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Drittes Kapitel

Mutter Krautsch hätte der Volksheimfeier nicht beiwohnen können. Es konnte ihr schon deshalb nicht in den Sinn kommen, weil sie nichts davon wußte. Seit Anton weg war, war jede Verbindung mit dort abgeschnitten. In der ersten Zeit nach dem Abbruch von Ohlsens Gang hatte sie durch Anton manches von den Winsemanns und Maus erfahren. Die jungen Leute trafen sich, solange Hugo noch bei Tischler Behrens war, auf der Straße und nachher im Volksheim. Die Frauen hatten gelegentlich mal einen Gruß bestellen lassen, und einmal hatte Mariechen »eben mal vorgesehen«, als sie eine Freundin besuchte. Aber die hatte inzwischen geheiratet, und jetzt wohnte niemand mehr in Mutter Krautschens Nähe, der noch eine Verbindung mit den früheren Nachbarn aufrecht erhielt.

Mutter Krautsch hatte durch den Abbruch von Ohlsens Gang mehr verloren, als sie anfangs dachte. Ganz abgesehen von der Kundschaft, die doch immerhin etwas einbrachte, wenn auch der einzelne nicht viel gebraucht hatte. Aber der alte Gang selbst fehlte ihr. Jetzt führte ein breiter nicht überdachter, schön gepflasterter Weg nach dem geräumigen Hof, wo Schiffshändler Ohlsen zwei große Speicher hatte bauen lassen. Den einen nahm er zur Hälfte selbst in Besitz, alles andere hatte er vermietet.

Es war jetzt viel Luft und Licht und auch viel Kälte und Wind um Mutter Krautschens Keller, der nun ein Eckkeller geworden war. Es war gar nicht mehr so gemütlich auf der Treppe zu stehen, und die Außenwand ihres Ladens war jetzt dem Wetter ausgesetzt, und im Winter war es infolgedessen drinnen kälter und feuchter. Schiffshändler Ohlsen wollte es freilich nicht zugeben.

»Die ganze liebe Sonne kann jetzt die Wand bestreichen.«

»Abends, Klock söß,« unterbrach ihn Mutter Krautsch, »wenn se to Bett geiht un sülben alln beten schudderig is.«

»Aber es ist wirklich gesünder so,« versicherte Asmus Andreas.

»Min Gesundheit fragt överall nich dorna, aber min Kohlenkist.«

Wenn Mutter Krautsch platt sprach, war sie gewöhnlich sehr ärgerlich. Dieser Ärger über die Außenwand hielt nun freilich nicht länger vor, denn es war wirklich nicht so schlimm. Ohlsen konnte eines Tages sagen: »Seh'n se woll, man muß sich man erst an alles gewöhnen.«

Aber dann kamen neue Sorgen. Tante Miele war plötzlich gestorben, und ihr Hinnerk, so lange an weibliche Leitung gewöhnt, hatte Mutter Krautsch überreden wollen, ihr Geschäft aufzugeben und zu ihm nach Moorburg zu ziehen. Die Versuchung war groß gewesen, nicht weil Onkel Hinnerk der Versucher war, dem zu widerstehen schwer war. Aber die Veränderung um sie herum machte Mutter Krautsch die Aussicht, wieder ganz aufs Land, in die Heimat ihrer Kinderjahre, zu ziehen, verlockender als je. Sie überlegte lange mit Anton und Lene, was sie tun solle. Lene, immer Feuer und Flamme für alles Neue, riet erst heftig zu, aber der Gedanke an Fritz Kleesand, den sie in Moorburg vielleicht nie wieder sehen würde, gewann die Oberhand und machte sie wieder schwankend.

Anton war, wie immer in Sachen, die ihre zwei Seiten hatten, nicht warm und nicht kalt.

»Wenn du meinst Mutter, mir solls recht sein. Immer bleibe ich ja doch nicht bei Sichelmann. Und ob du dann in Moorburg wohnst oder hier, das kann mir ja ziemlich gleich sein.«

»So? Und wenn wir dann nich mehr zusammenkommen können? Dann ist deine alte Mutter dich wohl auch gleichgültig?«

»Mutter, red nicht wieder,« sagte er. »Nach Moorburg ist ja keine Reise.«

»Das is es nich. Wenn du man ümmer kommst.«

Aber Onkel Hinnerk fragte noch einmal vergebens an, und dann, ein halb Jahr später, hatte er sich plötzlich wieder verheiratet.

»n ganz junge Deern, noch nich drög achter de Ohr'n, Anton. Wat seggst du nu?«

»Ja, Mutter, er muß es ja wissen.«

»Er wirds nu bös genug kriegen. Bei Tante Miele durfte er schon nich viel sagen, und jetzt wirds wohl ganz alle sein.«

»Junge, Junge! Ich sollte mich von meiner Frau kuranzen lassen,« sagte Anton.

»Erst eine haben,« meinte Lene.

»Du schallst min Fru wesen, denn so wor di.«

»Kannst mich ja man heiraten.«

Er schüttelte sich wie vor etwas Bitterem, und sie lachte, denn es war ihr nicht mehr Ernst um Anton, seit sie sich an Fritz Kleesand gehängt hatte.

Nun mußte dieser auch noch kommen und Mutter Krautschens Sorgen vermehren. Das war in dem Jahre, als Anton ausgelernt und sich seinem Meister noch ein Jahr als Geselle verdingt hatte, wonach er dann seiner Militärpflicht genügen wollte. Da war nun Fritz Kleesand, der seine Zeit bei der Marine abdiente, gerade recht gekommen. Er wußte viel von dem Dienst auf den Schiffen zu erzählen, was einem Jungen von der Wasserkante die Augen aufleuchten ließ. Und da es Fritz Kleesands Art war, alles zu übertreiben, so kam es immer darauf an, mit welcher Absicht er erzählte. Diesmal war es ihm nun darum zu tun, sich und sein gutes Verhältnis zu den Vorgesetzten in das günstigste Licht zu rücken. So malte er denn ein so rosiges Bild, daß auch Mutter Krautsch die Überzeugung gewann, daß ein tüchtiger und pflichtgetreuer Soldat nirgends weniger zu fürchten hätte, als bei der Marine, ja, daß dort eine Art militärisches Paradies etabliert sei, wo Vorgesetzte und Untergebene sich mit einer engelhaften Milde gegenseitig ertrügen und förderlich wären.

»Natürlich, wenn man n Schlamp is,« hatte Fritz Kleesand gesagt, »denn gibts eklig.«

Das fand man auch allgemein wohl in der Ordnung. Wer aber so ein braver Mensch war wie Anton, hatte so etwas nicht zu befürchten. So war denn dieser halb und halb entschlossen, sich bei der Marine zu stellen, als Fritz Kleesands Urlaub abgelaufen und er mit einem »Auf Wiedersehen, Anton, in Kiel« abgedampft war.

Ein Jahr verstrich, und Antons Entschluß stand fest. Da kam Fritz wiederum auf Urlaub und nahm den Stellungspflichtigen mit nach Kiel. Vorher aber hatte Lene Lerch noch einmal mit ihm und Anton ausgehen dürfen. Mutter Krautsch, bei der Fritz Kleesand seit jenem »Klavierabend« einen Stein im Brett hatte, schien alles Unrecht, was sie dem »Windhund« getan hatte, wieder gut machen zu wollen. Vielleicht war es auch die Absicht, ihn Antons wegen in freundschaftlicher Gesinnung zu halten. Anton hatte dann doch wenigstens Anhalt in Kiel. So schlug sie denn diesmal Fritzens Bitte nicht ab, Lene Lerch noch mal zum Tanz führen zu dürfen.

»Dat Öller hätt se nu,« sagte er. »Se is majorenn un Se hebbt er nu gornix mehr to segg'n, Mudder.«

»So, wer seggt dat? To segg'n hew ick lieckers ümmer noch. Awer Se sünd ja ok öller wor'n un nich mehr so n Windhund. Da kann't ja nu angahn.«

»Windhund,« lachte Fritz. »Ick weer doch man ümmer so n lütt'n fram'n Schoßhund.«

»Na na. Da kiekt de Windhund all werrer rut.«

Lene war in einem Taumel des Glücks. »Deern, du büst ja woll narrisch,« mußte Mutter Krautsch sie besänftigen. »Betrag dich doch sinnig, was muß er von dich denken.«

Und Anton erklärte: »Wenn du so dwallerig bist, geh ich nicht mit.«

Da nahm sie sich zusammen, und als Fritz Kleesand in seiner besten Montur, die ihm prächtig stand und mit seinen weißen Handschuhen eintrat, schlug ihre Ausgelassenheit sogar in Einsilbigkeit um.

»Sie hat doch das richtige Gefühl,« dachte Mutter Krautsch.

»n Mädchen muß sich zurückhalten.«

Fritz Kleesand sah wirklich schmuck aus. Er war trotz seiner langen spitzen Nase ein ganz hübscher Kerl geworden. Schlank und sehnig und tief gebräunt. Der offene Kragen ließ den Hals und ein Stück der braunen Brust frei, auf der sich verräterisch ein blauer Stern mit einer Zacke unter dem Jackentuch hervorwagte und Lene sogleich wieder den ganzen Himmel ahnen ließ, den Fritz Kleesand mit sich herumtrug. Die Mütze mit den flatternden Bändern hatte er keck aus der Stirn geschoben und zeigte sich in jeder Weise unternehmungslustigen Sinnes. Er bot ihr gleich auf der Straße seinen Arm, und sie nahm ihn nach flüchtigem Bedenken, was wohl die Leute sagen würden, etwas verschämt an.

Als sie abends spät zurückkehrten, und Anton sich mit dem Hausschlüssel abmühte, zog Fritz Kleesand noch einmal in einem letzten übermütigen Handgemenge mit Lene diese auf einen Augenblick um die schützende Hausecke hinter Mutter Krautschens Bretterwand und nahm zärtlich Abschied von ihr. Dieser Kuß besiegelte Lenen die Tatsache, daß dies der schönste Tag ihres Lebens gewesen war, und als Anton, eines Ausgangs mit Fritz Kleesand gleichfalls nicht gewohnt, seine für einen gelernten Schlosser merkwürdig schwerfälligen Bemühungen, die Tür aufzuschließen, endlich mit Erfolg gekrönt sah, mußte er erst einige Mahnungen nach oben knurren, ehe Fritz und Lene sich trennten.

Lene taumelte wie in einem Rausch an Anton vorbei, und suchte sofort ihr bescheidenes Lager auf. Sie schlief aber sobald nicht ein. Fritzens letzter Kuß brannte noch auf ihren Lippen und sie dachte an die anderen, die er ihr im Garten des Tanzlokals geraubt, als er sie in einem günstigen Augenblick zu sich auf den Schoß gezogen und sie minutenlang in seinem Arm gelegen hatte.

Wie gut, daß Anton den großen plumpen Kollegen – Kröger hieß er ja wohl – getroffen hatte. So hatte sie doch unbeachtet in der Laube Platz nehmen können. Wie ein Kind hatte sie in seinen Armen gelegen, wehrlos den Kopf hintenüber gedrückt, den Mund seinen Küssen preisgegeben. Dabei war ein wunderliches Sumsen und Sausen um sie herum und in ihr gewesen. Der Wind hatte auch in dem Herbstlaub geraschelt und welke Blätter auf sie herabgeschüttelt. Sie erinnerte sich dessen. Und einmal war Zigarrenrauch von irgendwoher in die Laube verschlagen worden.

Lene lag, ihr heißes Gesicht in die Kissen gedrückt, und dachte sich in seine Arme zurück. Sie stöhnte wie unter körperlichen Schmerzen einmal laut auf, wonach ein reicher Tränenstrom sie dieses unbekannten, wunderlichen Zustandes entlastete und sie in einen langen traumlosen Schlaf hinübergleiten ließ.

Anton aber, mit einem dumpfen Druck auf dem Kopf, nicht wissend, ob er Fritz Kleesand oder Wilhelm Kröger fluchen sollte, schnarchte, sobald er in die Kissen sank. In seinen Träumen schaukelte er auf einem großen Kriegsschiff. Er steckte aber in Landuniform und mußte Stechschritt üben, und wunderte sich, daß er es bei dem Geschlängel und Geschaukel so prächtig konnte, trotzdem ihm ganz schwindelig und elend im Kopfe war. Auf der Reeling aber saß Fritz Kleesand lachend und sagte: Siehst du wie fein? Ist alles eine Kleinigkeit. Das bißchen Schaukeln macht gar nichts aus.

*

Der Tag des Abschieds war da. Anton war überzeugt, das Rechte gewählt zu haben. Er war, Fritz Kleesand zur Seite, guten Muts.

»Das soll ja dann auch woll so sein,« sagte Mutter Krautsch. »Dein Vater war ja auch Seemann und so n bischen liegt das dann davon mit im Blut.«

»Na, deswegen,« meinte Anton. »Aber man bleibt doch beim Fach und man hat auch mehr Chancen.«

»Was tust du mit die Schanzen. Du willst ja nicht beibleiben.«

»Das ist noch nicht abgeblasen,« ängstete er sie. »Wenns mir da gefällt.«

»Dann bin ick di los.«

»Tja, Mutter,« sagte er gedehnt, »wi möt doch mal ut'nander.«

»Swor schient di dat nich to warn.«

»Ach red doch nicht so, Mutter. Man möt doch mal selbständig warn.«

»Aber doch nich auf n Schiff.«

»Sowit sünd wi ok noch nich.«

So redeten sie die letzten Stunden noch um einander herum, und hatte das alles auch noch keinen rechten Boden unter den Füßen, so merkte Mutter Krautsch doch, daß Anton anfing, sich von ihr zu lösen und auf seine Zukunft bedacht zu sein. Sie sah ein, daß das nicht anders sein konnte, aber es wurde ihr schwer ums Herz, wenn sie daran dachte, daß es eine Zeit geben würde, wo sie mit Lene allein hausen mußte.

Anton aber kannte seine Mutter gut genug, um nicht zu wissen was sie bedrücke. Aber dabei war nichts zu machen. Das müssen alle Mütter durchmachen, und dann wollte er ja auch nicht aus der Welt gehen. Auch würde es ihm ja gar nicht einfallen, bei der Marine zu bleiben. Sein Ehrgeiz ging andere Wege.

An dem Tage, als er Geselle wurde, und Meister Sichelmann ihm angeboten hatte, bis zu seiner Militärzeit bei ihm zu bleiben, hatte ihm seine Mutter gesagt, daß er ein kleines Kapital besäße, das sein Vater für ihn erarbeitet habe. Es waren ein paar tausend Mark. Damit ließ sich schon etwas anfangen. Er kam sich wie ein Krösus vor und machte Zukunftspläne. Die Sichelmannsche Werkstatt, wo er jetzt als Geselle den Hammer schwang, sah er mit den Augen eines künftigen Meisters an. Soweit wollte er es auch bringen, weiter. Dieckmann, der Besitzer der großen Werft von Thoms und Dieckmann, war auch nur einfacher Schlosser gewesen. Und jetzt, seitdem er den Entschluß gefaßt hatte, bei der Marine zu dienen, war er auch überzeugt, daß es ihm mit Rücksicht auf diese möglichen Lebenswege einmal von großem Nutzen sein könnte. Wenn er erst eine große Werft besäße – weiter kam er gewöhnlich nicht mit seinen Gedanken. Dann überkam es ihn, als hätte er ganz vermessene Träume, und er sann der Sache nicht weiter nach. Man konnte da nichts weiter tun, als abwarten. Aber an ihm sollte es nicht liegen, was Arbeiten und Streben anbelange. Als alter Geselle, wie der Rehm, bei fremden Meistern unterducken, froh sein, daß man nicht jüngeren Kräften Platz machen mußte, das könnte ihm nicht passen. So mitteilsam und gesprächig Anton war, so sprach er doch über seine eigenen Angelegenheiten wenig oder gar nicht. Die waren etwas so selbstverständliches, über das es sich nicht zu reden verlohnte. Er glich darin dem Vater, dem er auch sonst immer mehr ähnelte. Er war jetzt sehr groß und hatte dabei wie jener die Gewohnheit, sich von Zeit zu Zeit noch zu recken, obgleich er sich nicht wie der schlankere Vater schlecht hielt. Auch das grundlose Seufzen hatte er sich angewöhnt, was bei ihm aber mehr wie ein Seufzen der Erleichterung klang, wie ein Aufatmen nach schwerer Arbeit: So, das hätten wir hinter uns.

Wichtiger aber als das war der Hang zur Sparsamkeit, der sich immer mehr bei ihm zeigte. Er war nicht geizig, aber er gab nicht gern unnütz Geld aus. Dem flotten Fritz Kleesand gegenüber konnte er Lene Lerch freilich wohl als knickerig erscheinen. Sie entschuldigte ihn aber. So »dick« wie Fritz Kleesand hatte er es ja nicht. Der konnte schon was drauf gehn lassen. So eine flotte Wirtschaft wie die Kleesandsche wirft etwas ab. Lene hatte aber keinen Einblick in die Krautschen Vermögensverhältnisse, und so war es natürlich, daß die Verliebte ihren Abgott auch hier mit dem Schaumgold ihrer Phantasie vergoldete, so daß er als eine der glänzendsten Partien an der ganzen Wasserkante vor ihr stand.

Anton machte überall Abschiedsbesuche, bei seinem Meister, der ihn ungern ziehen ließ, bei seinem Vormund Asmus Andreas Ohlsen, der von seiner Vormundschaft nicht viel Last hatte und seinem großen schmucken Mündel bei einem Glas Portwein und einer Zigarre allerlei Marinedöntjen zum besten gab, und zuletzt auch bei Collasius. Herrn Heinrich hatte er am letzten Volksheimabend Adieu gesagt und ihm lachend beigestimmt, daß er in Hinblick auf seine Muskeln und seinen breiten Brustkasten einen strammen Dienst nicht zu scheuen habe. Collasius aber, der ihn in seinem Studierzimmer am Schreibtisch empfing, fand einige patriotische Worte angezeigt, die ihm freilich anfangs nicht recht von Herzen zu kommen schienen, denn er war ein Friedensmann und eifriger Apostel der Friedensgesellschaft.

»Aber eines bleibt wahr, lieber Krautsch,« sagte er zum Schluß. »Kein Mann gedeiht ohne Vaterland, wie unser Dichter sagt. Vaterlandsverteidiger, das ist ein herrlicher Beruf und ein herrlicher Titel. Und nun gar die Marine. Wenn Sie mit Ihrem Schiffe hinauskommen an fremde Küsten, bringen Sie unsern draußen weilenden Brüdern ein Stück Vaterlandes, ein Stück Heimat mit. Dann seien Sie stolz, daß Sie ein Deutscher sind. Wir dürfen es trotz alledem.«

Anton wußte nun zwar nicht, was er mit dem »trotz alledem« meinte, und der Appell an sein Deutschtum setzte sein Gemüt nicht in besonders patriotische Wallung, aber es schmeichelte ihm doch, daß der Herr Pastor, »so n bischen was höheres« mit ihm sprach und Interesse für ihn zeigte. Als er aber draußen war, empfand er von seiner großen Herrlichkeit als künftiger Vaterlandsverteidiger nichts mehr, sondern dachte nur: »n goden Kerl is he, aber wenn he dat Reden kriegt, dann kann he snacken. Jung, n reinen Idealist is he.«

Das war sein letzter Abschiedsbesuch gewesen. Am andern Tag begleitete Mutter Krautsch ihn und Fritz Kleesand an die Bahn. Anton hätte, Fritzens wegen, lieber gesehen, seine Mutter wäre zu Hause geblieben, aber sie ließ sich nicht dazu bewegen, und was Anton befürchtet hatte: auf dem Bahnhof gab es Tränen und viele gute Worte und Ermahnungen. Und nun sagte sie wirklich zu Fritz: »Nicht wahr, Herr Kleesand, Sie regardieren auch n büschen auf ihn, er is ja noch nie aus Hamburg rausgekommen.«


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