte Jahr ein Wintermantel für einen von uns.«

»Üppig, üppig«, sagt er. »Drei Mark für Zigaretten finde ich sehr anständig von dir.«

»Tag drei Stück zu drei Pfennig«, sagt sie. »Du wirst manchmal japsen.«

»Wird schon gehen. Aber was ist das, drei Mark für Ausgänge im Monat? Wohin willst du denn für drei Mark ausgehen? Kino?«

»Vorläufig gar nicht«, sagt sie. »Ach, Junge, ich habe so gedacht. Ich möchte einmal in meinem Leben richtig, richtig ausgehen wie die reichen Leute. Gar nicht dabei auf's Geld sehen.«

»Für drei Mark?«

»Die legen wir jeden Monat beiseite. Und wenn ordentlich was beisammen ist, so zwanzig oder dreißig Mark, dann gehen wir einmal richtig aus.«

Er blickt sie prüfend an, er sieht ein bißchen traurig aus. »Einmal in einem Jahr?« fragt er.

Aber diesmal merkt sie nichts: »Ja, meinethalben erst in einem Jahr. Je mehr zusammen ist, um so besser. Und dann hauen wir das Geld richtig auf den Kopf. Dann gehen wir richtig auf den Zwutsch.«

»Komisch«, sagt er. »Daran habe ich nie gedacht, daß dich so was freuen könnte.«

»Aber wieso denn komisch?« fragt sie. »Das ist doch selbstverständlich. Ich hab noch nie so was mitgemacht in meinem Leben. Du kennst natürlich alles aus deiner Junggesellenzeit.«

»Natürlich hast du recht«, sagt er langsam und schweigt. Plötzlich aber schlägt er wütend auf den Tisch: »Oh Gott verdammich!« schreit er.

»Aber was ist denn?« fragt sie. »Was ist denn los, Junge?«

»Ach nichts«, sagt er, schon wieder bloß mürrisch. »Manchmal möchte man nur platzen vor Wut, wie das alles eingerichtet ist in der Welt.«

»Die andern meinst du? Die laß man. Die haben ja doch nichts davon. Und nun unterschreib, Jungchen, daß du dich dran halten willst.«

Er nimmt die Feder und unterschreibt.


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