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Zwölftes Kapitel

Dieselbe Post, die in der Hafenstraße so viel Tränen fließen machte, hatte auch Mariechen Mau einen Brief von Anton gebracht, dessen Ankunft diesmal der Mutter nicht verborgen blieb. Doch war es ein harmloser, unverfänglicher Brief, der nur eine bunte Schilderung der großen Reise gab, mit Wetterberichten und Speisezetteln, mit Fragen nach Gesundheit und Verrichtungen und mit Aufträgen, Hugo und Christian und die Mutter und andere zu grüßen; ein Brief, wie ihn sich alte Bekannte schreiben, die bei dem anderen Teilnahme für ihre kleinen Alltäglichkeiten voraussetzen.

»Das ist doch sonderbar, daß er dir schreibt, und so ausführlich. Wie kommt er dazu?« fragte Mutter Mau.

»Wie er dazu kommt? Er hat es eben wörtlich genommen,« lachte Mariechen. »Schreiben Sie auch mal! Na, und da hat er sich nun hingesetzt. Ich finde das einfach nett von ihm.«

Frau Mau gab sich zufrieden, obgleich sie innerlich noch lange damit beschäftigt war. Sonderbar war es doch. Sie nahm sich vor, wach zu sein.

Mariechens Freude über Antons Brief war aber keineswegs so harmlos, wie sie der Mutter gegenüber tat. Wie hätte sie auch nicht die Beweggründe herausfühlen sollen. Sie las deutlich zwischen den Zeilen, was er ihr viel lieber gesagt hätte, als all diese gleichgültigen Dinge; wieviel Knoten sie liefen, was August Lütje – wer war August Lütje? – für ein Schmutzfink sei, und daß der Wind an jenem denkwürdigen Tage, da er ihr schrieb, aus Westsüdwest wehte. Sie las anderes zwischen den Zeilen und sah sein gutes Gesicht sie anlachen. Ihre Gedanken waren nach dem ersten Brief oft bei ihm gewesen, aber sie hatte doch nicht gedacht, daß er noch einmal schreiben würde. Jetzt war sie sicher, daß er ihr seine Neigung geschenkt hatte. Es wäre ja sonst zu töricht von ihm gewesen, anzunehmen, daß sie sich für alle seine kleinen täglichen Leiden und Freuden interessiere. Antons Brief machte sie wirklich froh; und wie gut, daß er so gar keine Geheimnisse enthielt, nicht einmal eine Anspielung auf den ersten Brief. Jeder konnte diesen Brief lesen. Hugo las ihn, Christian las ihn, die beiden alten Frauen, wer wollte.

Christian zeigte die größte Teilnahme.

»Könnte man doch auch mal in die Welt hinaus. Aber unsereins muß sich mit Hagenbeck begnügen.«

»Wenigstens ungefährlich,« tröstete Mariechen.

Hugo fand es komisch, daß Anton an Mariechen einen solchen Brief schrieb.

»Wenn man einmal Karussell zusammen gefahren hat, schreibt man sich doch nicht gleich, als kennte man sich schon zehn Jahre lang.«

»Tun wir auch. Viel länger sogar. Das weißt du doch,« erklärte Mariechen.

»Ach, der Kinderkram. Als Vierjährige? Nachher habt ihr euch doch kaum mehr angesehen.«

»Na nu.«

»Wenigstens konntest du ihn nicht leiden.«

»Wer sagt das?«

»Du selbst.«

»Ich? Nun wirds helle.«

»Das ist ja auch ganz gleich. Jedenfalls finde ich es albern, daß er sich plötzlich hinsetzt und dir ellenlange Briefe schreibt.«

»Kannst ja auch man tun.«

»Ach was. Mit dir ist mal wieder nicht zu reden.«

»Na also. Brechen wir ab und schreiben wir uns. Adjüs, min Jung.«

Mariechen ging trällernd in ihre Wohnung hinüber, und Hugo maulte.

Diese Verstimmung hielt vor, denn Mariechen stand jetzt ganz unter dem Einfluß dieses Briefes und wandte sich, wenn auch unbewußt, mehr und mehr von Hugo ab. Der litt darunter. Und da Mariechen jetzt häufig von Anton sprach, was sie sonst nie getan, war er bald auf der rechten Fährte. Er war eifersüchtig und voller Furcht, Mariechen könnte ihm so leise entschlüpfen. Und er glaubte, ein Anrecht auf sie zu haben. Da faßte er sich Mut und brach eine Aussprache vom Zaun.

»Du schneidest mich ja förmlich. Was hast du? Was soll das?«

»Schneiden? Was n Schnack! Was heißt das, schneiden?«

»Du bist anders als sonst.«

»Wieso? Mir nicht bekannt.«

»Du weißt ganz gut, was ich meine.«

Sie wußte es freilich und glaubte schon lange, sich über Hugos Gesinnung gegen sie keinem Irrtum hinzugeben; sie war sich jetzt nach Antons Brief ganz klar darüber. Und daß sie in sich selbst zur Klarheit gekommen war, das schärfte ihr vielleicht auch den Blick für andere. Blitzschnell kam es ihr: Hier ist eine Gelegenheit, alles mit einmal zurechtzurücken. Hugo ist eifersüchtig, gibt sich dummen Hoffnungen hin. Mach reinen Tisch.

»Ich weiß, was du eigentlich willst, lieber Hugo. Du brauchst es mir nicht erst zu sagen, aber daraus kann nichts werden.«

So wollte sie ihm sagen, aber im Begriff dazu, überkam sie doch eine Verlegenheit. Wenn er nun antwortete: »Du irrst dich, liebes Kind, bilde dir doch nichts ein.« Er wäre imstande dazu, um sich eine Verlegenheit zu ersparen, anderen eine zu bereiten. So zögerte sie unsicher. Und damit goß sie Öl in das flackernde Feuer seines Mutes. Er mißdeutete ihre Verlegenheit.

Aber jetzt wurde sie wirklich auch noch rot, blutrot, als er ihr stotternd, weiß wie die gekalkte Wand, seinen Antrag machte. Und warm wurde es ihr ums Herz, und ganz weich. Was war sie doch für ein dummes Ding! Sie konnte nicht einmal lächeln. Sie glaubte es leicht nehmen zu können, und nun war es doch so schwer. Er hatte nur ein paar zitternde Worte herausgebracht, aber sein Herz schlug darin.

»Lieber dummer Kerl, was machst du für n Unsinn,« sagte sie endlich. »Aber das ist ja nicht möglich. Das kann ja gar nicht sein. Das mußt du dir aus dem Kopf schlagen.«

Er bat, quälte. Aber sie fand allmählich ihre Überlegenheit wieder und hatte immer nur ein festeres Nein für ihn.

»Nee, nee, mein Jung, darum wein man nich. So n Glück kannst immer noch machen. Warum soll ichs gerade sein, die nun mal gar kein Talent dazu hat.«

So weh ihm gerade diese Worte in ihrem leichtfertigen Ton im ersten Augenblick taten, so glaubte er nachher gerade aus ihnen noch einige Hoffnung schöpfen zu dürfen. Vorläufig aber war er in einer verzweifelten Stimmung. Er hätte jetzt etwas darum gegeben, nicht mit ihr unter einem Dache zu wohnen. Wie wollte er ihr täglich aus dem Wege gehen?

So war es ihm doppelt willkommen, daß ein zweitägiger Volksheimausflug ihn schon am nächsten Tage aus dem Hause führte. Das Bedürfnis, eine Seele bei sich zu wissen, die ihm freundlich gesinnt war, ließ ihn Christian überreden, doch auch mitzugehen. Und als Mariechen es für Unsinn erklärte, daß Christian sich solchen Strapazen aussetzen solle, war das nur ein Grund mehr für ihn, darauf zu bestehen.

»Ich finde es lächerlich von ihr, daß sie sich immer so eine Mutterschaft über dich anmaßt. Du bist doch kein Kind mehr.«

Damit hatte er Christians wunden Punkt getroffen. War er denn wirklich so schutzbedürftig, so schwächlich? Hugo behielt die Oberhand diesmal, Mariechen aber recht für die Folge. Denn auf diesem Ausflug war es, daß Christian sich eine böse Erkältung zuzog, die ihn wochenlang husten ließ und seinen Freunden Besorgnis einflößte. Der ganze schöne Sommer verging in Sorge um den Kranken, den der Arzt nach Edmundstal in die Lungenheilanstalt geschickt hatte. Aber nach einigen Wochen entließ man ihn dort als hoffnungslos. Was jetzt?

Meister Behrens, bei dem er sein Heim hatte, war beschränkt im Raum, ein neuer Geselle war bereits da, dem nicht zugemutet werden durfte, mit einem Schwindsüchtigen zusammen in einer Kammer zu hausen.

Christian litt unter dem Gefühl der Heimatlosigkeit mehr als unter seiner Krankheit, über deren Hoffnungslosigkeit er sich noch einer von den Freunden gern genährten Täuschung hingab.

Da der neue Geselle von auswärts zugezogen war, hätte der Meister ihn nicht ohne erhebliche Kosten ausmieten können, auch war Frau Mielens Herz der Furcht vor Ansteckung sehr zugänglich. So lag der Gedanke an das Krankenhaus am nächsten. Aber dagegen hatte Christian selbst eine große Abneigung. Es blieb ihm ja freilich nichts anderes übrig, und tief bedrückt durch das Bewußtsein, von andern abhängig zu sein, enthielt er sich jedes Einspruchs.

Da rang Mariechen ihrer Mutter die Zustimmung ab, Christian zu sich zu nehmen. Ein Zimmer hätten sie übrig.

»Wir beiden Frauenzimmer richten uns schon ein. Und dann hat er doch seine Pflege und seine Freundschaft.« »Hast du das auch ordentlich überlegt, Kind? Es ist eine große Last. Und dann die Luft bei uns. Das ewige Waschen und Plätten.«

»Tut nichts, Mutter. Wir lüften immer fix und denn – es ist ja doch man alles noch so zuletzt. Besser wird er ja doch nicht wieder. Da ist Freundschaft und Liebe besser als frische Luft.«

Tränen traten in Mariechens Augen,, und sie schluchzte los.

»Deern, was hast du? Nicht doch, mein Tochter. Was weinst du?«

Frau Maus Gedanken begaben sich auf eine falsche Fährte. Hat sie ihr Herz an den armen Krüppel gehängt? Armes Kind, dann mußt du ja nun viel durchmachen. Es is dann man ebensogut, daß es nicht lange mehr dauert.

Mariechen setzte also ihren Willen durch. Das Bedenken der Mutter hinsichtlich der Ansteckungsgefahr war nicht sehr groß. Hatte sie doch ihren schwindsüchtigen Mann lange gepflegt und war gesund dabei geblieben. Das ist alles nicht so schlimm, pflegte sie zu sagen, man muß sich nur danach halten. Reinlichkeit und frische Luft, das ist die Hauptsache.

Die alten Behrens konnten sich nicht gleich an den Gedanken gewöhnen, daß Maus Pflichten übernahmen, die eigentlich ihnen zukamen. Auch Christian, so sehr er das Krankenhaus scheute, nahm erst nach langem Hin und Her dieses Opfer an. Als aber die Übersiedelung bewerkstelligt war, fühlte er sich freilich so geborgen wie noch nie in seinem Leben. Die Meistersleute hatten ja nichts an ihm versäumt, er hatte Tisch und Bett bei ihnen und freundliche Fürsorge für seine kleinen Bedürfnisse. Aber es war doch ein stilles einförmiges Leben gewesen, in Arbeit und Abhängigkeit, und so liebevoll wie Mariechens junges sehnsüchtiges Herz war Frau Mieles altes nicht gewesen.

Jetzt hatte er auch Hugo täglich um sich, und Hugo und Mariechen fanden sich wieder mehr zusammen in der Sorge um den gemeinsamen Freund. Auch die beiden Mütter taten das ihre mit weiblichem Sinn für Helfen und Pflegen, und so sah der Kranke sich plötzlich in ein warmes, weiches Nest fürsorglicher Liebe gebettet.

Natürlich ließen es nun auch »Meisters« nicht an Aufmerksamkeiten fehlen. Frau Miele schickte aus ihrer Küche, und der Alte fügte von Zeit zu Zeit mal eine Flasche Wein hinzu, süßen Malaga, oder alten Portwein oder Tokaier, was Frau Miele gerade fürs beste hielt. »Auch die Apothekersachen sind meinem Mann sein Sache,« sagte sie.

Aber alle Liebe und alle Pflege konnten den Kräfteverfall nicht aufhalten, und es kam die Zeit, wo der Kranke die kleinen Spaziergänge an Hugos oder Mariechens Arm einstellen mußte und meist im Lehnstuhl am Fenster saß, den er bald mit dem Bett vertauschen mußte. Aber in dieser Atmosphäre aufopfernder und reiner, uneigennütziger Liebe hielt die Hoffnung ihr Haupt hoch und sah mit hellen, rührenden Blicken zuversichtlich in eine bessere Zukunft. »Wenn nur der alte Übergang zum Winter erst überstanden ist, das ruhige, klare Frostwetter ist viel gesünder,« behauptete Mariechen, um den Kranken zu trösten. Und dann – man kannte so viel Fälle von endlicher Genesung, viel schlimmere Fälle, das kommt ganz auf die Natur an, man muß nur den Mut nicht sinken lassen – – – Mariechen war die Reichste an Trost und Liebe. Sie saß oft an Christians Bett, las ihm vor, ganz wie sie es als Kind bei Hugo gemacht hatte, der sich dessen erinnerte, und hier, wo er sich einer eifersüchtigen Regung geschämt haben würde, Vertiefung und Reinigung seiner Liebe erfuhr.

»Säßest du an meinem Bett
So wie da, du süßes Kind,
Ach, dann wollte ich, ich hätt
Alle Leiden, die da sind.

Unter deinen lieben Händen,
Unter deinem holden Blick
Würden alle, alle enden,
Doch nicht gönnts mir das Geschick.

Er fand etwas Trost in solchen Reimereien, und meinte am eigenen Leibe zu erfahren, daß

»Poesie ist tiefes Schmerzen,
Und es kommt das echte Lied
Einzig aus dem Menschenherzen,
Das ein tiefes Leid durchglüht.«

Christian war ein geduldiger Kranker, dankbar für die kleinste Handreichung und mit immer wacher Teilnahme für die Leiden und Freuden anderer. Dabei wurde er selbst immer mitteilsamer, vertrauender, namentlich Mariechen gegenüber. Er erschloß immermehr seine reine kindliche Seele. Frühe Bilder aus seinem Elternhause tauchten auf, Erinnerungen aus der Schulzeit, kleine Erlebnisse, Anekdoten, von Mariechen aus ihm herausgefragt, oft unter Lachen und Scherzen. Viel sprach er von Anton, erkundigte sich nach ihm, las dessen Brief, den Mariechen ihm mit heimlicher Freude zeigte, und ließ aus der Wärme, mit der er alles erfaßte, was Anton anging, erraten, wie nah dieser seinem Herzen stand. Und was hätte Mariechen lieber gehört, als Antons Lob, und von wem lieber, als aus Christians Mund, von dem sie gewiß war, daß er auch ihren Namen immer nur mit Liebe und Zärtlichkeit aussprach. So zog aus diesem reinen und unschuldigen Bund zweier Herzen ein anderes neuaufkeimendes Herzensbündnis schönste und zukömmlichste Nahrung.

*

Während hier in dein freundlichen Mäuschen Stübchen ein schwächliches Leben still zu Ende ging und unter der Hut einer seltenen Liebe ein spätes letztes Glück genoß, hob sich in der Hafenstraße ein anderes wieder in der Liebe zu einem neugeborenen Wesen zu kräftiger Betätigung.

Lene Lerch hatte doch zu Mutter Krautsch ziehen müssen. Die Aufregungen der letzten Zeit hatten diese erkranken lassen und Lenes Anwesenheit nötig gemacht. In ein paar Wochen hatte sich Mutter Krautsch wieder erholt, aber Lene war doch in dieser Zeit zur Einsicht gekommen, wie sehr sie der Mutter nützen konnte und wie undankbar es von ihr sein würde, diese unter ihrem Unglück mitleiden zu lassen. Sie fühlte sich auch bald wieder wohl und heimisch in der gewohnten Umgebung.

Die Leute, nun das Kind da war, fanden sich mit der Tatsache schnell ab. Sie hätschelten und tätschelten die Kleine, und selbst Frau Melitta Ohlsen ließ sich zu einem freundlichen Backenklopfen herab. Freilich war ihre erste Frage nach dem Namen, und ob er in christlicher Taufe empfangen sei. Und es gab einen warmen Appell an Mutter Krautschens Christentum, die Kleine doch nicht lange als Heidin zwischen Kraut und Rüben aufwachsen zu lassen. Nun war es ja auch nicht gegen Mutter Krautschens Anschauung. Sie war für die Taufe. »Ein ordentlicher Christenmensch muß getauft sein,« sagte sie zu Lene, die das für unnötigen Firlefanz erklärte. Sie war aber mehr für Pastor Collasius, während Frau Melitta für Pastor Brügge war und auch damit durchdrang.

»Es ist ja einerlei,« sagte Mutter Krautsch »wir wollen ja man mit ihr auskommen. Erzürnen will man ihr doch nicht gern.«

Und so wurde die Kleine von Pastor Brügge getauft, natürlich auf den Namen ihrer Mutter, »Vater unbekannt« hieß es. Mutter Krautsch und die Schneidersleute waren Taufzeugen. Der alte Schneider war auch als Vormund von der Behörde angenommen worden, er kam sich doppelt wichtig vor. Mutter Krautsch hatte einen mächtigen Puffer gebacken und Schokolade gekocht und eine Flasche Portwein vom Krämer geholt. Man wollte sie erst von Kleesands holen, von wegen der »tieferen Bedeutung«. Aber man ließ es doch lieber.

Anna Amalie Helene Henriette Lerch, genannt Krautsch, hieß nun Fritz Kleesands kleine Tochter. Helene sollte ihr Rufname sein. Man einigte sich aber, sie zum Unterschied von der Mutter nicht Lene, sondern Hella zu rufen und Hellachen.

Unter der doppelten Pflege und Liebe von Mutter und Großmutter, welchen Titel sich Mutter Krautsch gern gefallen ließ, kräftigte sich das kleine, anfangs schwächliche Geschöpf bald und gedieh. Die Nase wuchs zusehends und versprach eine Kleesandsche Nase zu werden, gerade und spitz. Und diese gerade und spitze Nase bohrte sich wie ein Dorn in die Herzen der beiden Frauen. An dieser Nase wird man Hellachen erkennen. Und eines Tages wird Großpapa Kleesand verwunderte Augen machen.

»I, wo hat die Kleine diese Nase her? Die kommt mir, weiß Gott, so bekannt vor.«

Und Großmama Kleesand wird die Kleine auf den Schoß nehmen und zärtlich mit ihr sein.

»Kleine, nützliche Deern, ich weiß nicht, sie erinnert mich immer so an meinen armen Fritz. Was es doch alles für Ähnlichkeiten gibt.«

Und dann wird Mutter Krautsch nicht wissen: Sagst du es oder sagst du es nicht? Und wer soll ihr dann sagen, was das Rechte ist?

Und Hellachen, als die Zeit da war, daß sie schon allein auf der Straße herumkrabbeln konnte, bekam die Ermahnung, sich mehr links zu halten, mehr nach Ohlsen zu. »Von wegen die Wagen, die immer hinten nach die Speichel fahren.«

Aber Hellachen zeigte bedenkliche Neigung, nach rechts hin auszuweichen und um die Ecke herum. Holte Lene sie dann dort weg, von demselben Platz, wo sie von Fritz Kleesand damals den letzten Kuß bekommen hatte, weinte das Kind wohl mal, weil Lene es zu hart anfaßte und zu heftig von diesem gefährlichen Platz an Mutter Krautschens sonst ganz einwandfreier Außenwand wegriß.

»Das Kind kann da so leicht unter n Wagen kommen.«


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