F. M. Dostojewskij
Der Jüngling
F. M. Dostojewskij

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IV

Sie saßen einander an demselben Tisch gegenüber, an welchem ich mit ihm zwei Tage vorher auf seine »Wiedergeburt« getrunken hatte; ich konnte ihre Gesichter vollständig sehen. Sie trug ein einfaches schwarzes Kleid und war schön und anscheinend ruhig wie immer. Er redete, und sie hörte ihm mit außerordentlicher, zuvorkommender Aufmerksamkeit zu. Vielleicht war ihr eine gewisse Ängstlichkeit anzumerken. Er seinerseits befand sich in furchtbarer Aufregung. Bei meiner Ankunft war das Gespräch schon im Gange, und daher konnte ich eine Zeitlang nicht daraus klug werden, ich erinnere mich, daß sie plötzlich fragte:

»Und ich war die Ursache?«

»Nein, die Ursache war ich«, antwortete er, »Sie waren nur ohne Ihre Schuld daran schuld. Sie wissen, daß man ohne seine Schuld an etwas schuld sein kann? Das sind die unverzeihlichsten Verfehlungen, und sie finden fast immer ihre Strafe«, fügte er mit einem seltsamen Auflachen hinzu. »Und ich habe wirklich einen Augenblick lang gedacht, ich hätte Sie ganz vergessen, und lachte tüchtig über meine dumme Leidenschaft ... aber das wissen Sie. Indessen: was geht mich der Mensch an, den Sie heiraten wollen? Ich habe Ihnen gestern einen Antrag gemacht; verzeihen Sie diese ... diese Torheit, ich konnte sie jedoch auf keine Weise vermeiden; was hätte ich anders machen können als diese Torheit? Ich weiß es nicht ...«

Hier lachte er verlegen und hob auf einmal die Augen zu ihr auf, denn bis dahin hatte er beim Reden zur Seite gesehen. Wenn ich an Katerina Nikolajewnas Stelle gewesen wäre, ich hätte über dieses Lachen einen Schreck bekommen, das fühlte ich. Er stand plötzlich von seinem Stuhl auf.

»Sagen Sie, wie konnten Sie einwilligen, hierherzukommen?« fragte er, als ob ihm jetzt erst die Hauptsache einfiele. »Meine Aufforderung und mein ganzer Brief waren töricht ... Oder warten Sie einmal: ich kann es noch verstehen, wie es zuging, daß Sie einwilligten herzukommen, aber warum Sie wirklich gekommen sind, diese Frage kann ich mir nicht recht beantworten. Sind Sie wirklich nur aus Furcht hergekommen?«

»Ich bin hergekommen, um Sie wiederzusehen«, erwiderte sie und sah ihn mit einem Blick voll ängstlicher Vorsicht an. Beide schwiegen etwa eine halbe Minute lang, Wersilow ließ sich wieder auf den Stuhl sinken und begann mit sanfter, aber ergriffener, fast zitternder Stimme:

»Ich habe Sie furchtbar lange nicht gesehen, Katerina Nikolajewna, so lange, daß ich es beinahe nicht mehr für möglich gehalten hätte, jemals wieder wie jetzt neben Ihnen zu sitzen, Ihr Gesicht zu betrachten und Ihre Stimme zu hören ... Zwei Jahre lang haben wir uns nicht gesehen, zwei Jahre lang nicht miteinander gesprochen. Ich hätte nicht gedacht, daß ich jemals wieder mit Ihnen sprechen würde. Nun, mag es sein: was vergangen ist, ist vergangen, und was ist, das wird morgen verschwinden wie Rauch – mag es! Ich habe nichts dagegen, weil ich auch hier wieder nichts daran ändern kann, aber lassen Sie unsere jetzige Zusammenkunft nicht ganz fruchtlos sein«, fügte er in beinahe flehendem Ton hinzu. »Wenn Sie mir schon durch Ihr Kommen ein Almosen gespendet haben, so lassen Sie unsere Zusammenkunft nicht ganz fruchtlos sein, sondern beantworten Sie mir eine Frage!«

»Was für eine Frage?«

»Wir werden einander ja nie wiedersehen; was macht es Ihnen also aus, diese Frage zu beantworten? Sagen Sie einmal in Ihrem ganzen Leben die Wahrheit, auf eine Frage, wie sie verständige Menschen niemals stellen würden: haben Sie mich jemals geliebt, oder ... oder habe ich mich getäuscht?«

Sie wurde rot.

»Ich habe Sie geliebt«, antwortete sie.

Das hatte ich erwartet, daß sie das sagen würde – oh, die Wahrheitsliebende, oh, die Aufrichtige, oh, die Ehrenhafte!

»Und jetzt?« fuhr er fort.

»Jetzt liebe ich Sie nicht mehr.«

»Und Sie lachen über mich?«

»Nein, ich lächelte soeben unwillkürlich, weil ich im voraus wußte, daß Sie fragen würden: ›Und jetzt?‹ Und darum lächelte ich, denn man lächelt ja immer, wenn man eine richtige Ahnung gehabt hat ...«

Mir war ganz seltsam zumute; ich hatte sie noch nie so behutsam, ja beinahe schüchtern und verlegen gesehen. Er verschlang sie förmlich mit den Augen.

»Ich weiß, daß Sie mich nicht lieben ... und – lieben Sie mich gar nicht?«

»Vielleicht liebe ich Sie gar nicht. Ich liebe Sie nicht«, fügte sie mit fester Stimme, und jetzt ohne zu lächeln und zu erröten, hinzu. »Ja, ich habe Sie geliebt, aber nicht lange. Ich habe damals sehr bald aufgehört, Sie zu lieben.«

»Ich weiß, ich weiß, Sie sahen, daß ich nicht das bin, was Sie brauchen, aber ... was brauchen Sie denn eigentlich? Erklären Sie mir das noch einmal ...«

»Habe ich Ihnen denn das schon jemals erklärt? Was ich brauche? Ich bin eine ganz gewöhnliche Frau; ich bin eine ruhige Frau; ich liebe ... ich liebe heitere Menschen.«

»Heitere Menschen?«

»Sie sehen, daß ich nicht einmal verstehe, mit Ihnen zu reden. Ich glaube, wenn Sie es fertiggebracht hätten, mich weniger zu lieben, so würde ich Sie damals liebgewonnen haben«, sagte sie wieder mit einem zaghaften Lächeln. Die vollste Aufrichtigkeit leuchtete aus ihrer Antwort hervor, und sie merkte zweifellos, daß ihre Antwort die endgültige, alles erklärende und entscheidende Formel für ihre gegenseitigen Beziehungen war. Oh, das hätte doch auch er verstehen müssen! Aber er sah sie mit einem sonderbaren Lächeln an.

»Ist Bjoring ein heiterer Mensch?« fragte er weiter.

»Um den brauchen Sie sich keine Sorge zu machen«, versetzte sie mit einer gewissen Hast. »Ich heirate ihn nur, weil ich als seine Frau am ehesten ein ruhiges Leben haben werde. Meine ganze Seele behalte ich für mich.«

»Man sagt, Sie hätten wieder an der vornehmen Gesellschaft und am geselligen Leben Geschmack gefunden?«

»Nicht an der vornehmen Gesellschaft. Ich weiß, daß in unserer Gesellschaft dieselbe Ordnungslosigkeit herrscht wie überall; aber die äußeren Formen sind noch schön; wenn man daher lediglich leben will, um das Leben hinzubringen, so kann man das dort eher als sonstwo.«

»Ich höre jetzt häufig das Wort ›Ordnungslosigkeit‹; Sie haben wohl damals auch über meine Ordnungslosigkeit, meine Büßerketten, meine Ideen und Dummheiten einen Schreck bekommen?«

»Nein, so war das doch nicht ganz ...«

»Wie war es denn? Um Gottes willen, sagen Sie mir alles offen und ehrlich!«

»Nun, dann will ich es Ihnen offen und ehrlich sagen, weil ich Sie für einen großen Geist halte ... Es ist mir an Ihnen immer etwas lächerlich vorgekommen.«

Als sie das gesagt hatte, wurde sie auf einmal dunkelrot, als würde sie sich bewußt, daß sie eine große Unvorsichtigkeit begangen hatte.

»Sehen Sie, für das, was Sie mir da gesagt haben, kann ich Ihnen vieles verzeihen«, war seine seltsame Erwiderung.

»Ich habe nicht zu Ende gesprochen«, fuhr sie, von Röte übergossen, eilig fort. »Ich bin es vielmehr, die lächerlich ist ... schon deswegen, weil ich mit Ihnen wie eine Närrin spreche.«

»Nein, Sie sind nicht lächerlich; Sie sind nur eine verdorbene Weltdame!« sagte er und wurde dabei erschreckend blaß. »Ich habe vorhin ebenfalls nicht zu Ende gesprochen, als ich Sie fragte, warum Sie hergekommen seien. Wollen Sie, daß ich zu Ende spreche? Es existiert da ein Brief, ein Schriftstück, und vor dem haben Sie eine gewaltige Angst, weil Ihr Vater, wenn er diesen Brief in die Hand bekommt, Sie möglicherweise noch zu seinen Lebzeiten verfluchen wird und Sie für den Fall seines Todes gesetzlich enterben kann. Sie haben Angst vor diesem Brief und sind wegen des Briefes hergekommen«, sagte er; er zitterte am ganzen Leib und klapperte beinahe mit den Zähnen. Sie hatte ihn mit kummervoller, schmerzlicher Miene angehört.

»Ich weiß, daß Sie mir eine Menge Unannehmlichkeiten bereiten können«, sagte sie, als wehrte sie seine Worte von sich ab, »aber ich bin nicht so sehr hergekommen, um Sie zu bitten, mich nicht weiter zu verfolgen, als vielmehr, um Sie selbst wiederzusehen. Ich habe sogar selbst schon seit langer Zeit sehr gewünscht, mit Ihnen zusammenzukommen. Aber ich finde jetzt, daß Sie derselbe geblieben sind, der Sie früher waren«, fügte sie, wie von einem besonderen, entschiedenen Gedanken und sogar von einem seltsamen, plötzlichen Gefühl hingerissen, auf einmal hinzu.

»Und Sie hatten gehofft, mich als einen andern wiederzusehen? Und das nach meinem Brief über Ihre Verderbtheit? Sagen Sie, sind Sie ohne alle Furcht hierhergekommen?«

»Ich bin hergekommen, weil ich Sie früher geliebt habe; aber hören Sie: ich bitte Sie, drohen Sie mir mit nichts, solange wir hier zusammen sind, und erinnern Sie mich nicht an meine schlimmen Gedanken und Empfindungen. Wenn Sie imstande wären, mit mir von etwas anderem zu sprechen, so würde mich das sehr freuen. Sparen Sie die Drohungen für ein andermal, und lassen Sie uns jetzt von etwas anderem reden ... Ich bin wirklich hergekommen, um Sie einen Augenblick zu sehen und zu hören. Nun, und wenn Sie dazu nicht imstande sind, so töten Sie mich gleich; nur drohen Sie mir nicht und martern Sie sich nicht selbst vor meinen Augen!« schloß sie und blickte ihn mit einem seltsamen, erwartungsvollen Ausdruck an, als hielte sie es wirklich für möglich, daß er sie tötete. Er stand wieder vom Stuhl auf, richtete seinen brennenden Blick auf sie und sagte in festem Ton:

»Sie werden von hier weggehen, ohne die geringste Kränkung erlitten zu haben.«

»Ach ja, Sie haben ja Ihr Ehrenwort gegeben!« erwiderte sie lächelnd.

»Nein, nicht nur deswegen, weil ich Ihnen in meinem Brief mein Ehrenwort gegeben habe, sondern weil ich die ganze Nacht über an Sie denken will und denken werde ...«

»Sie wollen sich quälen?«

»Wenn ich allein bin, stelle ich mir immer Ihr Bild vor. Ich tue weiter nichts, als mit Ihnen zu reden. Ich gehe in Kneipen und Spelunken, und wie zum Kontrast erscheinen Sie sofort vor meinem geistigen Auge. Aber Sie lachen immer über mich, wie Sie es auch jetzt tun ...« Er schien, während er das sagte, ganz außer sich zu sein ...

»Niemals, niemals habe ich über Sie gelacht!« rief sie tief ergriffen und von innigem Mitleid erfüllt, das sich auf ihrem Gesicht ausprägte. »Wenn ich hergekommen bin, so habe ich nach Kräften alles zu vermeiden gesucht, was Sie kränken könnte«, fügte sie plötzlich hinzu. »Ich bin hierhergekommen, um Ihnen zu sagen, daß ich Sie beinahe liebe ... Verzeihen Sie, ich habe mich vielleicht falsch ausgedrückt«, fügte sie hastig hinzu.

Er lachte auf.

»Warum verstehen Sie nicht, sich zu verstellen? Warum sind Sie so schlicht und einfach, warum sind Sie nicht so wie alle Frauen? ... Wie kann man zu jemandem, den man wegjagt, sagen: ›Ich liebe Sie beinahe‹?«

»Ich habe nur nicht verstanden, mich richtig auszudrücken«, sagte sie eilig. »Ich habe eine falsche Wendung gebraucht; das kommt daher, weil ich in Ihrer Gegenwart immer verlegen gewesen bin und nicht zu reden verstanden habe, schon von unserer ersten Begegnung an. Und wenn es auch mit Worten ungeschickt von mir gesagt war, daß ich ›Sie beinahe liebe‹, so habe ich es doch in Gedanken fast so gemeint – deshalb habe ich es ja auch gesagt, obwohl ich Sie nur mit so einer ... nun, mit so einer allgemeinen Liebe liebe, mit der man alle Menschen liebt und die zu bekennen man sich niemals zu schämen braucht ...«

Er hörte schweigend zu, ohne seinen brennenden Blick von ihr abzuwenden.

»Ich bete Sie an, natürlich«, sagte er wie außer sich. »In der Tat, das ist gewiß das, was man Leidenschaft nennt ... Ich weiß nur das eine, daß es mit mir zu Ende ist, wenn ich mit Ihnen zusammen bin, und wenn Sie nicht da sind, ebenfalls. Ganz gleich, ob Sie da sind oder nicht da sind, wo Sie auch sein mögen, Sie sind immer bei mir. Ich weiß auch, daß ich imstande bin, Sie sehr zu hassen, noch mehr als zu lieben ... Übrigens, ich denke schon seit langer Zeit an nichts mehr – mir ist alles gleich. Es tut mir nur leid, daß ich eine solche Frau wie Sie liebgewonnen habe ...«

Die Stimme versagte ihm; er fuhr, nach Atem ringend, fort:

»Was ist Ihnen? Befremdet es Sie, daß ich so spreche?« fragte er mit einem matten Lächeln. »Ich glaube, wenn ich Sie dadurch gewinnen könnte, würde ich irgendwo dreißig Jahre lang als Säulenheiliger auf einem Bein stehen ... Ich sehe, daß ich Ihnen leid tue; Ihr Gesicht sagt: ›Ich würde dich lieben, wenn ich es könnte, aber ich kann es nicht.‹ Ja? Nun, das tut nichts; ich besitze keinen Stolz. Ich bin bereit, wie ein Bettler jedes Almosen von Ihnen anzunehmen – hören Sie wohl: jedes ... Was kann ein Bettler für Stolz besitzen?«

Sie stand auf und trat zu ihm hin.

»Lieber Freund!« sagte sie, indem sie seine Schulter mit der Hand berührte; auf ihrem Gesicht prägte sich eine unbeschreibliche Empfindung aus. »Ich kann solche Reden nicht anhören! Ich werde mein ganzes Leben an Sie denken, als an einen sehr wertvollen Menschen, als an ein großes, edles Herz, als an etwas Heiliges unter all dem, was ich verehren und lieben kann. Andrej Petrowitsch, verstehen Sie doch, was ich sage: ich muß ja doch einen Grund gehabt haben, weswegen ich hierhergekommen bin, Sie lieber Mensch, mir sowohl einstmals als auch jetzt lieber Mensch! Ich werde es nie vergessen, welchen tiefen Eindruck Sie bei unseren ersten Begegnungen auf mich gemacht haben. Lassen Sie uns als Freunde scheiden, und Sie werden mein Leben lang mein teuerster, liebster Gedanke sein.«

»›Lassen Sie uns scheiden, dann werde ich Sie lieben; ich werde Sie lieben, nur lassen Sie uns scheiden!‹ Das ist der Sinn. Hören Sie«, sagte er mit ganz blassem Gesicht, »geben Sie mir noch ein Almosen: Sie brauchen mich nicht zu lieben, Sie brauchen nicht mit mir zu leben; wir wollen einander nie sehen; ich werde Ihr Sklave sein – sobald Sie mich rufen, und werde sofort verschwinden – wenn Sie mich nicht mehr sehen und hören wollen: nur ... nur heiraten Sie niemand!«

Das Herz zog sich mir schmerzlich zusammen, als ich diese Worte hörte. Diese naive, entwürdigende Bitte war um so kläglicher und schnitt mir um so mehr ins Herz, als sie so unverhohlen geäußert wurde und so unerhört war. Ja gewiß, er bat um ein Almosen! Aber konnte er überhaupt glauben, daß sie einwilligen würde? Und doch hatte er sich zu einem Versuch erniedrigt, es mit einer Bitte versucht! Diesen letzten Grad des geistigen Verfalls anzusehen, war geradezu unerträglich. Alle Züge ihres Gesichts verzogen sich plötzlich vor Schmerz; aber ehe sie noch hatte ein Wort sagen können, war er schon wieder zur Besinnung gekommen.

»Ich werde Sie vernichten!« sagte er auf einmal mit seltsamer, entstellter, fremd klingender Stimme.

Aber sie antwortete ihm ebenfalls auf seltsame Art, ebenfalls mit einer Stimme, die mit ihrer gewöhnlichen gar keine Ähnlichkeit hatte:

»Wenn ich Ihnen ein solches Almosen gäbe«, sagte sie in festem Ton, »so würden Sie sich an mir später noch schlimmer dafür rächen, als Sie es mir jetzt androhen; denn Sie werden es nie vergessen, daß Sie als ein solcher Bettler vor mir gestanden haben ... Ich kann keine Drohungen von Ihnen hören!« schloß sie beinahe entrüstet und sah ihn fast herausfordernd an.

»›Drohungen von Ihnen‹, das heißt von einem solchen Bettler! Ich habe nur gescherzt«, sagte er leise mit einem Lächeln. »Ich werde Ihnen nichts tun, seien Sie unbesorgt, gehen Sie ruhig ... und jenes Schriftstück werde ich mich eifrig bemühen Ihnen zuzustellen – nur gehen Sie jetzt, gehen Sie! Ich habe Ihnen einen dummen Brief geschrieben, und Sie haben auf den dummen Brief geantwortet und sind hergekommen – wir sind quitt. Bitte hier!« sagte er und zeigte auf die Tür (sie hatte schon durch das Zimmer gehen wollen, in dem ich hinter der Portiere stand).

»Verzeihen Sie mir, wenn Sie können!« bat sie, in der Tür noch einmal stehenbleibend.

»Und wie ist's? Wenn wir uns später einmal als die besten Freunde begegnen, werden wir uns dann auch dieser Szene mit herzlichem Lachen erinnern?« sagte er auf einmal; aber alle Muskeln seines Gesichts zuckten wie bei einem Menschen, der einen heftigen Anfall durchmacht.

»Oh, das gebe Gott!« rief sie und faltete dabei die Hände vor der Brust, aber sie sah ihm dabei ängstlich ins Gesicht und schien enträtseln zu wollen, was er eigentlich gemeint hatte.

»Gehen Sie nun! Wir haben alle beide viel Verstand, aber Sie ... Oh, Sie sind ganz von meinem Schlag! Ich habe Ihnen einen wahnsinnigen Brief geschrieben, und Sie haben eingewilligt herzukommen, um mir zu sagen, daß Sie ›mich beinahe lieben‹. Nein, Sie und ich, wir sind Patienten desselben Irrsinns! Wir sind prächtige Menschen! Bleiben Sie immer so irrsinnig, ändern Sie sich nicht, und wir werden noch als Freunde zusammenkommen – das prophezeie ich Ihnen, das schwöre ich Ihnen!«

»Und dann werde ich Sie ganz bestimmt lieben, das fühle ich jetzt schon!« Die Frau in ihr konnte sich nicht enthalten, ihm von der Schwelle her noch diese letzten Worte zuzurufen.

Sie ging hinaus. Eilig und unhörbar ging ich in die Küche; ich blickte Darja Onissimowna, die auf mich wartete, kaum an und lief die Hintertreppe hinunter und über den Hof auf die Straße. Aber ich sah nur noch, wie sie in die Droschke stieg, die an der Außentreppe auf sie wartete. Ich lief die Straße entlang.


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