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Fünfzehntes Kapitel.
Am Vorabend des Osterfestes.

Es war am vierzehnten Tage des Monats Nisan, am Vorabende des Passah, des jüdischen Osterfestes. Auf dem Tische brannte der siebenarmige Leuchter und sein mildes Licht fiel auf das schneeweiße Tafeltuch und verlieh allem ein festliches Ansehen. Das Zimmer war still und feierlich. Rachel stand am obern Ende des Tisches und überblickte ihn – um sich noch einmal zu überzeugen, daß auch nichts fehle – indem sie langsam und bedächtig zählend, mit dem Zeigefinger der rechten Hand den Daumen der linken berührte. Die ernste Einfachheit ihres weißen Kleides wurde noch erhöht durch die Blässe ihres Gesichts und die Rabenfarbe ihres Haares. In der Nähe der Thür saßen zwei Knaben von etwa sieben und acht Jahren auf demselben gemeinschaftlichen Stuhle und unterhielten sich flüsternd von dem Auszuge der Kinder Israels und dem Racheengel, welcher alle Erstgeburt in Aegypten schlug. Ephraim, der ältere, hatte zu Ehren dieses Ereignisses den ganzen Tag gefastet und fühlte sich jetzt dem Hungertode nahe. Wäre er weniger von der besondern Gnade überzeugt gewesen, welche Gott der Herr seinem Volke zu teil werden ließ, er hätte vielleicht gewünscht, der Engel möchte weniger vorurteilsvoll sein und ihm erlauben, sich zu Tische zu setzen.

Jetzt öffnete sich die Thür und Simon trat ein, begleitet von sechs Gästen männlichen Geschlechts, welche ohne Zweifel sämtlich Nachkommen Sems waren. Die beiden kleinen schwarzäugigen Knaben sprangen von ihrem Sitze auf und Rachel zog sich bis an die Wand des Zimmers zurück, wo sie mit gesenktem Haupte stehen blieb. Die Männer sahen alle sehr ernst aus und das einschmeichelnde, unterwürfige Lächeln, welches sie ihren Geschäftsfreunden christlichen Glaubens zu zeigen pflegten, war von ihren Gesichtern verschwunden. Selbst Simon zeigte eine Art von Würde und auch aus seinen Mienen war jede Spur des gewöhnlichen öligen, geschmeidigen Wesens verwischt. Heute war er der Sohn Abrahams, Isaaks und Jakobs, ein Sohn des auserwählten Volkes, zu dessen Bestem Jehovah Christen und Heiden geschaffen, um sie ihm als Opfer und Beute in die Hände zu geben. In seiner patriarchalischen Eigenschaft, als Haupt einer hebräischen Familie, war Simon überzeugt, daß Gott persönlichen Anteil an seinem Wohlergehen und an seinen Geschäften nehme und dieselben stets zum Besten lenke. Als Gegenleistung für diese Gnade kam Simon allen Vorschriften des Gesetzes aufs strengste nach. Er kaufte sein Fleisch von einem jüdischen Fleischer, welcher die Tiere nach den Geboten des Ritus tötete; der Name seines. Gottes (Adonaï) stand, wie das dritte Buch Moses es vorschreibt, an den Thürpfosten; er spendete den Armen der Gemeinde milde Gaben, beschenkte die Synagoge, unterstützte alle Wohlthätigkeitsanstalten seines Volkes, beging die zehn der Buße gewidmeten Tage zu Anfang des Jahres mit Andacht, fastete am ersten derselben und besuchte die Synagoge bei Tagesanbruch. Simon hielt sich, wie schon gesagt, streng an diese und hundert andre fromme Gebräuche, betrachtete dieselben aber, bei der ausgesprochenen geschäftlichen Richtung seines Wesens, mehr als die Paragraphen eines Kontraktes, welchen er mit dem Gotte Israels abgeschlossen. Hielt er, Simon Löwenthal, sich an alle Bedingungen desselben, so war es ja wohl eine einfache Ehrenpflicht des andern Teiles, ihm in allen Unternehmungen beizustehen und sein Thun zu segnen.

Als Simon dreißig Jahre alt gewesen, war er nach Deutschland zurückgekehrt, hatte eine Tochter seines Stammes geheiratet und auch seine um zwanzig Jahre jüngere Halbschwester Rachel mit nach Amerika gebracht. Seine Frau war, nachdem sie ihm zwei Söhne geschenkt, gestorben und hatte ihre Kinder der Sorgfalt und Pflege ihrer Schwägerin überantwortet. Rachel, welche trotz ihrer Jugend starke mütterliche Neigungen besaß, hatte sich der Kinder treulichst angenommen. Sie war nie schlafen gegangen, ohne ihnen einen Gutenachtkuß zu geben, hatte sie gewaschen, ihr Haar gekämmt, nach deutscher Manier gescheitelt und sie alle hebräischen Gebete gelehrt, welche der Jude bei verschiedenen Gelegenheiten zu beten hat. Im Laufe der Zeit hatten sich mehrere Herren mit orientalischen Nasen um Rachels Hand beworben, und zwar nicht sowohl um ihrer Schönheit, wie um ihrer häuslichen Tugenden willen; aber Simon hatte noch an jedem der Freier etwas auszusetzen gefunden, und Rachel selbst wußte, daß es nicht von ihr, sondern von Simon abhing, zu entscheiden, wann und wen sie heiraten sollte. Mit der einfachen Ergebung in ihr Schicksal, welche die strenggläubige Jüdin kennzeichnet, lebte Rachel von Tag zu Tag fröhlich und vergnügt weiter und sah ihrer Zukunft als Weib und Mutter zwar nicht mit vor Freude und Furcht klopfendem Herzen, doch aber mit der ruhigen Gewißheit entgegen, daß ihr diese Dinge vom Schicksal zweifellos vorbehalten seien, weil sie ihr nach dem natürlichen Verlauf des Lebens zukamen und weil es von alters her so Sitte und Gebrauch war.

Simon, der Rachels Wert kannte und sie so weit bewunderte, als dies mit der Stellung des jüdischen Weibes verträglich ist, hatte beschlossen, sie nicht an den ersten besten Moses, Levi oder Lazarus zu verschleudern, dem es einfiel, um sie zu werben, sondern ihre Hand nur an einen der reichen Magnaten Israels zu vergeben. Hatte er Freunde zu Tisch, so wurde er nicht müde, von den großen Thaten großer Israeliten zu sprechen, und Rachel, welche diesen Unterhaltungen schweigend lauschte, empfing daraus den Eindruck, daß die ganze Welt eigentlich von Juden beherrscht werde. Es war ein charakteristischer Zug, daß in Simon – obgleich er nichts so sehr verabscheute, als einen von seinem Glauben abgefallenen Juden, und obgleich er die ganze Schale seines Zornes über jüdischen Liberalismus auszugießen pflegte – das Nationalgefühl dennoch den Sieg über die religiösen Vorurteile davontrug. Er fühlte sich durch den Ruhm eines Lord Beaconsfield, eines Mendelssohn und jeder andern Berühmtheit, in deren Adern ein Tropfen semitischen Blutes floß, mitgeehrt, und diese Männer schmeichelten seinem Selbstbewußtsein, indem sie ihm bewiesen, wie recht er hatte, wenn er sein Volk über alle Völker der Erde stellte; ja er hegte die feste Ueberzeugung, daß diejenigen seiner Stammesgenossen, welche um irdischer Vorteile willen den Glauben Israels abgeschworen, sich in der Tiefe ihres eignen Herzens dennoch nach wie vor zu dem auserwählten Volke rechneten und im geheimen zu Jehovah, dem Gott ihrer Väter, beteten.

In allen seinen geschäftlichen Beziehungen, die in letzter Zeit immer ausgebreiteter und einträglicher geworden waren, befolgte Simon aufs genaueste die Vorschriften des mosaischen Gesetzes – nur gab es für ihn zwei verschiedene Auslegungen desselben, die er nie vermischte oder verwechselte. Er steckte noch tief in jenem Stadium der Erkenntnis, nach welchem die Gebote Zebaoths einzig und allein gegenüber den Bekennern des Alten Testaments gelten, und so wenig er einen Juden betrogen haben würde, ebensowenig würde er je die Gelegenheit versäumt haben, einen Christen übers Ohr zu hauen. So hatte er z. B. Wellingford recht ausgiebig gerupft, als dieser nach seiner Rückkehr aus Deutschland die Thorheit begangen, sich eine kleine Summe Geldes von ihm zu borgen. Den rechten Einblick in den widerspruchsvollen Charakter Simons hatte Wellingford aber erst später und zwar durch einen seiner jüdischen Freunde, Mr. Mosenfeld, bekommen, einen gebildeten, ehrgeizigen Menschen, der zu den Bewerbern um Rachels Hand gehörte hatte, von dem Bruder, der ihn um seiner Armut, wie um seiner freigeistigen Ansichten willen verachtete, indessen abgewiesen worden war.

Unter den Gästen, welche sich am Vorabend des Passah bei Simon einstellten, befand sich auch ein altersschwacher, ärmlich gekleideter Mann von etwa achtzig Jahren, welcher von zwei jungen Männern zu seinem Sitze am Tische geleitet wurde. Diese beiden jungen Männer zeigten die größte Aufmerksamkeit für ihn, legten eine hebräische Bibel vor ihn hin, schlugen dieselbe auf, nahmen seine Brille aus dem Futterale, reichten sie ihm und legten ihm ein Kissen in den Rücken. Auch Rachel näherte sich dem Alten voll Ehrfurcht, erkundigte sich nach seiner Gesundheit und fragte, ob sie irgend etwas für ihn thun könne. Ebenso begegnete ihm Simon mit allen Zeichen der Verehrung, und ein Fremder in diesem Kreise würde sich der Ansicht zugeneigt haben, daß er einen Würdenträger der Synagoge oder wenigstens einen Mann von Reichtum und Einfluß vor sich sehe. Dem war indessen nicht so. Der alte Mann war ein Händler mit alten Büchern, der in früheren Jahren in einem kleinen, dumpfigen Laden in Nassau Street gehaust hatte, aber als gelehrter Ausleger des Talmud eines großen Rufes genoß und in allen hebräischen Ueberlieferungen wohl bewandert war. Alter und Gelehrsamkeit begründen eben unter den Kindern Israels jeden Anspruch auf Achtung und Verehrung.

Nachdem die Männer sich um den Tisch gesetzt, rief Rachel die beiden Dienerinnen herbei, welche ebenfalls zum Stamme Jakobs gehörten und neben Rachel am untern Ende des Tisches Platz nahmen; denn da Jehovah keinen Unterschied machte, als er die Erstgeburt in jedem israelitischen Hause verschönte, während er den Erstgeborenen des Pharao ebensogut schlug, wie den des letzten ägyptischen Sklaven, so verstand es sich von selbst, daß am Vorabend des Festes, durch welches man die Erinnerung an jenes Ereignis feierte, Herr und Diener zusammen aßen und beteten.

Jetzt erhob sich Simon, der am obern Ende des Tisches saß, schlug die heiligen Bücher auf und las in hebräischer Sprache den Abschnitt vor, welcher die Gefangenschaft der Israeliten in Aegypten und ihre wunderbare Flucht und Rettung beschreibt. Alle Anwesenden hörten der Vorlesung stehend, mit Ernst und Eifer zu und fielen an einzelnen Stellen in feierlich psalmodierender Weise in den Vortrag ein. Alle schienen sich ihrer Wichtigkeit als Nachkommen des auserwählten Volkes voll bewußt, und die große, einfache Erzählung dessen, was der Herr für ihre Väter gethan, verstärkte nur noch die Empfindung ihrer historischen Würde. Als der erste Teil des Abschnittes zu Ende gelesen war, setzten sie sich zum Mahle nieder, bei welchem es weder gesäuertes Brot noch gegorenen Wein gab. Dennoch war die Mahlzeit eine gute und reichliche. Mazzen, dünne, nur von Mehl und Wasser bereitete Kuchen, dienten als Brot, und der im Hause bereitete Traubensaft hatte den Vorteil, weder den Jungen noch den Alten zu schaden. Der siebenarmige, silberne, mit langen Wachskerzen besteckte Leuchter, das blendend weiße Tischtuch und die symbolische Bedeutung der Geräte und Speisen gaben dem Gedächtnismahle einen patriarchalischen, alttestamentarischen Charakter, und bei dem stark hervortretenden semitischen Typus der Gäste, welcher der Phantasie Vorschub leistete, hätte man glauben können, die Kinder Israels vor sich zu sehen, wie sie das Osterlamm aßen, ehe sie mit Moses nach dem gelobten Lande auszogen, das ihren Kindern verheißen war.

Das Gespräch drehte sich wie gewöhnlich, wenn zwei Juden beisammen sind, um den einen Lieblingsgegenstand. Sie erfreuten sich des ungeheuren Reichtums der Rothschilds, einer Familie, in der sie ganz einfach die oberste, regierende Macht in Europa erblickten, und ein bescheidener Mann, welcher in der achten Avenue mit alten Kleidern handelte, fand den Gedanken, daß diese jüdischen Millionäre den feinsten Europas verbieten konnten, Krieg zu führen, indem sie ihnen das Geld dazu verweigerten, so erhaben, daß ihm vor Entzücken darüber ein Stück Fleisch in die Luftröhre geriet, und man ihn in eine Ecke führen und so lange auf den Rücken klopfen mußte, bis er wieder zu Atem kam. Simon aber vermochte noch lange nicht, dies anziehende Thema fallen zu lassen. Er entwarf ein sehr lebendiges Bild der Situation, wie Rothschild zwei Kaiser, gleich Schulbuben, an der Brust gepackt hatte und ihnen befahl, hübsch artig zu sein, wenn er ihnen nicht das Taschengeld entziehen sollte, oder wie er sie bei den Ohren nahm und schüttelte, sobald es in seinen Kram paßte, die Geldpapiere auf dem Weltmarkt in die Höhe zu treiben. Simon hegte die feste Ueberzeugung, daß Rothschild und sein Geld bei jeder diplomatischen Abmachung und Intrigue die erste Rolle spiele. Alle Fürsten und ebenso ihre ersten Minister, waren ja nur Drahtpuppen in der Hand des großen Mannes. Dann erzählte der alte Buchhändler Baruch Nathan von berühmten Juden, die in vergangenen Jahrhunderten gelebt, selbst die grausamsten Verfolgungen überstanden und es schließlich doch dahin gebracht hatten, ihre Bedrücker zu beherrschen

Als das Mahl zu Ende war, erhoben sich Simon und seine Gäste noch einmal und begannen nun den zweiten Teil des Hagadon, der aus Jubelhymnen und Lobgesängen für die Erlösung aus der ägyptischen Gefangenschaft besteht, in psalmodierender Weise herzubeten. Die meist rauhen und näselnden Stimmen klangen nicht eben harmonisch, aber der Eindruck des Ganzen war demungeachtet ein ernster und feierlicher.

Plötzlich wurde die Andacht durch ein Klopfen an der Thür und das gleichzeitige Anziehen der Vorsaalglocke unterbrochen. Rachel eilte, ohne erst eine Aufforderung abzuwarten, hinaus und war nicht wenig erstaunt, als sie sich einem fremden, ebenfalls sichtlich überraschten jungen Manne gegenüber sah.

»Ich habe ohne Zweifel das Vergnügen, Mrs. Löwenthal zu begrüßen,« sagte der junge Mann mit einer Mischung von Vertraulichkeit und Herablassung. »Mein Name ist Hampton – Walther Hampton. Bitte, sagen Sie Mr. Löwenthal, ich möchte ihn sprechen. Halten wohl gerade Betstunde – Schabbesfeier wollte ich sagen. Heißt es nicht so? Nein? Na, dann bitte ich um Verzeihung – 's war nicht böse gemeint. Thut mir leid, die Andacht, oder was es sonst ist, zu stören – aber ich muß Ihren Eheherrn sogleich sprechen.«

»Sie meinen wohl meinen Bruder,« entgegnete Rachel, ohne daß es ihr gelang, in ganz so hochmütigem Tone zu antworten, wie sie beabsichtigt hatte. »Ich werde es ihm sagen.«

»Sehr verbunden. Aber warten Sie 'mal 'n bißchen. Nehmen Sie meine Karte mit. Wenn ich nur das Etui gleich finden könnte –!«

Langsam durchsuchte Walther seine Taschen, während er die Zeit benutzte, das Gesicht des jungen Mädchens von der Seite zu betrachten. Rachel hatte keine Ahnung, daß das Suchen nach der Karte nur ein Vorwand war, um sie länger festzuhalten. An Geduld und Unterwürfigkeit gewöhnt, stand sie gleich ihrer biblischen Namensschwester in einer Art würdevoller Demut vor ihm und wartete. Während ihres Gesprächs war übrigens das Psalmodieren im Zimmer verstummt. Nur eine einzige zitternde, krähende Stimme hatte noch einige Worte gesungen, ehe ihr Eigentümer bemerkte, daß die übrigen schwiegen. Simon ließ seine patriarchalische Würde plötzlich fallen, als streife er einen Mantel von den Schultern, und als er dem vornehmen Besuch entgegeneilte, krümmte sich sein Rücken und das gewöhnliche einschmeichelnd demütige Lächeln legte sich über sein Gesicht.

»Sehr erfreut, ße ßu sehen, Mister Hampton,« begann er, während er voll Unbehagen das nahe Beisammenstehen der jungen Leute beobachtete. »Mein Gott, wie gut ße aussehen, Mr. Hampton! Ja, das Börsengeschäft is 'n gesundes Geschäft – finden ße nich auch? Die jungen Herren werden dabei fett, ha, ha, ha! Sind verliebt in die ›Maid of Athens‹, Mr. Hampton – machen den Hof der ›Maid of Athens‹ und das bekommt Ihnen gut – wie?«

Es war etwas Krampfhaftes in dieser Vertraulichkeit, die der junge Mann übrigens sehr wenig nach seinem Geschmack fand. Es entging Walther nicht, daß Simon unter diesem gezwungen heiteren Tone ein Unbehagen zu verbergen suchte und zwei Augenblicke später wußte er, daß es die Gegenwart seiner Schwester war, welche den Juden ängstigte. Dies erhöhte nur den Genuß, welchen Walther daran fand, das junge Mädchen anzustarren, und während er Löwenthals Begrüßung erwiderte, ließ er seiner Bewunderung um so unverhohlener den Zügel schießen. Simons Aerger und Qual machte ihm nicht weniger Vergnügen als Rachels Schönheit.

»Ich bin gekommen, um mit Ihnen über einige geschäftliche Angelegenheiten zu sprechen, Mr. Löwenthal,« sagte er von oben herab, ohne auf die Scherze des Juden zu achten, und nachdem sich Rachel auf einen Wink ihres Bruders entfernt hatte, fuhr er unbefangener fort: »Die Sache ist die, Löwenthal, daß ich Sie bitten möchte, mir einige vertrauliche Aufschlüsse zu geben. Vater hat nämlich eine Art, mir gewisse Dinge zu verheimlichen, die mir nicht halb gefällt. So hat er 'was mit Harry Wellingford vor, wohinter ich nicht kommen kann – dieser Wellingford ist übrigens, trotz seiner Vornehmthuerei, ein verwünscht gescheiter Kerl – und ich möchte darauf wetten, der Alte hat Angst vor ihm. Die Geschichte hängt auf die eine oder andre Weise mit der ›Maid of Athens‹ zusammen, aber ich will mich prellen lassen, wenn ich 'rauskriegen kann, was Kopf oder Schwanz davon ist. Sie Löwenthal, sind 'n geriebener Kerl und stehen mit dem Alten in Geschäften, so zu sagen, auf du und du. Das ist sicherlich auch in der Geschichte mit der ›Maid of Athens‹ der Fall. Aber wenn Sie vielleicht 'n hübsches kleines Nadelgeld für Miß – wie heißt die junge Dame, die eben hier war? – verdienen wollen, dann sagen Sie mir, was Harry mit dem Alten in der Sache zu thun hat, und warum er, wenn ihm Harry zu nahe kommt, immer aussieht, als liefe ihm 'was über die Leber. Sie wissen, ich bin Teilhaber der Firma, und Sie begehen keinen Vertrauensbruch, wenn Sie mir reinen Wein einschenken.«

Löwenthal, dessen Aussehen, während Walther gesprochen, mehrmals gewechselt hatte, legte seine Hand vertraulich auf Walthers Arm, zog ihn in eine Ecke und sagte im geheimnisvollsten Tone: »Kommen ße morgen früh gegen elf Uhr zu mer ins Büreau, Mister Hampton. Ich werde Ihnen dort sagen ein Wort oder ßwei.«

»Warum können Sie das nicht heute thun?« fragte Walther ärgerlich.

»Na, Ihnen, als 'nen Freund, kann ich's ja sagen, Mister Hampton, daß wir Juden nicht dürfen sprechen von Geschäften am Tage des Passah.«

»Verwünschte Unverschämtheit!« brummte der junge Mann, als er die Thür hinter sich zugeworfen hatte und seinen Weg über die schlecht erleuchtete Treppe hinab suchte.

»Aber das Mädchen ist 'ne Vollblutschönheit. Denke, ich mache ihr 'mal 'nen Besuch.«

In der That führte er diesen Vorsatz aus, aber die junge Dame war nie für ihn zu sprechen. Ob die Auskunft, welche er am folgenden Tage von Simon empfing, wirklich wertvoll war oder nicht, haben wir nie erfahren können.



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