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Sechstes Kapitel

Antons Briefe waren immer nur kurz. Er hatte eine große umständliche Handschrift, die viel Zeit in Anspruch nahm. So stand denn in den einzelnen Briefen nicht viel, aber da er regelmäßig schrieb, so summte sich's, und man war immer auf dem laufenden.

Mutter Krautsch ersah mit Freude, daß es ihrem Anton gut ging, daß der Dienst ihn zwar scharf hernahm, aber ihn seines immer gleichen und guten Mutes nicht beraubte. Im Gegenteil, Anton schrieb von mancher fröhlichen Stunde, und in diesen Festberichten spielte immer Fritz Kleesand die Hauptrolle. Fritz Kleesand gab alles an, fraß alles aus, war überall bekannt und galt für den lustigsten Kameraden und, wie es schien, war Anton gut Freund mit ihm.

»Hätte ich doch nich gedacht, Lene,« sagte Mutter Krautsch, »daß Anton noch mal so würde. Nu is er schon dreimal zu Tanz gewesen. Und der Bengel – er tut gar, als ob er sich schon ne Braut angeschafft hätte. Na, das weiß man ja, das is ja nu mal nich anders. Beis Militär haben sie alle eine. Und wenn sie abgehn, haben sie da genug von. Und hat auch weiter nichts zu sagen.«

Lene dachte an Fritz. Nicht einmal grüßen ließ er sie mehr. Hatte er sie ganz vergessen? Wenn Anton nun schon so war, wie würde Fritz erst sein.

Als die Zeit herankam, wo Anton zum erstenmal auf Urlaub kommen sollte, zum Weihnachtsfest, hoffte sie vom persönlichen Wiedersehen etwas für sich. Denn Fritz würde ja sicher auch zum Fest nach Hause kommen. Und jetzt, wo er mit Anton so befreundet war, würden sie oft zusammen sein, würden wieder zusammen ausgehen und alles würde wieder gut werden.

Aber Anton kam ohne Fritz.

»De harr keen Lust. He hett sick da so n Deern oplad, mit de he sick amüsieren will.«

»Un sin Öllern?«

»Ja, sin Öllern. De möt sick denn so amüsiern. Ostern käm he gewiß.«

»Das finde ich nich hübsch von Fritz. Weihnachten gehört n Sohn bei seine Eltern, wenn er es machen kann und noch welche hat,« sagte Mutter Krautsch.

Lene war hinausgegangen, lehnte am Herd und sah mit einem starren Blick wie abwesend vor sich hin. Sie war totenblaß und stand regungslos.

»Mein Gott, Deern? Was is dich?« rief Mutter Krautsch, die sie so fand. »Is dich was?«

Lene erwachte aus ihrem Starrkrampf.

»Mir wurde so schlecht auf n mal,« sagte sie heiser.

»Mein Gott, was is dich?«

»Nichts, es geht schon über.«

Anton sah sie verwundert an, wandte sich plötzlich ab und ließ einen leisen Pfiff hören. Er war sonst nicht der Gewandteste im Erfassen, aber hier kam ihm blitzartig der rechte Gedanke. Ob er seiner Mutter es sagte? Was sollte er sich da hineinmischen. Lene würde schon selbst sprechen. Als er aber nachher mit ihr allein war und der starre, harte Ausdruck ihres Gesichtes ihm wieder zu denken gab, meinte er, sie trösten zu sollen.

»An dem verlierst nix, Lene. Der is kein ehrlich Mädchen wert.«

Da erschrak er über ihren Blick und über den Ton, mit dem sie ihn anfuhr: »Das lügst du!«

Er war betroffen, wollte etwas erwidern, aber begnügte sich mit einem Achselzucken.

Das schien ein trübseliger Weihnachtsabend werden zu wollen. Aber als der Baum brannte, und die Karpfen auf dem Tisch standen, war Lene wieder fix dabei.

»Das ist die beste Medizin,« sagte Anton. »Karpfen und Meerrettich heilt alles.«

»Bei mir is nix kaputt,« antwortete Lene.

»Dann soll man erst recht Karpfen essen.«

Lene schien es sich nicht umsonst sagen lassen zu wollen. Sie aß viel und hastig und war fast ausgelassen.

»Kind, du bist ja rein aus der Tüt,« mußte Mutter Krautsch sogar einmal dämpfen, »dann bekömmt dich das Essen nich. So n fetter Fisch.«

Mutter Krautsch behielt auch recht. Lene mußte sich plötzlich zurückziehen.

»Hast aber auch für zwei gegessen,« neckte Anton sie, als sie etwas blaß wieder in die Stube trat.

»Wenn du sie ümmer animierst,« sagte Mutter Krautsch vorwurfsvoll.

»Dann muß sie Charakter zeigen. Aber so sind sie ja nun mal. Zureden hilft immer, sagt Fritz Kleesand, ›und nachher sagen sie alle ja‹.«

»Der muß es ja wissen,« sagte Lene spitz.

Anton aber, von Lenens ausgelassenem Wesen getäuscht und nach der reichlichen Mahlzeit in gehobener Stimmung, neckte sie mit Fritz und tat ihr mit wegwerfenden Bemerkungen über den »Windhund« weh.

Da ging sie wieder hinaus und schützte Kopfschmerzen vor.

»Du mußt ihr nich ümmer mit Fritz necken,« sagte Mutter Krautsch, »ich bin man bang, er will gar nix mehr von ihr wissen.«

Da sah Anton seine Mutter groß an.

»Billst di dat denn in?«

»Ich woll nich, mein Jung.«

»De? De hett ja schon n Kind mit sin Deern.«

»Wat seggst du?«

Mutter Krautsch schlug die Hände zusammen.

»Ja, da wunner di man nich över. De hett all lang sin Alimente betalt.«

»Dat ännert de Sak. De Schuft – de – de – – das darf ich dann nich so weiter mit ansehn.«

»Wat denn, Mutter? Wat denn?«

Anton, dem plötzlich ein Licht aufging, lachte kurz und wegwerfend auf.

»Denn hev ick mi doch nich irrt, hüt morgn.«

»Und dann neckst du ihr noch?«

»So wie sie heut abend is?«

»Das is allens man so.«

»Denn is sie schön dumm, Mutter.«

Mutter Krautsch ging hinaus, um nach Lene zu sehen.

»Sie hat sich man n büschen aufs Bett gelegt,« sagte sie zurückkommend. »Sie hätt so n Kopfweh. Ich hab ihr gesagt, sie soll man gleich liegen bleiben.«


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