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Zweiunddreißigstes Kapitel.
Die Firma »Hampton & Sohn« erlischt.

Kaum hatte der hochwürdige Dr. Stylish Mr. Hampton die Leichenrede gehalten, in welcher er den Verstorbenen als einen treuen Arbeiter im Weinberge des Herrn gepriesen, als sich in Wallstreet das Gerücht zu verbreiten begann, die Firma, deren Oberhaupt der Hingeschiedene gewesen war, sei zahlungsunfähig. Die Aktien der »Großen vereinigten Silber-Bergbau-Gesellschaft«, deren Wert Mr. Hampton auf zwei Millionen geschätzt, wurden nicht mehr im Kurszettel aufgeführt und waren aller Wahrscheinlichkeit nach wertlos. Jedenfalls zeigte sich das überlebende Mitglied der Firma der Aufgabe nicht gewachsen, ihren erdichteten Wert aufrecht zu erhalten. Es gab wohl noch Leute in Wallstreet, welche die Silvertowngruben nach wie vor für ein gutes Unternehmen hielten, selbstverständlich aber nur, wenn es in der Hand eines »gewitzten Geschäftsmannes« lag, und darüber, daß Walther nicht in diese Klasse gehörte, war man so ziemlich allgemein einig.

Ueberhaupt wurde Walther während der ersten Monate, nach dem Tode des Vaters und dem Fall der Firma mehr als reichlich mit ungünstigen Urteilen bedacht. Da Mr. Hampton nicht mehr da war und es keinen Zweck hatte, Uebles von den Toten zu reden, wurde Walther zum Sündenbock, und man lud die ganze Verantwortlichkeit für das Unglück auf seine Schultern. Seine Mutter, die sich, wie er jetzt zum erstenmal hörte, im geheimen über seine Verschwendung und sein ausschweifendes Leben gegrämt hatte, ging bei seiner Verurteilung mit ihrem Beispiele voran und nahm von allen ihren Freunden Beileidsbezeigungen über sein unverantwortliches Betragen in Empfang. Und da er es war, der die Firma zu Grunde gerichtet, so richtete sich natürlich auch der Zorn aller Gläubiger in erster Linie gegen ihn, obwohl sie sich – um gerecht zu sein – im ganzen sehr nachgiebig und weniger feindlich zeigten, als man in diesem Falle hätte erwarten sollen, wo die Konkursmasse in so gar keinem Verhältnisse zu den vorhandenen Verpflichtungen stand. Das Haus in der Avenue wurde, wie es ging und stand, an Mr. Cunningham verkauft, und alles sonstige Eigentum der Familie, auch Walthers Pferde, seine Jacht, und seine sonstige persönliche Habe, kamen unter den Hammer des Auktionators.

Walther befand sich demnach binnen kurzem in sehr beschränkten Umständen. Seine Freunde im Klub, wie in der Avenue fingen an kurzsichtig zu werden, wenn sie ihm begegneten, und die jungen Damen, welche sich dereinst, wenn das Gerücht nicht log, ernstlich mit ihm beschäftigt und Jagd auf ihn gemacht hatten, sprachen von ihm nur noch, wie man von Zolas Romanen und andern, anständigerweise nicht zu erwähnenden Dingen spricht. Selten verging eine Stunde, in der er nicht eine demütigende Erfahrung machte. Hatte er sich bis dahin eingebildet, der allgemeine Liebling zu sein, so fand sich jetzt, daß er der Gesellschaft längst ein Dorn im Fleisch gewesen. Man erzählte sich, daß nur sein unwürdiger Lebenswandel den armen Mr. Hampton getötet, und fand es sehr begreiflich, daß Mrs. Hampton aus demselben Grunde einen dauernden Aufenthalt im Auslande plante. In der That traf Mrs. Hampton alle Vorbereitungen zu einer längeren Reise nach Europa. Sie hatte genug aus dem allgemeinen Schiffbruche gerettet, um überall anständig leben zu können, und wählte Paris zum Wohnorte. Ehe sie die Reise antrat, stattete sie ihrer Tochter einen Abschiedsbesuch ab und machte ihr, nachdem sie sich bedauernd über das »untergeordnete Los«, das ihr zu teil geworden, ausgesprochen hatte, einige Schmuckgegenstände und Juwelen zum Geschenk. Mrs. Hampton konnte sich ohne Reichtum kein Glück denken. Sie nahm für gewiß an, daß Alma ihren Irrtum längst eingesehen habe und bereue, und nahm es ihr eigentlich übel, daß sie dies hinter einer Maske von Zufriedenheit verbarg. Sie hielt eine solche Komödie zwischen Mutter und Tochter nicht für nötig. Ihre cynische Gleichgültigkeit und Offenheit that Alma weh, und die eigne tiefe Trauer um den Vater ließ ihr eine solche verhärtete Selbstsucht doppelt schrecklich erscheinen.

Zwei Wochen später bezog Mrs. Hampton ein sehr hübsches Haus am Boulevard Friedland, wo sie während des Winters allwöchentlich ihre Bekannten in der glänzendsten Weise empfing.



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